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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Augenstarre bei Apoplexia cerebris bzw. Schlaganfall



Kyutrexx
27.06.2011, 16:29
Hallo Leute,

wir saßen heute im Präpkurs über einem 40 cm Modell eines Auges mit Seilen als Muskeln :D.
Naja jedenfalls hatte ich mich dabei gefragt, wie eigentlich anatomisch-funktionell die Augenstarre beim Schlaganfall zu erklären ist.

Der Schlaganfall ist ja erstmal eine Minderdurchblutung irgendwo.
Durch die Minderdurchblutung kommt es zu einer Blutung und zur Zerstörung von Hirngewebe oder zur Unterversorgung eines Hirnareals und damit ebenfalls zum Untergang von Hirngewebe.

Wie nun aber weiter?

Sind es dann die Augenmuskeln, die minderdurchblutet werden?
Sind es die lädierten Nerven, die sie nicht mehr innervieren?
Ist es mal das eine, mal das andere, mal beides?


Bin für Ideen offen und für Hilfe dankbar ^^.

Feuerblick
27.06.2011, 16:35
Welche "Augenstarre" meinst du denn? Schlaganfallpatienten haben in der Regel Augenmuskellähmungen, die meist dadurch zustande kommen, dass das Kerngebiet des zugehörigen Nerven geschädigt ist. Bei einem Trauma ist es eher der Nerv im Verlauf, der Probleme bekommt. Den Augenmuskeln selbst tut ein Apoplex nichts - die können bei Erholung der Nerven (die bis zu ein Jahr auf sich warten lassen kann) ganz brav wieder funktionieren.

Kyutrexx
27.06.2011, 16:41
Mit Augenstarre meine ich, dass (soweit mir das bisher bekannt ist) ein Auge normal funktioniert und das andere irgendwo (in irgendeine Richtung) starr hängt. Glaube eine Pupillenstarre kann auf dabei sein.
Vor etlichen Jahren im Ersthelferkurs wurde das auch als definitives Unterscheidungskriterium (v.a. für Unerfahrene!) zw. Herzinfarkt und Schlaganfall genannt: Schlaganfall = Augenstarre, Herzinfarkt nicht.

Kommt die Kerngebietsverletzung dann direkt durch den Untergang von Gewebe in Folge der Minderdurchblutung zustande?

Ist es also definitiv ausgeschlossen, dass die Muskeln selbst minderdurchblutet werden (dadurch Muskelzellen untergehen und der Muskel hängenbleibt)?

Was meinst du mit Trauma bei einem Schlaganfall?

Feuerblick
27.06.2011, 16:46
Das Auge steht nach einem Schlaganfall nicht starr irgendwo sondern seine Beweglichkeit ist in eine oder mehrere Richtungen eingeschränkt, woraus ein Schielen resultiert. Beweglich ist es aber noch - eben in den Richtungen, in denen die Augenmuskeln noch innerviert werden. Eine Pupillenstarre kommt dazu, wenn es den N. oculomotorius betrifft. Dann steht das Auge gerne mal außen unten, kann nicht gut zur Nase, nach oben und nach unten bewegt werden, kann aber noch nach außen bewegt werden. Ansonsten käme noch der N. abducens mit einem Innenschielen (das Auge kann nicht mehr nach außen, sonst aber in alle Richtungen bewegt werden) oder selten der N. trochlearis (Verrollungsschielen) in Frage. Ich hoffe mal nicht, dass man euch das Wort "Augenstarre" beigebracht hat. Selbst in einem Laienhelferkurs würde ich den Ausbilder dafür zusammenstauchen. Entweder Augenmuskelparese oder (etwas anderes Phänomen) Herdblick. Aber bitte nicht "Augenstarre"...
Ein Trauma ist ein Trauma und hat nichts mit dem Schlaganfall zu tun. Ein Schlaganfall trifft eher das Kerngebiet (Minderperfusion oder Blutung), ein Trauma (=Schlag auf den Kopf o.ä.) trifft eher den Nerven im Verlauf (rein mechanisch durch Zugwirkung oder Einklemmen).

