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BullaBulla
10.05.2011, 06:13
Hallo,

ich arbeite momentan in der Inneren und überlege, nach 1-1,5 Jahre Innerer Medizin für 12-18 Monate in die Psychiatrie zu wechseln (könnte mir vorstellen, Hausarzt zu werden).

Kann mir jemand sagen, wie so der normale Arbeitsalltag eines Psychiaters aussieht? Ist es dort ähnlich wie in der Inneren - viel Papierkram, ständig wird man 1000mal bei allem, was man macht unterbrochen? Viel Wuselei, viel Stress? Viele Überstunden?
Wer macht denn in der Psychiatrie Psychotherapie? Nur Fachärzte? Oder machen das auch Assistenten?

Hab nie in der Psychiatrie famuliert, daher meine (vielleicht blöden) Fragen..

Würde mich über Antworten freuen.

Danke.

EKT
10.05.2011, 15:10
Hallo,

also erstmal find ich`s ne gute Idee, als angehender Hausarzt Erfahrungen in der Psychiatrie zu sammeln.:-top
Es heißt ja, daß bis zu 70 % der Hausarztbesuche mit psychischen Problemen im weiteren Sinne zu tun haben. Zudem zählt z. B. die Depression zu den bedeutendsten "Volkskrankheiten" und wird in ihrer gesundheitsökonomischen Bedeutung bald die KHK überholt haben. Man kommt also an dem Thema eh nicht vorbei.

"Viel Papierkram, viel Wuselei, viel Streß" - das trifft wohl in der Assistenzarztzeit für die meisten Gebiete zu, oder?

Ansonsten hängt die Arbeitsbelastung mit evtl. Überstunden, Diensten, Einspringen etc. sehr von der jeweiligen Klinik ab. In vielen Häusern gibt es jedoch ne Menge unbesetzer Arztstellen - bei mir zum Beispiel 20(!) im 400-Betten-Haus.

Psychotherapie ist essentieller Bestandteil der Facharztausbildung. Es wird daher eine bestimmte Anzahl von Behandlungsstunden von den Facharztkandidaten verlangt, die man zumeist "nebenbei", d. h. außerhalb der normalen Arbeitszeit macht.

Was nebenbei nicht uninteressant ist: In der Psychiatrie wird sich noch Zeit genommen für einen (internist. u. neurol.) Ganzkörperstatus bei jeder Aufnahme mithilfe der fünf Sinne und der "Standardwerkzeuge". Kenne ich so aus kaum einem anderen Fach.

Gruß,
EKT

BullaBulla
10.05.2011, 19:26
Danke für die Antwort! Kannst du mir vielleicht mal einen typischen Arbeitstag bei dir schildern?
Und ab wann fängt man denn mit Psychotherapie an? Macht man die zusammen mit nem Oberarzt? Oder alleine? Und warum macht man die so nebenbei und nicht während der Arbeitszeit?
Aber da ich ja nicht FA für Psychiatrie werden und nur 1-1,5 Jahre in der Psychiatrie arbeiten möchte, müsste ich mich vielleicht nicht ganz so darauf konzentrieren?!?

Arbeitest du denn in ner rein psychiatrischen Klinik?

Kannst mir auch gerne eine PM schicken! :)

Danke!

stennadolny
10.05.2011, 21:04
So sehr ich EKT und dessen Erfahrungen schätze, aber ich würde mit (stationärer) Psychiatrie in Deutschland nicht so optimistisch umspringen.


Es heißt ja, daß bis zu 70 % der Hausarztbesuche mit psychischen Problemen im weiteren Sinne zu tun haben. Zudem zählt z. B. die Depression zu den bedeutendsten "Volkskrankheiten" und wird in ihrer gesundheitsökonomischen Bedeutung bald die KHK überholt haben. Man kommt also an dem Thema eh nicht vorbei.
Mit Verlaub: Das ist Wichtigtuerei der Psychofächer, um einfach mehr vom Schmalztopf abzubekommen. HÄ haben es recht selten mit ausgebufften Depressios zu tun, viel eher mit hundsnormalen Anpassungs- und Trauerreaktionen, die meist von selbst vorbeigehen. bzw. als Begleitreaktion oder symptomatisch bei somat. Erkrankungen (etwa Schilddrüse) auftreten.
Eine schweres oder schwerstes depressives Syndrom ist ohnehin selten, selbst in der Psychiatrie !

Die Negativselektion, die der Psychiater stationär sieht, ist doch nicht annhähernd regelm. häufig in der Hausarztpraxis anzutreffen, zumal ein Gutteil der psychiatr. Aufnahmen "Selbststeller" zu sein scheinen oder von (genervten) Niedergelassenen FÄ zugewiesen werden.



