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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ärztliche Tätigkeit für Polizei



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DoFu
27.01.2011, 23:09
Tach zusammen!
Ich bin´s mal wieder ;-)

Mir bietet sich die Gelegenheit ärztliche Tätigkeiten für die Polizei zu übernehmen.
Dies umfasst neben Blutentnahmen und Leichenschauen u.a. die Prüfung der Haftfähigkeit und ist durchaus lukrativ.
Leider scheint es hier keine genaue Vorgaben zu geben, sodass es jeweils auf eine individuelle Beurteilung hinauslaufen wird.

Hat jemand von Euch Erfahrungen mit solchen Prüfungen?
Eine grobe neurologische Untersuchung ist natürlich selbstverständlich, allerdings kann ich mir vorstellen, dass der Grad zwischen "ok, den kann man vorrübergehend in eine Zelle packen" und "der braucht medizinische Betreuung" sehr schmal sein kann.
Gerade bei extrem alkoholisierten Personen kann das ja durch die Intoxikation selbst oder durch Ausfall der Schutzreflexe schnell mal gefährlich werden.

Hab da ein bißchen Sorge die Situation falsch zu bewerten.

Wie würdet ihr die Sache angehen?

Gruß

emergency doc
27.01.2011, 23:15
Ein guter Maßstab ist bei sowas eigentlich immer die normale alltägliche ärztliche Tätigkeit. Frag Dich: würde ich den Patienten aus meiner Ambulanz mit einem hübschen Brief wieder gehen lassen, oder eher stationär aufnehmen? Schon hast Du einen optimalen und gleichzeitig intuitiven Anhalt, wie Du Haftfähigkeiten bescheinigen kannst.

DundeeMed
27.01.2011, 23:19
Lieber einmal zu viel festgehalten als einmal zu wenig würde ich sagen...

flopipop
27.01.2011, 23:20
ist es das aufgabengebiet der rechtsmedizin?

DoFu
27.01.2011, 23:24
Ein guter Maßstab ist bei sowas eigentlich immer die normale alltägliche ärztliche Tätigkeit. Frag Dich: würde ich den Patienten aus meiner Ambulanz mit einem hübschen Brief wieder gehen lassen, oder eher stationär aufnehmen? Schon hast Du einen optimalen und gleichzeitig intuitiven Anhalt, wie Du Haftfähigkeiten bescheinigen kannst.

Klingt vernünftig!
Bei grenzwertig alkoholisierten Patienten verfolgen wir halt einen Mittelweg. Einfach ein paar Stunden in der Ambulanz liegen lassen, ggf. ne Infusion und wenn´s dann besser ist, Wiedersehn.
Dieses Mittelding lässt sich ja mitten in der Nacht auf der Wache nicht realisieren. Da gibt´s nur haftfähig oder Krankenhaus.

Natürlich sollte man sich im Zweifelsfall für die sichere Variante entscheiden.
Bei Mischintoxikationen und/oder harten Drogen sowieso, da ist mir dann egal ob´s die Beamten nervt.

Hast Du Erfahrungen mit diesen Haftfähigkeitsprüfungen oder war das jetzt nur eine theoretische Herangehensweise?

emergency doc
27.01.2011, 23:33
Ich bin schon oft als Ambulanz- bzw. Notarzt mit solchen Anfragen der Polizei konfrontiert worden. Man sollte da IMHO völlig wertfrei rangehen. Wenn der Patient konkret medizinische Behandlung braucht, ist er nicht haftfähig. Wenn nicht, eben doch. Wenn man sich unsicher ist, kann man auch eine Vorstellung in einer Ambulanz nach Wahl (Innere, Neuro, Chirurgisch etc.) empfehlen, die Empfehlung "Vermutlich haftfähig, wenn die 15cm lange Schnittwunde am Oberschenkel genäht ist!" sieht meiner Erfahrung nach jeder Polizist ein. Die sind auch viel weniger drängend oder tendenziös, als Dir viele möglicherweise erzählen wollen.

