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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Onkologie , ein paar ethische Fragen



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GebratenerChampignon
30.04.2011, 17:40
Hallo zusammen,

ich stelle Euch eine gerade 50 jährige Patientin vor, mit einem ausgedehnt metastasiertem Adenocarcinom des Magens, mit einer ausgedehnten Metastasierung in multiple retroperitoneale Lymphknoten, ins Skelett und in die Ovarien, sowie in supraclaviculäre Lymphknoten.

Meine Frage wäre zunächst...würdet ihr bei dem Befund noch eine Therapie starten, sprich Chemo ansetzen?

Und allgemein...wann ist für Euch eigenlich der Zeitpunkt um dem Patienten zu sagen...es tut mir leid, aber ich kann nichts mehr für sie tun? Ist dieser Zeitpunkt für Euch überhaupt irgendwann? Oder "kämpft" ihr bis zum Schluss?

Liebe Grüße

Keenacat
30.04.2011, 17:58
Man kann IMMER noch was tun, aber ggf. nicht mehr kurativ. Dem Patienten zu sagen, man könne "nichts mehr für ihn tun" ist also falsch. Man muss ihm aber möglicherweise sagen, dass die Aussichten auf Heilung extrem gering sind und besprechen, was mit welchen Maßnahmen maximiert werden soll: Lebensqualität, Lebensquantität, was ist für die Patientin eine akzeptable Balance?
In diesem Fallbeispiel fehlt aber eigentlich so ziemlich alles, um beurteilen zu können, wie es für diese Patientin weitergehen könnte:
- Beschwerden/Symptome?
- Patientenwünsche?
- Vortherapie?
- AZ?
Was ist mit ihr besprochen worden, was wünscht sie, was machen die Metastasen mit ihr (schmerzmäßig, Organfunktionen), sind die Metastasen chemosensibel und kann ggf. noch der Progress hinausgezögert werden, wenn ja um welchen Preis (UAWs, erwartbare AZ-Reduktion durch die Chemo), wie hat sie ggf. auf vergangene Chemo reagiert, was sagt der Chirurg zu OP-Möglichkeiten und Indikationen, wie sieht ihre soziale Einbindung aus, muss man ggf. Abstriche bei den Möglichkeiten stationärer Behandlung machen etc...

Für zwei Patientinnen mit exakt demselben somatischen Befund kann die wünschenswerte Vorgehensweise völlig unterschiedlich sein.

Hypnos
30.04.2011, 20:33
Man muss ihm aber möglicherweise sagen, dass die Aussichten auf Heilung extrem gering sind und besprechen, was mit welchen Maßnahmen maximiert werden soll: Lebensqualität, Lebensquantität, was ist für die Patientin eine akzeptable Balance?

Genau DA liegt mein Problem mit Onkologen. Im Rahmen der Schmerztherapie haben Onkologen und ich ja nun so manche Schnittstellen und was mich immer wieder aufregt ist die Tatsache, dass die Kollegen es genau wie Du formulieren... "Man kann die Erkrankung zwar nicht heilen, aber sie vielleicht verlangsamen...." Das heißt für die meisten - medizinisch nicht gebildeten Patienten - naja, gaaaanz so schlimm ist es schon nicht.
Mir ist durchaus bewußt, daß es Verdrängungsmechanismen gibt, und ich habe auch schon selbst erlebt, daß Patienten über den nahen bevorstehenden Tod aufgeklärt wurden und dieses dann aber trotz allem vollkommen ausblendeten...zuletzt bei einem jungen Familienvater, 45 Jahre, der mit einem metastasierten Pankreas-CA bei mir aufschlug.
Letztlich halte ich persönlich folgenden Weg für die für mich am ehesten gangbare Methode.
Zunächst sollte man den Patienten dort abholen, wo er steht. Das erfordert aber u.a. auch eine gründliche Anamnese, die auch schon mal eine Weile in Anspruch nehmen kann.
Persönlich mache ich es schon so, daß ich die Patienten darüber aufkläre, daß sie an dieser Krebserkrankung - oder einer ihrer Begleiterscheinungen - versterben werden. Zeitpunkte und Prozentzahlen zu nennen ist hingegen zum Einen nicht möglich und zum Anderen ethisch fragwürdig. Letztlich bestimmt der Patient die Richtung des Gespräches. Wenn er fragt, wie er denn sterben wird, denke ich, hat er auch ein Recht darauf, dieses zu erfahren. Bei o.a. Patienten war es - wie ich dem Patienten auch noch 4 Wochen vor seinem Tode beschrieben habe - aufgrund eines Leberausfallkomas.
Letztlich bleibt anzumerken, daß der Umgang mit Palliativpatienten sehr sehr viel Feingefühl (von dem ich weiß, dass es mir in diesem Forum mindestens 50% nicht zubilligen:-))) und letztlich auch ein "sich auf Menschen einlassen können" erfordert und ein Aufklärungsgespräch ist keine Aufgabe für einen Weiterbildungsassistenten im 1. WBJ ohne entsprechenden Support eines erfahreneren Kollegen...

