Rico
10.06.2011, 13:12
Auf Spiegel online (http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,767044,00.html) ein "zorniger Zwischenruf" einer Warterin mit 2,4-Abi, der es in einem gekonnten Rundumschlag gelingt, praktisch alle Klischees des NC-Scheiterns in einem Artikel zu vereinen.
Eine Polemik von Rico
1. Hauptsache berufen
Vor drei Jahren habe ich mein Abitur gemacht: 2,4 - eigentlich gar nicht so schlecht. Dachte ich zumindest. Der Wunsch, Ärztin zu sein, gehört zu meinem Leben. Ich bin mit diesem Wunsch aufgewachsen und habe nie eine andere Richtung für mich gesehen. Ich fühle mich dazu berufen, Menschen zu helfen.Wahnsinn, wer soll denn Ärztin werden wenn nicht die? Das klingt so überzeugend.
Leider hat sie nicht geschrieben wieso es dazu kommen konnte, dass sie trotz dieses langfristig ausgeheckten Masterplans, im Jahr 2007 "nur" ein 2,4-Abi geschrieben hat. Und dann auch noch dachte, dass dieses Abi "gar nicht schlecht" sei? :-nix
Wenn man schon immer nix anderes machen wollte, dann hätte man sich ja mal die dafür notwenigen NCs anschauen können, dann wäre einem - selbst wenn es dann trotzdem nicht gereicht hätte - wenigstens die Überraschung erspart geblieben, dass 2,4 für jemanden, der Medizin studieren möchte halt doch nicht so ganz das superduper Bombenergebnis sein könnte....
2. Da war doch was mit dem AdH... Details? Pah!
Ich begann also einige Tage nach meiner Abi-Verleihung mit dem dreimonatigen Pflegepraktikum, machte daraufhin eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten, zwei Jahre lang.
[...] Einige dieser Leistungen sollten meinen Durchschnitt verbessern, das hoffte ich jedenfalls. [...] Nachdem ich meine Ausbildung beendet hatte, war ich guter Hoffnung, meinem langersehnten Studienplatz ein Stückchen nähergerückt zu sein. Um so größer war die Enttäuschung, dass viele Unis meine Ausbildung in keiner Weise, andere nur gering honorierten. An zwei Unis bekam ich für drei Jahre Arbeit im medizinischen Bereich 0,1 Notenpunkte gutgeschrieben - in Regensburg und München. Bei vielen anderen war meine Ausbildung gänzlich unerheblich. Und zu einem Auswahlgespräch, bei dem ich mich hätte persönlich vorstellen können, wurde ich nie eingeladen.Huch, Überraschung!
Nachdem sie zwei Jahre lang eine Ausbildung gemacht hat und nochmal ne zeitlang gearbeitet hat sie sich dann doch tatsächlich dazu hinreissen lassen mal die Kriterien im AdH der einzelnen Unis anzuschauen.
Hätte man natürlich auch vorher machen können. Da hätte man gleich gesehen, welche Unis dafür Boni vergeben und welche nicht. Vielleicht hätte man dabei Unis entdeckt, die 0,5 Punkte für ne Ausbildung geben. Oder welche bei denen noch zusätzlich der TMS gezählt hätte wie Tübingen, wo man mit gutem TMS und 2,5 jahren berrufstätigkeit seine Note um insgesamt 1,1 verbessern kann.
Auch hätte sie dann vielleicht eine Berufsausbildung gewählt, die an den allen Unis, die Ausbildungen bonieren, auch boniert wird.
Aber das konnte ja vorher keiner wissen....
3. Klag ich halt...
habe nebenbei rund 18 Unis verklagt, die genaue Zahl weiß ich nicht mehr. Ohne Rechtsschutzversicherung hätte das schnell mehr als 10.000 Euro kosten können.Was will uns das sagen? Ist es jetzt auch schon Ausdruck von Eignung und Motivation einen rechtsschutzversicherungsgepamperten Anwalt zu beauftragen, einen Studienplatz ranzuschaffen? :-nix
Eigentlich sagt es wieder nur das übliche über die Klagerei: Erfolg? Minimini...
