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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Vorsorgeuntersuchungen beim Augenarzt



Strodti
11.05.2011, 22:37
Ich habe eine Frage zur augenärztlichen Vorsorgeuntersuchung:

Wie oft soll ein augengesunder Patient zur Vorsorgeuntersuchung zum niedergelassenen Facharzt gehen? Ich habe keine Leitlinie oder Empfehlung der Fachgesellschaft gefunden und auch die Lehrbücher schweigen sich dazu ja aus. Die GKV bezahlt ja das Check-up 35+ für alle ab 35 jedes zweite Jahr, gibts so etwas auch für die Augen?

Auf der Homepage einer Praxis habe ich diese Übersicht gefunden und stelle sie mal zur Diskussion:

im 1.Lebensjahr
im 2.-3. Lebensjahr
im 5. Lebensjahr
im10. Lebensjahr
im 14. Lebensjahr
im 18. Lebensjahr
im 20. Lebensjahr
ab 20 alle 5 Jahre.
ab 40 jedes Jahr ( Vorsorge wegen grünem Star)
Kurzsichtige jährlich
Diabetiker mind. 1 mal jährlich
Glaukompatienten alle 3 Monate
Hypertoniker 1 mal jährlich


Was haltet ihr davon? Und was zahlt die GKV?

Muriel
13.05.2011, 21:09
Hm, eine offizielle Leitlinie kenne ich ehrlich gesagt auch nicht. Also, alle Aussagen, die ich hier treffe, sollten nicht unbedingt als Klausurantwort oder so verbraten werden ;-)
Der erste wirklich offiziell empfohlene/verbindliche Sehtest erfolgt eigentlich über die U7a im Alter von drei Jahren beim Kinderarzt. Das ist aus ophthalmologischer Sicht viel zu spät, da, falls ein behandlungsbedürftiger Befund vorliegt, dieser eigentlich schon viel früher hätte therapiert werden sollen. Nicht jeder behandlungsbedürftige Befund muss ja gleich direkt für Laien (und dazu zähle ich auch Kinderärzte) erkennbar sein. Refraktionsfehler und minimale Schielwinkel sind da nur die gängigsten. Daher sollte eine augenärztliche/orthoptische Vorstellung jedes (!) Kindes zumindest in den ersten beiden Lebensjahren erfolgen, besser im ersten, wobei in den ersten Monaten die meisten Babies ja physiologisch schielen, so dass dies bei einem drei Monaten alten Kind nicht per se ein Leitsymptom darstellt. Je nach Befund dieser ersten Vorstellung werden dann Orthoptistin und/oder Augenarzt weitere Kontrollen in entsprechenden Abständen empfehlen. Fehlsichtigkeiten bei Kindern, also auch stinknormale Myopien bei 12jährigen, werden eigentlich immer durch den Augenarzt behandelt, sprich die Brillenanpassung erfolgt durch diesen und nicht durch den Optiker. Wenn ein jugendlicher augengesunder Mensch keine Probleme hat, sehe ich keinen Grund, warum er sich standardmäßig bei einem Augenarzt vorstellen sollte. Glaukomvorsorgen werden meist ab dem 40. Lebensjahr empfohlen, ich sehe allerdings den Sinn auch bei negativer Familienanamnese aus eigener beruflicher Erfahrung auch früher, da ich mich spontan an mindestens drei junge Patienten (Anfang 20 bis Mitte 30) alleine im letzten Jahr erinnern kann, die wegen anderer Dinge zu mir kamen und bei denen ein Glaukom inzidentiell auffiel. Stellt sich mir jemand mit 25 vor, der wirklich komplett unauffällig ist, habe ich aber auch kein Problem damit, ihm zu sagen, dass er meinetwegen erst in drei bis fünf Jahren wiederkommt. Ab 40 halte ich es auch für sinnvoll, zumindest zweijährliche Glaukomvorsorgen zu machen, da das statistische Risiko einer Erkrankung ab dem Alter wirklich zunimmt. Später dann auf jeden Fall jährlich, auch wenn die meisten Gott sei Dank "umsonst" kommen.
Kurzsichtige, bei denen ein völlig unauffälliger Fundusbefund in Mydriasis einmal erhoben wurde, müssen meiner Meinung nach nicht zwingend ohne Symptomatik jährlich geschaut werden, da sich behandlungsbedürftige Veränderungen entweder langsam schleichend oder aber so fix entwickeln, dass man bei unauffälligem Befund am Montag am Mittwoch dennoch eine Ablatio haben kann. Zweijährliche Kontrollen empfehle ich aber bei solchen Patienten (Risikopatienten bei Z.n. LC oder Ablatio, Degenerationen oder dergleichen natürlich öfter).
Diabetiker mindestens einmal im Jahr auf jeden Fall, ganz klar. Glaukompatienten schauen wir in aller Regel auch alle drei Monate, es gibt Ausnahmen sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Hypertoniker einmal im Jahr, nun gut. Da diese Leute ja meist generell vaskulär nicht ganz auf der Höhe sind, ist das sicherlich insgesamt sinnvoll.

