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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Notfall im Flugzeug



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Rico
15.02.2011, 20:51
Im Ärzteblatt Baden-Württemberg ist ein meiner Meinung nach lesenwerter Artikel über Notfälle in Flugzeugen (Link zum PDF (http://www.aerztekammer-bw.de/aerzteblatt/archiv/2011/Aerzteblatt_Baden-Wuerttemberg_02-2011.pdf), ab Seite 13) und ihre Behandlung durch zufällig mitreisende Ärzte.

Fand ich ganz interessant, zum einen, weil es die rechtlichen Aspekte kurz aufgegriffen hat (insbesondere Dinge zum Arzthaftung) und einige Notfälle an Bord kurz angerissen hat, die eben vorwiegend an Bord eines Flugzeugs vorkommen und die man deshalb vielleicht eher nicht so im fluiden Wissen hat.

Und cool fand ich auch den Arzt, der einen Spannungspneu mit einem Kleiderbügel, einem Blasenkatheter und einer Wasserflasche behandelt (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2550436/pdf/bmj00604-0038.pdf) hat. Respekt.:-notify

Relaxometrie
15.02.2011, 23:11
Danke für die Hinweise, Rico.
Der Ärzteblattartikel ist zwar simpel gehalten, was die rein medizinischen Aspekte angeht, aber man kann das ja als Grundlage nehmen, sich weitergehend zu informieren, wenn man möchte. Den englischen Artikel habe ich noch nicht fertig gelesen.

Die rechtliche Frage scheint sich ja sowohl im US-Recht, als auch bei Lufthansaflügen ("Enthaftungserklärung"), entspannt zu haben. Demnach ist man nur noch für absichtlich falsche Hanldungen und für grobe Fahrlässigkeit haftbar zu machen, wenn man an Bord medizinische Hilfe leistet. Aber ob das im Fall der Fälle wirklich so komplikationslos läuft, wie in dem Artikel dargelegt? Es wäre wünschenswert, aber der Begriff "fahrlässig" ist dehnbar. Oder sehe ich das zu düster?

Relaxometrie
16.02.2011, 00:05
Ok, zu dem englischen Artikel:
Hinterher ist man immer schlauer, und ich möchte nicht meckern. Und die Anlage der Thoraxdrainage ist unter den Umständen und mit den Materialien wirklich genial!
Aber der erste Arzt-Patienten-Kontakt hat noch vor dem Start der Maschine stattgefunden. Bei stattgehabtem Motorradunfall mit einer Fraktur am Arm hätte man die Patientin zumindest darauf hinweisen sollen, daß sie sich durch das Antreten des Langstreckenfluges in (Lebens-)gefahr bringt, solange weitere Verletzungen nicht ausgeschlossen werden. Einen Flug hatte sie ja eh schon verpasst. Dann hätte sie sich auch noch die Zeit nehmen können, sich in einem Hong Konger Krankenhaus untersuchen zu lassen.

cekibe
16.02.2011, 11:25
Schöner Artikel, vor allem die rechtliche Betrachtung ist interessant. Von einem Kumpel, der Jura studiert, bekam ich mal folgenden Satz zu hören: "Als Mediziner bist du doch sowieso immer mit einem Bein im Gefängnis..." Natürlich überspitzt, aber ein Funken Wahrheit ist schon dran.

Sebastian1
16.02.2011, 11:38
Danke für den Link, Rico, schöner Artikel. Und sehr einfallsreich, den Pneu auf diese Art und Weise zu entlasten; ich bezweifele, dass mir die Wasserschlosskonstruktion gelungen wäre...

alex1
16.02.2011, 13:50
Ich hatte persönlich einen kleinen "Notfall" im Flugzeug erlebt auf einem Flug ca. 3 Wochen nach meiner Approbation :-notify



Es wurde dann angefragt ob ein Arzt im Flugzeug sass und nachdem nach etwa einer Minute keiner aufgestanden ist, habe ich mich dann gemeldet. Ich fand's etwas komisch so früh nach der Approbation schon handeln zu müssen und wusste auch nicht was mich erwartet.