"Viel Papierkram, viel Wuselei, viel Streß" - das trifft wohl in der Assistenzarztzeit für die meisten Gebiete zu, oder?
In der Psychiatrie ist aber die Verwechslung von Dokumentations(wust) und Behandlung(squalität) schon sehr epidemisch, weil man ja kaum objektive Kriterien kennt.........

Stellen sind in der Psychiatrie kein Problem, würde aber von Psychiatern, die allzu oft mehr als reserviert "Somatikern" gegenüber sind (, um nicht zu sagen: allergisch, außer sie nehmen ungebliebte Patienten ab.....), nicht großartig Begeisterung für die Ambitionen eines angehenden Hausarztes erwarten.
Im Gegenteil: Kenne das Beispiel (persönlich) eines etwas skurillen, aber fachlich guten Allgemeinmediziners, der von Psychiatern hinausgemobbt wurde, als er schlichtweg forderte, daß sie ihm dies und jenes beibringen.

Würde statt einer Klinik eine gute Nervenarztpraxis für 6-12 MOnate bevorzugen, weil da Neurologie und hands-on-Psychiatrie (= Psychopharmakologie) meist in ausreichendem Maße für den Hausarzt beizubringen sind. Alles aus einer Hand - und das noch ambulant !


Und ab wann fängt man denn mit Psychotherapie an? Macht man die zusammen mit nem Oberarzt? Oder alleine? Und warum macht man die so nebenbei und nicht während der Arbeitszeit?
Laß Psychotherapie in der Psychiatrie einfach sein. Lerne sie, wenn möglich, ambulant und nebenher, denn in den meisten Psychiatrien in D ist die PT-Ausbildung ein schlechter Witz ohne jedes Coaching - man therapiert so in den Tag hinein und vor sich hin, Hauptsache, das Haus kassiert dafür.
Zudem halte ich eine Selbsterfahrung vorher für ratsam - und die dauert schon ein Jahr und kostet. Man lernt Psychotherapie erst mit den Jahren bei entsprechendem Engagement. In der stationären Psychiatrie in D ist das ohnehin mehr als ein Trauerspiel, für den Hausarzt lernt man allenfalls ohnehin schon mit minimalem med. Verstand klare (und oft auch übel falsche, weil es um Bettenbelegung geht.....) Indikationen für PT.


Was nebenbei nicht uninteressant ist: In der Psychiatrie wird sich noch Zeit genommen für einen (internist. u. neurol.) Ganzkörperstatus bei jeder Aufnahme mithilfe der fünf Sinne und der "Standardwerkzeuge". Kenne ich so aus kaum einem anderen Fach.

Theoretisch richtig, praktisch häufig zeitlich unmöglich und auch überhaupt nicht erwünscht. Zuviel Somatik, da könnte man ja auf einmal etwas finden, wofür man schon wieder den teuren Innere-Konsiliarius holen muß und überhaupt.....
Kenne, ohne Scherz, Kollegen, deren Körperstaten aus Copy-Paste im elektronischen Akt bestehen. Und das seit Jahren. Merkt keiner, ist auch völlig wurscht.

Für`n Allgemeinmedi ist eine Lehrpraxis ok und viel besser - und auch Neuro ! :-))

Antracis
10.05.2011, 21:51
In vielen Häusern gibt es jedoch ne Menge unbesetzer Arztstellen - bei mir zum Beispiel 20(!) im 400-Betten-Haus.



Wahn-Sinn!!!:-wand:-wand:-wand

Wie kann man da eigentlich gescheit arbeiten ? Bei uns sind derzeit glücklicherweise alle Stellen besetzt. ~ 25 Assis bei ~200 Betten, aber auch viel Ambulanz und TK.
Das ist echt entspannt. War aber auch schon mal anders.

Vielleicht versuche ich nachher mal einen "typischen" Tag zu skizzieren oder morgen früh.

Gruß
Anti

EKT
11.05.2011, 11:59
@stennadolny

Natürlich sind meine Ausführungen nicht repräsentativ und durchaus durch einen gewissen Idealismus gefärbt. Z. B. ist mir das Abkupfern von uralten (somatischen und psychischen) Vorbefunden auch bekannt und es erzeugt gelegentlich Zornesausbrüche.

Schon lange denke ich darüber nach, ob und wie man auch in der Psychiatrie objektive Erfolgsmaßstäbe anlegen kann. Wenn das mal valide gelingen würde....

