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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Rechtsmedizinische Frage in Sachen Zurechnungsfähigkeit unter Alkoholeinfluss



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Lava
04.07.2011, 13:29
Ich möchte hier mal einen Fall schildern und nach eurer Meinung bzw. Erfahrung fragen.

Gestern hat ein Kollege abends einen Patienten aufgenommen, der mit 3,7 Promille als Fahrer (!) einen PKW Unfall mit 80km/h hatte und sich dabei auch überschlagen hat. Konnte selbstständig das Auto verlassen, kam dem Rettungsdienst entgegen gelaufen. An objektiven Verletzungen haben wir einige Schürfwunden im Gesicht und eine Platzwunde am Kinn sowie einige Prellungen gefunden. Es wurde nur konventionell geröngt, kein CT. Abdomen war wohl unauffällig, daher kein Sono. Wie gesagt, der Patient wurde aufgenommen zur Überwachung, da wir das bei Hochrasanztrauma mit Überschlag grundsätzlich so machen. Der Patient wollte allerdings zu keinem Zeitpunkt bleiben und war dann kurz nachdem er auf Station gebracht wurde flüchtig. Wir haben die Polizei informiert, die haben den Patienten dann ein paar Stunden später in der Wohnung eines Bekannten gefunden. Die Polizei hat dann bei uns angerufen, weil der Patient sich nach wie vor geweigert hat, wieder ins Krankenhaus zu kommen und sie der Meinung waren, einen Paragraph 10 zu verhängen wäre hier etwas zu viel. Schließlich gäbe es ja keine lebensbedrohlichen Verletzungen, sondern nur ein "könnte". Ich habe den Polizisten dann lang und breit erklärt, dass die Indikation zur Überwachung eindeutig ist und jemand mit 3,7 Promille die Situation schlicht und ergreifend nicht einschätzen kann. Nach viel Murren hat die Polizei den Patienten dann doch wieder zu uns gebracht.

So weit, so gut.

Als sie eintrafen, wollte die Polizei sofort wieder gehen. (Müssen die dann nicht da bleiben?) Der Patient wäre sofort wieder abgehauen.
Dann pochte der Patient auf sein Recht, nach einem Aufklärungsgespräch gegen ärztlichen Rat zu gehen.

Ich entschied mich dafür, den Patienten gehen zu lassen.

Warum? Der Patient hatte ein sicheres Gangbild, eine klare und deutliche Sprache, geordnete Gedanken und war meiner Meinung nach tatsächlich aufklärungsfähig und in der Lage, die Situation einzuschätzen - trotz der 3,7 Promille.

Meine Frage: gibt es eine festgelegte Promillegrenze, bei der jemand auf jeden Fall unzurechnungsfähig ist? Oder kann man das von Fall zu Fall entscheiden? Wenn ja, kann ich als Unfallchirurg diese Entscheidung überhaupt treffen oder muss das ein Rechtsmediziner oder Psychiater tun? Schließlich bin ich ja nicht darin ausgebildet, einen psychopathologischen Befund zu erheben. Ich habe versucht, meine Begründung ausreichend zu dokumentieren mit etwa den Worten, die ich oben auch verwendet habe.

Ehrlich gesagt ärgere ich mich darüber, wie unkooperativ die Polizei war. Bei jemandem, der mit 3,7 Promille Auto fährt, sollte man von Menschen, die für das Rechtssystem arbeiten, etwas mehr Unterstützung erwarten.

Der Internist hatte vorgeschlagen, den Patienten mit Paragraph 10 in die Psychiatrie einzuweisen. Ich habe aber schon früher die Erfahrung gemacht, dass die chirurgische Patienten nicht nehmen. Sobald da die Überwachung wegen eines möglichen Schädel-Hirn-Traumas oder inneren Verletzungen ansteht, kriegen die Muffensausen und sagen, dass sie das nicht gewährleisten können (obwohl es dort auch eine Chirurgie im Haus gibt, die man konsiliarisch hinzuziehen könnte).

