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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Erste Stelle Psychiatrie - wie vorbereiten?



pinstripe
01.06.2011, 21:33
Hallo zusammen. Ich habe das Examen gerade hinter mich gebracht und fange demnächst in der Psychiatrie an. Ich würde mich freuen, wenn hier ein paar Psychiater unter Euch ein paar Tipps für mich hätten. Was wird verlangt bzw. wohl eher: wie kann ich mich am besten auf den Arbeitseinstieg vorbereiten? Wie habt ihr das damals gemacht? Ich hab nämlich ein bisschen bammel. :-nixWürde mich über Antworten freuen.
Lg!

stennadolny
01.06.2011, 22:28
Bammel vor Psychiatrie ? Geht`s noch ?

In der Psychiatrie blamiert man sich als Einsteiger durch Kompetenz und Wissen, insbes. in der Somatik.

Also: Möglichst dumm, unsicher und glitschig stellen, zunehmend darüber jammern, daß die Patienten soooooo anstrengend und die Arbeit sooooo viel ist, daß Kollegen vielleicht so lieb wären und einem etwas abnehmen könnten. Keine eigenen Gedanken äußern oder anmerken lassen, mit der Meute brüllen und dem jeweiligen OA, auch wenn er der allergrößte Trottel ist, immer recht geben.

Somatische Kosten durch möglichst wenig Blutabnahmen, EKGs o.Ä. sparen, bei nachweisbaren Schäden und Fehlern dadurch immer auf jemanden anderen schieben.

Patienten sind unwesentlich, es sei denn, man bekommt Kohle für gerichtliche Anhörung und/oder Gutachten. Immer sagen, wieviel man für die Pat. übrig hat und sich mit ihnen beschäftigt, aber in Wahrheit bloß dokumentieren bis zum Abwinken, das mögen Chefs und Verwaltungen.

Sich dran gewöhnen, daß Psychiater übel intrigieren, Meister in Neurolinguistischer Programmierung sein wollen und auch viele Psychiater schwere psychische Schlagseiten haben. Die allermeisten Psychiatrien funktionieren irgendwie - schlecht. Weil da auch Leute arbeiten, die man andernorts nicht mal geschenkt nähme.

Dienste sind allerdings eher der Hammer, weil "Last Exit" für alles, was der Rest der Medizin nicht haben möchte.

Als Lehrbücher kann man so ziemlich alles empfehlen, was nicht deutschsprachig ist - da die hiesigen akademisierten Psychiater echt meist mehr als Taube Nüsse sein dürften.

Angina
02.06.2011, 02:17
Also ich lese stennadolnys Kommentare immer supergern, Unterhaltung ist immer garantiert, Einsichten manchmal auch. Aber diese Darstellung ist echt zu polemisch und ich finde es gefaehrlich Psychiater als Bodensatz der Aerzteschaft darzustellen (zumal sich in der Vergangenheit gezeigt hat, dass in diesem Forum auch manchmal Patienten mitlesen, fuer die psychiatrische Behandlungen sowieso schon oft mit vielen Aengsten verbunden sind). Die Psychiatrie hat in jeder Hinsicht ihre Berechtigung, sonst wuerde es nicht seit es die Menschen gibt auch seelisch Kranke geben und selbst in aermsten Laendern wie z.B. dem Sudan etablierte psychiatrische Abteilungen.

Und ich widerspreche, dass sich nur die duemmsten, intrigantesten, geldgeilsten und faulsten dafuer hergeben (reich wird man sicher sowieso weniger durch Anhoerungen und Gutachten, als vielmehr in anderen Faechern oder gar Branchen). Meines Erachtens gibt es sehr faehige, kluge, idealistische Menschen in der Psychiatrie (Gegenbeispiele finden sich ueberall), was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass sich die meisten Menschen freiwillig in (regelmaessige) psychiatrisch/psychotherapeutische Behandlung begeben (oder sollen die alle zu dumm sein zu erkennen, was fuer ein "Schindluder" mit ihnen getrieben wird?). Z.B. Bernhard Lown, Erfinder der Kardioversion, war leidenschaftlich interessiert an Psychiatrie (waere auch fast eine Psychiater geworden) und hat viele Theorien zu Zusammenhaengen zwischen Psyche und Herzerkrankungen aufgestellt. Spaeter hat er dann den Friedensnobelpreis gewonnen (IPPNW) und Buecher geschrieben wie "Die verlorene Kunst des Heilens" (sehr empfehlenswert) in dem er dafuer plaediert besser zuzuhoeren. Daran fehlt es naemlich in der Somatik mitunter.

