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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Arbeitsbedingungen in Deutschland - bessert sich etwas?



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Leberwurst
16.05.2011, 11:38
Hallo,

mir ist bewusst, dass die Arbeitsbedingungen für (Assistenz-)Ärzte in Deutschland hier schon mehr als oft genug diskutiert worden sind, allerdings sind die meisten Threads, in denen es darum ging, ja nun auch schon das ein oder andere Jährchen älter...

Erstmal zu mir - ich bin 21 Jahre alt, habe die letzten ~1,5 Jahre in der Krankenpflegehilfe gearbeitet und spiele mit dem Gedanken, zum kommenden Wintersemester endlich Medizin zu studieren und denke auch, dass es keinen anderen Studiengang gibt, der mich mehr faszinieren könnte.

So weit, so gut - nun habe ich im letzten Jahr ja zu so einigen Ärzten Kontakt gehabt, von denen mir fast alle dasselbe sagten: Du hast kein Privatleben mehr und wenn du dein Gehalt auf den Stundenlohn runterrechnest, kriegst du 'ne Krise. Und das waren nicht nur Assistenzärzte, teilweise auch Oberärzte.

Einige wenige gaben sich aber auch optimistisch - mit Streiks konnte man schon etwas bewegen, der Beruf erfährt eine zunehmende Feminisierung,... All das lässt hoffen, dass der Beruf des Arztes (der Ärztin) bald mal familienfreundlicher wird.

Aber wie sieht das nun aus? Gibt es tatsächlich Grund zur Hoffnung, dass die Arbeitsbedingungen sich bessern?

Grundsätzlich sagt man natürlich - wenn es dich wirklich interessiert und du wirklich Medizin studieren willst, dann mach es. Aber bei all dem, was ich im letzten Jahr so von Ärzten gehört habe, stelle ich mir doch die Frage, ob ich im Leben nicht vielleicht doch glücklicher werde, wenn ich einfach BWL oder ähnliches studiere. Dann gehe ich 40 Stunden in der Woche zwar einer Tätigkeit nach, die mich nicht im geringsten interessiert/fasziniert - aber dafür werde ich nicht irgendwann mit heulenden Kindern von meiner Frau verlassen, weil sie der Meinung ist, ich wäre zu selten zu Hause.

Aber da ich eben eigentlich doch ganz gerne etwas studieren würde, das mich interessiert, stellt sich für mich nun die Frage, wie die Aussichten sind - immerhin wären da ja noch mindestens sechs Jahre, bis ich so weit bin.

Im Zweifelsfall bleibt der Weg ins Ausland. Aber findet man direkt nach dem Studium als Assistenzarzt überhaupt Stellen im Ausland? Und sind die Arbeitsbedingungen dort wirklich so viel besser?
Ansonsten: Tätigkeitsfelder außerhalb des Krankenhauses. Gibt es da ohne Berufserfahrung als (Assistenz-)Arzt tatsächlich realistische Möglichkeiten?
Oder: Im Krankenhaus in einer Klinik arbeiten, die keine so heftigen Arbeitsbedingungen mit sich bringt. Sowas habe ich bisher über die Pathologie, Radiologie und Dermatologie gehört - "da schläfst du immerhin jede Nacht im eigenen Bett, das ist unheimlich viel wert."
Was ist da dran?


Ich würde mich sehr über Antworten mit euren Gedanken über dieses Thema und dessen aktueller Entwicklung freuen, da ich selbst momentan doch weitgehend ratlos bin.

Besten Dank und liebe Grüße

Evil
16.05.2011, 13:02
In den gut 6 Jahren, in denen ich jetzt arbeite, hat sich schon was zum Besseren gewendet. In praktisch allen Kliniken, die ich kenne oder in denen ich gearbeitet habe, haben sich die Arbeitsbedingungen verbessert (wenn auch teilweise noch nicht wirklich gut) oder sind auf bereits erreichtem gutem Niveau geblieben.
Natürlich gibt es nach wie vor sehr viele Kliniken mit beschissenen Arbeitsbedingungen, aber das werden langsam weniger.

Und im Niedergleassenen >Bereich hängt es derzeit sehr in der Schwebe, da noch nicht raus ist, was politisch gewünscht ist bzgl Hausarzt vs Facharzt und welches Finanzierungsmodell sich durchsetzen wird.

