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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Agranulozytose unter Metamizol - wer hat's erlebt?



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Leelaacoo
24.03.2011, 19:11
NSAIDs sind in der Inneren (zumindest bei uns) generell nicht gerne gesehen und auch bei den meisten Tumorpatienten gut zu umgehen...Ich kombiniere gerne Metamizol mit Valoron oder Tramal (hier muss man nur die emetische Wirkung gut im Blick haben). Sonst ist es eine relativ nebenwirkungsarme, aber analgetisch gut wirksame Kombi (Erfahrungswerte, ich weiß natürlich, wie das NW-Profil der Medis aussieht). Was ich erstaunlich finde, ist, dass viele Valoron scheuen, weil ja Naloxon drin ist und man dann "keine anderen Opiate geben könne". Ich glaube, viele ärztliche Kollegen haben das mit dem First-pass-Mechanismus nicht gang verstanden:-wow Klar, wenn mir die Kombi nicht ausreicht kommen hochpotente Opiate darn...aber nur weil ich einen Tag vorher Valoron gegeben habe heißt dass ja nicht, dass die nicht wirken:-oopss

(habe übrigens sehr gute persönliche Erfahrungen mit Dipidolor...als mir Novalgin und Tramal in Höchstdosis nicht zur Schmerzreduktion reichten war ich echt dankbar für ne 1/2 Ampulle Dipi als KI...hatte nicht mal Übelkeit...seitdem bin ich auch großzügiger, Schmerzen müssen echt nicht sein, wenn doch zu behandeln:-dafür ).

LG Lee (trotzdem weiter Metamizol-Fan)...was ist eigentlich aus der Frau geworden, Lava?

Sebastian1
24.03.2011, 19:35
Sowohl Tilidin wie auch Tramadol mag ich nicht. Tilidin hat den einzigen Vorteil, im ambulanten Bereich durch fehlende BtM-Pflicht ungehemmter verschrieben zu werden, aber ansonsten steht es irgendwie zwischen den Stühlen; zu schwach, um ein wirksameres Opiat zu ersetzen, zu schwach, um Novalgin vom Thron zu stoßen.
Tramadol hat mit Emesis und Kreislaufdepressions-UAW übermässig viel zu kämpfen, gebe ich ebenfalls gar nicht.

Aber so unterschiedlich sind die Erfahrungen. Siehe PCM, da scheiden sich ja auch in diesem Thread die Geister (zumindest im Erwachsenenbereich) deutlich dran.

Evil
24.03.2011, 19:38
@rico & evil : Was sagt ihr denn zu besagter Metaanalyse ? De facto fallen ja schon einige NSAIDs mehr heraus - z.b. Ibuprofen - kann man es mittlerweile überhaupt noch verantworten das als Langzeitmedikation zu verschreiben ?

Was ist mit Aspisol ?
Die Metaanalyse besagt nur, daß das kardiovaskuläre Risikoprofil erhöht ist, was hauptsächlich bei älteren Patienten zum Tragen kommt. Meiner Ansicht nach haben NSAIDs einen festen Platz in der Therapie bei jungen Patienten für Verletzungen und entzündlich bedingte Schmerzen.
Zumal das Risikoprofil trotz allem nicht sooo übel sein kann, ist doch Diclofenac das mit Abstand am meisten verschriebene Schmerzmittel, und dafür treten statistisch gesehen doch wieder vergleichsweise wenig Komplikationen auf.
Das Zeug wird mehr gschluckt als Smarties.

Aspisol hat als Schmerzmittel nur eine mir bekannte Indikation, und das ist ein typischer Migräneanfall bei bekannter Migräne (wo eine ICB unwahrscheinlich ist).
Und ggf. am Folgetag einer Party ;-)

Muriel
24.03.2011, 19:39
ambulant Novalgin gekriegt, zwei Wochen genommen, dann ne Woche pausiert und dann wieder angefangen (so komme es wohl häufiger zu Agranulozytosen),

Kurze Zwischenfrage noch mal: Auf was genau bezieht sich hier das "so"? Auf die relativ lange Dauer der Medikation insgesamt oder das erneute Wiederansetzen nach erfolgter Pause nach Dauereinnahme über einen gewissen Zeitraum?

