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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Weiterbildung Interventionelle Radiologie



MD/PhD
10.03.2011, 23:35
Hallo,

Ich mache mir zur Zeit häufiger Gedanken darüber, wie es im radiologischen Bereich der Medizin so ausschaut. Es gibt zwar im Assistenzarzt-Interview-Thread bereits einen schönen Beitrag zur Radiologie, aber mir liegen dennoch einige konkrete Fragen am Herzen:

1) Wie schwer ist es, eine Stelle als Assistenzarzt in der Radiologie zu bekommen? Soweit ich gelesen habe ist das Fach im angelsächsischen Raum extrem begehrt und man muss die Med School mit Top-Noten abschließen um auf eine entsprechende "residency" hoffen zu können. Wie sieht das in Deutschland aus? Gibt es große fachliche Unterschiede zwischen der Ausbildung in US/UK und Deutschland?

2) Gibt es hier jemanden mit Erfahrungen in der Interventionellen Radiologie? Wie leicht/schwer gestaltet sich der Weg dorthin? Anscheinend muss zwar jeder Radiologe etwa 250 Interventionen während seiner Weiterbildung machen, aber das ist ja nicht wirklich viel. Daher frage ich mich, ob man während der Weiterbildung einen Schwerpunkt auf die IR legen kann, oder ob solche Möglichkeiten eher selten (und damit schwer zu ergattern) sind.

3) In diesem (http://forums.studentdoctor.net/forumdisplay.php?f=692) Forum gibt es Stimmen, die sagen, dass es regelrecht "Turf Wars" (Revierkämpfe) um interventionelle Prozeduren gibt, weil die IR's zunehmend von Gefäßchirurgen und interventionellen Kardiologen verdrängt werden. Werden die Radiologen dann in Zukunft an die Schreibtisch everbannt um (ausschießlich) zu befunden, während die Kollegen von der Gefäßchirurgie & Co. die spannenden Interventionen machen dürfen?

Ich würde mich riesig freuen, wenn mir jemand zumindest ein bisschen was über die Materie erzählen könnte :-)

SurferRosa
11.03.2011, 05:30
Hallo,
zu 1)
Kommt darauf an wo du hin willst. Wenn du dich z.B. in München bewirbst ist es zur Zeit schwer. Das kann sich aber auch in kurzer Zeit wieder ändern, je nachdem wie da grad die Besetzung bei den Assistenzstellen in den größeren Kliniken grad ist.
Wenn du aber nicht örtlich gebunden bist, dann ist es wirklich überhaupt kein Problem eine Stelle zu bekommen. Aber beim Bewerben nicht verzweifeln. Da braucht man halt etwas Geduld. Wenn man erst einmal eine Stelle hat und nach ca 1 Jahr seine Fachkunde erworben hat und dann dienstfähig ist, dann schaut es mit dem Bewerben schon wieder viel besser aus. Leider ist es halt so dass Berufseinsteiger nicht so gern genommen werden, da man naturgemäß anfangs noch keine Dienste machen darf.
Wie die Ausbildung in den USA oder in England ist, das weiß ich leider nicht. Aber vielleicht kann dir da jemand anderes antworten.

zu 2)
Die interventionelle Radiologie ist ein kleiner Engpass in der Ausbildung. Gerade an größeren Kliniken kann es durchaus sein, dass sich mehrere Assistenten um den Einsatz dort "streiten" müssen und es deshalb zu Verzögerungen kommt. Da kann es an kleineren Kliniken mit wenigen Assistenten schon etwas besser sein. Ein weiterer Tipp ist, dass man eventuell ein klinisches Jahr in der Inneren Medizin oder bei den Gefäßchirurgen einlegen kann und auf diese Weise in den Herzkatheter bzw. die Angiographie rotieren kann, aber das ist klinikabhängig.
Eine wirklich schwerpunktmäßige Ausbildung im Bereich IR kenn ich jetzt nicht.

zu 3)
Das kommt auch wieder auf die Klinik an. Bei uns gibts da eine gute Zusammenarbeit mit den Gefäßchirurgen, die uns teilweise auch im OP dazu rufen, wenn da mal parallel eine Angio nötig ist. Letztlich kann ich mir nicht vorstellen, dass die Radiologen aus dem Feld der IR verdrängt werden.

Ich hoffe die Antworten helfen dir weiter. Ist halt jetzt meine Erfahrung, also kein Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit ;-) Lasse mich gerne eines Besseren belehren.

Viele Grüße,
Surferrosa

MD/PhD
11.03.2011, 20:41
Hallo SurferRosa,

Ja, deine Antwort hat mir tatsächlich schon etwas geholfen. Jetzt bin ich beispielsweise beruhigt zu wissen, dass man schon irgendwie eine Stelle bekommt in der Radiologie.