Achso, ich habe die Story auch heute morgen in unserer Besprechung so geschildert und mein Chef fand das Vorgehen OK :-nix

Rico
04.07.2011, 15:12
Wir machen das so, dass bei über 1,0‰ und unsererseits bestehender Indikation zum stationären Aufenthalt bei erfolgreichem Fluchtversuch die Polizei die dann direkt in der Psychiatrie abliefern darf.
Wenn da einer mit 2,0‰ und sicherem Gangbild rausläuft nachdem er die Entlassung auf eigenen Wunwsch hin unterschrieben hat und der liegt 20min später mit 1,9‰ unter'm Nachtbus, dann wird mein subjektiver Eindruck von dem Besoffenen von den objektiven 2,0‰ auf dem Laborzettel ausgestochen und alle Welt fragt sich wie man den denn hatte unterschreiben lassen können, der sei ja gar nicht Einwilligungsfähig gewesen - zumal er ja in der Regel schon durch das zur Einlieferung führende Ereignis (Unfall, Sturz, Koma, etc...) bewiesen hatte, dass er eigentlich nicht mehr so ganz Herr der Lage war. :-nix

Unter 18-jährige dürfen die nüchternen Eltern jederzeit auf eigenen Wunsch hin mitnehmen weil dann ja nüchterne, verantwortliche und weisungsberechtigte Menschen die verantwortung übernhemen, dass der nicht zu Schaden kommt.
Manche Kollegen lassen auch Erwachsene in Begleitung Nüchterner gehen, ich mach das sehr ungern, denn der Besoffene ist schließlich in keiner Weise daran gebunden was der nüchterne Begleiter sagt und dieser kann und muss auch nicht wirklich Verantwortung übernehmen, sondern kann an der Kliniktür den Besoffenen wieder ziehen lassen. Deshalb mache ich das eigentlich nur wenn der Abholer in irgendeiner familiären Beziehung steht und ggf. körperlich in der Lage wäre schlimmeres zu verhindern (also die 18-jährige 1,56, 40kg Schwester darf besoffen von ihrem 23-jährigen 90kg-Bruder mitgenommen werden, aber nicht umgekehrt falls er besoffen ist).

Wenn der Patient so krank ist, dass er tatsächlich nicht in die Psychiatrie kann, dann kommt er eben auf Intensiv zur Überwachung und kann dort ggf. fixiert werden (geht bei uns auf Peripher nicht, wiel der Patient dafür ja ständig überwacht werden muss und das der periphere Stellenschlüssel (v.a. nachts) nicht hergibt).

Insgesamt sicherlich eher die "Auf Nummer Sicher"-Variante, aber bei uns so gewünscht... und auch aktzeptiert bei den "nachgeschalteten" Stellen wie der Polizei, der Intensiv oder der Psychiatrie.

BTW: PKW-Unfall mit 80km/h und Überschlag hätte in den meisten Häusern egal wie er sich klinisch präsentiert wohl ein GK-CT mit KM gekriegt - aber haben wir ja glaub ich vor ein paar Monaten erst diskutiert....

Gersig
04.07.2011, 15:26
Meine ehemalige Klapse: Kein Patient verlässt die Aufnahme alkoholisiert. Wenn er trotzdem gehen will, wird er untergebracht. Dieses rigide Vorgehen halte ich auch für richtig. Ich schließe mich da Ricos Meinung an: Das subjektive Empfinden des Arztes, der Patient sei nicht eigen- oder fremdgefährdet bei 3,7 Promille (was übrigens ein immens hoher Wert ist, der die Einwilligungserklärung meiner Meinung nach wertlos werden lässt) wird durch den Wert vollkommen ausgehebelt. Auf Hilfe der Polizei kannst du in solchen Fällen aus meiner Erfahrung nicht bauen. Für die ist ein solcher "Kandidat" nervig und mit viel Arbeit verbunden. Die Polizei hört auch nicht gerne, dass die reine Ausnüchterung ein Akt der Gefahrenabwehr ist und durch die Cops durchgeführt werden muss. Sie suchen dann gerne nach medizinischen Begründungen, die eine Krankenhauseinweisung rechtfertigen.

Kurzum: Einen Patienten mit 3,7 Promille zu entlassen ist höchst riskant. Zum einen wird es Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit geben (Kann man so intoxikiert noch frei entscheiden?), zum anderen ist ganz objektiv eine Fremd- oder Eigengefährdung nicht sicher auszuschließen und somit eigentlich zwingend eine Unterbringung notwendig. Wo kein Kläger, da kein Richter. Wenn es aber zu einem Unfall oder einer Straftat kommt, wird es für den Arzt / Ärztin eng :-meinung

Lava
04.07.2011, 15:40
Unsere Intensivkapazitäten an diesem Tag waren erschöpft. Es gab auf der Intensivstation nur noch das Rea-Bett und ich kannte den diensthabenden Anästhie-OA gut. Der hätte das Bett niemals für diesen Patienten hergegeben.