Was die Psychotherapie betrifft: klar, das würde ich auch empfehlen wegzulassen als jemand, der nicht den Facharzt anstrebt. Wenn man sich da ernsthaft reinknien will und im Patientensinne wirklich gute Arbeit machen will, dann braucht es neben einiger Theorie vor allem sehr guter Supervision, Selbsterfahrung (und zwar nicht nur ein Jahr, sondern möglichst über mehrere Jahre Einzeltherapie - auch wenn das überholt klingen mag, auf keine andere Art erfährt man das spezielle Setting der Einzelbehandlung, um die es sich bei PT ja vorwiegend handelt) und ganz ganz viel "Übung" am Patienten. Das alles wird nicht von unseren Kliniken angeboten und erfordert ein hohes Maß an Eigeninitiative.

Ob es nur "Wichtigtuerei der Psychofächer" ist, daß psychische Erkrankungen zunehmen, da bin ich mir nicht sicher. WHO-Statistiken zufolge wird die Entwicklung so sein. Nun kann man natürlich fragen, wie Diagnosen zustande kommen: ob z. B. heute etwas eher als psychiatrische Diagnose durchgeht (Depression), was sich früher z. B. eher im orthopädischen (chron. Rückenschmerzen evt. i. R. einer Depression) oder neurologischen Gebiet (irgendwelche anhaltenden Schlafstörungen, ebenfalls möglicherweise i. R. einer Depression) abspielte.

@BullaBulla

Ein typischer Tag:
ab 8 Uhr auf Station, evtl. Mithilfe bei BE (mittlerweile macht dies ja die Pflege wieder überwiegend), dann Übergabe der Nachtgeschehnisse durch die Pflege (früher täglich, jetzt nur noch zweimal pro Woche morgendliche Abteilungsbesprechung mit OÄ und CA über Neuaufnahmen und sonstige wichtige Dinge; Abteilung umfaßt bei mir 6 Stationen). Zweimal pro Woche wird der Vormittag weitgehend durch Visiten (OA-, Chef-) beansprucht.

Dazwischen auf einer Intensivstation wie bei mir plötzliche Aufnahmen (auf anderen Stationen auch elektive Aufnahmen). Meist zu einer festen Zeit am Tag eine "Sprechstunde" für die Pat. für allerlei Kleinigkeiten, v. a. auch somatische Dinge; in diesem Rahmen auch (forensische) Aufklärungen über potentiell gefährliche Medikamente (z. B. Lithium, Clozapin), sowie EKT. Hin und wieder gezielte längere "therapeutische" Patientengespräche.

Dazwischen immer wieder Telefonate mit niedergelassenen Kollegen und Ämtern, nachmittags gelegentlich "Anhörungen" (falls ein Pat. gegen seinen Willen bei uns ist, wird die Sache durch einen Richter überprüft). Daneben häufig telefonisch oder direkt Gespräche mit gesetzlichen Betreuern, Bezugspersonen, Wohnheimen und Angehörigen. Etwa einmal pro Woche gemeinsames Gespräch mit den Mitarbeitern aus den Therapien (Ergo-, Arbeits-, Musik-, Sport-) zur Entwicklung und weiterem Vorgehen.
Eine gute Sozialarbeiterin auf der Station ist goldwert und kann vieles in die Wege leiten.

Naja, und dann, meist am Nachmittag Briefe schreiben bzw. Entlassungen vorbereiten, einmal wöchentlich einen kurzen Verlaufsbericht pro Patient diktieren. Außerdem zumindest einmal wöchentlich nachmittags regelmäßiges Weiterbildungscurriculum.

Ich gehe pünktlich um 17 Uhr nach Hause bzw. auch früher, falls es noch Konsile in der Somatik gibt oder Pat. in meiner Spezialambulanz angemeldet sind. Pünktlich zu gehen ist mit ein wenig Erfahrung, guter Zeiteinteilung und Strukturiertheit und einem hilfreichen Oberarzt (ist leider nicht die Regel) sehr gut möglich.

Ansonsten gibt es ne Menge Dienste: so fünf bis sechs auf jeden Fall, wobei 24h-Dienste am WE normal mitzählen. Wir haben zwar einen Aufnahme-OA, aber wenn der nicht da ist, müssen die Assistenten dessen Arbeit tagsüber reihum mitmachen, d. h. dann alle Außenanrufe entgegen nehmen und entscheiden sowie sämtliche geplante und ungeplante Aufnahmen koordinieren.

