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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : "Ist hier jemand Arzt?" -> WER ist überhaupt ein Arzt?



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Julia1991
24.06.2011, 01:28
Hi,

da ich vorhin einen Jahre alten Thread darüber gelesen habe, ob man sich auch als Medizinstudent angesprochen fühlen sollte, wenn an öffentlichen Orten aufgrund einer Notlage ein Arzt gesucht wird...

wie ist das eigentlich mit Zahnmedizinern (Zahnärzte, Oralchirurgen, Kieferorthopäden etc.)???
Diese haben ja auch bestimmte Vorlesungen zusammen mit den Humanis besucht und gewisse Vorkenntnisse, aber sollte man sich als Zahnarzt bzw. Zahnmedizinstudent in einer solchen Situation angesprochen fühlen? Könnte es sogar rechtliche Konsequenzen haben, wenn man sich als Zahnarzt nicht meldet, oder ist das wegen "mangelndem" Kenntnisstand was solche Notfälle betrifft gerechtfertigt?:-nix

Diese Frage grenzt wieder ziemlich an die Debatte, ob ein Zahnarzt ein Arzt ist...im Grunde ja Definitionssache...oder eben nicht?

Danke:)
Lg

Lava
24.06.2011, 01:48
Ohne Approbation als Arzt der Humanmedizin (und ohne Ausbildung im Rettungswesen) bist du ein Laie.

DeSeal
24.06.2011, 02:22
Jop, selbst mit abgeschlossenem Studium, aber noch nicht erhaltener Approbationsurkunde ist man de jure Laie.
Wobei sich diejenigen, die nach "Ist hier irgendwo ein Arzt?" rufen mit Sicherheit genauso freuen, wenn ein Medizinstudent, Krankenpfleger, Rettungsdienstler oder ein Bankkaufmann mit erste Hilfe Kenntnissen dem Notbedürftigen zur Seite steht... :-))

EDIT:
Was mich da interessieren würde: inwiefern darf ein Zahnarzt (sofern er es sich zutraut) denn außerhalb seines Fachbereiches invasivmedizinisch tätig werden? Weil die doch auch z.T. Medikamente verschreiben...
z.B. der Fall kollabierte Person in einer Zahnarztpraxis: ich werde als Rettungsassistent dorthin geschickt, versorge den Patienten und stelle einen STEMI fest. Darf der anwesende Zahnarzt dann die von mir mitgebrachten Notfallmedikamente einsetzen? Mal abgesehen von extremen Maßnahmen wie ner präklinischen Narkose...

bin gespannt

Grüße

konstantin
24.06.2011, 08:21
Auf jeden Fall kann kein Richter dieser Welt einen Zahnarzt wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilen, wenn jener in einer solchen Situation vorsichtshalber lieber die Finger davon laesst.

Ganz im Gegenteil, ich betrachte ein solches Vorgehen schon beinahe als fahrlaessig. Als Beispiel dazu das Curriculum fuer den klinischen Abschnitt des Studiums der Zahnmedizin an meiner Uni:


* Dermatologie und Venerologie für Zahnmediziner
* Chirurgische Poliklinik für Zahnmediziner
* Pathohistologischer Kursus für Zahnmediziner
* Kursus der klinisch-chemischen und physikalischen Untersuchungsmethoden für Zahnmediziner
* Phantomkurs der Zahnerhaltungskunde
* Kursus und Poliklinik der Zahnerhaltungskunde I + II
* Kursus und Poliklinik der Zahnärztlichen Prothetik I + II
* Klinik und Poliklinik für ZMK-Krankheiten I, II, III + IV
* Operationskursus I + II
* Radiologischer Kursus
* Kursus Kieferorthopädische Technik
* Kursus Kieferorthopädische Behandlung I + II

Ansonsten muessen die Zahnis noch einen Erste-Hilfe-Kurs fuer die Zulassung zur Zahnaerztlichen Vorpruefung vorweisen - aehnlich wie die Humanis zum Physikum.