Ich konnte noch nicht feststellen, dass "Glitschigkeit" oder "Turferei" auf die Psychiatrie beschraenkt sind. Selbiges gilt fuer dem Patientenwohl kontraere Wuensche von Verwaltung und Chefs. Und mehrmals habe ich Anaesthesisten, Chirurgen, Kardiologen und Co mit "psychischer Schlagseite" in der Psychiatrie aufschlagen sehen (Sucht, Psychose, etc.) ... davor ist niemand gefeit. Was ist schon normal?
Das alles traegt nur zur Stigma und Spaltung bei, besser waere man wuerde zwischen ungewoehnlichen/spannenden Persoenlichkeiten und echter psychischer Erkrankung sauber unterscheiden, sowie Kollegen anderer Fachrichtungen ehrlich respektieren und zusammenarbeiten.

Ansonsten stimme ich aber stennadolny zu, um wieder auf das urspruengliche Thema zurueckzukommen, dass du dir keine Sorgen machen musst. Nicht umsonst gibt es ja eine Einarbeitungszeit. Es lohnt sich sicher psychiatrische Medikamentengruppen mit wichtigsten Kontraindikationen und Nebenwirkungen (danach wirst du haeufig gefragt werden) noch einmal zu wiederholen. Wichtig ist auch differentialdiagnostisch immer aufzupassen, dass dir nichts Somatisches durchgeht, was sich in psychiatrischen Symptomen aeussert (hab da schon ein paar "Ueberraschungen" erlebt die dann ganz schnell verlegt werden mussten). Ausserdem empfehle ich tatsaechlich das Lown-Buch (siehe oben). Und last but not least (aber das kann man sicher nicht vorbereiten): versuch ein guter Zuhoerer zu sein. Alles was du dir tolles an Therapieplaenen ausdenkst (egal ob Gespraeche, Therapien oder Medikamente) bringt wenig, wenn keine Compliance da ist, weil die Anliegen deines Gegenuebers ueberhoert werden.

Guten Start in den Job pinstripe. Kannst uns ja mal auf dem Laufenden halten, wie deine ersten Eindruecke von der Psychiatrie sind...

EKT
02.06.2011, 09:36
Der Erstantwortende scheint ein massives Problem zu haben. Warum er sich dann in diesem so schrecklichen Fach beschäftigen läßt, ist mir schleierhaft.

Daß viele psychiatrisch Tätige "psychische Schlagseiten" haben, mag sein - jedoch sicher nicht mehr als Leute in anderen Fachgebieten! Es ist übrigens auch durchaus keine Kontraindikation für die Arbeit in der Psychiatrie, sofern man sich damit in der Selbsterfahrung/Psychotherapie auseinandersetzt.

Für den Anfänger ist (wie in allen anderen Fachgebieten!!!) kein besonderes Wissen/Können notwendig. Für den Einstieg empfehle ich das Lehrbuch von Tölle/Windgassen.

Eine gute psychiatrische Praxis zeichnet sich durch eine Beachtung der somatischen und psychosomatischen Belange aus (etwa auf Hausarzt-Niveau).