Zusammenfassend tät ich sagen: grundsätzlich hat sich die in älteren Threads beschriebene Situation der letzten 2 - 3 Jahre nicht geändert, aber es ist alles ein bißchen besser geworden.

Ex-PJ
16.05.2011, 14:16
"So weit, so gut - nun habe ich im letzten Jahr ja zu so einigen Ärzten Kontakt gehabt, von denen mir fast alle dasselbe sagten: Du hast kein Privatleben mehr und wenn du dein Gehalt auf den Stundenlohn runterrechnest, kriegst du 'ne Krise. Und das waren nicht nur Assistenzärzte, teilweise auch Oberärzte."
--> Stimmt weitgehend. Selbiges würden aber auch z.B. Polizisten sagen.

"Einige wenige gaben sich aber auch optimistisch - mit Streiks konnte man schon etwas bewegen, der Beruf erfährt eine zunehmende Feminisierung,... All das lässt hoffen, dass der Beruf des Arztes (der Ärztin) bald mal familienfreundlicher wird."
--> Stimmt prinzipiell. Feminisierung hat aber auch seine Probleme für eine Abteilung, wenn z.B. 2-3 Teilzeitkräfte um 12 oder 13°° gehen und nachmittags nur noch 4 Ärzte für 80-100 Betten + Ambulanz da sind.
Außerdem bleiben plötzlich auch mal Mütter zuhause, wenn das Kind fiebert ....

"Aber wie sieht das nun aus? Gibt es tatsächlich Grund zur Hoffnung, dass die Arbeitsbedingungen sich bessern?"
--> Tendenziell ja. Aber ist ist neben Kreativität der Verwaltung und Chefärzte auch meihr Geld im System zur Verbesserung notwendig.

" Aber bei all dem, was ich im letzten Jahr so von Ärzten gehört habe, stelle ich mir doch die Frage, ob ich im Leben nicht vielleicht doch glücklicher werde, wenn ich einfach BWL oder ähnliches studiere. Dann gehe ich 40 Stunden in der Woche zwar einer Tätigkeit nach, die mich nicht im geringsten interessiert/fasziniert - aber dafür werde ich nicht irgendwann mit heulenden Kindern von meiner Frau verlassen, weil sie der Meinung ist, ich wäre zu selten zu Hause."
--> Z.B. Wirtschaftsprüfung mit BWL-Studium kann auch sehr stressig sein

"Aber da ich eben eigentlich doch ganz gerne etwas studieren würde, das mich interessiert, stellt sich für mich nun die Frage, wie die Aussichten sind - immerhin wären da ja noch mindestens sechs Jahre, bis ich so weit bin."
--> Eine Glaskugel zum Voraussagen der Zukunft habe wir alle nicht.
Bezüglich Kreativität haben Verwaltungen u. Chefärzte etwas, wenngleich nicht viel, dazugelernt. Das Geld im Gesundheitswesen bleibt aber u.a. wg. Überalterung der Gesellschaft tendenziell knapp.

"Im Zweifelsfall bleibt der Weg ins Ausland. Aber findet man direkt nach dem Studium als Assistenzarzt überhaupt Stellen im Ausland? Und sind die Arbeitsbedingungen dort wirklich so viel besser?"
--> Hierfür läßt sich die Zukunft noch weniger voraussagen

"Ansonsten: Tätigkeitsfelder außerhalb des Krankenhauses. Gibt es da ohne Berufserfahrung als (Assistenz-)Arzt tatsächlich realistische Möglichkeiten?"
--> wenig. Oft ist Berufserfahrung und / oder Promotion gewünscht

"Oder: Im Krankenhaus in einer Klinik arbeiten, die keine so heftigen Arbeitsbedingungen mit sich bringt."
--> Davon träumen viele, aber nur selten geht der Wunsch in Erfüllung

" Sowas habe ich bisher über die Pathologie, Radiologie und Dermatologie gehört - "da schläfst du immerhin jede Nacht im eigenen Bett, das ist unheimlich viel wert." "
--> Pathologie stimmt natürlich. Radiologie in großen Krankenhäusern ist z.T. auch nachts invasiv, z.B. nächtliche Angiographie (Gefäßanfärbung) von Bauchgefäßen bei Verdacht auf Darminfarkt mit Versuch der Gefäßwiedereröffnung; sowas kann schon mal 2-3 Std. dauern. Derma kommt darauf an, ob die Pat. in der Nacht z.B. von der Inneren mitbetreut werden oder ob die Derma eigene Dienst macht.