Was mach ich denn, wenn sich die Psychiatrie auch quer stellt und sagt, sie nehmen keinen chirurgischen Patienten? :-nix In so einer Situation steht man irgendwie immer mutterseelenallein da und keine Sau ist irgendwie bereit, einem zu helfen. :-? Mir ist es überhaupt erst zweimal gelungen, einen Patienten psychiatrisch unterzubringen (das eine Mal nach Suizidversuch, das andere Mal nach 3-tägigem Drogentrip und Suizidgedanken). Bei Besoffenen wiegeln die immer sofort ab. Die nehmen nur Entzugswillige und das auch nur nach Warteliste. Echt zum kotzen ist sowas :-(

Brutus
04.07.2011, 16:00
Unsere Intensivkapazitäten an diesem Tag waren erschöpft. Es gab auf der Intensivstation nur noch das Rea-Bett und ich kannte den diensthabenden Anästhie-OA gut. Der hätte das Bett niemals für diesen Patienten hergegeben.

Was mach ich denn, wenn sich die Psychiatrie auch quer stellt und sagt, sie nehmen keinen chirurgischen Patienten? :-nix In so einer Situation steht man irgendwie immer mutterseelenallein da und keine Sau ist irgendwie bereit, einem zu helfen. :-? Mir ist es überhaupt erst zweimal gelungen, einen Patienten psychiatrisch unterzubringen (das eine Mal nach Suizidversuch, das andere Mal nach 3-tägigem Drogentrip und Suizidgedanken). Bei Besoffenen wiegeln die immer sofort ab. Die nehmen nur Entzugswillige und das auch nur nach Warteliste. Echt zum kotzen ist sowas :-(

Am einfachsten gibst Du den schwarzen Peter einfach weiter: in solchen Fällen, wenn sich niemand zuständig fühlen will, einfach das Ordnungsamt anrufen und dann sollen die sich der Sache annehmen, Zwangseinweisung, §26 PsychKG, o.ä. Wenn die sich den Patienten ansehen und meinen, der könne nach Hause, dann würde ich mir genau das schriftlich geben lassen!

Aber einfach gehen lassen würde ich den nicht. Das Risiko ist es mir nicht wert. Wir hatten mal in einem benachbarten Krankenhaus einen Patienten, der eigenmächtig nach einer ambulanten OP einfach abgehauen ist. Der ist ganz unabhängig von der OP oder etwaigen Nachwirkungen auf dem Weg nach Hause alleine(!) von einer U-Bahn überfahren worden. Ganz doof war halt, dass man in seiner Jacke eben den ambulanten OP-Bericht gefunden hat... Gab dann einfach dumme Nachfragen, für jeden Beteiligten einfach nur blöd. Gut war halt nur, dass die Dokumentation stimmte. Der Patient wurde angewiesen, sich abholen zu lassen und nicht selbstständig nach Hause zu fahren. Troztdem blieb halt ein dummes G'schmäckle... :-nix:-nix

Evil
04.07.2011, 16:11
Am einfachsten gibst Du den schwarzen Peter einfach weiter: in solchen Fällen, wenn sich niemand zuständig fühlen will, einfach das Ordnungsamt anrufen und dann sollen die sich der Sache annehmen, Zwangseinweisung, §26 PsychKG, o.ä. Wenn die sich den Patienten ansehen und meinen, der könne nach Hause, dann würde ich mir genau das schriftlich geben lassen!
Das hängt sehr vom jeweiligen Bundesland ab, in Bayern z.B. ist das Ordnungsamt dafür nicht zuständig (die haben ja auch kein PsychKG), da kann der einweisende Arzt selbst die Unterbringung für 24h bestimmen.

Wie die anderen schon sagten ist es bei laborchemisch nachgewiesenem erhöhten Alkoholspiegel (hoch genug, daß der Patient nicht mehr straßenverkehrsfähig ist) sicherer, den Patienten auch gegen seinen Willen dazubehalten. Und wenn Du die Indikation zur Überwachung stellst und Dein Intensiv-OA das anders sieht, kann er das gerne auf seine Verantwortung tun.

Daß der grüne Trachtenverein den Patienten nicht haben wollte, kann ich sogar verstehen, wenn der nämlich in der Ausnüchterungszelle auf einmal eingetrübt und gestorben wäre, hätten die den Schwarzen Peter gehabt.
Wundert mich, daß sie Dich nicht nach einer Haftfähigkeitsbescheinigung gefragt habe (die ich bei Besoffenen niemals nicht ausstellen tät).