4. Was war nochmal der Unterschied zwischen Kapazität und Eignungstest?
Da die Durchschnittsnote leider weiterhin einen maßgeblichen Einfluss behalten muss, reichen selbst meine bisherigen Anstrengungen nicht. Jenseits eines Durchschnitts von 2,0 werden Bewerber offensichtlich für unfähig befunden. Mein Eindruck: Sie werden systematisch abgeblockt. Ungeachtet dessen, was sie geleistet haben.Da fragt man sich doch manchmal wie naiv sich die Leute das vorstellen:
Dass man jedes Abi, egal wie die Note ist mit einem TMS oder einer Ausbildung und ein bisserl ehrenamtlichen Sanitätern so aufmöbelt, dass man zackbumm einen Studienplatz kriegt?
Und dass das natürlich immer klappt, weil man selber als Schweinchen Schlau ja als einziger auf die Idee gekommen ist, seine Abinote durch Boni in den Bereich der Zulassung zu lupfen?
Ist der NC vielleicht deshalb so hoch, weil sich im Verhältnis zu den Kapazitäten so viele bewerben und nicht weil irgendeiner bei 2,0 die Linie zur "Medizinwürdigkeit" gezogen hat?
Hoffen wir jedenfalls mal, dass der durchschnittliche Spiegelleser deratige Details nicht kennt und sich ausreichend erregt ob dieser Ungerechtigkeit.
5. Späte Einsicht - Teil I
Ich hätte also genauso gut sechs Jahre nichts tun können, um endlich genug Wartesemester zu haben.Immerhin das hat sie jetzt verstanden.
6. Wo liegen nochmal die Gründe für den Ärztemangel?
Bei dem Ärztemangel in Deutschland wäre es ein großer Fortschritt, stärker auf die Eignung der Bewerber zu achten. Und damit meine ich kein gutes Abitur, sondern die Motivation, später tatsächlich als Arzt zu praktizieren.Für jemand, der sich angeblich sein Leben lang für die Medizin interessiert hat auch eine Aussage die erschreckend undifferenziert ist. Impliziert sie doch, dass der Ärztemangel was mit den Zulassungskriterien zu tun hätte (und nicht etwa mit Arbeitsbedingungen oder so). Abgesehen davpn, dass ja die Kollegen, die ins Ausland gehen dort durchaus auch paktizieren...
7. Späte Einsicht - Teil II
Die Ideen sind mir mittlerweile ausgegangen. Ich habe so weit alles getan, was getan werden konnte, und ich habe nicht vor, aufzugeben. Ab nächstem Wintersemester werde ich ein Biologiestudium beginnen und versuchen, in den medizinischen Studiengang quereinzusteigen. Immerhin, noch ein neuer Versuch.:-wand:-wand:-wand:-wand:-wand:-wand
Da bin ich echt vom Stuhl gefallen. Nach der Erkenntis, dass es über Note und AdH wohl nicht gehen wird und schon 6 WS gesammelt sind, was tut man da?
Genau! Ein Parkstudium und ein nahezu aussichtsloser Quereinstiegsversuch müssen her. Total logisch. Wer braucht schon Wartesemester?
Aber vielleicht hat sie auch einfach noch nicht mitbekommen, dass man keine sammelt wenn man was anderes studiert.... wer weiß?
Vielleicht folgt ja in drei Jahren nochmal eine Fortsetzung, in der sie uns dann schildern kann wie ihr Quereinstieg gescheitert ist und sie jetzt eigentlich einen Studienplatz hätte haben müssen, aber dann - überrascht - herausgefunden hat, dass sie gar keine keine Wartesemester während ihres Parkstudiums gesammelt hat...
Fazit
Eindrucksvoller Bericht, der zeigt wie fatal Halbwissen bezüglich der Bewerbungsmodalitäten ist und mein altes Mantra bestätigt, dass es eben unabdingbar ist, sich im Detail mit den Auswahlregeln zu befassen - gerade wenn man in einem Grenzbereich klebt - oder meint zu kleben.
