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heikemasi
22.04.2011, 07:55
Ich habe seit 2 Wochen meine erste Assistenzarztstelle in der Inneren. Di nach Ostern bin ich das erste mal alleine auf Station. Zwar gibt es irgendwo einen Oberarzt, aber der ist den ganzen Tag am Gastroskopieren. Ich soll die Visite alleine machen. Ich bin bisher mit dem Stationsarzt mitgelaufen und weiß schon wo man alles hinschreibt und wie man anfordert etc. konnte bisher aber keine Struktur darin erkennen. Gibt es irgendwo ein pdf. an was man alles denken muß, und wie man am besten vorgeht?

Kackbratze
22.04.2011, 08:41
Jedes Krankenhaus organisiert sowas individuell, einen allgemeinen Leitfaden gibts nicht wirklich, ausser dass man jeden Patienten sehen sollte, Werte und Vitale wissen muss und die Medikamente/Anordnungen checken muss. Ob mam dafür ein pdf braucht? :-nix

Die Niere
22.04.2011, 08:49
Ansonsten orientiere dich am Cardex und fange oben an.

Vitalparameter
Temperatur
Gewichtsverlauf
Was isst er? Was trinkt er? Was pinkelt er? hat er Stuhlgang?
Medis per os
Medis iv
Medis s.c. (Thromboseprophylaxe)
Welche Katheter stecken noch in dem Patienten
Welche Drainagen stecken noch im Patienten? Was haben die gefördert?
Welche Wunden gibt es, die man anschauen muss
Andere Probleme?

Und dann jedes Mal die Frage stellen, was ist davon noch nötig, was kann gezogen werden, was kann man von iv auf po umstellen, usw.

gruesse, die niere

Feuerblick
22.04.2011, 08:58
Oder die kürzere Variante:
Welche Erkrankung liegt vor?
Wie wird sie behandelt?
Gibt es neue Probleme (z.B. Fieber, RR-Entgleisung, BZ-Entgleisung) oder zusätzliche Symptome?
Schlägt die Therapie an?
Muss an der Therapie etwas verändert werden?
Welche Untersuchungen sind noch geplant und wann? Was muss vielleicht noch angeordnet werden?

Eigentlich macht da nur Übung den Meister. Jeder baut sich seine eigene Struktur und je besser man seine Patienten kennt, desto einfacher wird es.

apple
22.04.2011, 09:09
Und den Patienten kurz fragen wie es ihm geht ? ;-)

Die Niere
22.04.2011, 09:10
WAS??? Man muss mit den Patienten reden auf der Visite??? :-D

Feuerblick
22.04.2011, 09:19
Neee, also ich würd ja nicht zum Äußersten schreiten und mit dem Patienten reden. Sowas machen nur Psychiater... *duck*

Die Niere
22.04.2011, 09:26
Und Fire hat natürlich recht, wenn sie sagt, dass man als erstes darauf schaut, was der Patient hat und wie es behandelt wird und ob man daran etwas verändern muss oder es weiterlaufen lassen kann.

Später darf man sich dann noch überlegen, was das weitere Procedere bei dem Paitenten ist (nach Hause gehen? in die Reha? Organisation Heimplatz?, Wann?).

lg, n

Feuerblick
22.04.2011, 09:34
Stimmt, das hatte ich vergessen zu erwähnen. :-oopss

apple
22.04.2011, 09:35
Neee, also ich würd ja nicht zum Äußersten schreiten und mit dem Patienten reden. Sowas machen nur Psychiater... *duck*
das dient zur Ablenkung, damit der Patient nicht merkt, dass wir von Vitalparametern, Ein- und Ausfuhr & Co. keine Ahnung haben, aber manchmal merken sie es doch und wenden sich an höhere Mächte:

gestern auf der Gerontopsychiatrie, Patientin betet das Vater Unser:
"Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name und befrei mich von den Windeln !" :-))

Feuerblick
22.04.2011, 09:40
*schlapplach* Auch nicht schlecht.