Es mangelt dem Zahnarzt auf Grund seines entsprechend anders gestalteten Studiums also schon an der noetigen Expertise, um notfallmedizinische Massnahmen zu ergreifen.

edit: Hat hier nicht einer das "Bleiben sie ruhig, ich bin Zahnarzt!!"-Bild? ;)

edit2: Achso, bevor wieder jemand auf die Idee kommt, ich wuerde andere Berufsbilder minder schaetzen, hier die entsprechenden Faecher fuer den klin. Abschnitt der Humanis:


a) Fächer:
1. Allgemeinmedizin,
2. Anästhesiologie,
3. Arbeitsmedizin, Sozialmedizin,
4. Augenheilkunde,
5. Chirurgie,
6. Dermatologie, Venerologie,
7. Frauenheilkunde, Geburtshilfe,
8. Hals-Nasen-Ohrenheilkunde,
9. Humangenetik,
10. Hygiene, Mikrobiologie, Virologie,
11. Innere Medizin,
12. Kinderheilkunde,
13. Klinische Chemie, Laboratoriumsdiagnostik,
14. Neurologie,
15. Orthopädie,
16. Pathologie,
17. Pharmakologie, Toxikologie,
18. Psychiatrie und Psychotherapie,
19. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie,
20. Rechtsmedizin,
21. Urologie,
22. Wahlfach.
b) Querschnittsbereiche:
1. Epidemiologie, medizinische Biometrie und medizinische Informatik,
2. Geschichte, Theorie, Ethik der Medizin,
3. Gesundheitsökonomie, Gesundheitssystem, Öffentliche Gesundheitspflege,
4. Infektiologie, Immunologie,
5. Klinisch-pathologische Konferenz,
6. Klinische Umweltmedizin,
7. Medizin des Alterns und des alten Menschen,
8. Notfallmedizin,
9. Klinische Pharmakologie/Pharmakotherapie,
10. Prävention, Gesundheitsförderung,
11. Bildgebende Verfahren, Strahlenbehandlung, Strahlenschutz,
12. Rehabilitation, Physikalische Medizin, Naturheilverfahren.
c) Blockpraktika:
1. Innere Medizin,
2. Chirurgie,
3. Kinderheilkunde,
4. Frauenheilkunde,
5. Allgemeinmedizin

Die beiden Berufsfelder haben also ausser des Namens nicht all zu viel gemein.

Kackbratze
24.06.2011, 08:39
Ich sag nur "Hangover"

ehem-user-02-08-2021-1033
24.06.2011, 09:36
Ohne Approbation als Arzt der Humanmedizin (und ohne Ausbildung im Rettungswesen) bist du ein Laie.

Interessante Argumentation...
aber leider nur halb richtig.

Die Approbation beschreibt keinen Wissens- oder Kenntnisstand, sondern sie erlaubt mehr oder minder die Ausübung der Heilkunde ohne einen Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz.
"Arzt" ist man in Deutschland nur mit Approbation, soweit ist die Aussage richtig.

Allerdings ist man auch ohne Approbations spätestens ab dem Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (vgl. insbesondere § 5 und § 10 der Approbationsordnung) kein Laie, sondern mindestens "Erst-Helfer". --> BLS oder die stabile Seitenlage sollte man zu diesem Zeitpunkt schon beherrschen.
Dinge die definitiv fast kein Laie beherrscht! Die aber nunmal lebensrettend sein können.
Für einen Richter oder Staatsanwalt wäre es sehr einfach sich auf § 5 und § 10 der Approbationsordnung zu stützen, wenn hier eine Unterlassung stattfindet.

Gast09012019
24.06.2011, 12:23
Ich sag nur "Hangover"

Hey, keine Vorurteile gegen Zahnärzte, sonst misch ich dir ein paar Roofies in den Kaba :-))

roger rekless
24.06.2011, 13:04
zwar etwas Off-Topic, aber wollte dafür keinen extra Thread aufmachen, und irgendwie passts ja auch ein bisschen zum Thema:

Wie schaut's hier aus: Ich bin am Wochenende nachts unterwegs und habe einen über den Durst getrunken. Wenn jetzt die entscheidende Frage nach dem Arzt fällt.

1. muss/darf ich sagen dass ich mich momentan nicht imstande fühle eine korrekte Medizinische Versorgung durchzuführen?

2. handle ich fahrlässig/mache ich mich strafbar wenn ich dennoch helfe und etwas passiert, was evt. auf die geistige Umnachtung zurückzuführen ist? Zumindest wenn kein anderer Helfer in Sicht ist, müsste man ja trotzdem irgendwie etwas machen.

