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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Schweizer Spital "verleiht" nicht promovierter Ärztin aus Imagegründen den "Doktor"



habichnicht
05.03.2011, 12:38
Ein Schweizer Spital hat eine nicht promovierte Ärztin aus Imagegründen gegenüber Patienten, in Dokumenten und auf der Spitalshomepage als Dr. med. geführt: :-dance

http://bazonline.ch/panorama/vermischtes/rztin-mit-falschem-Doktortitel-/story/24297466



Mit den Recherchen des TA [=Tagesanzeiger] konfrontiert, verwies die Ärztin gleich an die Klinikleitung, die nach einer längeren Sitzung den Titelschwindel einräumte.[...]

«Wir haben uns entschieden, ihr Namensschild intern mit der Bezeichnung‹Dr.› zu versehen. Dies nicht im Sinne eines akademischen Titels, sondern einer Berufsbezeichnung, damit man sie vom Pflegepersonal unterscheiden kann», sagt Klinikdirektorin Anneliese Seiler.

S. H. ist am 1. Januar 2008 als stellvertretende Oberärztin am Spital Laufenburg eingestellt und mittlerweile zur Oberärztin in der Abteilung Chirurgie befördert worden.

Ob die Ärztin über die nötigen Qualifikationen für den Job verfügt, ist unklar.

Laut dem Ärzteverzeichnis der Schweizerischen Ärzteverbindung FMH hat S. H. bereits 1997 in Zürich ihr Staatsexamen abgelegt. Doch über den Titel «Facharzt Chirurgie» verfügt sie laut FMH noch nicht. Klinikdirektorin Seiler sagt, S. H. habe die Facharzt-Prüfung bereits bestanden. Es fehle nur noch eine «Publikation» bis zur Eintragung als Facharzt ins Register der FMH. Bloss: Eine Dissertation hat sie dennoch nie publiziert, weswegen ihr das Führen des Doktortitels nicht zusteht.

Titel auch auf der Website

Anders als von Klinikleiterin Seiler dargestellt, ist S. H. nicht nur intern gegenüber bestehenden Patienten als «Doktorin» bezeichnet worden. So hat die Klinik S. H. auch auf der Website des Fachbereichs Chirurgie öffentlich als «Dr. S. H., Oberärztin» bezeichnet. [...]

Coole Begründung:

«Wir haben uns entschieden, ihr Namensschild intern mit der Bezeichnung‹Dr.› zu versehen. Dies nicht im Sinne eines akademischen Titels, sondern einer Berufsbezeichnung, damit man sie vom Pflegepersonal unterscheiden kann»,

Keenacat
05.03.2011, 13:37
Ich dachte immer, das wären die Österreicher, wo jeder mindestens Doktor und im Zweifelsfalle auch Oberprofessorialrat ist. ;-)

airmaria
05.03.2011, 13:45
dieser titelschummel ist in der schweiz gang und gäbe, zumindest was die arztbriefe etc. angeht: da wird häufig automatisch "dr. med." bei den ärzten ausgeworfen, auch wenn sie den titel nicht haben. mein kollege hat damals regelmässig diese buchstaben beim unterschreiben der austrittsberichte weggestrichen, weil es sich in der software angeblich nicht anders hat einrichten lassen.
airmaria

Relaxometrie
05.03.2011, 13:55
Wie ist denn das korrekte Vorgehen in der Schweiz? Nach dem, was ich in diesem Thread gelesen habe, scheint es so wie in D zu sein:
Man bekommt den Dr.-Titel nicht automatisch, sondern muß ihn sich durch eine freiwillig anzufertigende Dissertation erwerben. Wieviele schweizer Ärzte haben in etwa einen (echten :-notify) Dr.Titel? Ist dieser ähnlich leicht/schwer, wie in D zu erwerben? Hier haben wir ja von Literatur-/Aktenarbeiten, bis hin zu experimentellen Arbeiten, alle Varianten, die man für die eigene Diss wählen kann. Wie ist das in CH?

Kackbratze
05.03.2011, 13:59
Vielleicht sollte Herr Guttenberg sich in der Schweiz in die Politik wagen.
Da käme er vielleicht sogar noch zu einem Prof. im Briefkopf.

airmaria
05.03.2011, 14:05
Wieviele schweizer Ärzte haben in etwa einen (echten :-notify) Dr.Titel? Ist dieser ähnlich leicht/schwer, wie in D zu erwerben? Hier haben wir ja von Literatur-/Aktenarbeiten, bis hin zu experimentellen Arbeiten, alle Varianten, die man für die eigene Diss wählen kann. Wie ist das in CH?
ähnlich wie in D, also kein berufsdoktorat wie in A. es soll etwas leichter sein, als in D, wobei diese betrachtungsweise relativ ist und häufig von denen propagiert wird, die eine vermeintlich qualitativ wertvollere dissertation abgeliefert haben möchten...
wie auch immer, in der schweiz (zumindest in basel) ist bologna umgesetzt, hier werden inzwisch zusätzlich bachelor- und masterarbeiten verlangt, eine dissertation ist mit einem anschliessenden doktoratsstudium von mindestens 2 semestern verbunden, welche erst nach abschluss des medizinstudiums begonnen werden können (man kann mit der forschungstätigkeit jedoch schon während des medizinstudiums anfangen).
unterschied zu d: für manche facharzttitel (für alle? das weiss ich nicht) braucht es obligatorisch eine dissertation, wodurch der prozentsatz absolvierter dissertationen höher als in D sein dürfte.
airmaria