Wir Schamanen reden nicht, wir verstecken uns hinter Visusprüfung und Spaltlampe :-oopss Fiel mir gerade richtig schwer, mich an "echte" Visiten zu erinnern...:-nix:-oopss

Leelaacoo
23.04.2011, 10:36
...oh, und die Pflege unbedingt dabeihaben und nachfragen, was sie so für einen Eindruck vom Patienten haben und was ihrer Meinung nach aktuell dringend ist für den Patienten...manchmal rennen die grad bei jüngeren Ärzten weg, weil die Visite halt etwas länger dauert und natürlich viel anderes getan werden muss...aber gerade in der Inneren ist die Visite Hauptteil der Arbeit (ich weiß, ich weiß...Briefe etc....würg). Die Pflege sieht die Patienten ja viel öfter als die Ärzte...ich habe mir vor der Visite eine Stationsübersicht ausgedruckt und dann nur die allerwichtigsten Sachen notiert, nur keine Romane schreiben, die kann man sonst nicht abarbeiten. Überblick über Labore und Diagnosen verschafft man sich daher am besten vor der Visite im Arztzimmer...dann dauert die Aktenblätterei während der Visite nicht so lange. Dann wir erwähnt Vitalparameter checken...nicht ist so peinlich als zu merken, dass der Patient kurz vor Entlassung eine HF von 40 hat, weil man vergessen hat den Betablocker zu reduzieren. Bilanzen sind gerade bei den Älteren wichtig...und dann jeden Tag alle Medis durchschauen...warum hat der Patient dies und jenes, braucht er wirklich so viel, hat er vielleicht was doppelt? Genug Flüssigkeit? Thromboseprophylaxe? Antibiosen- wieviel Tage schon/noch? Muss es i.v. sein? Passt es zum Antibiogramm? Wann Labor und welches...Dann Diagnostik...ist sie gelaufen? Angemeldet? Benötigt man Kontrollen? Wann kanns heimgehen? geht es zu hause überhaupt noch? Benötigt man die Sozialarbeit? Müssen Angehörige oder der HA informiert werden?
Und im Zimmer einfach mal fragen, was momentan das wichtigste Anliegen des Patienten ist...das unterscheidet sich nämlich oft dramatisch von den Vorstellungen, die man sich so macht und schafft auch Vertrauen. Mal neben das Bett setzen, ein bisschen Smalltalk. Und dann bitte bitte auch Untersuchungsergebnisse möglichst verständlich erläutern...wenn man mal selbst als Patient dagelegen hat fällt es einem erst auf, wie eigentümlich Visiten eigentlich sind. Die Patienten warten oft nur darauf und sind gespannt, haben Ängste bezüglich der Diagnosen und dann wird nur kurz gefragt, wie der Stuhlgang war...geht garnicht! Man muss nicht mit allen 30 Minuten reden, aber auch 1-2 Minuten persönliche Ansprache sind oft wichtiger als das 3te Antihypertensivum.
Und nach der Visite kurz die Fragen notieren, die man an den OA (oder andere Kollegen) hat...dann kann man das später gesammelt besprechen.
Eine internistische Visite muss übrigens auch nicht in 30 Minuten abgehackt sein...je nach Patientengut benötige ich auch für meine Leute mal 3 Stunden...auch im 6ten Jahr. Ein anderes Mal gehts schneller...aber nur nicht rausbringen lassen, es ist einfach eine der wichtigesten Tätigkeiten und muss auch vernünftig sein. Sonst rennt man den ganzen Tag irgendwelchen Kardexen hinterher, trägt tausend Sachen nach, verärgert die Pflege damit und die Patienten haben noch tausend Fragen. Lieber einmal vernünftig ohne Störungen durchziehen!

LG Lee (die leider inzwischen am liebsten bei Beatmeten Visite macht..ich brauche URLAUB!!!)

Kackbratze
23.04.2011, 10:42
Chirurgische Visiten sind soooo schön!

Leelaacoo
23.04.2011, 10:54
Chirurgische Visiten sind soooo schön!

Ja, für die Chirurgen:-oopss
Aber in der Inneren hast halt auch nicht oft ein so klar umrissenes Problem wie eine Gallenblase oder ne Hüft-TEP (ich wünsch mir aber auch manchmal klar umrissene Problematiken...Innere ist ist halt oft ne Laber- und Heimversorgung inzwischen...schade eigentlich).

LG Lee (die zu oft "halt" sagt...ich weiß, ich weiß, das Schwabenland verdirbt die Sprache;-) )

Rico
23.04.2011, 11:07
Was ich halt (;-))noch ganz gerne - zu den bereits gesagten - bei Visite mache, ich schmökere in den Pflegeberichten, gerade wenn ich die ersten Tage oder nur vertretungsweise auf einer Station bin, da stehen oft interessante Sachen drin ("Ach, die Patientin hat sich gestern abend dreimal übergeben?"), die an einem manchmal vorbeigehen - und außerdem kann sich die Pflege nicht beschweren, dass es zu lange geht wenn Du ihre Berichte liest. ;-)