Kyutrexx
27.06.2011, 16:53
Keine Sorge, das Wort Augenstarre habe ich eingebracht, weil ich es nicht besser wusste ;).

Soweit also erstmal klar: die Beweglichkeit ist auf Grund des Kerngebietsausfalles einer (oder mehrerer?) Hirnnerven eingeschränkt.

Ich möchte aber nochmal auf meine zwei vorherigen Fragen verweisen, denn die scheinen mir am interessantesten zu sein :).

->

Kommt die Kerngebietsverletzung dann direkt durch den Untergang von Gewebe in Folge der Minderdurchblutung zustande?

Ist es also definitiv ausgeschlossen, dass die Muskeln selbst minderdurchblutet werden (dadurch Muskelzellen untergehen und der Muskel hängenbleibt)?

Feuerblick
27.06.2011, 16:56
Die Muskeln werden nicht minderdurchblutet, die sind "kilometerweit" von den bei Schlaganfall betroffenen Arealen entfernt und bekommen kein Problem, wenn weiter hinten ein Gefäß(chen) zugeht.
Und die Schädigung kommt (ich erwähnte es bereits) entweder direkt durch die Minderperfusion bei entsprechendem Gefäßverschluss ODER durch eine Einblutung zustande.

Kyutrexx
27.06.2011, 17:46
Und die Schädigung kommt (ich erwähnte es bereits) entweder direkt durch die Minderperfusion bei entsprechendem Gefäßverschluss ODER durch eine Einblutung zustande.
Im Kerngebiet?
(zur abschließenden Verständnisklärung, damit nich nix falsches mit in den nächsten Präpkurs nehme :)

erdbeertoertchen
27.06.2011, 20:15
Die Schädigung muss nicht nur im Kerngebiet sein, kann auch die Efferenzen betreffen.
Nachtrag: ich hab jetzt deine Frage richtig verstanden, es geht meines Wissens nicht nur das Kerngebiet alleine zu Grunde, sondern ein Gebiet, in dem der Kern, die Kerne liegen, somit auch die Efferenzen, die sich zusammenlagern und zum Nerv werden, der dann ausm Hirnstamm rauskommt
So stelle ich mir das jedenfalls vor, korregiert mich, wenns falsch ist

psycho1899
27.06.2011, 21:30
Vor etlichen Jahren im Ersthelferkurs wurde das auch als definitives Unterscheidungskriterium (v.a. für Unerfahrene!) zw. Herzinfarkt und Schlaganfall genannt: Schlaganfall = Augenstarre, Herzinfarkt nicht.


Eh, wie wäre es mit Brustschmerz bei einem und neurologische Ausfälle bei dem anderen?

Augenstarre??? Ich verstehe immer noch nicht, was der junge Kollege damit sagen will...

Muriel
27.06.2011, 21:32
Auch wenn Augenstarre ein etwas unglücklich gewählter Begriff ist, denke ich, sollte klar sein, was er damit meint: Beide Augen stehen nicht wie gewohnt, man kann eine Schielstellung welcher Ausprägung und Form auch immer beobachten.

Feuerblick
27.06.2011, 21:34
Mit Augenstarre meint er eine wie auch immer geartete Augenmuskelparese mit entsprechender Schielstellung....


Mist, Muri war schneller. :-wow

psycho1899
27.06.2011, 21:40
Auch wenn Augenstarre ein etwas unglücklich gewählter Begriff ist, denke ich, sollte klar sein, was er damit meint: Beide Augen stehen nicht wie gewohnt, man kann eine Schielstellung welcher Ausprägung und Form auch immer beobachten.