Gruß,
EKT

Evil
02.06.2011, 10:32
Der Erstantwortende scheint ein massives Problem zu haben. Warum er sich dann in diesem so schrecklichen Fach beschäftigen läßt, ist mir schleierhaft.Ist doch ganz klar, hat er doch selber beantwortet:

Daß viele psychiatrisch Tätige "psychische Schlagseiten" haben, mag sein
Er verifiziert bloß seine eigene These ;-)

pinstripe
02.06.2011, 10:52
vielen dank an all die antworten, die sich aufs thema bezogen haben. danke auch für die literaturvorschläge. werde mir die bücher auf jeden fall ansehen und mich dann vielleicht wirklich nochmals näher mit der psychopharmakologie auseinandersetzen.

in welchem fachbereich arbeitet stennadolny denn?

ich verstehe durchaus humor, höre mir auch seit 7 jahren immer wieder witze über den berufswunsch "psychiater" an und kann auch sicher die ein oder anderen bedenken der normalbevölkerung bzw anderer fachrichtungen verstehen. ich habe hier aber lediglich nach tipps für meinen berufseinstieg gefragt, nicht danach, wieso psychiatrie ******* ist. wahrscheinlich hat mich mein studium, die famulaturen und das pj einfach getäuscht und ich falle jetzt richtig schön auf die schnauze. denn psychatrie muss wirklich der abschaum sein und ist nur für ärzte geeignet, die sonst sozial nicht tragbar (weil psychisch gestört) sind oder das schlechteste examen der jahrgangs haben. vielleicht bin ich dort also wirklich verkehrt. hätte ich doch bloß auf meine mutter gehört... ;-)

freue mich aber über weitere tipps bzw erfahrungsberichte zum berufseinstieg! :-)

jatina
02.06.2011, 11:28
Ich fand am Anfang den AMDP Leitfaden bzw. das strukturierte Interview dazu sehr hilfreich. Ausserdem bezüglich Pharma den Benkert/ Hippius (bin jetzt gerade nicht sicher, ob er wirklich so heißt- liegt in der Klinik..........).

Bei Lehrbüchern fahre ich im Moment dreigleisig- je nachdem wieviel Zeit ich gerade habe wird's der Berger, die Duale Reihe oder der Intensivkurs. : )

Ausserdem ist es nicht schlecht auch was Somatisches zum Nachschlagen im Büro zu lagern- denn Psych ist eben nicht losgelöst von der Somatik und je nachdem auf welcher Station man arbeitet ist man genauso mit Innerer beschäftigt........ darum stehen bei mir im Büro der Herold und Harrisons rum, ausserdem ein Kurzlehrburch Chirurgie.

Sinnvoll ist es am Anfang auch, sich einen Bogen für die Aufnahmen zusammenzustückeln (wenn es den nicht von der Klinikseite gibt)- der hat mir am Anfang sehr geholfen nichts zu vergessen und flüssig zu diktieren und umfasste ausser den typischen Fragen aus der Psych/ Inneren auch Checkpunkte.

Was die Angst vor dem Einstieg angeht- die war bei mir am Anfang auch riesig, weil ich ursrpünglich zwar großes Interesse an Psych hatte aber an sich in die Innere wollte. Allerdings haben mich im PJ die Arbeitsbedingungen (und auch die wenige Zeit, die ich für Patienten hatte) abgeschreckt, so dass ich, als ich durch Zufall über eine Freundin von einer Psych-Stelle hörte, eher spontan in die Psych bin. Ohne Erfahrungen im PJ oder Famu........nach etwas über einem Jahr auf einer Station für Entzug von illegalen Drogen (die für den Anfang ein guter Einstieg war, weil eben ein Mix aus Psych und Innerer) bin ich jetzt auf unserer Notaufnahme/ geschlossenen Station und habe es noch nicht einen Tag bereut in die Psych gegangen zu sein.

*Ironie an* Also- ich fühle mich als Bodensatz der Medizin, mit *********kollegen, gestörtem Personal und keiner Ahnung von innerer Medizin superwohl. *Ironie aus*

PsychoFan
02.06.2011, 17:22
Die ICD-10 mit Kriterien sollte man parat haben - nur bitte: nicht auswendig lernen, sondern nachschlagen, wenn notwendig. :)

Ansonsten, würde ich mich vor allem auf den psychopathologischen Befund konzentrieren. Das AMDP-Schema kann nützlich sein, dennoch ist es gut, ein bisschen zu trainieren, wie man den Befund dann schriftlich als laufenden Text und in vollen, runden Sätzen formuliert.