Ansonsten sind die wichtigsten Dinge bei der internistischen Visite die Crosschecks:
Wird jede Diagnose behandelt und gibt es umgekehrt zu jedem Medikament eine entsprechende Diagnose? Wenn nicht, dann wieso nicht? Muss ja nicht unbedingt jede Diagnose behandelt werden, aber man sollte sich schonmal gefragt haben wieso nicht, sonst fragt es Dich spätestens der OA, wenn er den Brief zurückschickt z.B. mit der Frage wieso der Z.n. Thyreoidektomie nicht mit L-Thyroxin behandelt ist... was dann drei Wochen nach E manchmal schwierig zu klären ist.
Sind die Intervalle der Überwachung adequat? (Beim Typ-1-Diabetiker, der zur Schulung da ist reicht z.B. einmal täglich RR+P, Gewicht überhaupt nur einmalig bei Aufnahme und Temperatur eigentlich nie - aber cave: manchmal gibt es da anderslautende hauseigene SOPs). Wenn man da was zusammenstreichen kann, dann entlastet man die Pflege, was die einem wiederum dankt.
Und ganz wichtig: Warum ist der Patient überhaupt noch hier? Gerade bei Langliegern wird manchmal der richtige Zeitpunkt zur Entlassung verpasst, weil sich alle schon so an den gewöhnt haben. Also spätestens ab d15 sollte man sich jeden Tag Zeit nehmen, eine Exit-Strategie zu entwerfen oder zu aktualisieren - und sich dabei nicht mental zufriedengeben mit "Ach, Reha ist ja angemeldet...." sondern aktiv dranbleiben. Diese Patienten neigen nämlich dazu wieder kränker zu werden je länger sie in der Klinik liegen... :-oopss

lööö
25.04.2011, 00:57
Rico, das mit der Exitstrategie hast du schön gesagt :) Und gerade die älteren Schätzchen neigen dazu, ganz schnell wieder ganz krank zu werden, wenn man DEN EINEN Punkt überschritten hat. Manchmal garnicht so leicht, den zu erkennen. Merkt man dann im Nachhinein, wenn der Patient in der Nacht vor E leider auf 40 auffiebert oder anfängt im Schwall zu spucken...

Ich schreibe mir morgens vor Visite immer einen Plan: Tabelle mit Patienten, Aufnahmetag, Diagnose, irgendwelche Specials. Die kann man ja tippen und dann immer weiter verwenden, nur ggf Patienten ändern. Morgens vor der Visite schreib ich mir da noch drauf, auf was ich besonders achte (Ausscheiung Fr. Müller??) und habe so meinen Leitfaden für die Visite und das dauert nur ein paar Minuten. Dann kann ich mir da unterwegs meine Notizen drauf machen, für wen ich was noch anmelden möchte und meine Fragen an den OA notieren. Vorteil: was da mal drauf steht, kann ich anschließend abarbeiten und wird nicht vergessen. Nachteil: Ohne meinen Zettel fehlt mir total der Durchblick :)
Habe auch vor kurzem erst angefangen und man muss mit der Zeit seinen Weg finden. Aber die ein oder andere gute Idee kann man sich von den Kollegen abschauen :) (meine Excel-Tabelle durfte ich von einem Kollegen "klauen"). Brauche meist elendslange für die Visite, weil man ja doch immer wieder unterbrochen wird. Wichtig finde ich, Unterbrechungen so kurz wie möglich zu halten und alles, was nicht sein MUSS, auf später zu verschieben. Angehörige, die mich während der Visite ausfragen möchten, werden auf später vertröstet. Außer ICH möchte eh unbedingt mit denen reden ;)