Man sieht also, daß man eine geplante regelmäßige (d. h. in der Regel 50-minütige wöchentliche) Psychotherapie in so einem Tagesablauf nicht unterbringt, wenn auch noch gelegentlich das Telefonklingeln stört. Deshalb sollte man dies in die Stunden außerhalb der regulären Arbeitszeit legen.

Hoffe, das dies etwas hilfreich war?
Gruß,
EKT

BullaBulla
12.05.2011, 06:14
Danke für die Info! In welchem Bundesland arbeitest du denn eigentlich?!?

EKT
12.05.2011, 12:54
NRW...

BullaBulla
12.05.2011, 16:37
Bist du zufällig in Lengerich? Oder kannst du mir was über die Klinik sagen?

EKT
12.05.2011, 17:08
Nein, tut mir leid, Lengerich kenne ich gar nicht.

Bandwurm
13.05.2011, 06:09
Ich arbeite in einer kleinere Psychiatrie mit 60 Betten. Ist eigentlich so ähnlich wie EKT beschrieben hat. Was ich als großen vorteil empfinde in der Psychiatrie, ist, dass der anteil an eigenen Schwerpunkten größer ist. D.h. kannst die halt Aussuchen, ob du mit den Patienten spazierengehst und dich dabei unterhälst, ausgebuffte Familiengespräche machst oder dich ans Telefon hängst um Fremdanamneses einzuholen. Wie viel du lernst ist wie in den meisten Fällen von dir und deinen Vorgeseten und Mitassistenten abhängig. Ich habe z.B. darum gebeten, dass ich eine Stunde in der Woche Supervision durch den OA bekommen, wo ich doofe Fragen Stellen kann, dass habe ich über 4 Jahre und dre Stellen auch so weitergemacht. Hilft ungemein aus meiner Sicht. Nebenbei ist zu sagen, dssa die Aztbriefe aus meiner Sicht ein wenig anspruchsvoller sind als in anderen Fächern, da die Patienten teilweise über Monate bleiben und manchmal einen kurzen, aber roten Faden zu finden ein bissele kompliziert sein kann. Dafür sind es auch nicht so viele. Nach Hause kommen, war in den meisten Kliniken, wo ich gearbeitet habe kein Problem. Bzw ist halt dir überlassen, ob du nach Feierabend noch Gespräche machst. Ich persönlich mache in der Woche so 1-2 Überstunden, die meisten kommen mit weniger aus. Dafür sind in vielen Häusern 3-6 Dienste nicht unüblich, die Dienstbelastung halt je nach Lage von locker bis hart.

BullaBulla
14.05.2011, 05:29
Danke!

jatina
15.05.2011, 19:30
Ich geb dann auch noch mal meinen Senf dazu......

Erstmal finde ich Deine Idee sehr gut, ich denke ein Blick über den Tellerrand kann nie schaden und überlege z.B. auch selber (ausser dem Neurojahr) noch mal Innere zu machen.

Ich bin jetzt im 2. Wbj in einer rein psychiatrischen Klinik mit etwas über 200 Betten. Je nach Station (und Stationsschwerpunkt) sieht der Alltag unterschiedlich aus.

Auf meiner ersten Station- Entzug von illegalen Drogen- fingen wir morgens um halb Neun mit einer Teamübergabe an (also Pflege, Arzt, Psychologe, Sozialarbeiterin). Danach Morgenrunde mit den Patienten (war für mich jeweils freiwillig, aber es ist immer gut dabei zu sein um einen Überblick zu haben wo es eventuell brennt). Mo. folgte dann Planettenvisite, Mi. Oberarztvisite, Freitag normale Visite. Nachmittags gab es jeweils an den Tagen ohne Visite Sprechstunden (wobei mich die Patienten auch so jederzeit ansprechen konnten). Di. und Do. Blutentnahmen, wurden dort vom Arzt gemacht da auf Grund des Venenstatus der Patienten häufiger mal aus Leiste oder Hals abgenommen werden musste.
Dann pro Tag, je nach Belegung, zwischen 0-4 Aufnahmen. Also komplette Anamnese, körperliche Untersuchung (nein, kein Copy and Paste.... : )) ).
Ausserdem Mittags nochmals eine teamübergreifende Übergabe.
Insgesamt hatte ich auf der Station auch viel mit internistischen oder auch chirurgischen Themen zu tun, einfach auf Grund des Gesamtzustandes der meisten Patienten. Manche Dinge- wie z.B. Wundversorgung, Blutdruckeinstellung etc. haben wir selber gemacht. Andere wurden konsiliarisch gesehen.
Psychotherapie war dort weniger Thema, nicht zuletzt auf Grund der kurzen Verweildauer (3 Wochen maximal) und der Tatsache, das die Patienten im Entzug sehr mit körperlichen Dingen beschäftigt waren. Bei Bedarf fanden aber Gespräche, z.B. zur Krisenintervention oder Motivation statt.
Des Weiteren gab es noch edukative Gruppen zu Gesundheitsthemen, jeweils vom Arzt geleitet, und zu "Lebensthemen", jeweils vom Psychologen geleitet aber oft mit Arztanwesenheit.
Also quasi eine Vermischung von somatischer und psychiatrischer Arbeit, insgesamt gesehen.
Schluss konnte ich in der Regel pünktlich um Fünf machen.