Rico
24.03.2011, 20:20
Die Metaanalyse besagt nur, daß das kardiovaskuläre Risikoprofil erhöht ist, was hauptsächlich bei älteren Patienten zum Tragen kommt. Meiner Ansicht nach haben NSAIDs einen festen Platz in der Therapie bei jungen Patienten für Verletzungen und entzündlich bedingte Schmerzen.
Zumal das Risikoprofil trotz allem nicht sooo übel sein kann, ist doch Diclofenac das mit Abstand am meisten verschriebene Schmerzmittel, und dafür treten statistisch gesehen doch wieder vergleichsweise wenig Komplikationen auf.
Das Zeug wird mehr gschluckt als Smarties.

Aspisol hat als Schmerzmittel nur eine mir bekannte Indikation, und das ist ein typischer Migräneanfall bei bekannter Migräne (wo eine ICB unwahrscheinlich ist).
Und ggf. am Folgetag einer Party ;-)So sehe ich das auch. :-meinung
Kurze Zwischenfrage noch mal: Auf was genau bezieht sich hier das "so"? Auf die relativ lange Dauer der Medikation insgesamt oder das erneute Wiederansetzen nach erfolgter Pause nach Dauereinnahme über einen gewissen Zeitraum?Der lange Einnahmezeitraum, laut Fachinfo gibt es da Hinweise.
Inwieweit die Pause da mitreinspielt kann man nur spekulieren, da die Angranulozytose ja wahrscheinlich immunologisch ausgelöst ist, da bietet sich ja ein Mechanismus mit Exposition und Reexposition an, aber da wüßte ich nicht, dass es dazu was gesichertes gäbe (natürlich ohne Anspruch auf Allwissenheit).

Keenacat
25.03.2011, 05:10
Aspisol hat als Schmerzmittel nur eine mir bekannte Indikation, und das ist ein typischer Migräneanfall bei bekannter Migräne (wo eine ICB unwahrscheinlich ist).
Und ggf. am Folgetag einer Party ;-)

Ah, stimmt. Den Migräneanfall hatte ich vergessen. :-top
(Und der Morgen danach ist ja eh eher sone gefühlte Indikation... :-D)

Die Niere
25.03.2011, 09:39
Passt ganz gut zum Thema:

Eine aktuelle Metaanalyse aus dem BMJ über kardiovaskuläre Nebenwirkungen von NSAIDs (http://www.bmj.com/content/342/bmj.c7086.full.pdf).

115.000 Patientenjahre, im Vergleich Naproxen, Ibu, Diclo und diverse Coxibe, größtenteils gegen Placebo. Leider "nur" die kardiovaskulären Komplikationen untersucht, aber hier kommt Naproxen am besten weg, Ibu hatte die höchste Rate.Echt schade, dass sie in der Studie nur auf kardiovaskuläre und ähnliche Ereignisse geschaut haben. Gerade ein Blick auf die gastrointestinalen NW wäre höchst interessant gewesen.

gruesse, die niere

Lava
25.03.2011, 10:03
LG Lee (trotzdem weiter Metamizol-Fan)...was ist eigentlich aus der Frau geworden, Lava?


Weiß nicht so recht, im Nachtdienst nehme ich ja nicht an den Visiten teil und jetzt hab ich erstmal frei. Im Computer hab ich hin und wieder mal nach dem Labor geschaut und die Leukos waren wieder langsam am Steigen :-)

Tramal geb ich eigentlich auch nie, eben weil es häufiger Übelkeit verursacht. Ich gebe es nur mal Patienten in der ZNA mit, weil es das einzige Opiat in Tablettenform ist, das wir vorrätig haben. Ach ja, und für akute, besonders nachts in der ZNA aufschlagende Rückenschmerzen ist es in unserem allseits beliebten Cocktail aus Novalgin, Voltaren dispers und Tramal enthalten :-oopss Wirkt aber erstaunlich gut und macht die Patientin zumindest wieder so schmerzfrei, dass man sie nicht stationär aufnehmen muss

Ansonsten schwören wir bei uns auf Targin. Hab bisher kaum jemanden gehabt, der daraufhin Übelkeit gehabt hätte und die analgetische Potenz reicht für prä/postop Patienten meistens aus.