Hope that helps,

Hypnos

GebratenerChampignon
30.04.2011, 22:37
Nun mir war natürlich klar, dass dies ein schwieriges Thema ist, deshalb danke ich Euch beiden für Eure Antworten.

Ich habe den von mir beschriebenen Fall ganz bewusst nicht mit weiteren Schilderungen versehen, denn er steht nur stellvertretend für viele Diagnosen bei denen eigentlich jedem Mediziner klar ist wohin diese Erkrankung führen wird. Und darum geht es mir. Natürlich meine ich mit " wir können nichts mehr für sie tun" nicht wörtlich, sondern eher im Sinne von " Wir können sie nicht heilen" Natürlich kann man IMMER irgendwas tun, auch Schmerztherapie ist eine Behandlung. Aber ich habe einfach selber die Erfahrung gemacht, dass eben sehr viele Mediziner Probleme damit haben irgendwann auch mal zu sagen..lass es gut sein..

Es stellt sich mir also die Frage ( und deshalb stelle ich sie Euch)..warum fällt es so vielen Medizinern schwer einfach mal zu sagen..Es tut mir leid, sie werden sterben..Natürlich erfordert das Einfühlungsvermögen, welches auch wiederum mancher so rein garnicht hat , dass weiss ich. Und natürlich ist der Tod auch kein angenehmes Thema, konfrontiert es auch einen Mediziner mit der eigenen Sterblichkeit. Aber..und das ist eben der Punkt..ich habe in den Kliniken in denen ich war einfach kaum Mediziner getroffen die auch mal gesagt haben..so..gehen sie nach Hause, geniessen sie die letzten Stunden, Wochen, Monate ( überspitzt formuliert), sondern das Gros der Mediziner versucht alles mögliche an Untersuchungen, Methoden, und dann noch eine Chemo obwohl die Patientin schon eingefallene Wangen hat und man ihr den bevorstehenden Tod schon ansieht und dann noch eine Untersuchung und noch ein Mittel usw.

Und natürlich..ich weiss, es gibt Patienten die verdrängen und manche wollen auch unbedingt alles haben was nur möglich ist, aber ich denke das ist die Minderheit.

Hypnos
30.04.2011, 22:43
Im Prinzip sprechen wir die gleiche Sprache...:-)

airmaria
30.04.2011, 22:47
Es stellt sich mir also die Frage ( und deshalb stelle ich sie Euch)..warum fällt es so vielen Medizinern schwer einfach mal zu sagen..Es tut mir leid, sie werden sterben..Natürlich erfordert das Einfühlungsvermögen, welches auch wiederum mancher so rein garnicht hat , dass weiss ich. Und natürlich ist der Tod auch kein angenehmes Thema, konfrontiert es auch einen Mediziner mit der eigenen Sterblichkeit. Aber..und das ist eben der Punkt..ich habe in den Kliniken in denen ich war einfach kaum Mediziner getroffen die auch mal gesagt haben..so..gehen sie nach Hause, geniessen sie die letzten Stunden, Wochen, Monate ( überspitzt formuliert), sondern das Gros der Mediziner versucht alles mögliche an Untersuchungen, Methoden, und dann noch eine Chemo obwohl die Patientin schon eingefallene Wangen hat und man ihr den bevorstehenden Tod schon ansieht und dann noch eine Untersuchung und noch ein Mittel usw.

sehr niedlich, wie hier abgegriffene klischees bedient werden... vielleicht sollte man sich erstmal damit befassen, was sich in wenigen jahren bahnbrechendes in sachen chemoptherapien getan hat und dann vielleicht mal dr. google bemühen, was man unter palliativer chemotherapie versteht... es ist z.b. nämlich auch nicht angenehm, wenige verbleibende lebensmonate als querschnitt verbringen zu dürfen etc.
airmaria