Wäre mal interessant zu wissen.

McBeal
24.06.2011, 13:13
Solange Du die Frage noch verstehst und die Situation erkennst, solltest Du eigentlich in der Lage sein, Erste-Hilfe-Maßnahmen einzuleiten und durchzuführen. Durch das Adrenalin fühlt man sich ja meistens auch etwas klarer im Kopf.
Mehr kannst Du doch sowieso nicht machen, oder hast Du immer Medikamente etc. dabei?

Zum Zahnarzt, in dessen Praxis jemand einen Infarkt hat: da der Patient mit NA-Begleitung in die Klinik muss, sollte eben ein NA dazugefordert werden und dieser kann dann auch die Medis verabreichen, insbesondere die i.v.-Sachen.
Es gibt bestimmt aber auch ZÄ, die Nitrospray da haben und geben, ich war auch mal bei einem, der immer Salbutamolspray für mich (bin Asthmatikerin) bereitliegen hatte - auch wenn ich es nie gebraucht habe.

LG
Ally

Michael72
24.06.2011, 13:23
Wie schaut's hier aus: Ich bin am Wochenende nachts unterwegs und habe einen über den Durst getrunken. Wenn jetzt die entscheidende Frage nach dem Arzt fällt.

1. muss/darf ich sagen dass ich mich momentan nicht imstande fühle eine korrekte Medizinische Versorgung durchzuführen?.

Auch ein vollkommen betrunkener Arzt dürfte noch zur Herzdruckmassage fähig sein und damit den Unterschied zwischen sterben und leben machen. Alle neuen Studien deuten ja auch darauf hin, dass ein Beatmen während der initialen CPR nicht notwendig ist (ohne Einfluss auf das Outcome!), daher reicht es, einfach nur zu drücken.

Jay D.
24.06.2011, 13:30
Auch ein vollkommen betrunkener Arzt dürfte noch zur Herzdruckmassage fähig sein und damit den Unterschied zwischen sterben und leben machen. Alle neuen Studien deuten ja auch darauf hin, dass ein Beatmen während der initialen CPR nicht notwendig ist (ohne Einfluss auf das Outcome!), daher reicht es, einfach nur zu drücken.

Naja, viele Ärzte sind ja nicht mal komplett nüchtern in der Lage einigermaßen sinnvoll erste Hilfe zu leisten...

Coxy-Baby
24.06.2011, 13:33
Und diese Erfahrung hast du woher?

Jay D.
24.06.2011, 13:51
Und diese Erfahrung hast du woher?
Ein bisschen was erlebt man in der Hinsicht auf dem RTW ja doch ;-). So Fälle wie der zufällig beim VU anwesende Arzt, der hektisch nach einer blauen(!) Viggo für den traumatisierten Patienten verlangt, beim Stifneck anlegen derart am Kopf rumreist, dass man sich das auch hätte sparen können. Der Krankenhausarzt der im Vorfeld unserer Intensivverlegung den Tubus bis zum Anschlag reinschiebt und das einseitig fehlende Atemgeräusch auf die Pneumonie schiebt. Toll auch der Arzt, der neben seinem reanimationspflichtigen Patienten sitzend auf das Eintreffen des Rettungsdienstes gewartet hat.

Um das klar zu stellen, natürlich sind viele Ärzte auch sehr, sehr gut in der Notfallmedizin. Es gibt aber halt auch die anderen :-meinung

Brutus
24.06.2011, 14:32
Auch ein vollkommen betrunkener Arzt dürfte noch zur Herzdruckmassage fähig sein und damit den Unterschied zwischen sterben und leben machen. Alle neuen Studien deuten ja auch darauf hin, dass ein Beatmen während der initialen CPR nicht notwendig ist (ohne Einfluss auf das Outcome!), daher reicht es, einfach nur zu drücken.