Es war weniger schlimm als ich dachte...
Eine Stewardess hatte sich eine Unterarverletzung hinzugezogen, als sich einer der Service Carts von seiner Verankerung gelöst hatte und ihr entgegengefahren ist.

Ob es eine richtige Fraktur weiss ich nicht, der Unterarm war sehr blau und sie konnte ihren Ellbogen nicht strecken. Wir haben den Unterarm gekühlt und mit einer do-it-yourself-Schiene halbwegs stabilisiert und leicht verbunden. Etwas Ibuprofen hat sie dann auch gekriegt. Der Pilot kam nach hinten und hat sich das angeschaut.
Dann haben wir eine Priorität zum landen in München gekriegt (unser Zielflughafen) und am Gate haben Sanitäter auf die Stewardess gewartet.

Das ganze Personal war sehr höflich und froh jemanden da zu haben. Sie wären auch ohne Arzt klargekommen, aber ich glaube das Gefühl ist einfach besser, wenn jemand klare Anweisungen gibt, was zu tun ist und was nicht.

Leelaacoo
17.02.2011, 00:10
Einer meiner Oberärzte war mal zu einer Fortbildung nach Washington unterwegs...im Flugzeug kollabierte eine Person...er und eine amerikanische Ärztin meldeten sich auf die Frage nach einem Arzt an Bord...er durfte nicht ran, da er seinen Arztausweis nicht dabei hatte...sie als Psychiaterin versuchte dann eine Viggo zu legen, frustran...die Amis spinnen manchmal...:-nix

LG Lee

epeline
17.02.2011, 00:25
also darf dann, wenn kein arzt an bord ist, niemand was machen???

Leelaacoo
17.02.2011, 07:50
also darf dann, wenn kein arzt an bord ist, niemand was machen???

Hmm...prinzipiell ist ja jeder (zumindest bei uns) zu Erster Hilfe verpflichtet, jedoch nach seinen Möglichkeiten, sonst ist es unterlassene Hilfeleistung. In dem Fall hat das Bordpersonal wohl entschieden, die Dame wäre "ärztlicher" als ein Internist ohne Arztausweis...wenn sie nicht da gewesen wäre...keine Ahnung, ob er hätte ran dürfen...da es sich nicht um einen deutschen Flug handelte, weiß ich leider nicht, in welche haftungsproblematik man sich damit begibt.

Lustig war der Rückflug von einem Diabetologenkongress in Hamburg vor 4 Jahren...fast die gesamte Air-Berlin-Maschine war voll von Diabetologen...und nun (ich weiß, es klingt echt unglaubwürdig, aber ich saß mit drin) hatte eine Dame tatsächlich eine Hypo (ohne Bewußtseinsverlust wohlgemerkt, war schnell erledigt mit Apfelsaft)...man kann sich das Gedränge kaum vorstellen:-oopss:-D Dass man ihr nicht noch eine Schulung samt Umstellung der Insulintherapie zukommen ließ war auch schon alles:-))

(Und der Kommentar eines Kollegen, der meinte, sollte dieses Flugzeug abstürzen, wäre die gesamte süddeutsche Diabetologie quasi tot...einige der anderen Passagiere, die nebenean saßen, fanden das garnicht lustig...)