Jetzt arbeite ich auf der Notaufnahme, die bei uns gleichzeitig auch die allgemeinpsychiatrische (fakultativ) Geschlossene ist.
Tag fängt auch um halb Neun an- erstmal Übergabe des Nachtdiensthabenden. Dann jeden Morgen Sitzung mit OA, Stationsärzten, Stationsleitung, Sozialarbeit und Pflege (je einer aus dem jeweiligen Pflegebereich) wo alle Patienten durchgesprochen werden.
Mo und Mi Visite mit Oberarzt, Freitag ohne. Blut nimmt- ausser in schwierigen Fällen- die Pflege ab.
Aufnahmen kommen, wie in der Notaufnahme eben üblich, ungeplant- sprich entweder ohne jegliche Ankündigung oder nach kurzfristiger Ankündigung durch Niedergelassene, Amtsarzt etc.. Da ist alles zwischen 0 und 10 pro Tag drin.
Dazwischen gegebenenfalls richterliche Anhörungen.
Ausserdem Gespräche mit Patienten und/ oder Angehörigen.
Auch hier findet klassische Psychotherapie weniger statt, auch auf Grund der oft nur kurzen Verweildauer bis Patienten entlassen werden oder auf periphere Stationen gehen. Die Patienten, die bei uns länger sind, bekommen schon regelmäßiger Gespräche, soweit ihr Zustand es zulässt. Mittags um Eins ist immer Pflegeübergabe, wo, wenn es geht, auch ein Arzt dabei ist.
Halb Fünf dann Übergabe an den Nachtdienst.
Dazu kommen gerne Gutachten......die erzeugen bei mir am ehesten mal Überstunden.

Ausserdem im Haus noch ein Mal die Woche allgemeine Fortbildung und ein Mal alle zwei Wochen Fortbildung Psychotherapie plus alle zwei Wochen Supervision für die Ärzte.

Ich denke Zeit auf einer allgemeinpsychiatrischen Station könnte Dir- auch in einem Jahr- einen ganz guten Grundstock und Überblick liefern, der Dir auch in der weiteren Laufbahn als Internist ganz gut zu Pass kommen kann.

Was Stress angeht- ich empfinde die Arbeit, was zeitlichen Stress angeht, als entspannter als z.B. in der Inneren....... dafür hat die psychische Belastung imho eine andere Qualität.
Doku ist so nervig wie überall. : )
Dienste macht man bei uns zwischen 2-4 im Monat, je nach Urlaubslage.

Hoffe das hat ein wenig weitergeholfen.

BullaBulla
16.05.2011, 16:58
Danke!

Antracis
16.05.2011, 18:45
Wie versprochen, auch mal ein Tagesprofil von mir. Maximalversorgungshaus im sozialen Brennpunkt mit riesiger Rettungsstelle, meist schwer was los. Besonderheit: Heterogene Stationen (Also sowohl Alter als auch Diagnosen als auch Untergebrachte/Freiwillige bunt gemischt), Türen nur bei Bedarf geschlossen. Lediglich die Sucht ist eine Schwerpunktstation, auf den anderen Stationen landen aber auch regelmäßig Suchtkranke. (Kapazitätenmangel + Doppeldiagnosen).

8:00-8:15
Inoffizieller Gleitzeitstart :-)

8:15-8:30
Übergabe von Pflegepersonal und Meeting mit Sozialarbeiterin mit jeweils einem Ohr, anderer Teil des Gehirns überfliegt die Kurven.

8:30-8:50
Frühbesprechung d. Abteilung mit OAs und CAs

8:50-9:15 Wenige Blutabnahmen, bisserl Papierkram, kleinere Probleme auf Station klären, nicht selten quetscht sich auch ein Richter mit einer Anhörung in diese Zeiten. Bringt dann immerhin extra Kohle.