Strodti
25.03.2011, 10:48
Auf unserer Station wird eher Oxygesic verordnet, der Unterschied zu Targin ist doch der Naloxon-Anteil. Hat jemand einen direkten Vergleich?

Ich frage mich oft, ob die Wirkung der neuen Oxycodon-Präparate den 2-3x höheren Preis im Vergleich zu klassischen Morphinpräparaten (bei ähnlicher analgetischer Potenz, 10mg Oxycodon entspricht 20mg ret. Morphin) rechtfertigt oder es eine pharmakologische Mode ist.

Sebastian1
25.03.2011, 12:18
Wir haben sowohl Oxycodon mono als auch Targin mit Naloxon im Sortiment. Subjektiv empfunden treten unter der Kombi weniger Darmparalysen auf, aber das mag ein Beobachtereffekt sein - ich weiss nämlich nicht, wieviel Naloxon letztlich tatsächlich verbleibt und nicht aufgenommen und first-pass-eleminiert wird.
Wenn meine Beobachtung allerdings zutrifft, finde ich die Kombination gerechtfertigt, denn eine UAW durch Antagonisierung zu vermeiden finde ich wesentlich eleganter, als symptomatisch mit Laxantien behandeln zu müssen.

Keenacat
25.03.2011, 14:47
Wenn meine Beobachtung allerdings zutrifft, finde ich die Kombination gerechtfertigt, denn eine UAW durch Antagonisierung zu vermeiden finde ich wesentlich eleganter, als symptomatisch mit Laxantien behandeln zu müssen.

Wobei man fairerweise sagen muss, dass man auch bei Targin meist nicht auf Laxantien verzichten kann.

Re Oxy: Macht angeblich weniger oft müde als Mo, das kann durchaus ein guter Grund sein. Allerdings hab ich keinen direkten Vergleich/keine entsprechenden Studien.

Anekdote: Ich hab nach meiner AE Tramal bekommen und daraufhin tierisch k*tzen müssen. x[

Rico
25.03.2011, 22:42
Tramal geb ich eigentlich auch nie, eben weil es häufiger Übelkeit verursacht. Ich gebe es nur mal Patienten in der ZNA mit, weil es das einzige Opiat in Tablettenform ist, das wir vorrätig haben. Ach ja, und für akute, besonders nachts in der ZNA aufschlagende Rückenschmerzen ist es in unserem allseits beliebten Cocktail aus Novalgin, Voltaren dispers und Tramal enthalten :-oopss Wirkt aber erstaunlich gut und macht die Patientin zumindest wieder so schmerzfrei, dass man sie nicht stationär aufnehmen mussDer Trick ist, ihnen noch Tetrazepam mitzugeben, sollen sie nehmen wenn sie daheim sind, dann kommen die garantiert in dieser Nacht nicht nochmal wieder weil's "immer noch ein bissle wehtut". :-sleppy
... und gut für den Rücken ist es auch noch. :-top

Leelaacoo
26.03.2011, 05:18
Kennt jemand die "Tübinger Bombe"? Rico?;-)
Hab ich in einer Chirurgie erlebt...Voltaren + Steroid + VitB12 i.m. ----gruselig----
da wurds meinem Internistenherz ganz :-kotz ...aber der (zugegeben ältere) Chef schwor bei Rückenschmerzen drauf...und warum da Vit B 12 drin war konnt er mir auch nicht schlüssig vermitteln.