gnuff
16.05.2011, 14:36
Gehen wir mal von der hochfiktiven "wennichmitmeinemheutigenWissennochmalentscheidenmü sste"-Situation aus:
ich würde wieder Medizin studieren, aber ich würde um jeden Preis versuchen dies nicht in Deutschland zu tun um dann dort zu leben und zu arbeiten.

hiddl
16.05.2011, 14:59
--> Stimmt prinzipiell. Feminisierung hat aber auch seine Probleme für eine Abteilung, wenn z.B. 2-3 Teilzeitkräfte um 12 oder 13°° gehen und nachmittags nur noch 4 Ärzte für 80-100 Betten + Ambulanz da sind.
Außerdem bleiben plötzlich auch mal Mütter zuhause, wenn das Kind fiebert ....

Naja, zum Glück arbeiten ja zunehmend auch Männer familienfreundlich oder bleiben mal beim kranken Kind zu Hause, jedenfalls tut der Vater meiner Kinder das :-)) und in der Abteilung, in der ich gerade bin, auch weitere Männer. Familienfreundlichkeit auf Frauen zu reduzieren, ist schon ein bißchen einseitig.

Ich kann jedenfalls Evil zustimmen. Ich arbeite seit 2003 und finde auch, dass sich vieles zum Guten gewendet hat und man inzwischen eigentlich ganz vernünftig arbeiten kann als Arzt. Woanders kann man mehr Geld verdienen, klar, aber meist doch auch für mehr Arbeit.

Leberwurst
16.05.2011, 15:25
Vielen Dank erstmal für die bisherigen Antworten. :)



"So weit, so gut - nun habe ich im letzten Jahr ja zu so einigen Ärzten Kontakt gehabt, von denen mir fast alle dasselbe sagten: Du hast kein Privatleben mehr und wenn du dein Gehalt auf den Stundenlohn runterrechnest, kriegst du 'ne Krise. Und das waren nicht nur Assistenzärzte, teilweise auch Oberärzte."
--> Stimmt weitgehend. Selbiges würden aber auch z.B. Polizisten sagen.
Ohne jetzt eine Gehaltsdiskussion anstoßen zu wollen - wie kommt das eigentlich?
Wenn ich mir die Tarifverträge ansehe, dann steigt ein Assistenzarzt mit etwa 3800€ brutto ein. Und wenn ich alles richtig verstehe, dann sind Überstunden darin nicht enthalten, d.h. sie werden ausgezahlt (wohl eher unwahrscheinlich?) oder man kann sie irgendwann abfeiern, und Dienste werden zusätzlich vergütet.

~3800€ brutto für 42 Wochenstunden sind doch eine ganze Menge Geld, oder nicht? Alle Akademiker in meinem Bekannten-/Freundeskreis rechnen mit Einstiegsgehältern von 1900 bis allerhöchstens 3000€ (brutto).
Klar leistet ein Arzt im Zweifelsfall mehr Überstunden, aber die bekommt er doch auch "zurück"?

MediHH
16.05.2011, 16:04
Sagst du das bitte mal meinem Chef das ich meine 200 Überstunden (darin sind private Vergnügungen wie Forschung und Fortbildungen im Urlaub oder frei noch nicht enthalten) zurück kriege.
So sieht das nämlich nicht wirklich aus.

dreamchaser
16.05.2011, 16:51
Mit dem Abfeiern von Überstunden klappt das bei uns natürlich auch nicht komplett, aber dann bekomme ich sie eben einmal im Jahr ausbezahlt. Und die Überstunden werden auch durch elektronische Zeiterfassung erfasst, damit keine Minute verloren geht.
Fortbildungen werden als Fortbildungstage gewertet und nicht als Urlaub oder Freizeitausgleich. Und das auch mehr als 3 Tage im Jahr.
Wenn man sich gut umschaut und sich seine Stelle sorgfältig aussucht, dann kann es auch in Deutschland ganz gut sein. Man muss eben (wie überall) sorgfältig schauen. Im Ausland ist eben nicht alles besser und man darf auch das soziale Netzwerk in Deutschland nicht vergessen, das nicht in allem schlecht ist(arbeiten in Italien käme für mich nicht in Frage, viel weniger Geld für mehr Arbeit). Jeder muss für sich und seine Situation abwägen, was er will und wohin, es gibt sehr viele Möglichkeiten (alleine durch die Fachrichtungen und die verschiedenen Arbeitsbedingungen in den verschiednen Abteilungen).

milz
16.05.2011, 17:50
~3800€ brutto für 42 Wochenstunden sind doch eine ganze Menge Geld, oder nicht? Alle Akademiker in meinem Bekannten-/Freundeskreis rechnen mit Einstiegsgehältern von 1900 bis allerhöchstens 3000€ (brutto).