Schimmelschaf
05.03.2011, 17:18
In der Schweiz gibt es haufenweise falsche Dr. - Titel. Gerade hier in der Umgebung sind mir von einem grossen Spital einige Fälle bekannt. Da bekommen die Ärzte halt einen Doktor damits einfach auch besser und seriöser aussieht. Bisher hat sich niemand darum geschert. Finde diesen Artikel überflüssig und absolut nichtssagend. Aber naja.. Das kommt halt davon, wenn in der BAZ die Führungsetage umgewürfelt wird und einige gute Journalisten rausgeworfen werden.

lomé
06.03.2011, 16:08
in der franzoesischen und italienischen schweiz wird das ganze übrigens noch viel, mmh, wie soll ich sagen, pragmatischer gehandhabt - jeder ist da doktor auf dem namensschild (aber nicht dr.med.), was weder die falschen noch die echten doktoren und schon gar nicht die patienten stört - die einzigen, die sich darüber aufregen sind ärzte mit doktortitel aus der deutschschweiz oder aus deutschland, die sich ungerecht behandelt fühlen.

den artikel habe ich auch in einer anderen zeitung noch gelesen und finde es auch etwas reisserisch - bloss weil jetzt da diese geschichte mit guttenberg war interessieren sich die leute überhaupt dafür.

naja.

liebe grüsse lomé

(dort wo ich studiert habe konnte man bis jetzt die dr.-arbeit schon während dem studium machen, aber den titel erhält man schon erst nach dem staatsexamen - jetzt wird auch das system umgestellt und ich glaube es wird jetzt schwieriger - zumal auch das studium strenger wird und es weniger freizeit und kein prüfungsfreies jahr wie bisher mehr gibt)

Die Niere
13.03.2011, 18:06
Es gibt einige Spitäler, die gerade auf den Namensschildern eben automatich ein "Dr." (aber nicht Dr. med.) ergänzen, damit die Patienten "nicht verwirrt" werden. Im Briefkopf kenne ich das eigentlich weniger. Ganz schlimm finde ich jedoch die Bezeichnung "pract. med.", die die Patienten manchmal dazu bringt zu glauben, der Arzt wäre nur eine Art von medizinischem Praktikanten.

Wie arimaria schon geschrieben hat, gibt es viele Fachärzte die eine Dissertation (oder auch nur eine Veröffentlichung in einem peer reviewd journal) voraussetzen, weswegen es wahrscheinlich weniger Ärzte ohne Doktor hier gibt. Jedoch war es bis vor kurzem (vielleicht noch immer) an vielen Unis möglich (u.a. auch Bern) eine Arbeit in einem Journal direkt als Disseration anzumelden ohne eine extra Dissertation anzufertigen. Dabei muss der Disseratant nicht einmal Erstautor sein, so dass es durchaus "Dr. med.'s" gibt, die einen geringsten Aufwand für diesen Titel erbracht haben. Dazu kann man stehen wie man will...ich halte es für sinnvoll es wie in Basel im Rahmen der Bolognareform zu gestalten, denn sonst können wir uns den Dr. med. auch einfach an der Pommesbude holen, was auch okay wäre, wenn es für alle gleich wäre.

gruesse, die niere

wjsl
16.08.2012, 16:44
Oder einfach gar kein Namensschild tragen; dann ist man auch vor Facebookstalking geschützt. Außerdem ist weiblich, jung und blond sowieso oft automatisch "Schwester". Und ob bei der demografischen Entwicklung der Durchschnittsdemente großartig viel Einsicht in Ranggeplänkel hat ist fraglich; selbst der Durchschnitt kann das gar nicht richtig einordnen. Im Grunde macht man es, weil man sich beweisen will, dass man so eine Arbeit schaffen kann.

Letzten Endes ist das mit den Titeln und Namen ohnehin eine Augenwischerei; auf Publikationen stehen ja meist auch nicht unbedingt die als Erst-oder Letztautor, die wirklich die Impulse gaben, das Teil schrieben oder die ganze Arbeit machten. Wer langfristig was anderes erwartet dreht irgendwann durch. Und dafür gäbe es wohl ohnehin schon genug andere viel haarsträubendere Gründe.

Warum die Kompetenz der Ärztin allerdings hinterfragt wird in dem Artikel, verstehe ich nicht ganz. Vor allem wenn du sagst, dass der FA Titel eigentlich nur noch an einer fertigen Dissertation scheitert. Das ist ja auch im Grunde nicht wirklich sinnvoll. Wer in der Klinik alles kompetent managen, gut ausbilden und führen kann, der soll Oberarzt werden können. Und wenn man das System austricksen muss; sofern jenes nicht sinnvoll ist, finde ich das legitim.

schwarzwald
16.08.2012, 16:50
Nur mal so aus Interesse - wie kamst du darauf auf diesen alten Beitrag zu antworten ??

astrophys
17.08.2012, 08:58
Im Grunde macht man es, weil man sich beweisen will, dass man so eine Arbeit schaffen kann.


Das glaube ich kaum. Die Erlangung des Dr. med. taugt wohl nicht besonders viel als "Leistungsbeweis". Da könnte man sich auch gleich auf die Leistung freuen, dieselbe an der "Pommesbude" abgeholt zu haben.

Muriel
17.08.2012, 15:03
:-sleppy