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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Folgen einer i.a.-Injektion



dr.fox
15.05.2011, 20:38
Hey ihr!

Immer wenn ich irgendwo von schwerwiegenden Folgen von intraarteriellen Injektionen lese(ausgedehnte Gewebsnekrosen), frage ich mich, wie es eigentlich dazu kommt? Wird das distal der Injektionsstelle gelegene Gebiet aufgrund des dann in der Arterie fehlenden Blutes O2-unterversorgt? Aber spätestens nach 1-2 Systolen sollte die injizierte Flüssigkeit doch aus den Arterien/Kapillaren in Venen/Lymphgefäße wieder abgeflossen sein? Liegt es daran, dass der Wirkstoff einfach zu konzentriert ist, sodass das Gewebe wo auch immer es dann ankommt die hohe Konzentration einach nicht abkann? Das hieße ja, dass ne i.a.-Injektion nicht per se fatale Folgen hätte, sondern nur bei betimmten Wirkstoffen? Und bei NaCl z.B. wäre es quasi latte ob i.a. oder i.v.?
Oder wird der Wirkstoff aus den Kapillaren ins Gewebe gepresst und richtet dort au die Gleiche Weise den Schaden an wie beispielsweise ne Chemo die para läuft?


Und: gibt es Situationen, in denen in i.a.-Injektionen von bestimmten Wirkstoffen indiziert sind? bzw. gibt es Medikamente, die sogar häufiger absichtlich i.a. gegeben werden?

Da ich mich z.Z. noch in der prä-vorklinischen Phase befinde, bitte ich um Entschuldigung, sollten meine Fragen allzu dämlich sein:D

Schönen Sonntagabend noch!

DeSeal
15.05.2011, 22:38
Und bei NaCl z.B. wäre es quasi latte ob i.a. oder i.v.?



Das auf jeden Fall, sonst würde man die Arterie auf der Intensiv wohl kaum mit NaCl 0,9% spülen ^^ ist ja schließlich auch isoton.

Spritzt man jetzt zB eine Ampulle Glucose 40% i.a., hätte man weiter distal in den Kapillaren einen riesigen osmotischen Druck, es wird Wasser aus dem Interstitium und schließlich auch den umliegenden Zellen in die Kapillaren gezogen => Nekrose. Wenn man das NaCl jetzt höher konzentriert (HyperHAES 7,2%), müsste der schädigende Effekt damit dann eigentlich auch reproduzierbar sein.
Vermute mal, dass hier das Hauptproblem liegt...

Rico
15.05.2011, 22:50
Also, es gibt mehrere Mechanismen über die eine i.a.-Injektion schaden kann.
Zunächsteinmal kann rein mechanisch bei der Punktion die Arterie beschädigt werden, es bildet sich ein Blutgerinsel, dieses wächst und verschließt schließlich das Gefäß. Je nachdem wieviele Kollateralen (Umgehungswege) das entsprechende Stromgebiet hat kann der Verlust eines einzelnen Gefäßes bereits zu einer kritischen Ischämie (Mangel an Sauerstoff und Nährstoffen) führen.

Ansonsten kann das Medikament dem Gefäß selber schaden, die Wirkung erklärt sich dann daraus was für ein Medikament das war und wo es eigentlich hingehört hätte (Vene, Gewebe).
Z.B. Medikamente für Verödungen von Krampfadern, Besenreisern: Die sind meistens sehr hyperosmolar (deutlich höher konzentriert als physiologisch) und schädigen so die Gefäßwand sodass eine Entzündung und nachfolgend auch ein Blutgerinsel entsteht. Ähnlich schädigen auch i.v.-Drogen die Gefäßwand und die werden auch gelegentlich versehentlich i.a. gespritzt.
Aber auch andere Medikamente, die eigentlich für die i.v.-Gabe gedacht sind können Schäden verursachen, weil sie von ihrer Konzentrazion her so gemacht sind, dass sie nach der Gabe in eine Vene eigentlich rasch verdünnt werden - nämlich mit jedem Seitenast der in die Vene auf dem Weg zum Herz einmündet und den Wirkstoff mit "frischem" Blut mischt.
Bei der Arterie ist das nicht der Fall, der Wirkstoff gelangt im wesentlichen unverdünnt in die Kapillaren und schädigt dann dort über den o.g. Mechanisumus.

Örtlichen Betäubungsmitteln ist manchmal Adrenalin beigemischt, das normalerweise durch eine Verengung der Gefäße einen zu schnellen Abtransport des Betäubungsmittels aus dem Gewebe verhindern soll. Gelangt das Adrenalin direkt in das Gefäß, dann kann es ein überschiessendes Zusammenziehen des Gefäßes verursachen, sodass auch kein oder kaum noch Blut durchkommt.