Nur das mit der Interventionellen Radio bleibt noch etwas unklar, aber vielleicht meldet sich dazu noch jemand.

Mein Interesse besteht halt gerade in diesem Mix aus Diagnostischer Radiologie (Bilder auswerten, Krankheiten versuchen zu erkennen) und v.a. Interventioneller Radiologie, wo man dann modernste Technik anwenden kann, um den Patienten genauer zu untersuchen und zu therapieren. Die Forschung ist auch ein extrem spannender Bereich. Es ist z.B. bestimmt total aufregend, neue Wirkstoffe durch minimal invasive Eingriffe in ganz bestimmte Bereiche des Körpers zu applizieren und zu schauen, ob die in der Theorie erhofften Effekte auch eintreten.
Ich denke die Interventionelle Radiologie ist eine der wenigen medizinische Richtung, in der physikalisch/chemisches Wissen wirklich nützlich sein und innovativ in seine Arbeit einfließen kann.

Leider wird in den Beschreibungen für eine Radio Weiterbildung die IR meist nur in nem Nebensatz erwähnt, selbst wenn sich das ganze "Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie" nennt. Da stellt sich die Frage, ob wirklich ein Schwerpunkt auf IR gesetzt wird, oder ob der Name nur gut klingen soll :-))


Ein weiterer Tipp ist, dass man eventuell ein klinisches Jahr in der Inneren Medizin oder bei den Gefäßchirurgen einlegen kann und auf diese Weise in den Herzkatheter bzw. die Angiographie rotieren kann

Finde ich gut. Aber ich frage mich, ob man dann später (nach Abschluss der Weiterbildung) auch wirklich interventionell eingesetzt wird, oder ob man dann beispielsweise trotz der Herzkatheter Rotation solche Prozeduren an die interventionellen Kardiologen abtreten muss?

stennadolny
12.03.2011, 09:10
Im Klinikum Ingolstadt haste gute Chancen, ein Ausbildungsstelle zu bekommen UND interventionell ausgiebig tätig zu sein.

Chef ist selbst Interventioneller und läßt auch den Rest einigermaßen ran.

Allerdings steht am Anfang eindeutig die Diagnostik, klar.

Klinikum Ingolstadt ist freilich als Arbeitgeber insgesamt nicht SO prickelnd, vorsichtig gesagt. Hoher ärztlicher Personaldurchlauf im ganzen Haus, berühmt-berüchtigte Pfennigfuchser bis zur Schmerzgrenze.

LasseReinböng
12.03.2011, 09:55
Welche Kardiologie wird einen Assi gleich im ersten Jahr ins Herzkatheterlabor rotieren lassen ??!

Das geschieht eher am Ende der Weiterbildung bzw. nach dem Facharzt für Innere Medizin in der Weiterbildung zum Kardiologen.

LasseReinböng
12.03.2011, 09:57
Aber ich frage mich, ob man dann später (nach Abschluss der Weiterbildung) auch wirklich interventionell eingesetzt wird, oder ob man dann beispielsweise trotz der Herzkatheter Rotation solche Prozeduren an die interventionellen Kardiologen abtreten muss?

Wenns in den Bereich Herz fällt sind die Radiologen eh außen vor.

stennadolny
12.03.2011, 10:52
An manchen internist.-angiolog. Abteilungen wird sehr viel interventionell extrakardiolog. gemacht, dafür braucht man aber den FA Internist. Und muß sich mit dem Chef gutstellen.

Frage: Wieso steigste nicht einfach in die Radio ein und siehst dann weiter ?

Übrigens kann man auch an manchen strahlentherapeutischen Abteilungen "interventionell" tätig sein (seeds, intraoperative Therapie...), das beschränkt sich nicht nur auf Radio.

MD/PhD
12.03.2011, 11:30
Wieso steigste nicht einfach in die Radio ein und siehst dann weiter ?
Eben aufgrund dieser Ungewissheit, dass man am Ende vielleicht doch nur hauptsächlich diagnostisch arbeiten muss (sozusagen als Dienstleister für die Kollegen aus den anderen Gebieten), während man selbst kaum praktisch tätig ist. Dabei ist aber grade das Interventionelle der Bereich, wo man sehr krativ und innovativ sein kann. Das reine Begutachten und Befunden von Bildern dagegen hat man doch nach einigen Jahren halbwegs drauf, weiß wo man hinschauen muss etc.
Diagnostik alleine würde mich auf Dauer nicht zufriedenstellen.

Aber euren Antworten nach zu urteilen, brauche ich mir da glücklicherweise keine Gedanken machen. Auch in Zukunft nicht, hoffe ich.