9:15-9:45
Patientengruppenvisite, tagesabhängig in unterschiedlicher Größenzusammenstellung. Nicht selten der einzige geplante Kontakt mit dem Patienten und je nach Zusammenstellung und Krankheitsgrad ne echte Herausforderung.

9:45-10:30
1 mal die Woche gemeinsames Stationsfrühstück, ansonsten eher nur kurz ne Tasse Tee und Kleinkram

10:30-12:30
An einem Tag die Woche ist Kurvenvisite mit OA, Sozialarbeiterin und PP, alle 2 Wochen OA-Visite. An den anderen Tagen meist Aufnahmen, wenn vorhanden (volkommen unterschiedlicher Umfang von 10 Minuten Dauer ohne körperliche Untersuchung (chronischer Psychotiker, 20 jahre im Haus bekannt, gestern erst Entlassen...) bis hin zum V.a. Erstmanifestation 19jährige Patientin, wo das mit penibler Untersuchung schon über ne Stunde gehen kann. Und Einzelgespräche mit Patienten (20 Minuten Rahmen, viele halten nur viel weniger aus). Meist auch Latte an Telefonaten mit Richtern, Betreuern und dem gesamten ambulanten Versorgungsbereich.


12:30-13:00 Uhr
Mittach, lasse ich mir auch im größten Stress nicht nehmen.

13:00-16:30
Hier ganz unterschiedlich. Selten ist der Block total frei, dann aber im Prinzip wie vormittags + der übliche Papierkram. ( Kostenübernahmesicherungen, kurze Sozialgutachten und andere ärztliche Stellungnahmen, Briefe...).
1 x die Woche Teambesprechung, wo mit allen (Ärzte, PP, Sozialarbeiterin, Therapeuten, Psychologen) Neuaufnahmen und die Patienten besprochen werden). 1 mal die Woche Fortbildung, 1 x Supervision, alle 14 Tage Angehörigenvisite mit OA und ganzem Team.

16:30-17:00
Inoffizielles Gleitzeitende. :-nix
Obwohl wir, wenn notwendig, bereits ab 16:00 uhr abhauen können. Ganz pünktlich wirds selten, viel später aber auch nur, wenn die Arbeit sich auf dem Schreibtisch extrem stapelt und ich die Notbremse ziehen muss.


Ansonsten ist dieses Programm manigfaltig unterbrochen durch die kleinen Kriseninterventionen auf Station, die vom entlastenden Gespräch mit der weinenden affektlabilen Patientin bis zur Fixierung der kampfsporterfahrenen Hardcoreborderlinerin mit Amtshilfe reichen. Nervt manchmal gewaltig, weil man vor lauter Unterbrechungen zu nix kommt, macht aber auch oft sehr viel Spaß, weil es halt selten Algorhythmen gibt, auf die man zurückgreifen kann und man flexible Lösungen immer neu, und meist im Team, suchen muss.

Dazu kommen 2 Dienste im Monat. Die sind Hardcore, dafür aber wie gesagt selten.

Da aktuell alle Stellen bei uns besetzt sind, machts auch Spaß. :-)

lg
Anti

SidVicious
25.05.2011, 23:56
Mit Verlaub: Das ist Wichtigtuerei der Psychofächer, um einfach mehr vom Schmalztopf abzubekommen. HÄ haben es recht selten mit ausgebufften Depressios zu tun, viel eher mit hundsnormalen Anpassungs- und Trauerreaktionen, die meist von selbst vorbeigehen. bzw. als Begleitreaktion oder symptomatisch bei somat. Erkrankungen (etwa Schilddrüse) auftreten.
Eine schweres oder schwerstes depressives Syndrom ist ohnehin selten, selbst in der Psychiatrie !

Sicher hast du mit deiner Aussage zum Teil recht, dass schwere depressive Epsioden selten sind und das in der HA-Praxis wohl Anpassungsstörungen wahrscheinlich an der Tagesordnung sind. Die Frage ist, ob jemand diese auch erkennt ohne in der Psychiatrie gearbeitet zu haben. Die meisten Schnupfen, Bronchitiden, Gastriden usw. gehen auch meist von selbst vorbei. Trotzdem kann jeder ausgebildete Hausarzt diese erkennen und in ansätzen behandlen...egal ob nötig oder nicht! Warum sollten Patientin mit einer Anpassungsstörung nicht das gleiche recht haben einen auf diesem Gebiet kompetenten Arzt zu haben?
Du würdest wahrscheinlich nicht auf die Idee kommen, zu argumentieren, dass das eine harmlose Gastrits eine Erfindung der Gastroenterologen ist um mehr vom Schmalztopf abzubekommen.