Die "Verdrängungstheorie" durch den Bolus ist wie Du schon selber gemerkt hast nicht zutreffend. In der Intensivmedizin misst man oft den Blutdruck direkt durch eine arterielle Verweilkanüle, diese wird regelmäßig angespült, u.a. damit sie sich nicht zusetzt. Das würde nicht gehen, wenn das Gewebe unterhalb nichtmal für wenige Sekunden mit etwas verdünntem Blut auskommen würde.

Absichtlich gibt man Wirkstoffe in Arterien wenn man gezielt etwas in dem Stromgebiet behandeln möchte.
Wenn beispielsweise ein Blutgerinsel eine Arterie verstopft, dann kann man Medikamente zum Auflösen über einen Katheter direkt davor abgeben. Dadurch kann man höhere Konzentrationen des Wirkstoffs an den Wirkort bringen als wenn man den Wirkstoff über eine i.v.-Gabe zunächst im ganzen Körper verteilt. Deshalb bekommt man auch weniger Nebenwirkungen, weil man im vergleich zur "körperweiten" i.v.-Gabe insgesamt mit weniger Dosis auskommt um am Wirkort auf den gewünschten Effekt zu kommen.
Und letztlich kann man auch absichtlich Arterien verschliessen, z.B. weil sie einen Tumor versorgen oder weil es aus ihnen unstillbar blutet - dabei nimmt man dann Schäden im entsprechenden Stromgebiet in Kauf.

Logo
19.05.2011, 19:04
Ist alles auch viel Theorie dabei - man möchte halt nix riskieren...

Ich habe gezwungenermaßen schon einige TIVA-Narkosen inkl. großzügigem HAES-, Akrinor, Catecholamin-Einsatz über mittelkleine (auch an Akren) und größere Arterien bei meinen Versuchstieren machen müssen.
Ging eigentlich ganz gut.

Daher mein "Wett-Tipp":
Passieren tut in den meisten Fällen wohl eher nix - wenn doch, ist es seeehr wenig geschmeidig... ;-)

Gruß LOGO

FirebirdUSA
24.05.2011, 15:50
Als weiterer Pathomechanismus sei noch erwähnt das Arterien auch durch die ausgerpägterere Gefäßwandmuskulatur mit einem Spasmus reagieren können. Auf welche Medikamente das jetzt wirklich passieren kann weiß ich aber auch nicht.

stennadolny
29.05.2011, 07:39
In größere Arterien kann man (versehentlich) erstaunlich viel Schrott injizieren - siehe i.v. Drogenabhängige.......

Kyutrexx
29.11.2011, 19:35
Der Thread ist schon älter, aber ich hab eventuell eine Ergänzung.

Haben das gerade in Physiologie.
Die elastischen Eigenschaften (d.h. deren Fähigkeit, auf unterschiedliche Druckbelastung in Folge Volumenzugabe zu reagieren) von arterien sind deutlich schlechter als im venösen System.
Die Dehnbarkeit im venösen System ist zwischen 25 und 200 mal größer als in Arterien, d.h. in den Venen hat eine Injektion einen sehr deutlich geringeren Druckanstieg zur Folge.
Laut Lehrbuch wird deshalb bei einer Injektion von 1 L NaCl-Lösung 995 ml davon im venösen System verteilt und halt nur 5 ml im arteriellen.

D.h. bei Zuwachs von 1 ml Volumen steigt der Druck im arteriellen System um 1 mmHg, während für einen Anstieg des selben Druckes im venösen System 200 ml Volumen zugegeben werden können.

Das könnte es möglich auch erklären.

Korrekturen sind erwünscht und erbeten!

Evil
30.11.2011, 06:44
Darin steckt aber insofern ein Denkfehler, als die Druckverhältnisse ja in den beiden System völlig unterschiedlich sind und um den Faktor 200 differieren können. Außerdem erfolgt die Volumengabe von 1l über einen gewissen Zeitraum, in dem je nach Infusionszusammensetzung Flüssigkeit in den Inter- und Intrazellularraum diffundiert und das System auch anderweitig reagiert, mithin also nicht starr ist.

Der Elastizitätsunterschied ist zwar vorhanden, aber ziemlich nebensächlich und keinesfalls isoliert zu betrachten.
Abgesehen davon erklärt das nicht die durch eine Injektion verursachten Gewebeschäden, die eher durch eine vasospastische Komponente bedingt sind.

Kyutrexx
30.11.2011, 14:15
Der Elastizitätsunterschied ist zwar vorhanden, aber ziemlich nebensächlich und keinesfalls isoliert zu betrachten.
Okay, das klingt logisch.

wjsl
30.11.2011, 16:03
Toxische Endothelschädigung? Das Endothel des arteriellen Systems ist ja anders beschaffen als das venöse; ich glaube in letzterem dominiert die Antwort des plasmatischen(vor allem über den Gewebsfaktor), in ersterem die des zellulären Gerinnungssysstems(und der Mediatoren des Endothels). Was auch erklären würde, dass kleinere Gefäße anfälliger sind.