Beispiel gefällig? In unserer schnuckeligen Stadt während der Kirmes so passiert:
In einem Fahrgeschäft fällt am Ende der Fahrt ein Mensch auf dem Boden liegend auf, der nicht mehr schnauft und keinen Kreislauf hat. 2 völlig besoffene Kerle fangen an, diesen Menschen LEITLINIENGERECHT zu reanimieren. Der nach ca. 15 Minuten dazukommende NAW findet einen Patienten vor, der unter suffizienter REA eine 99% SO2 bietet und übernimmt die weiteren Maßnahmen. Der Patient kommt ca. 30 Minuten später zu uns in die Klinik und hat letztendlich das ganze ohne Spätfolgen überlebt. Und der Notarzt, der den Patienten zu uns transportiert hat, kam später aus dem Lachen nicht mehr raus. Die beiden Ersthelfer wollten gar nicht mehr aufhören, und erklärten zum Schluß: "Wir sind von der BF aus der Nachbarstadt. Wir haben hier heute Wachabteilungsparty!"

Michael72
24.06.2011, 16:11
Ein bisschen was erlebt man in der Hinsicht auf dem RTW ja doch ;-). So Fälle wie der zufällig beim VU anwesende Arzt, der hektisch nach einer blauen(!) Viggo für den traumatisierten Patienten verlangt, beim Stifneck anlegen derart am Kopf rumreist, dass man sich das auch hätte sparen können. Der Krankenhausarzt der im Vorfeld unserer Intensivverlegung den Tubus bis zum Anschlag reinschiebt und das einseitig fehlende Atemgeräusch auf die Pneumonie schiebt. Toll auch der Arzt, der neben seinem reanimationspflichtigen Patienten sitzend auf das Eintreffen des Rettungsdienstes gewartet hat.

Um das klar zu stellen, natürlich sind viele Ärzte auch sehr, sehr gut in der Notfallmedizin. Es gibt aber halt auch die anderen :-meinung

Und was hat das mit drücken zu tun?

roger rekless
24.06.2011, 16:24
Ein bisschen was erlebt man in der Hinsicht auf dem RTW ja doch ;-). So Fälle wie der zufällig beim VU anwesende Arzt, der hektisch nach einer blauen(!) Viggo für den traumatisierten Patienten verlangt, beim Stifneck anlegen derart am Kopf rumreist, dass man sich das auch hätte sparen können. Der Krankenhausarzt der im Vorfeld unserer Intensivverlegung den Tubus bis zum Anschlag reinschiebt und das einseitig fehlende Atemgeräusch auf die Pneumonie schiebt. Toll auch der Arzt, der neben seinem reanimationspflichtigen Patienten sitzend auf das Eintreffen des Rettungsdienstes gewartet hat.


Jo, ihr Rettungstypen seid eh die allergeilsten, das wissen wir ja inzwischen.

Kackbratze
24.06.2011, 17:03
Dafür gibts hier einen eigenen Thread, bitte mach doch da weiter Jay D.

Alzheimer
24.06.2011, 18:28
Als Zahnarzt darfst du meines Wissens nach ja nichtmal eine Vigo legen. Entsprechend wird es schwierig sein professionelle/ erweiterte Maßnahmen im Notfall zu ergreifen.

ehem-user-02-08-2021-1033
24.06.2011, 20:32
Das wäre auch meine Überlegung gewesen...
Ist das Legen eines i.v. Zugangs Bestandteil des zahnärztlichen Studiums?

@Jay D

Ganz am Anfang meiner RD-Karriere dachte ich mir auch: Boah, wir habens drauf und so viele Ärzte können ja echt nix. Diese Meinung wurde einem sogar an den RD-Schulen indirekt eingetrichtert.
Heute sehe ich vieles differenzierter und bin sparsamer mit Pauschalurteile. Die "präklinische" Versorgung ist nur ein Teil der Gesamtversorgung des Patienten. Nicht alle vermeintlichen "Fehler" dort haben auch einen wirklich messbaren Einfluss aufs Outcome. Gerade viele der "supertollen" und "hochspektakulären" Einsätze vergangener Jahre erscheinen im Kontext einer gewachsenen innerklinischen Erfahrung als minimale Erkrankungen bzw. Verletzungen. Der einzige Fehler bei derartigen Einsätzen, der rückblickend einen negativen Einfluss aufs Outcome gehabt hätte, wäre es entweder den Patienten von der Trage zu schmeißen oder mit dem RTW und Patient gegen den nächsten Baum zu fahren.

konstantin
24.06.2011, 21:44
Ist das Legen eines i.v. Zugangs Bestandteil des zahnärztlichen Studiums?

Nein.