Das hört sich prinzipiell gut an, und als Doppelverdienerpaar reicht das wahrscheinlich für ein süßes Leben, aber bei mir, wo von meinem Gehalt (plus Kindergeld) 4 Personen leben bleibt am Monatsende kaum was übrig. Und das obwohl wir eigentlich keinen Luxus pflegen (kein Cabrio, kein Zweitwagen, kein Urlaub, kein Flachbild-TV, nicht Rauchen, nur selten Restaurant usw.).

Mir ist es ein Rätsel, wie jemand mit einem normalen Ausbildungsberuf heutzutage eine Familie ernähren kann, geschweige denn ein Haus bauen.

saipro
16.05.2011, 17:55
Sagst du das bitte mal meinem Chef das ich meine 200 Überstunden (darin sind private Vergnügungen wie Forschung und Fortbildungen im Urlaub oder frei noch nicht enthalten) zurück kriege.
So sieht das nämlich nicht wirklich aus.

Ich kanns nicht oft genug sagen: Selber Schuld wenn du so etwas mit dir machen lässt!

Solara
16.05.2011, 18:07
Sagst du das bitte mal meinem Chef das ich meine 200 Überstunden (darin sind private Vergnügungen wie Forschung und Fortbildungen im Urlaub oder frei noch nicht enthalten) zurück kriege.
So sieht das nämlich nicht wirklich aus.

Klinikwechsel?
Ich hab nicht ansatzweise so viel Überstunden :-angel - und wenn, dann ist das zeitnah mit FZA ausgeglichen.

gnuff
16.05.2011, 18:22
Sagst du das bitte mal meinem Chef das ich meine 200 Überstunden...
Da musst Du Dir aber die Frage gefallen lassen, wieso Du 200 Überstunden hast?

HorstHützel
16.05.2011, 18:59
Das hört sich prinzipiell gut an, und als Doppelverdienerpaar reicht das wahrscheinlich für ein süßes Leben, aber bei mir, wo von meinem Gehalt (plus Kindergeld) 4 Personen leben bleibt am Monatsende kaum was übrig. Und das obwohl wir eigentlich keinen Luxus pflegen (kein Cabrio, kein Zweitwagen, kein Urlaub, kein Flachbild-TV, nicht Rauchen, nur selten Restaurant usw.).

Mir ist es ein Rätsel, wie jemand mit einem normalen Ausbildungsberuf heutzutage eine Familie ernähren kann, geschweige denn ein Haus bauen.

Da ist was dran und das hätte ich vorher nie gedacht.
Wir sind auch zu viert und unsere Rollen sind momentan klassisch verteilt, d.h. alleinverdienender Vater. Wir nagen gewiss nicht am Hungertuch, aber ohne meine Bereitschaftsdienste wäre es schon relativ knapp und wenn dann mal Auto / Waschmaschine etc. den Geist aufgäben....
Ich habe echt keine Ahnung wie das mit weniger Geld ginge.

HH

Muriel
16.05.2011, 19:03
Ich weiß auch nicht, wie andere Familien mit ihrem Geld auskommen. Letzte Woche sah ich im Büro unserer Praxis die aktuelle Tariftabelle für mFa, da ist mir schlecht geworden.

DoctorNew
16.05.2011, 22:00
Trotzdem muss man sagen, dass ein AA im 1. Jahr als Alleinverdiener mit zwei Kindern immerhin 3000€ Nettogehalt ohne Dienste bekommt. Das ist viel Geld. Oftmals gewöhnt man sich, auch wenn man als Familie sparsam lebt, sicherlich an einige Sachen, die man für alltäglich hält, die Familien mit weniger Geld sich aber nicht leisten können, sodass man im Erstfall doch deutlich günstiger leben könnte.