Hypnos
30.04.2011, 22:55
sehr niedlich, wie hier abgegriffene klischees bedient werden... vielleicht sollte man sich erstmal damit befassen, was sich in wenigen jahren bahnbrechendes in sachen chemoptherapien getan hat und dann vielleicht mal dr. google bemühen, was man unter palliativer chemotherapie versteht... es ist z.b. nämlich auch nicht angenehm, wenige verbleibende lebensmonate als querschnitt verbringen zu dürfen etc.
airmaria

Leider Gottes muß ich Dir widersprechen, airmaria. Was die ärztliche Kompetenz im Umgang mit Palliativmedizin angeht, befinden wir uns noch immer auf Lambarene-Niveau. Und das sagt jemand, der inzwischen die Versorgungsaspekte bei Maximalversorgern als auch bei Regionalkrankenhäusern kennt.

Die einzige WIRKLICHE Errungenschaft der letzten 20 Jahre in diesem Gesundheitssystem sind - bezogen auf die Versorgung von Palliativpatienten - die seit Dezember 2010 gültigen SAPV-Versorgungsrichtlinien.

Hypnos

GebratenerChampignon
30.04.2011, 22:55
Oh danke für Deinen wirklich hilfreichen Beitrag airmaria, hat er mit doch genau meine Fragen beantwortet...

airmaria
30.04.2011, 23:00
Leider Gottes muß ich Dir widersprechen, airmaria. Was die ärztliche Kompetenz im Umgang mit Palliativmedizin angeht, befinden wir uns noch immer auf Lambarene-Niveau. Und das sagt jemand, der inzwischen die Versorgungsaspekte bei Maximalversorgern als auch bei Regionalkrankenhäusern kennt.

vielleicht gehen die uhren hier in der schweiz diesbzüglich anders: hier ist es völlig normal zu rapportieren, dass man eine "komforttherapie" eingeleitet hat... wofür man in d wahrscheinlich mit einem bein schon im knast landen würde.
airmaria

Hypnos
30.04.2011, 23:03
vielleicht gehen die uhren hier in der schweiz diesbzüglich anders: hier ist es völlig normal zu rapportieren, dass man eine "komforttherapie" eingeleitet hat... wofür man in d wahrscheinlich mit einem bein schon im knast landen würde.
airmaria

Wobei das Wort an sich ja schon den blanken Hohn widerspiegelt, oder? Aber nix für ungut, ich denke, man kann vielleicht diese beiden Systeme wirklich nicht 1:1 miteinander vergleichen...

Kackbratze
01.05.2011, 00:00
Und Palliativtherapie ist nicht immer gleich mit Knast verbunden. Patientenindividuell orientiert bietet sie weiterhin auch alle Facetten der Medizin.

airmaria
01.05.2011, 08:20
mich stört an dieser story die eindimensionale betrachtung der falldarstellung und pauschalisierung der einfältigen unsensiblen ärzte: es obliegt normalerweise ja nicht stationsärztin lieschen oder hausarzt klaus-bodo, die therapie bei solchen diagnosen festzulegen!
in der regel beschäftigen sich damit eine reihe von spezialisten, üblicherweise konzentriert in einem "tumor-board", wo dann entsprechende patienten regelmässig vorgestellt und weitere procedere interdisziplinär ausgetüftelt werden. bei uns sitzen also regelmässig 15 bis 20 leutchen (pathologen, histologen, (interventionelle) radiologen, internisten, onkologen, gefässchirugen, visceralchirurgen, pharmakologen, neurochirurgen, kinderorthopäden, orthopäden...) zusammen, um im sinne der patienten die beste und sinnvollste therapie unter berücksichtigung aller faktoren herauszuarbeiten... vielleicht bin ich da inzwischen aber auch universitär verblendet, wobei das auch in den kleineren häusern so gehandhabt wurde, in denen ich bislang tätig war.

um auf den eingangsfall zurückzukommen: es kann der böse - bis zum schluss kämpfende - arzt dann ggf. tatsächlich z.b. vorschlagen, zu operieren, anstatt die arme patientin doch einfach schnell in frieden sterben zu lassen. es könnte nämlich ein palliativer chirurgischer eingriff (partielle oder totale gastrektomie, gastroenteroanastomose) mit dem ziel, die orale nahrungsaufnahme zu erhalten und blutungen sowie schmerzen zu reduzieren unter umständen im gesamtkonzept sinnvoll erscheinen... um eben - und hierauf bezog sich auch meine wortwahl "naiv" - folgenden wunsch überhaupt annährungsweise zu ermöglichen:

...gehen sie nach Hause, geniessen sie die letzten Stunden, Wochen, Monate

die ärzte, die ich kenne, arbeiten in den entsprechenden situationen eigentlich alle an diesem ziel! blöderweise sieht die natur aber häufig das ausweichen auf andere optionen vor.
airmaria

Kackbratze
01.05.2011, 09:44
Palliative Chirurgie oder Interventionen mit diesem Ziel werden eben von Verwandten, Aussenstehenden und Presse nicht als solches gewertet, sondern fast immer mit dem "noch mehr Quälerei"-Siegel versehen.
Lebensqualität verbessert man nicht ausschließlich mit Morphium!

Keenacat
01.05.2011, 09:56
Palliative Chirurgie oder Interventionen mit diesem Ziel werden eben von Verwandten, Aussenstehenden und Presse nicht als solches gewertet, sondern fast immer mit dem "noch mehr Quälerei"-Siegel versehen.


Zumindest für die Verwandten trifft das nicht zu. :-nix Wenn eine gute Gesprächsbasis besteht und alle Betroffenen miteinbezogen sind, dann kann man jegliche Intervention und ihre Ziele erklären und in der Regel auch alle dafür gewinnen. Das trifft besonders zu, wenn der Patient selbst noch voll einwilligungsfähig ist. Das erfordert halt ne Menge Gesprächszeit. Ein unschätzbarer Vorteil der spezialisierten Palliativeinrichtungen ist eben das Vorhandensein dieser Zeit.

Gast26092018
01.05.2011, 09:58
Es stellt sich mir also die Frage ( und deshalb stelle ich sie Euch)..warum fällt es so vielen Medizinern schwer einfach mal zu sagen..Es tut mir leid, sie werden sterben..Natürlich erfordert das Einfühlungsvermögen, welches auch wiederum mancher so rein garnicht hat , dass weiss ich.
Menschen die so etwas sagen haben überhaupt kein Einfühlungsvermögen;-)
Du hast überhaupt kein Recht so etwas zu sagen, du kannst sagen "Sie können daran versterben" aber nicht "Sie werden..". Wir stehen in der Tumorbekämpfung noch am Anfang und es werden ständig neue Chemotherapeutika entwickelt, v.a. auch bei GIST die das Leben der Tumorpatienten bei denen sogar Metastasen vorliegen in manchen Fällen um Jahre verlängert. Es gibt ständig neue Methoden die entwickelt werden (Schwerionentherapie etc. ) um gezielt Tumorgewebe zu zerstören und gesundes Gewebe zu schonen.
Was wenn morgen ein Mittel oder eine Behandlungsmethode entwickelt wird die eine Heilung verspricht? Solange der Patient den Willen hat und die Lebensqualität unter der Therapie nicht zu stark leidet, hast du sein Leben so lange wie möglich zu erhalten. Anders ist es natürlich wenn der Patient dies nicht wünscht.

"Ärzte sind Menschen die Arzneien verschreiben, über die sie kaum etwas wissen, um Krankheiten zu heilen, über die sie noch weniger wissen, und das bei Menschen, über die sie gar nichts wissen" Voltaire
Der Spruch gilt eigentlich heute noch;-)

Hypnos
01.05.2011, 10:06
Menschen die so etwas sagen haben überhaupt kein Einfühlungsvermögen;-)
Du hast überhaupt kein Recht so etwas zu sagen, du kannst sagen "Sie können daran versterben" aber nicht "Sie werden..". Wir stehen in der Tumorbekämpfung noch am Anfang und es werden ständig neue Chemotherapeutika entwickelt, v.a. auch bei GIST die das Leben der Tumorpatienten bei denen sogar Metastasen vorliegen in manchen Fällen um Jahre verlängert.

Ich habe jetzt bei Deinen Ausführungen noch nicht verstanden, was eine verlängerte Überlebenszeit an der Tatsache ändert, daß der Patient eben doch an der Grunderkrankung versterben wird.
Und was ich noch viel weniger verstanden habe, ist, warum ich ihm das nicht sagen darf? Viel verlogener ist es doch, einem durchmetastasierten Patienten (der allerdings noch bei subjektivem Wohlbefinden ist) eben genau dieses NICHT mitzuteilen. Aber vermutlich haben wir da konträre Standpunkte.