DoFu
27.01.2011, 23:39
Klingt schon wieder sinnvoll! ;-)
Vielen Dank für Deine Hilfe!

mainzer
28.01.2011, 00:15
my 2 cents:
kenne vom hörensagen einen fall in dem eine internistin jemanden der offensichtlich alkoholisiert war für die polizei haftfähig geschrieben hat....dumm nur, dass dieser später mit subduralem hämatom tot in der zelle lag...ist ihres lebens wohl nicht mehr glücklich geworden...

dies soll keinesfalls dramatisieren sondern vielmehr den schmalen grat von dem du selbst gesprochen hast exemplarisch verdeutlichen...wäre hier auf jeden fall sehr vorsichtig...
haftpflicht-versicherung abchecken ob die das mit abdecken..!

glücksdrache
28.01.2011, 06:09
Hallo,

ich denke ,daß man alles ausschließen sollte, was schädlich wäre. Bei seltsamen Alkis mach ich ein Schädel CT und sage damit, daß er zum Zeitpunkt der Verhaftung haftfähig war.
Es ist doch manchmal die Frage, was besser ist.
So jemanden auf die periphere Station ? Dort sind schon Schwestern angegriffen worden. Und fixieren ? Die Fixationsgurte sind lächerlich.
Auf die Intensiv und den besten mit Diazepam oder Propfol und sonstwas abschießen, damit er nicht die Monitore zerstört ?
Wenn ich mir sicher bin, daß der sonst nachts eh weglaufen würde und Krawalle macht und mich versucht zu schlagen, dann geht er mit der Polizei mit.
Bis dann,
Drache

Medimatze
28.01.2011, 07:30
Also ich bin seit 3 Jahren Vertragsarzt der Polizei und kann dir folgendes sagen.
Ich schreibe grundsätzlich niemanden haftfähig -die Verantwortung die du für jemanden übernimmst den du 5 Minuten kennst ist zu groß. Wenn Alkohol oder Drogen im Spiel sind schon mal garnicht. Egal wieviel. Mit Grunderkrankungen und Medikamentenpflicht auch schon garnicht. Praktisch jeder Patient den ich zu gesicht bekommen habe, hatte eine körperliche Auseinadnersetzung mit der Polizei -also stumpfe Gewalteinwirkungen. Die siehst du nicht. Es hat immer einen (rechtlichen) Grund warum die Polizei dich dazuholt. Sie wollen die Verantwortung abgeben. Und das aus gutem Grund. Sie holen dich ja nicht für jeden der ne Nacht oder länger in den Keller geht. Also kannst du grundsätzlich davon ausgehen dass irgenderwas vorliegt. Daher mein Tipp: Einweisung ins Krankenhaus mit T-Schein und der Aussage: "wenn da alles okay ist, dann können sie ihn wieder mitnehmen". Das nervt zwar alle Beteiligten, bringt dich aber rechtlich ins Trockene. Für die paar Euros ist die Verantwortung zu groß. Ich schreibe niemand haftfähig!!! Der Platz auf dem Bogen für Befund und Untersuchung ist so kurz, dass du gerade mal schreiben kannst was passiert ist. Zudem brauchst du eine gute Privathaftpflichtversicherung wo solche Tätigkeiten mitversichert sind. Das ist extrem wichtig!!! Übrigens ähnliches gilt auch für Leichenschauen. NIEMAND stirbt hier natürlichen Todes. Das mach ich grundsätzlich nicht. Also immer "nicht geklärt", Kripo dazu und fertig. Grundsätzlich. Das sage ich schon bevor ich vor Ort bin. Ich kann dir genügend Beispiele nennen wo Leute ihre Zulassung verloren haben und sogar Haftstrafen bekommen haben. Eine Leichenschau ist auch garnicht so simpel. Du musst unglaublich viele Dinge beachten. "Natürlich" gibts für mich nicht. Das fängt schon mit der Identifikation der Person an. Welche Omma sieht noch so aus wie auf ihrem Führerschein/Passbild?! Oft kannst du nicht mal sicher sagen, ob der Tote auch der ist von dem du meinst dass er es ist. Dieses ganze Polizeizeugs ist letzlich auch nicht sooo gut bezahlt. Für eine Leichenschau kannst du so rund 80Euro abrechnen. Für eine Blutentnahme 40-80Euro nach Uhrzeit und für ne Einweisung 40-60Euro. Das musst du noch versteuern.

Also ich brauche 3 Minuten zur Polizei. Dann nehme ich Blut ab und bin nach 10 Minuten wieder im Bett. Dafür ist das Geld okay. Leichenschau geht immer ab einer Stunde. Einweisung dauert auch meistens länger. Daher ist klar WAS von alledem ich hier mache. Das weiss auch die Polizei.