LG lee

SuperSonic
17.02.2011, 08:46
Ich hab mal einen anderen Artikel über Notfälle im Flugzeug gelesen, da stand - wenn ich mich recht erinnere - dass wirklich nur Ärzten die medizinischen Notfallkoffer überlassen werden. Irgendeinen Legitimationsnachweis muss man dem Bordpersonal schon erbringen, nicht nur für den Zugang zu den Notfallmedikamenten, sondern auch zu den Utensilien wie Braunülen, Intubationsbesteck und Zubehör für andere invasive Maßnahmen. Einen Verbandskoffer hingegen wird wohl jeder im Notfall benutzen dürfen, auch im Flugzeug.

katti4
17.02.2011, 08:57
Arztausweis??? Ich bin selber Flugbegleiterin(bald nicht mehr:-dance) und habe noch nie gehört, dass wir das überprüfen müssen. Die meisten meiner Kollegen sind froh, wenn sich jemand freiwillig meldet. Aber bei den Amis läuft ja auch einiges anders;-)

Ach ja und zum Doctor´s Kit(darin enthalten sind Intubationsset, Blutdruckmessgerät, Stetoskop, Blutzuckermessgerät, Braunülen, Butterfly, diverse Medikamente usw.) selber hat jeder Zugriff der eine medizinische Ausbildung hat, auch RS, RA, Krankenschwestern etc. Einzig das Ampullenset darf nur von einem Arzt geöffnet werden.

Rico
17.02.2011, 13:25
Einer meiner Oberärzte war mal zu einer Fortbildung nach Washington unterwegs...im Flugzeug kollabierte eine Person...er und eine amerikanische Ärztin meldeten sich auf die Frage nach einem Arzt an Bord...er durfte nicht ran, da er seinen Arztausweis nicht dabei hatte...Ich reiss mich ja auch nicht darum unbedingt zur Rettung zu eilen, aber in der Situation (kollabierter Patient, Kollegin kriegt keinen Zugang rein) hätte ich darauf bestanden, dass die Flugbegleiterin mir schriftlich bestätigt, dass sie mir die Durchführung ärztlicher Hilfe verweigert. :-???

Leelaacoo
17.02.2011, 13:33
Ich reiss mich ja auch nicht darum unbedingt zur Rettung zu eilen, aber in der Situation (kollabierter Patient, Kollegin kriegt keinen Zugang rein) hätte ich darauf bestanden, dass die Flugbegleiterin mir schriftlich bestätigt, dass sie mir die Durchführung ärztlicher Hilfe verweigert. :-???

Ich weiß nicht genau, wie er darauf reagiert hat, aber ich kenne ihn als sehr verantwortungsvollen und korrekten Arzt...man habe ihm wohl deutlichst zu verstehen gegeben, dass er nicht ran darf...:-nix Werd ihn mal nächste Woche fragen, wie es genau weiterging.

LG Lee

Gersig
17.02.2011, 13:36
Bei der Lufthansa "lohnt" sich Retten wieder, siehe hier (http://www.medi-learn.de/medizinstudium/foren/showthread.php?t=35505&highlight=lufthansa+meilen) :-top

LieberInvasiv
17.02.2011, 14:30
also darf dann, wenn kein arzt an bord ist, niemand was machen???

Nö, Freund von mir (RettAss) hat auf nem Transatlantikflug auch schon mal nen Notfall managen müssen, weil scheinbar kein Arzt an Board war.
Das ging ohne Probleme und das Doctor's Kit haben sie ihm auch anstandslos überlassen.
Denke das kommt auf die Situation und das Auftreten der Person an.... denn wie schon gesagt wurde, meist ist das Personal froh, dass überhaupt jemand da ist und weiß was zu tun ist.

Relaxometrie
17.02.2011, 15:02
Irgendeinen Legitimationsnachweis muss man dem Bordpersonal schon erbringen
Je kritischer der Zwischenfall im Flugzeug ist, desto eher sollte man sich fragen, ob man nicht auch mal Abstand von der ewigen Bürokratie nehmen sollte.

epeline
17.02.2011, 16:13
Nö, Freund von mir (RettAss) hat auf nem Transatlantikflug auch schon mal nen Notfall managen müssen, weil scheinbar kein Arzt an Board war.
Das ging ohne Probleme und das Doctor's Kit haben sie ihm auch anstandslos überlassen.
Denke das kommt auf die Situation und das Auftreten der Person an.... denn wie schon gesagt wurde, meist ist das Personal froh, dass überhaupt jemand da ist und weiß was zu tun ist.