Der "Wie stehen meine Chancen?"-Thread hätte hier vielleicht viel Leid verhindert...
Eine Polemik von Rico
1. Hauptsache berufen
Vor drei Jahren habe ich mein Abitur gemacht: 2,4 - eigentlich gar nicht so schlecht. Dachte ich zumindest. Der Wunsch, Ärztin zu sein, gehört zu meinem Leben. Ich bin mit diesem Wunsch aufgewachsen und habe nie eine andere Richtung für mich gesehen. Ich fühle mich dazu berufen, Menschen zu helfen.Wahnsinn, wer soll denn Ärztin werden wenn nicht die? Das klingt so überzeugend.
Leider hat sie nicht geschrieben wieso es dazu kommen konnte, dass sie trotz dieses langfristig ausgeheckten Masterplans, im Jahr 2007 "nur" ein 2,4-Abi geschrieben hat. Und dann auch noch dachte, dass dieses Abi "gar nicht schlecht" sei? :-nix
Wenn man schon immer nix anderes machen wollte, dann hätte man sich ja mal die dafür notwenigen NCs anschauen können, dann wäre einem - selbst wenn es dann trotzdem nicht gereicht hätte - wenigstens die Überraschung erspart geblieben, dass 2,4 für jemanden, der Medizin studieren möchte halt doch nicht so ganz das superduper Bombenergebnis sein könnte....
2. Da war doch was mit dem AdH... Details? Pah!
Ich begann also einige Tage nach meiner Abi-Verleihung mit dem dreimonatigen Pflegepraktikum, machte daraufhin eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten, zwei Jahre lang.
[...] Einige dieser Leistungen sollten meinen Durchschnitt verbessern, das hoffte ich jedenfalls. [...] Nachdem ich meine Ausbildung beendet hatte, war ich guter Hoffnung, meinem langersehnten Studienplatz ein Stückchen nähergerückt zu sein. Um so größer war die Enttäuschung, dass viele Unis meine Ausbildung in keiner Weise, andere nur gering honorierten. An zwei Unis bekam ich für drei Jahre Arbeit im medizinischen Bereich 0,1 Notenpunkte gutgeschrieben - in Regensburg und München. Bei vielen anderen war meine Ausbildung gänzlich unerheblich. Und zu einem Auswahlgespräch, bei dem ich mich hätte persönlich vorstellen können, wurde ich nie eingeladen.Huch, Überraschung!
Nachdem sie zwei Jahre lang eine Ausbildung gemacht hat und nochmal ne zeitlang gearbeitet hat sie sich dann doch tatsächlich dazu hinreissen lassen mal die Kriterien im AdH der einzelnen Unis anzuschauen.
Hätte man natürlich auch vorher machen können. Da hätte man gleich gesehen, welche Unis dafür Boni vergeben und welche nicht. Vielleicht hätte man dabei Unis entdeckt, die 0,5 Punkte für ne Ausbildung geben. Oder welche bei denen noch zusätzlich der TMS gezählt hätte wie Tübingen, wo man mit gutem TMS und 2,5 jahren berrufstätigkeit seine Note um insgesamt 1,1 verbessern kann.
Auch hätte sie dann vielleicht eine Berufsausbildung gewählt, die an den allen Unis, die Ausbildungen bonieren, auch boniert wird.
Aber das konnte ja vorher keiner wissen....
3. Klag ich halt...
habe nebenbei rund 18 Unis verklagt, die genaue Zahl weiß ich nicht mehr. Ohne Rechtsschutzversicherung hätte das schnell mehr als 10.000 Euro kosten können.Was will uns das sagen? Ist es jetzt auch schon Ausdruck von Eignung und Motivation einen rechtsschutzversicherungsgepamperten Anwalt zu beauftragen, einen Studienplatz ranzuschaffen? :-nix
Eigentlich sagt es wieder nur das übliche über die Klagerei: Erfolg? Minimini...