Letztendlich hat die Inflation das Leben natürlich schon in den letzten Jahrzehnten verteuert, ein Modell für ein sehr ausgabenfreudiges Leben war die Alleinverdiener Ehe aber noch nie. Viel eher waren in der Vergangenheit die durch die dauernde Anwesenheit eines Elternteils entstehende familiäre Geborgenheit in der Regel jeder Familie der Abstrich am Komfort wert.

Sicherlich könnte man auch als allein verdienender Arzt mehr Geld gebrauchen. Ein guter Freund von mir ernährt z.B. eine vierköpfige Familie von einem Gehalt als Erzieher. Auch das geht. Letztendlich ist alles eine Frage des Ausgabeverhaltens und der eigenen Prioritäten.

PsychoFan
17.05.2011, 23:12
Nein, es gibt keinen Grund zur Hoffnung, dass die Arbeitsbedingungen sich bessern werden. Andereseits sind sie, zumindest in der Weiterbildungszeit, gar nicht schlecht.

Wenn Du vor hast, 40 Stunden in der Woche zu arbeiten, dann ist der Arztberuf nichts für Dich. Weder in Deutschland, noch im Ausland. Arzt ist halt nicht einfach irgendein Beruf. Auch wenn es überholt oder veraltet klingen mag: Arzt sein hat etwas von Berufung an sich.

Zur Frage nach Arztstellen im Ausland: mal abgesehen von Nordkorea oder Weißrußland herrscht in den meisten Ländern der Welt ein Ärztemangel. Dieser wird sich - zumindest in Afrika und in Europa - nur noch vergrößern. Es gibt Stellen und es wird immer mehr Stellen geben.

Besser ist es im Ausland nicht immer. Für die Weiterbildung zum Facharzt ist m. E. Deutschland trotzdem das beste Land der Welt. Mal abgesehen von der absurden und nicht rationell begründbaren Überlastung mit nichtärztlichen Aufgaben (so bedarf es z.B. in Deutschland einer Approbation um eine Viggo zu legen, gleichzeitig reicht aber eine Pflegeausbildung, um einen Urinkatheter beim Mann zu legen), kann man in Deutschland seinen Facharzt recht schnell und reibungslos machen. Und der Ausbildungsstandard ist m.E. recht gut und vor allem sehr praxisorientiert. Deutsche Fachärzte sind auf der ganzen Welt gefragt.

Dramatisch verschlechtert sich die Lage nach dem Facharzt. Sozialismus pur, nicht mal die ältesten Kommunisten hätten es jemals gewagt, die Wirtschaftsfreiheit dermaßen einzuschränken, wie eine angeblich freie und demokratische Bundesrepublik es tut. Gesunde Konkurenz gibt es nicht - die GOÄ und ein System von KV-Zulassungen machen diese unmöglich. Entsprechende Räume mieten, ausstatten und eine Praxis in einer guten Umgebung öffnen? Geht nicht, wenn Du keine Zulassung hast. Mal sich einfach leistungsgerecht vom Patienten bezahlen lassen? Geht nicht, Du darfst nicht mehr kassieren, als der Hungerlohn, den die GOÄ vorsieht. Das Lustigste daran ist, dass es Ärzte sind, die anderen Ärzten so etwas antun. Was Stalin nie gewagt hätte, das führen gerne Ärzte in einem vermeintlich freien Land selbst ein, um ihren Kollegen das Leben schwerer zu machen. Geregelte Marktwirtschaft in der Medizin und ein ungeheures Ausmaß an bürokratischem Arbeitsaufwand werden sich in Deutschland in absehbarer Zeit nicht ändern. Ob es für einen tragbar ist, muss sich jeder selbst beantworten.

gnuff
18.05.2011, 14:18
Wenn Du vor hast, 40 Stunden in der Woche zu arbeiten, dann ist der Arztberuf nichts für Dich. Weder in Deutschland, noch im Ausland. Arzt ist halt nicht einfach irgendein Beruf. Auch wenn es überholt oder veraltet klingen mag: Arzt sein hat etwas von Berufung an sich.
Gibt es echt immer noch Menschen die den Käse mit der Berufung glauben??? 'schuldigung, aber das ist doch völliger Schmarrn. Natürlich gibt es Stellen bei denen Du eine 40h Woche hast, man muss nur suchen. Vielleicht muss man in Deutschland etwas länger suchen, im Ausland keinesfalls. Ich kenne Anästhesisten in Norwegen die haben eine 35h Woche... Berufung, pfff, dass ich nicht lache...