denk ich ja auch
aber meine frage bezog sich eigentlich ausschließlich auf leelaa's beitrag

WackenDoc
17.02.2011, 17:09
Hatte zwar bisher noch keinen Notfall in der Luft- bin aber mal zwischen Polizei und Rettungsdienst an nen VU gekommen.
Die vom Rettungsdienst waren völlig entspannt und haben mir geglaubt, dass ich Ärztin bin (ok- lag vielleicht an der Uniform- aber wer kennt sich damit schon so wirklich aus).
Die waren froh, dass die für die Analgosedierung nicht nen Notarzt nachfordern mussten. Bin mit denen noch in´s Krankenhaus gefahren, hab brav das Protokoll ausgefüllt, meine Daten drauf hinterlassen und gut war.
Nur die Polizisten waren etwas verwirrt.

In der Luft kommt es sicher auf den Einzelfall an.

Tigerettes15
02.03.2011, 21:39
Ich hatte auf einem Flug von Dallas nach London auch gleich 2 Notfälle (ein paar Monate nach dem Examen). Beim ersten stand ich eher zufällig in der Kloschlange an, als sah, dass die Stewardess jemanden am Boden zufächerte, die kollabiert war und ich fragte ob ich irgendwie helfen konnte. Die Patienten war auf ihrer Hochzeitsreise, viel Stress nix gegessen und dann beim Geruch des Essen kollabiert...nix dramatisches. Die Stewardess notierte sich noch meine Sitznummer, falls noch was ist. Nach 2 Stunden kam sie dann zu meinem Sitz und fragte mich ob ich nochmal helfen konnte. Sie haben ne Frau die kollabierte, kurz nicht mehr atmetet..da musste ich erstmal schlucken. Als ich dann hinten angekommen war im Flugzeug, lag die (etwas übergewichtige Amerkanerin) schon wieder einigermaßen wach da. Hab sie dann noch richtig gelagert. Nach Erkrankungen gefragt (sie hatte wohl öfter, Synkopen, fragliche Arrhythmien)...beiden waren dick geschwollen aber keine Thrombosezeichen, Blutzucker gemessen. Naja jedenfalls wars ne einfache Synkopen nach zu langem Sitzen und raschem Aufstehen. Hab ihr was zu trinken gegeben, lagern, ein paar Crackers zu essem etc....

Die Stewardess meinte nur sie ist schon 25 Jahre Stewardess und erste heute hatte sie nen Notfall und dann gleich zwei. Sie notierte sich noch meine Adresse und was ich für ne Ärztin ich bin...wollte meine Doktornummer (gibs ja so bei uns in Dtl. nicht)....wär schon gewesen, wenn sie die Daten für nen Upgrade für meinen nächsten Flug genutzt hätten, aber nix da :o(

LolaBlau
03.03.2011, 20:22
Ich bin mit meinem Freund nach unserem Examen nach Australien geflogen (mit Qantas). Die suchten auch medizinisches Personal, da hat uns keiner nach nem Ausweis oder so gefragt. Viel machen konnte man da oben eh nicht und die diagnostischen Möglichkeiten sind ja auch arg begrenzt da oben (Flugzeugmotoren sind ganz schön laut...). Da war ne alte Frau die vielleicht ne Lungenembolie hatte (alte Frau, ganzen Flug nicht bewegt, kaum was getrunken (war wohl die ganze Zeit nen bisschen übel), Dyspnoe, atemabhängige Thoraxschmerzen.. aber Blutdruck war eher zu hoch).
Aber die Stewards waren unglaublich nett und bemüht und wir durften den Rest des Fluges in der Buisnessclass verbringen (waren noch 5 Stunden). :)