Stellen sind in der Psychiatrie kein Problem, würde aber von Psychiatern, die allzu oft mehr als reserviert "Somatikern" gegenüber sind (, um nicht zu sagen: allergisch, außer sie nehmen ungebliebte Patienten ab.....), nicht großartig Begeisterung für die Ambitionen eines angehenden Hausarztes erwarten.
Im Gegenteil: Kenne das Beispiel (persönlich) eines etwas skurillen, aber fachlich guten Allgemeinmediziners, der von Psychiatern hinausgemobbt wurde, als er schlichtweg forderte, daß sie ihm dies und jenes beibringen.
[...]Zuviel Somatik, da könnte man ja auf einmal etwas finden, wofür man schon wieder den teuren Innere-Konsiliarius holen muß und überhaupt.....

Das kann ich aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. Fachfremde Kollegen werden wie alle anderen behandelt. Wir haben bei uns einen festen Konsilarius der sicher Geld kostet aber immer kommt und telefonisch erreichbar ist.



Laß Psychotherapie in der Psychiatrie einfach sein. Lerne sie, wenn möglich, ambulant und nebenher, denn in den meisten Psychiatrien in D ist die PT-Ausbildung ein schlechter Witz ohne jedes Coaching - man therapiert so in den Tag hinein und vor sich hin, Hauptsache, das Haus kassiert dafür.
Zudem halte ich eine Selbsterfahrung vorher für ratsam - und die dauert schon ein Jahr und kostet. Man lernt Psychotherapie erst mit den Jahren bei entsprechendem Engagement. In der stationären Psychiatrie in D ist das ohnehin mehr als ein Trauerspiel, für den Hausarzt lernt man allenfalls ohnehin schon mit minimalem med. Verstand klare (und oft auch übel falsche, weil es um Bettenbelegung geht.....) Indikationen für PT.



Da kann ich mich nur anschließen. Psychotherapie ist deine eigene Sache. Davon auszugehen, man lerne Psychotherapie in der Psychiatrie ist illusorisch und sicherlich ein großes Problem in der Weiterbildung. Da kann ich dir nur empfehlen, dich an eine "ambulantes" Institut zu wenden und dort eine Ausbildung zu machen. Psychotherapie gehört in professionelle Hände.

Meridion
27.05.2011, 18:15
(...)

Das kann ich aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. Fachfremde Kollegen werden wie alle anderen behandelt. Wir haben bei uns einen festen Konsilarius der sicher Geld kostet aber immer kommt und telefonisch erreichbar ist.




Da kann ich mich nur anschließen. Psychotherapie ist deine eigene Sache. Davon auszugehen, man lerne Psychotherapie in der Psychiatrie ist illusorisch und sicherlich ein großes Problem in der Weiterbildung. Da kann ich dir nur empfehlen, dich an eine "ambulantes" Institut zu wenden und dort eine Ausbildung zu machen. Psychotherapie gehört in professionelle Hände.

Kommt doch drauf an wo; Ich mache derzeit mein letztes PJ-Tertial in der Psychiatrie und habe fast meine ganze Famulatur + Promotionszeit in Psychiatrien verbracht: Das ist nicht die Megaerfahrung. Allerdings kann ich aus eigener Erfahrung trotzdem sagen, dass in Häusern, in denen Psychologen reguläre Behandler sind und die typischen VT-kompatiblen Pat. abbekommen, es durchaus gut möglich ist psychotherapeutisch was mitzunehmen. Natürlich kriegt man keinen Crashkurs in VT während nem WBJ zum Hausarzt; Aber die Psychologen die ich kennenlernen durfte, besonders auf offenen Stationen, haben immer ein offenes Ohr und sind sehr hilfsbereit: auch zB im Bereich Psychometrie, was im hausärztlichen Umfeld sehr nützlich sein kann (ein BDI-II kostet 10 Minuten und kann nen wichtigen Hinweis geben ob die Anbindung an nen niedergelassenen Psychotherapeuten bzw. nen Psychiater sinnvoll ist)...

Und ja, mir ist klar (hab ich zumindest von gehört) dass es Kliniken gibt, bei denen alles von Ärzten gemanaged wird (mit entsprechendem pharmakotherapeutischem Schwerpunkt). Dass dabei im Bereich Psychotherapie nicht viel rumkommen kann ist mir klar; Ich werd mir bei der Stellensuche aber genau deswegen anschauen welchen Stellenwert Psychologen/Psychotherapeuten, Ergotherapeuten, Musiktherapeuten, etc. im Haus haben und das auswählen, was am interdisziplinärsten und am wenigsten ärzte'verseucht' ist =)

Also kurz: kommt ganz auf die Klinik an wieviel PT abzugreifen ist.