LG Lee

Keenacat
26.03.2011, 08:32
Vitamine sind immer gut. :-))

Evil
26.03.2011, 09:24
Das färbt das Zeug, und farbige Infusionen wirken besser ;-)

Leelaacoo
26.03.2011, 15:22
Das färbt das Zeug, und farbige Infusionen wirken besser ;-)

Finde auch, es sollte mehr lustige Farben geben...und Farben, die sich nach Körperdurchsatz verändern...z.B. das schöne Rifa-Urin-Orange:-D

LG Lee (...und besser riechen solls auch...ich kann ACC nimmer riechen...haben grad dauernd irgendwelche Paracetamol-Möchtegern-Suizidenten da...würg...wobei es ja zum Thema passt:-oopss)

LG Lee

Rico
26.03.2011, 23:10
Kennt jemand die "Tübinger Bombe"? Rico?;-)
Hab ich in einer Chirurgie erlebt...Voltaren + Steroid + VitB12 i.m. ----gruselig----Ist mir nie begnegnet, aber Oberarzt Google hat mir grad gesagt, dass das wohl seit 1985 verboten ist (Anaphylaxie, Abszess, nekrotisierende Fasciitis). Das entsprechende Fixpräparat wurde damals vom Markt genommen da die parenterale Gabe bei deutlich erhöhtem Risikoprofil keinen Vorteil gegenüber der oralen Gabe hatte.
Und es selber in einer Spritze zu mischen ist dann ein nicht mehr durch die Zulassung gedeckter Eigenbau (Quelle: Arzneimittel-Telegramm (http://www.arznei-telegramm.de/html/2000_10/0010085_02.html) anno domini 2000).

...aber der (zugegeben ältere) Chef schwor bei Rückenschmerzen drauf...und warum da Vit B 12 drin war konnt er mir auch nicht schlüssig vermitteln.Da hätte ich jetzt spontan auch auf die färbende Wirkung getippt, das macht doch so ein nettes hellrot wenn ich mich recht erinnere...

Hypnos
27.03.2011, 09:29
Hat jemand von euch auch schonmal einen solchen Fall erlebt? 1:1000 halte ich nach wie vor nicht für realistisch, sonst würden wir sowas viel häufiger sehen, aber das ist schon heftig. Ist nicht mal klar, ob die Frau das überlegen wird :-?

Ad 1) Ja, bisher 2x, jeweils an einem Haus der Maximalversorgung (vermutlich, weil man da die Patienten auch so lange betreut, bis dass man die Leukopenie auch wirklich messen kann)
Ad 2) Die Zahlen zur Häufigkeit schwanken stark und sind auch geographisch scheinbar sehr variabel. Die Skandinavier z.B. vertragen das Zeuch wohl weitaus weniger gut als wir. Erstaunlich fand ich, daß zur Einführung der Cox-2-Hemmer diverse Studien geführt wurden (und natürlich auch belegten), was denn Metamizol für ein Teufelzeug sei. Erstaunlicher Weise wird nun in einer großen Klinik unter der Leitung des ehemaligen Dozenten, der uns seinerzeit sendungsbewusst die Verwendung von Cox-2-Hemmern aufdoktrinieren wollte, literweise Novalgin verordnet...ein Schelm, wer Böses dabei denkt...
Ad 3) Ob die Frau das ÜBERLEGEN wird, ist maßgeblich davon abhängig, ob sie es ÜBERLEBEN wird:-))

Lg,
Hypnos

Lava
27.03.2011, 14:42
Der Trick ist, ihnen noch Tetrazepam mitzugeben, sollen sie nehmen wenn sie daheim sind, dann kommen die garantiert in dieser Nacht nicht nochmal wieder weil's "immer noch ein bissle wehtut". :-sleppy
... und gut für den Rücken ist es auch noch. :-top

Hmmm... bei HWS Distorsion bin ich da recht großzügig, bei Lumbago geb ich das eigentlich selten sofort. Erstmal mit Wärme und Analgesie probieren, und wenn's dann nicht weg ist, Tetrazepam dazu. Das geb ich den Patienten auch so mit auf den Weg.

Hypnos
27.03.2011, 17:14
Hmmm... bei HWS Distorsion bin ich da recht großzügig, bei Lumbago geb ich das eigentlich selten sofort. Erstmal mit Wärme und Analgesie probieren, und wenn's dann nicht weg ist, Tetrazepam dazu. Das geb ich den Patienten auch so mit auf den Weg.

Und ich setze es ihnen postwendend wieder ab, denn wenn sie es erst mal 7 Tage am Stück genommen haben, kommen sie ohne gar nicht mehr zur Ruhe. Dreckszeug!