Medimatze
28.01.2011, 07:36
Hallo,

ich denke ,daß man alles ausschließen sollte, was schädlich wäre. Bei seltsamen Alkis mach ich ein Schädel CT und sage damit, daß er zum Zeitpunkt der Verhaftung haftfähig war.
Es ist doch manchmal die Frage, was besser ist.
So jemanden auf die periphere Station ? Dort sind schon Schwestern angegriffen worden. Und fixieren ? Die Fixationsgurte sind lächerlich.
Auf die Intensiv und den besten mit Diazepam oder Propfol und sonstwas abschießen, damit er nicht die Monitore zerstört ?
Wenn ich mir sicher bin, daß der sonst nachts eh weglaufen würde und Krawalle macht und mich versucht zu schlagen, dann geht er mit der Polizei mit.
Bis dann,
Drache

Mit einem CCT sagst du eben NICHT aus dass jemand zum Zeitpunkt der Verhaftung haftfähig war. Im Gegenteil. Man wird dir die Frage stellen warum du ein CCT gemacht hast. Ein unauffälliges CCT macht NIEMANDEN haftfähig!!!
Jemand der Krawall macht und wegläuft soll bitte weglaufen. Einen Teufel würde ich tun und ihn mit der Polizei als "haftfähig" wegschicken. Das wird dir im Fall eines Prozessen als grob fahrlässig ausgelegt -wenn mit dem Patienten irgendetwas passiert kannst du deine Approbation in die Tonne kloppen. So jemand gehört dann entweder auf Intensiv, oder du lässt ihn weglaufen und rufst nachdem er "unbemerkt" entkommen konnte die Polizei und meldest das und dokumentierst das auch noch gut. NIEMAND wird haftfähig geschrieben. Als Nicht-Facharzt schon garnicht!!!

DoFu
28.01.2011, 11:45
@Medimatze:

Vielen Dank für die nützlichen Hinweise!

Wie ist das denn mit der Einweisung ins KH?
Ich bin kein Facharzt, habe also folglich keine Kassenzulassung. Darf ich in diesem Fall einen T-Schein ausfüllen? Oder ist in diesem Fall gar nicht die Krankenkasse sondern das Bundesland der Kostenträger?

Hier schließt sich gleich die nächste Frage an:
Ist ein T-Schein sowie die Todesbescheinigung auch ohne Stempel, also nur mit Unterschrift gültig?
Habe natürlich bisher nur mit dem Stempel meines Hauses gearbeitet, nen eigenen hab ich gar nicht.

Nachtrag:
Wird bei Euch das Vacutainer-System verwendet oder Monovetten?
Habe mit Vacutainer bisher gar keine Erfahrung.

emergency doc
28.01.2011, 23:04
Wenn ich sowas schon höre...:-???
Medimatze, sag mal, bist Du einer jener Internisten, bei denen jeder stationär aufgenommen wird, auch wenn er nur mit Schnupfen in Deine Ambulanz kommt?
Ich kann die dämliche Mär von "mit einem Bein im Gefängnis" etc. nicht mehr hören, welcher Deiner Oberärzte hat Dich in Deiner Ausbildung so verängstigt?
Sei mal ehrlich, wie viele Leute kennst Du wirklich, die ihre Zulassung verloren haben oder sogar Haftstrafen bekommen haben?
Leute!!! Kommt mal auf den Boden!!! Da ist grade ein Chirurg freigesprochen worden, der seine Patienten statt mit Desi mit frisch gepresstem Zitronensaft wundbehandelt hat!!! Dabei sind mehrere Patienten gestorben!!! Und ihr macht euch wegen sowas in die Hose? Wie überlebt ihr eigentlich im Alltag?
Ich will mal eine kurze Geschichte erzählen, wie ich den fachlichen Respekt vor einem mir bis dahin als lieben und kompetenten Kollegen bekannten Internisten vollends verlor:
Er kam im gemeinsamen Dienst gegen Nachmittag zu mir, und erzählte mir von seinem letzten Notarzteinsatz. Ein Mann hatte den Rettungsdienst gerufen und erzählte, seine Freundin hätte sich von ihm getrennt, und er sei deswegen seit dem Morgen in Hungerstreik getreten. Jetzt fühle er sich schwach.
ich lachte gemeinsam mit ihm über diesen Spinner. Dann fragte ich: "Und? Haste ihn angeschnauzt oder so?" und mein Kollege sagte entsetzt: "Nein, den hab ich mitgenommen! Weisst ja nicht was der so hat, Elektrolyte, Kalium, Exsikkose etc."

Versteht ihr worauf ich hinaus will? Ihr seid NICHT für alles verantwortlich, solange ihr die im üblichen Verkehr notwendige Sorgfalt anwendet. Wenn ihr bei einem Vorgestellten keinen Hinweis für Pathologien bzw. behandlungsbedürftigkeit findet und das so dokumentiert, wird euch NIEMAND was anhaben können.
Habt einen Arsch in der Hose! Das gehört zum Arztsein dazu!