In einer guten Klinik lernst Du das Notwendige über die Psychopharmakotherapie in der Einarbeitungsphase. Wäre jedoch nicht schlecht, schon vorher mal von den wichtigsten Medikamenten etwas gehört zu haben. Antidepressiva (Citalopram, Escitalopram, Mirtazapin, Venlafaxin, Paroxetin), Neuroleptika (Risperidon, Olanzapin, Amisulprid, Quetiapin, Clozapin und (praktisch ausschliesslich akut) Haloperidol und Zuclopenthixol). Mood-stabilizer: Valproat, Carbamazepin, Lithium. Benzodiazepine (Lorazepam und Diazepam) und nicht-benzodiazepinhaltige Beruhigungsmittel, zumeist niederpotente Neuroleptika (Melperon, Pipamperon, Promethazin).

Lerne bitte die Dosierungen nicht auswendig! Schau einfach jedes mal, wenn Du ein Medikament verschreibst, im Medikamenten-Pocket nach. Nach zwei Wochen hast Du Dir dann die meisten Dosierungen mühelos gemerkt.

pinstripe
03.06.2011, 10:19
danke für eure antworten und die vielen tipps. ich werde mir dann zu o.g. medis etwas im benkert/hippius durchlesen. amdp und icd-10 habe ich auch. hat noch jemand evtl einen tipp zum psychopathologischen befund etc? gibts sonst noch etwas außer amdp bzw. gibt es evtl sogar videomaterial etc.?
vielen dank! :-)

EKT
03.06.2011, 12:16
hat noch jemand evtl einen tipp zum psychopathologischen befund etc?

Für den Hausgebrauch: der Scharfetter.

Für die (philosophische) Vertiefung (nur für besondere Freunde des Faches):
Karl Jaspers: "Allgemeine Psychopathologie".

Antracis
15.06.2011, 19:04
Insgesamt ist die eingängliche polemische Bemerkung schon hilfreich, denn daran musst Du Dich gewöhnen. Insofern härtet bereits regelmäßiges Lesen des Assi-Threads hier im Forum ab, da gibts auch eine spezielle Klinik, wo nur Volldeppen als Psychiater arbeiten. Ich hingegen warte bei mir in der Klinik noch drauf, dass irgendwann das Rea-Team erstmal zurückruft und mich bittet, den Zustand des Kreislaufstillstandes noch mal genauer zu beschreiben. :-))

Ansonsten finde ich es insgesamt sinnvoll, sich auf die Notfälle vorzubereiten, einfach mal etwas zu lesen. Denn da kommt man schnell in Situationen, wo plötzlich kein Kollege da ist und der nächste OA gerade nicht erreichbar.

Gut und Praxisnah geschrieben finde ich persönlich die Akutpsychiatrie von Neu:

http://www.amazon.de/Akutpsychiatrie-Das-Notfall-Manual-Peter-Neu/dp/3794528050/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1308160936&sr=8-1

Auch gut, weil einfach mal so mit Spaß zu lesen, ist das Fallbuch Psychiatrie von Elsevier:

http://www.amazon.de/F%C3%A4lle-Psychiatrie-Psychotherapie-Bed-side-learning-Elsevier-Portal/dp/3437433520/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1308160996&sr=8-1

Ansonsten, wie schon oben empfohlen, Scharfetter, weil auch vor allem gut lesbar.

http://www.amazon.de/Allgemeine-Psychopathologie-Einf%C3%BChrung-Christian-Scharfetter/dp/3135315053/ref=sr_1_4?ie=UTF8&qid=1308161017&sr=8-4

Auswendiggelernt und durchgearbeitet hast Du erstmal genug, jetzt gehts um Spaß.

Gruß
Anti