Meridion

EKT
27.05.2011, 21:02
Ich mache derzeit mein letztes PJ-Tertial in der Psychiatrie und habe fast meine ganze Famulatur + Promotionszeit in Psychiatrien verbracht ... Ich werd mir bei der Stellensuche aber genau deswegen anschauen welchen Stellenwert Psychologen/Psychotherapeuten, Ergotherapeuten, Musiktherapeuten, etc. im Haus haben und das auswählen, was am interdisziplinärsten und am wenigsten ärzte'verseucht' ist =)

Möglicherweise hättest Du Deine Famulatur- und PJ-Zeit besser nutzen sollen als sie in Psychiatrien zu verbringen!:-meinung

Zu Ausübung der Psychiatrie gehört nämlich 'ne Menge somatischen Sachverstandes einschließlich praktischer Anwendung.

Was bitte verstehst Du unter "ärzteverseucht". Beschäftige Dich mal mit der Geschichte der Medizin: Psychotherapie ist ein zentral-ärztliches Fachgebiet. Das Übergewicht der Pharmakologie ist keineswegs "ärztlich", sondern den monetären Bedingungen geschuldet. Oder haben Dir die vielen Psychologen, die derzeit die Kliniken bevölkern, so einen Unfug beigebracht?:-wand

stennadolny
29.05.2011, 07:32
Psychotherapie ist mitnichten ein "zentral-ärztliches" Fachgebiet -weder historisch (auch und insbes. in Deutschland) noch m.E. im derzeitigen Kompetenzgerangel. Da sind Ärzte durchaus häufig bedenkliche Psycho"therapeuten" - weil es "nebenher" einfach Kohle bringen soll.

Ich schicke Patienten viel lieber zu psychologischen Psychotherapeuten, bei welchen ich in der aller Regel weitaus bessere Erfahrungen (auch in der Zusammenarbeit) gemacht habe.

Auch mit der "somatischen" Kompetenz in vielen Psychiatrien ist es nicht weit her, das muß einfach gesagt werden. Erstens, weil in der Psychiatrie vielfach (Chef)Ärzte landen, die alles scheuen, was mit Somatik nur ansatzweise zu tun hat.

Und zweitens weil viele Psychiatrien Somatiker kaum ins Haus lassen - und sei es aus "Kosten"gründen.

Drittens wird in den allermeisten Psychiatrien somat. Kompetenz auch nicht gefördert - etwa durch Fremdmonate in Notfallaufnahmen/Inneren. Die Pflichtrotationen in die Neurologien sind häufig mehr als ein Krampf und/oder selbst zu organisieren.

Das Übergewicht von Big Pharma in der Psychiatrie ist der freiwilligen biologisch-ökonomischen Verseuchung der Wissenschaftspuffs (= Unikliniken) ebenso wie der in Deutschland meist (historisch bedingt - zuerst die Nazis und dann die Nazi-Totschweiger) völlig verschlafenen sozialpsychiatrischen Welle zu verdanken. Und das hat weniger mit monetären Bedingungen als der Denkfaulheit, Veränderungsresistenz und Konfliktscheu der Ärztlichen Leitungsebene zu tun.

Und damit, daß Träger von Psychiatrien schlichtweg meist keinerlei konzeptionelle Vorgaben (auch im Sinne von progressiver De-Institutionalisierung) haben wollen, weil man damit Betten- und Personalmacht abgeben würde.

Derzeit wird etwa eine der wenigen einigermaßen progressiven, gut etablierten sozialpsychiatrischen Institutionen in Bayern sehenden Auges ruiniert, indem man dort einen Chef holte, der mit solch einem Ansatz wenig am Hut zu haben scheint und noch dazu von einer wenig renommierten "Uniklinik" kommt, die ihre Existenz primär infrastrukturellen Erwägungen für die Peripherie verdankt.

SarahJulia90
22.10.2014, 18:02
Ich weiss nicht ob das hier der richtige Thread ist, den ich ausgrabe, aber ich hätte mal eine Frage an die zahlreichen Psychiater hier. Hat man in der Psychiatrie eigentlich auch regelmäßig mal dankbare Patienten? Ich weiss, die sind eh die Ausnahme, auch in den somatischen Fächern, aber in meinen etzten Famulaturen in der Neurologie und vor allem der Augenheilkunde hat man doch öfter mal Patienten gehabt, die sehr dankbar waren am Ende der Behandlung.