Gast26092018
01.05.2011, 10:13
Ich habe jetzt bei Deinen Ausführungen noch nicht verstanden, was eine verlängerte Überlebenszeit an der Tatsache ändert, daß der Patient eben doch an der Grunderkrankung versterben wird.
Und was ich noch viel weniger verstanden habe, ist, warum ich ihm das nicht sagen darf? Viel verlogener ist es doch, einem durchmetastasierten Patienten (der allerdings noch bei subjektivem Wohlbefinden ist) eben genau dieses NICHT mitzuteilen. Aber vermutlich haben wir da konträre Standpunkte.
Du weißt doch eben nicht, ob morgen oder übermogen eine bahnbrechende Studie in die Wegen geleitet wird die deinem Patienten das Leben retten oder um einiges verlängern könnte. Deswegen kannst du nicht sagen "Sie werden sterben" das weißt du ja nicht. Wir wissen einfach zu wenig und es fehlen noch die großen Ideen. Du sollst ihm schon sagen das er an der Erkrankung versterben kann, aber du darfst ihm nicht alle Hoffnungen rauben.

Hypnos
01.05.2011, 10:22
Du weißt doch eben nicht, ob morgen oder übermogen eine bahnbrechende Studie in die Wegen geleitet wird die deinem Patienten das Leben retten oder um einiges verlängern könnte. Deswegen kannst du nicht sagen "Sie werden sterben" das weißt du ja nicht. Wir wissen einfach zu wenig und es fehlen noch die großen Ideen. Du sollst ihm schon sagen das er an der Erkrankung versterben kann, aber du darfst ihm nicht alle Hoffnungen rauben.

Entschuldige, aber wenn mich ein Patient, wie oben geschildert, fragt, wie es denn mit ihm weitergehe, dann gehe ich (nenn mich blauäugig) nicht davon aus, daß man einen Patienten, dessen Leber zu 85% mit Metastasen durchsetzt ist, auch mit der "bahnbrechenden Studie" das Leben wird retten können.
Dahingegen habe ich schon viele, viele Patienten begleitet, die immer gehofft haben, und deren Angehörige letztlich allein dastanden, weil nicht einmal die wichtigsten Dinge geregelt wurden - weil eben immer gesagt wurde...wird schon irgendwie werden. Wird es eben nicht. Und das zu erfahren, ist auch das gute und verbriefte Recht eines Patienten (zumindest meiner Meinung nach). Das hat nicht zwingend etwas mit Hoffnung rauben zu tun.
Im Gegenteil spiegelt meine Erfahrung einfach wider, daß Patienten sehr wohl merken, wer "ehrlich und empathisch" mit ihnen umgeht, und das ist auch essentiell für das Vertrauensverhältnis. Es sind letztlich schon mehrere Patienten bei mir als Schmerztherapeuten gelandet, weil sie zu den behandelnden Onkologen kein Vertrauen mehr hatten (nachdem das in Aussicht gestellte immer weniger erreichbar wurde)...
Aber, wie gesagt, ich glaube, da haben wir einfach etwas unterschiedliche Ansichten der Patientenführung...? Ist auch kein Vorwurf, ich kann nur dieses Vorgehen für mich und die von mir betreute Patienten nicht nachvollziehen...

THawk
01.05.2011, 10:49
Ich bin da auch der Freund klarer Worte und habe ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass Angehörige und Patienten sehr genau hören ob man sich ehrlich traut auch unschöne Dinge auszusprechen oder ob man davor Angst hat und sich daherum drückt.

Leider Gottes kommen so 'bahnbrechende' Neuerungen in aller Regel auch nicht von einem Tag zum anderen in die Nähe der Patienten. Da weiß man schon auf seinem Spezialgebiet was in den nächsten Wochen und Monaten vielleicht kommen wird.

Mir ist bei wirklich palliativen Patienten ohne kurative Möglichkeit ein 'Sie können daran sterben' zu unklar. Ich kann auch sterben wenn ich über die Straße gehe. Die Wahrscheinlichkeit ist aber bei o.g. Patienten eine ganz andere. Deshalb denke ich schon, dass man sagen darf und ggf. auch sollte 'Sie werden daran sterben'.

Keenacat
01.05.2011, 10:55
:-meinung