Ganz so klar fand ich das nicht... eine divergente Bulbusstellung tritt bei Schlaganfällen ja eher selten auf. Muss ja schon relevanter Hirndruck vorliegen oder eine Ischämie im Hirnstamm sein. Warum jemand dies Laien als sicheres Kennzeichen für Schlaganfälle berichten sollte, verstehe ich nicht, zumal die Divergenz häufig diskret genug ist, dass die meisten Laien sie nicht bemerken würden.

Wesentlich whs. wäre eine konjugierte Blickwendung gewesen, da die bei größeren territorialen Ischämien im voderen Stromgebiet sehr häufig auftreten.

Oder er hätte auch die Pupillomotorik meinen können... ist ja leider ein im Rettungsdienst (auch bei ärztlichen Kollegen) ein weitverbreiteter Irrtum, dass das Auftreten einer Anisokorie eine hohe Spezifität für ICBs haben soll :-oopss

Feuerblick
27.06.2011, 21:44
Er beschreibt es halt als Schielstellung. Ich habe damals im Erste-Hilfe-Kurs auch eher den "Herdblick" gelernt und weniger die Augenmuskelparese.
Ob etwas "oft" vorkommt, kann man als Schamane immer so schlecht beurteilen. Bei uns landen halt nur die Patienten mit ihrer Augenmuskel- oder schlimmerenfalls Blickparese und selten alle anderweitig beeinträchtigten. :-)) Daher fallen uns primär diese ein.

Hellequin
27.06.2011, 21:51
Wesentlich whs. wäre eine konjugierte Blickwendung gewesen, da die bei größeren territorialen Ischämien im voderen Stromgebiet sehr häufig auftreten.

Ich würds allgemeiner formulieren und von einem relevanten cerebralen Prozeß sprechen, bei Epileptikern sieht mans im Anfall auch gar nicht so selten.



Oder er hätte auch die Pupillomotorik meinen können... ist ja leider ein im Rettungsdienst (auch bei ärztlichen Kollegen) ein weitverbreiteter Irrtum, dass das Auftreten einer Anisokorie eine hohe Spezifität für ICBs haben soll :-oopss
O.o. :-)) Na besser als der Notarzt der mir bei einem bewußtlosen Patienten weismachen wollte das ein mehrmaliges einseitiges Schulterzucken ein Anhalt für eine Hirnstammischämie ist und dabei tapfer die 30er Herzfrequenz des Patienten ignoriert hat.

Feuerblick
27.06.2011, 21:53
:-))
Ich empfehle unseren Studenten, bei denen ein Auge zum Üben des Funduskopierens in Mydriasis versetzt wurde, auch immer dringendst, dem RD und Notärzten aus dem Weg zu gehen. :-top

psycho1899
27.06.2011, 21:59
Ich würds allgemeiner formulieren und von einem relevanten cerebralen Prozeß sprechen, bei Epileptikern sieht mans im Anfall auch gar nicht so selten.



Wir sprachen hier ja von Schlaganfällen ;-)



O.o. :-)) Na besser als der Notarzt der mir bei einem bewußtlosen Patienten weismachen wollte das ein mehrmaliges einseitiges Schulterzucken ein Anhalt für eine Hirnstammischämie ist und dabei tapfer die 30er Herzfrequenz des Patienten ignoriert hat.

Das Problem ist nicht der Einzelfall... die sind lustig... Monoparese des li. Beins nach Sturz, V.a. Schlaganfall... bei passiven bewegen des Beines Schmerzen, außenrotiert und 'verkürzt'... naja, hab mal auf cerebrale Bildgebung oder gar Lyse verzichtet und die UCHs informiert ;-)

Aber das mit der Anisokorie = ICB ist extrem ärgerlich... so ein Unsinn... führt leider dazu, dass die RDs und NAs aus dem Nachbarbundesland regelhaft zu uns statt zum näheren Maximalversorger ohne NCH kommen wollen.

Man müsste bei wachen Patienten den Notärtzen verbieten, die Pupillomotorik zu beurteilen versuchen ;-)