Liebe Grüße

dreamchaser
25.04.2011, 10:51
Es hilft auch immer gut, den ganzen Tag zu strukturieren. Bei mir sah das grob so aus:
- vor der Frühbesprechung Akten der neuen Pat. ansehen, Entlassungsbriefe verteilen, Leisten nach Coro anschauen (vor allem vor Entlassung)
- nach Frühbesprechung Frühstück mit Pflege, hier auch schonmal nach Problemen gefragt (wenn nicht schon gleich morgens berichtet)
- Befunde und Kurven durchschauen
- zwischen 9 Uhr und 9:30 Uhr losgehen zur Visite (geht bis max. 12 Uhr für 12 Pat.)
- Mittagessen, danach Briefe schreiben und Labor durchschauen
- 14-16 Uhr Zeit für Angehörige, in der Zeit weiter Briefe schreiben/diktieren und Untersuchungen anmelden/durchführen
Und dazu kommt eben noch eine Struktur für jeden Patienten:
- weshalb kommt der Pat., welche Untersuchungen sind nötig (schon am Anfang kann man das festlegen)
- diese Untersuchungen so rasch wie möglich anmelden
- Festlegung eines Ziels (z.B. E bei deutlicher Gewichtsabnahme bei Rekompensation, Abklärung von dieser oder jener Sache)
- tägliche Rücksprache mit der Pflege (zumindest kurze Kurvenvisite), wie es dem Pat. ging in der Nacht, welche Probleme es noch gibt
- mit dem Pat. schon am ersten Tag besprechen, was ansteht und wann es nach Hause geht (Perspektiven schaffen)
- bei bettlägerigen Pat. (v.a. die, die sich beim Aufsetzen sofort helfen lassen wollen und von zu Hause kommen) schon am Anfang nach der häuslichen Versorgung fragen, ggf. Angehörige dazuholen - gleich Sozialdienst einschalten, damit alles notwendige bei E da ist
- Kontakt mit dem Hausarzt halten, der kennt den Pat. oft viel besser - und kann einige Probleme auch lösen (und manchmal lässt sich beim 96-jähriger der Blutdruck einfach nicht einstellen, aber wenn der HA sagt, das war schon 20 Jahre so, dann ist es doch jetzt auch nicht mehr so wild) und die Therapie vor allem weiterführen.

Schlachtermeister
08.05.2011, 15:53
bei mir hat es extrem geholfen, dass ich mit einer OÄ visiten mache. sie ist eine sehr gute Lehrerin und gibt mir immer wieder gute Hinweise bei den Visiten. Also am besten jemanden von den Kollegen herauspicken, der sehr gut Dinge beibringen kann. Das ist nicht der schnellste und muss nicht der kompetenteste sein. Es muss jemand sein, der weiss, wie man wissen vermittelt.

Ansonsten super Topic, hier bleibe ich noch dran.

emergency doc
08.05.2011, 22:07
Was mir immer geholfen hat, war vor der Visite eine Kurvenvisite zu machen, und auf einer Stationsliste neben jeden Patienten kurz zu notieren, welche Dinge erledigt bzw. besprochen werden müssen. Dem Patienten hilft es ( auch in der Chirurgie) sehr, wenn der Arzt rein kommt, und ihm sagen kann, wie die Blutwerte waren, ob sein Röntgenbild gut aussieht, wie der Tag heute für ihn aussehen wird ("Heute soll die KG mit Ihnen Treppe steigen üben") etc.
Umgekehrt habe ich immer eine To-Do-Liste angefertigt mit den Punkten "E-Briefe", "Anträge", "Verbände", "Aufklärung", "Sonstiges" usw. Diese Liste lag dann immer an unserem Arbeitsplatz, und wer was erledigt hatte, musste es wegstreichen. Gerade in operativen Fächern, in denen man wechselweise kurz aus dem OP huscht, und sich sonst den ganzen Tag nicht sieht, erleichtert das ein strukturiertes Arbeiten enorm,und man kann dann nach Hause gehen, wenn die Liste komplett abgearbeitet ist.

wjsl
26.03.2012, 21:42
Ich möchte das Thema mal wieder aufgreifen, da ich es doch für sehr wichtig halte.

Die Vorbereitung ist wohl sehr wichtig; mir fiel bisher auf, dass die Visiten umso schneller und reibungsloser gingen, je mehr schon zuvor besprochen wurde; besonders an der Uni fand die "Visite" oft primär im Arztzimmer statt. Anders hätten die wohl auch nicht so effizient arbeiten können, da dort der Durchsatz besonders hoch war. Außerdem können Untersuchungen und dergleichen dann auch sofort angeordnet werden.

Dann habe ich auch schon den Vorschlag gehört, man solle möglichst früher kommen, um einen Überblick zu haben, bevor der Tagesbetrieb richtig losgeht. Allerdings sollte man wohl auch hier wieder ein System haben, wie man das möglichst schnell hinkriegt.

Außerdem gibt es wohl auch nicht überall PJler oder sonstige Helfer, die morgens BAs erledigen, so dass das unter Umständen auch noch hinzu kommt.

Hab mir ernsthaft überlegt, irgendein Managementseminar zu belegen, um das hinzukriegen. Denn im PJ fehlte mir oft der Überblick, insbesondere wenn viele BAs zu erledigen waren. Bin mir unsicher, ob und wie ich das dann hinkriegen soll nach dem Examen.

Könnt ihr bestimmte Strategien empfehlen, wie man das Stationsmanagement möglichst effektiv gestalten kann? Insbesondere was ständige Unterbrechungen angeht? Besonders die scheinen ja ein großes Problem zu sein...