Strodti
12.03.2011, 11:33
Vielleicht interessiert dich ja auch die Neuroradiologie? Bei uns im Hause wird da sehr viel interventionell gearbeitet. Kann dir leider nicht sagen, wie die Assistenten da ran geführt werden.

SurferRosa
12.03.2011, 11:54
Wenn dich das Gebiet interessiert, dann mach während dem Studium vielleicht eine Dr Arbeit in dem Gebiet und schau dass du danach vielleicht auch in der Uni weiter arbeiten kannst und da deine Facharztausbildung machen kannst. Wenn du in dem Bereich dann als Assistenzarzt weiter forschst, dann wirst du sicher auch nach dem FA ausgiebig IR machen können. Aber das ist kein einfacher Weg und Privatleben wird dabei bestimmt auf der Strecke bleiben.

Was niedergelassene Radiologen betrifft, da gibt es schon welche, die fast nur IR machen. Das sind aber dann in der Regel die einfachen und weniger anspruchsvollen Eingriffe, mit denen man noch einigermaßen gewinnbringend arbeiten kann.

Bei uns ist es so, dass wir neben dem Chef noch 2 Fachärzte haben. Der eine macht vorallem CT und MRT und der andere macht vor allem Intervention. Sind aber vor allem periphere Gefäßgeschichten. Weiß nicht ob dich sowas auf Dauer interessieren würde. Auf Dauer wird das sicher auch langweilig. Aber es zeigt, dass es durchaus geht. Nur als Radiologe Herzkatheter machen wird es sicher nirgends geben. Wenn dich das speziell interessiert, dann musst du schon Kardio machen.

An der Uni in der ich PJ gemacht habe ist es so, dass es da 2 Oberärzte gab, die schon seit langem auf dem Gebiet IR geforscht haben und dann halt schwerpunktmäßig für IR zuständig waren. Da wurden wirklich verschiedenste, teilweise echt interessante Sachen gemacht. Leider standen halt die vielen Assistenten Schlange, weil selbst die Assistenten, die sich dafür nicht interessiert haben für ihre Ausbildung die entsprechenden Interventionen halt auch gebraucht haben.

Jetzt hast du die Qual der Wahl. Kannst dir ne kleine Klinik suchen in der die IR einen guten Stellenwert hat und du auch realistisch in 5 Jahren die geforderten Untersuchungen zusammenbekommst. Dann könnten aber Sachen wie Mammographie oder Sono zum Engpass werden, aber das lässt sich sicher auch mit der Klinik vereinbaren.
Oder eben du gehst an die Uni und brauchst halt für den FA 1-2 Jahre länger. Weiß natürlich nicht ob es überall so ist. Vielleicht melden sich da ja Leute, die mehr Erfahrung haben als ich.

Viele Grüße und noch viel Erfolg auf deinem Weg,
Surferrosa

MD/PhD
12.03.2011, 20:15
Vielen Dank SurferRosa für deinen Beitrag!

Eine Doktorarbeit in der IR zu schreiben ist eine ausgezeichnete Idee. Man lernt die Materie besser kennen und erhöht die Chance, eine entsprechende Assistenzarztstelle zu finden.


An der Uni in der ich PJ gemacht habe ist es so, dass es da 2 Oberärzte gab, die schon seit langem auf dem Gebiet IR geforscht haben und dann halt schwerpunktmäßig für IR zuständig waren. Da wurden wirklich verschiedenste, teilweise echt interessante Sachen gemacht.

Genau das wäre ideal. Forschen und zugleich als Radiologe praktizieren mit IR als Schwerpunkt. Bei einer solchen "Doppelberufung" mag vielleicht nicht mehr viel Privatleben übrig bleiben, aber Forschung und Therapie wollte ich halt schon immer kombinieren - ganz unabhängig von der Fachrichtung. Genau deshalb habe ich mich übrigens gegen die Studiengänge Molekulare Medizin und Physik entschieden, welche ich vor einigen Monaten noch stark in Erwägung gezogen hatte; Man hat zwar die Möglichkeit, hochqualitativ zu forschen, jedoch immer weit weg vom Patienten.

Genug geplaudert, ich danke nochmal aufrichtig für die hilfreichen Beiträge!

littlewood
12.03.2011, 22:02
In den USA machen die meisten eine diagnostische residency (davon 3-6 Monate rein interventionell) und dann eine 1(vaskulaer)-3(neuro) Jaehrige fellowship.

FM4
20.09.2011, 20:27
Auf dem diesjährigen CIRSE Kongress (Cardiovascular and Interventional Radiological Society of Europe) wurde berichtet, dass sich nur 20% der Assistenzärzte in der Radiologie für Interventionen interessieren. Man sollte also insgesamt gute Chancen haben.