4. Was war nochmal der Unterschied zwischen Kapazität und Eignungstest?
Da die Durchschnittsnote leider weiterhin einen maßgeblichen Einfluss behalten muss, reichen selbst meine bisherigen Anstrengungen nicht. Jenseits eines Durchschnitts von 2,0 werden Bewerber offensichtlich für unfähig befunden. Mein Eindruck: Sie werden systematisch abgeblockt. Ungeachtet dessen, was sie geleistet haben.Da fragt man sich doch manchmal wie naiv sich die Leute das vorstellen:
Dass man jedes Abi, egal wie die Note ist mit einem TMS oder einer Ausbildung und ein bisserl ehrenamtlichen Sanitätern so aufmöbelt, dass man zackbumm einen Studienplatz kriegt?
Und dass das natürlich immer klappt, weil man selber als Schweinchen Schlau ja als einziger auf die Idee gekommen ist, seine Abinote durch Boni in den Bereich der Zulassung zu lupfen?
Ist der NC vielleicht deshalb so hoch, weil sich im Verhältnis zu den Kapazitäten so viele bewerben und nicht weil irgendeiner bei 2,0 die Linie zur "Medizinwürdigkeit" gezogen hat?
Hoffen wir jedenfalls mal, dass der durchschnittliche Spiegelleser deratige Details nicht kennt und sich ausreichend erregt ob dieser Ungerechtigkeit.
5. Späte Einsicht - Teil I
Ich hätte also genauso gut sechs Jahre nichts tun können, um endlich genug Wartesemester zu haben.Immerhin das hat sie jetzt verstanden.
6. Wo liegen nochmal die Gründe für den Ärztemangel?
Bei dem Ärztemangel in Deutschland wäre es ein großer Fortschritt, stärker auf die Eignung der Bewerber zu achten. Und damit meine ich kein gutes Abitur, sondern die Motivation, später tatsächlich als Arzt zu praktizieren.Für jemand, der sich angeblich sein Leben lang für die Medizin interessiert hat auch eine Aussage die erschreckend undifferenziert ist. Impliziert sie doch, dass der Ärztemangel was mit den Zulassungskriterien zu tun hätte (und nicht etwa mit Arbeitsbedingungen oder so). Abgesehen davpn, dass ja die Kollegen, die ins Ausland gehen dort durchaus auch paktizieren...
7. Späte Einsicht - Teil II
Die Ideen sind mir mittlerweile ausgegangen. Ich habe so weit alles getan, was getan werden konnte, und ich habe nicht vor, aufzugeben. Ab nächstem Wintersemester werde ich ein Biologiestudium beginnen und versuchen, in den medizinischen Studiengang quereinzusteigen. Immerhin, noch ein neuer Versuch.:-wand:-wand:-wand:-wand:-wand:-wand
Da bin ich echt vom Stuhl gefallen. Nach der Erkenntis, dass es über Note und AdH wohl nicht gehen wird und schon 6 WS gesammelt sind, was tut man da?
Genau! Ein Parkstudium und ein nahezu aussichtsloser Quereinstiegsversuch müssen her. Total logisch. Wer braucht schon Wartesemester?
Aber vielleicht hat sie auch einfach noch nicht mitbekommen, dass man keine sammelt wenn man was anderes studiert.... wer weiß?
Vielleicht folgt ja in drei Jahren nochmal eine Fortsetzung, in der sie uns dann schildern kann wie ihr Quereinstieg gescheitert ist und sie jetzt eigentlich einen Studienplatz hätte haben müssen, aber dann - überrascht - herausgefunden hat, dass sie gar keine keine Wartesemester während ihres Parkstudiums gesammelt hat...
Fazit
Eindrucksvoller Bericht, der zeigt wie fatal Halbwissen bezüglich der Bewerbungsmodalitäten ist und mein altes Mantra bestätigt, dass es eben unabdingbar ist, sich im Detail mit den Auswahlregeln zu befassen - gerade wenn man in einem Grenzbereich klebt - oder meint zu kleben.
Der "Wie stehen meine Chancen?"-Thread hätte hier vielleicht viel Leid verhindert...