Nun zu der spannendsten Frage: Was zahlt die Kasse? Ganz einfach: Wenn man es ganz genau nimmt: Bei augengesunden Patienten ohne Beschwerden eigentlich gar nichts. Es gibt keine Indikation für augenärztliche Vorsorgeuntersuchungen, die im Leistungskatalog enthalten wäre. Warum dennoch natürlich eine augenärztliche Untersuchung auch bei "Ich wollte nur mal nachschauen lassen" bezahlt wird, habe ich dabei aber ehrlich gesagt noch nicht verstanden. Wenn man es ganz genau nimmt, wird sie es aber natürlich nicht, wenn man zu viele Patienten im Quartal schaut, für die man ja nicht einmal das RLV bekommt... Es gibt durchaus Praxen, die jeden Patienten ohne Beschwerden igeln, das ist aber eher die Ausnahme. Was allerdings gar nicht so unüblich ist, ich aber für äußerst bedenklich halte, ist die Tatsache, dass viele Praxen Kinder, die zur Vorsorge kommen, ausgerechnet igeln. Das ist meiner Meinung nach fatal. Denn gerade in den ersten Lebensjahren kann man so verdammt viel verpassen, was sich auf die komplette Entwicklung und Zukunft des Kindes auswirkt, dass dies nicht nur der falsche Weg sondern schlicht unethisch ist. Ein kleines Kind kann selbst bei ganz klar vorliegender Sehminderung eines Auges, dies nicht merken oder kundtun. Diesem Kind, weil ja kein offensichtlicher Grund besteht, eine von der GKV bezahlte Untersuchung zu verweigern, ist absolut bedenklich.
So, etwas länger geworden, ich hoffe, nicht völlig am eigentlichen Thema vorbei :-blush

Strodti
18.05.2011, 12:24
Danke, Muri. Das hilft mir auf jeden Fall schonmal weiter.

Interessant wäre (aus internistischer/allgemeinmedizinischer) Sicht, ob junge Hypertoniker oder Typ-I Diabetiker mit guter Einstellung die gleiche augenärztliche Aufmerksamkeit zukommen lässt, wie dem älteren mit entsprechendem Gefäßstatus.

Muriel
18.05.2011, 14:23
Auf jeden Fall! Nach zwanzig jährigem DM I -Verlauf weisen mehr als dreiviertel der Patienten retinopathische Veränderungen auf. Diese sollten frühzeitig erkannt werden. Kaputte Gefäße merkt man ja nun mal bis auf bei worst case Szenarien nicht.

Rico
18.05.2011, 14:39
Jeder Diabetiker gehört einmal jährlich zum Augenarzt.
Beim Typ 1 kann man auch erst 5 Jahre nach Manifestation damit anfangen, da die Patienten ja anders als beim Typ 2 keine teilweise mehrjährige Prodromalphase mit unbemerkter Hyperglykämie haben. Deshalb ist beim Typ 1-Diabetiker der Erkrankungebginn in der Regel sehr nahe am Diagnosezeitpunkt und es ist unwahrscheinlich dass in den ersten Jahren schon Veränderungen vorhanden sind.

Muriel
18.05.2011, 14:42
Das ist zwar richtig, da aber ja meist Kinder/Jugendliche erkranken, die zum Einen selbstredend nicht compliant sind und ggf. darüber hinaus Angst vor Arztbesuchen haben, ist es wichtig, früh damit anzufangen, damit sie erstens Routine bekommen und zweitens positive Erlebnisse ("hat ja gar nicht weh getan") bekommen.

MiniMe
18.05.2011, 18:10
Ich hätte auch mal eine Frage:
ab welchem Alter ist denn eine Augendruckmessung bei positiver Familienanamnese sinnvoll?

Danke

Muriel
18.05.2011, 18:51
Kommt sicherlich auch auf die Art des Glaukoms an, denn Glaukom ist nicht gleich Glaukom. Ich persönlich würde jedenfalls auch schon mit 20 meine Augen diesbezüglich untersuchen lassen, wobei die reine Augeninnendruckmessung alleine ja nicht zwangsläufig wegweisend ist.