Die Geschichte mit den Leichenschauen ist ähnlich gelagert, würde her aber den Rahmen sprengen, das auch auszudiskutieren. Nie einen natürlichen Tod auszustellen geht GAR nicht. So jemand sollte sich überlegen, ob er beruflich das richtige macht.
:-meinung

emergency doc
28.01.2011, 23:08
Mit einem CCT sagst du eben NICHT aus dass jemand zum Zeitpunkt der Verhaftung haftfähig war. Im Gegenteil. Man wird dir die Frage stellen warum du ein CCT gemacht hast. Ein unauffälliges CCT macht NIEMANDEN haftfähig!!!

Hier stimme ich Dir insoweit zu, als daß jemand, der so intoxikiert ist, daß ich ein CCT zum Ausschluß einer ICB o.ä. anfertige wohl generell nicht haftfähig sein kann, auch bei unauffälligem Befund, schon allein wegen der offensichtlichen Schwere seiner Intoxikation.

Alzheimer
28.01.2011, 23:17
@ emergency doc
Wenn ich die Verantwortung nicht tragen muss und diese an den Arzt abgeben kann ist es leich große Sprüche zu klopfen. Anders sieht es aus, wenn man als NA keinen hat der einem dieVerantwortung abnimmt. Ich persönlich bin im NA- Dienst auch sehr zurückhaltend mit dem Bescheiningen des natürlichen Todes. Wenn ich mir unsicher bin kreuze ich ungeklärt an und das großzügig. Ich kenne den Patienten nicht und daher kann ich meist nicht mit Sicherheit sagen ob er eines nat. Todes gestorben ist.
Alkoholisierte Pat. werden bei uns großzügig durchs CCT geschoben, wenn ein Trauma nicht auszuschließen ist. Nachdem mal eine ICB übersehen wurde und der Pat. verstorben ist wird ein alkoholisierter Pat. zunächst auf der Intensiv beobachtet und geht nicht auf Normalstation.

emergency doc
28.01.2011, 23:29
Hallo Alzheimer.
Ich bin nicht ganz sicher, ob ich all Deine Aussagen richtig interpretiere, aber lass mich Folgendes sagen: Mich störte die Aussage von Medimatze, er würde generell keine natürliche Todesursache bescheinigen. So etwas ist IMHO unärztlich da dogmatisch. Zu ärztlichem Handeln gehört für mich, daß ich versuche mir ein umfassendes Bild von der Situation zu machen, und dann entscheide. Wenn ich mir kein Bild machen kann, oder Fragen offen bleiben, ist die Entscheidung für eine unklare Todesursache natürlich die Richtige.
Wie würdest Du folgende Aussage beurteilen: "Jeder der Brustschmerzen hat bekommt bei mir einen Herzkatheter. Brustschmerzen ohne Herzkatheter gibt es bei mir nicht. Wenn Du keinen Herzkatheter machst und der Patient stirbt hinterher bist Du Deine Zulassung los."
Für mich kling sowas idiotisch.
Warum sollte es bei Todesfeststellungen, Haftfähigkeitsbescheinigungen etc. anders sein?

Alzheimer
29.01.2011, 12:22
@ emergency doc
Gut, dann habe ich dich missverstanden:-keks.

emergency doc
29.01.2011, 22:32
Mnjam... lecker der keks...:peace:

glücksdrache
30.01.2011, 08:10
Hallo,
ich habe auch nicht gesagt, daß ich jemaden mit nem GCS von 8 durch das CT schiebe und der Polizei liegend in die Arme drücke.
Aber wenn jemand offensichtlich gut dabei ist, aber die gesamte Ambulanz verkloppen und eben nicht gehen will, dann mache ich das eben so.
Außerdem findet die Polizei die Leute hier in der Regel und dann ?? Nochmal laufen lassen und warten ? Oder abschießen und auf die Intensiv ? Ist ja nicht so, daß noch kein Alki mal nen anderen Patienten geschlagen hätte.

Bis dann,
Drache

Medimatze
31.01.2011, 17:23
Habt einen Arsch in der Hose! Das gehört zum Arztsein dazu!


Nehme an du fährst auch Notarzt und machst täglich Leichenschauen. Eine Leichenschau von dir würde ich mir mal gerne ansehen. Wo hast du das denn gelernt?! Jetzt sag nicht an der Uni.

Wazu brauche ich einen "Arsch in der Hose" wenn ich Verstand habe?! Jeder macht das was er verantworten kann. Wenn du da großzügig bist bitte. Meine letzte Leiche hat 2 Tage in der Badewanne gelegen, die davor hockte steif unter einem Busch, davor eine alte Oma die sicher schon 3 Wochen in ihrer Wohnung völlig verwarlost war. Wo sind die Gründe von natürlich. Der Amtsarzt kommt übrigens immer nach dem Notarzt -der sich ja auch schon nicht sicher war. Ich bleibe dabei!