Relaxometrie
18.05.2011, 14:33
Auch wenn es überholt oder veraltet klingen mag: Arzt sein hat etwas von Berufung an sich.
Berufung mag ein nettes Anhängsel sein, welches einem die Arbeit vielleicht manchmal leichter von der Hand gehen lassen könnte. Insgesamt ist der Arztberuf aber eine von vielen Möglichkeiten zum Broterwerb. Nicht mehr und nicht weniger. Warum man sich da zu dauerhaft und massenhaft unbezahlten Überstunden zwingen lassen soll, ist mir rätselhaft.
Ein Land bekommt soviel Gesundheitsleistung, wie es zu zahlen bereit ist. Da kann sich ein einzelner Berufener totarbeiten, und 99,99999999999999999% aller Patienten würden immer noch meckern.
Warum sollte sich ein Arzt berufener fühlen, als ein Arbeiter am Fließband in der Automobilfertigung? Meinst Du, der Arbeiter würde kostenlose Überstunden machen, weil die Mobilität ein so hohes Gut ist? Schließlich soll sich doch jeder Deutsche ein Auto leisten können. Und wenn er es nicht bezahlen kann, bekommt er es eben kostenlos, weil die Arbeiter sich plötzlich berufen fühlen und kostenlos ein paar Autos mehr bauen???


Zur Frage nach Arztstellen im Ausland: mal abgesehen von Nordkorea oder Weißrußland herrscht in den meisten Ländern der Welt ein Ärztemangel.
Hast Du da Zahlen? Warum herrscht in Nordkorea Ärzteüberschuß?

p4uL
18.05.2011, 14:45
Wenn Du vor hast, 40 Stunden in der Woche zu arbeiten, dann ist der Arztberuf nichts für Dich. Weder in Deutschland, noch im Ausland. Arzt ist halt nicht einfach irgendein Beruf. Auch wenn es überholt oder veraltet klingen mag: Arzt sein hat etwas von Berufung an sich.


Wer hat Dich denn berufen? Höchstwahrscheinlich Du selbst, Deine Eltern oder das Fernsehen.
Ausserdem kann man mit etwas Aufwand sehr wohl Stellen/ Fachrichtungen finden wo es mit den 40 Stunden/ pro Woche klappen kann.

Christoph_A
18.05.2011, 15:11
Muß hier ins selbe Horn blasen wie meine Vorgänger-mich hat niemand zu meinem Beruf berufen, den hab ich mir selbst ausgesucht, weil ich a) nix besseres kann womit man b) genug Geld verdienen kann, um ein relativ sorgenfreies Leben zu führen.
War bei mir ne reine Kopfentscheidung, hätte genausogut Lehrer oder Biologe oder Dolmetscher werden können, das hab ich mir damals nach dem Abi alles durch den Kopf gehen lassen. Und wenn ich als Skilehrer genug verdient hätte, hätt ich das eben hauptberuflich gemacht.
Um auf den eigentlichen Thread zurückzukommen-bin ja nu schon ne Weile in dem Business und es hat sich schon einiges zum guten gewandelt-man muß keine 24h Dienste (die sich dann oft auf 36h hingezogen haben) mehr machen, wenn man nicht will, die Überstunden bei mir werden ALLE registriert und zumindest ausbezahlt und der Umgangston insgesamt kommt mir kollegialer vor, als noch vor 6,5 Jahren in meinen Anfangstagen, was daran liegt, daß die alten Sonnenkönige von Chefs/Altoberen langsam aussterben.
Nichtsdestotrotz sind wir in Deutschland noch lange nicht da, wo wir hinwollen und einige unserer nördlichen Nachbarn bereits sind-nämlich bei einer geregelten Arbeitszeit, gut strukturierten Weiterbildung, leistungsbezogenen Bezahlung, Gleichbehandlung in allen Kliniken etc.
Aber wir sind auf dem Weg dorthin schon ein Stück weitergekommen, oder hätte vor ein paar Jahren ernsthaft jemand daran gedacht, daß Ärzte streiken oder Überlastungsanzeigen stellen könnten?
Und wenn dann endlich noch dieses Berufungsgewäsch mal der Vergangenheit angehört, dann ist wieder ein Schrittchen getan.
:-meinung