Gersig
04.07.2011, 16:12
Am einfachsten gibst Du den schwarzen Peter einfach weiter!Genauso isses! Und im Zweifelsfall würde ich auch immer ansprechen, dass eine Unterbringung aus medizinischer Sicht bei potentieller Fremd- und Eigengefährdung unbedingt indiziert ist. Wenn sich das Ordnungsamt anders entscheidet, ziehen sie im Zweifelsfall die A-Karte. Und wichtig: Alles ordentlich dokumentieren!

Die reine Ausnüchterung ist keine zwingende Aufgabe der Psychiatrie, sondern dient der Gefahrenabwehr und ist eine urpolizeiliche Aufgabe (ebenso wie die Entlausung, das hören sie aber auch nicht so gerne :-)). Von daher verstehe ich die Kollegen, wenn sie sich gegen eine Übernahme sträuben.

mainzer
04.07.2011, 16:33
BTW: PKW-Unfall mit 80km/h und Überschlag hätte in den meisten Häusern egal wie er sich klinisch präsentiert wohl ein GK-CT mit KM gekriegt - aber haben wir ja glaub ich vor ein paar Monaten erst diskutiert....

aber hallo! läuft bei uns auch ganz genauso...bei JEDEM hochrasanztrauma...aber da halten wir (anästhesie) auch den finger drauf...
denn mal ganz ehrlich..wie aussagekräftig ist ein konventionelles rö wenn man keine groben fehlstellungen der großen knochen sieht...im vgl. zu einem schädel-ct...

grad neulich im rd wieder ne patientin gehabt, die kurz kollaptisch geworden war und stürzte...als wir ankamen war alles supi und sie wieder auf den beinen...wollt sich erst gar nicht mitnehmen lassen...im ct dann kontusionsblutung....tadaaa...ist mir eine lehre gewesen!

mainzer
04.07.2011, 16:34
Unsere Intensivkapazitäten an diesem Tag waren erschöpft. Es gab auf der Intensivstation nur noch das Rea-Bett und ich kannte den diensthabenden Anästhie-OA gut. Der hätte das Bett niemals für diesen Patienten hergegeben.


...dann gilt im übrigen..stabilisieren und weiterverlegen, dorthin, wo adäquate überwachung (z.b. intensiv) vorgehalten wird...auch wenn das sehr zum unmut aller beteiligten führt - ich weiß (zielkrankenhaus, diagnostiker im eigenen kh, patient, polizei...)...

Lava
04.07.2011, 17:49
Moment, ich wollte nicht, dass die Polizei den Patienten mitnimmt, sondern dachte eigentlich, dass die da bleiben und aufpassen, dass er nicht wieder wegläuft. Aber scheinbar müssen sie das nicht, sondern das Krankenhaus muss den Pat. notfalls fixieren? Ich kenn mich mit sowas halt absolut nicht aus. Ich hab auch keine Ahnung, wer da was verhängt, einweist oder ob man das Ordnungsamt hinzuziehen kann (ist denn da nachts überhaupt einer ansprechbar?).

Rico
04.07.2011, 18:01
Moment, ich wollte nicht, dass die Polizei den Patienten mitnimmt, sondern dachte eigentlich, dass die da bleiben und aufpassen, dass er nicht wieder wegläuft. Aber scheinbar müssen sie das nicht, sondern das Krankenhaus muss den Pat. notfalls fixieren? Ich kenn mich mit sowas halt absolut nicht aus. Ich hab auch keine Ahnung, wer da was verhängt, einweist oder ob man das Ordnungsamt hinzuziehen kann (ist denn da nachts überhaupt einer ansprechbar?).Das ist alles von Ort zu Ort und Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt.
Manchmal gibt es eine Zentrale Ausnüchterungseinheit bei der Polizei, manchmal ist die Innere der primäre Abnehmer, manchmal die Psych, manchmal ist scheinbar sogar das Ordnungsamt zuständig (bei uns schreiben die bloß Knöllchen :-))).

Was das ganze Procedere bei uns sehr erleichtert hat war, dass sie die Leiter der betroffenen Kliniken (Innere, Chirurgie, ITS, Psych) mal zusammengesetzt haben und festgelgt haben welcher Besoffene wo unter welchen Bedingungen unterkommt. Dadurch hat man als Diensthabender auch nachts um halb vier eine für alle Beteiligten verbindliche Abspreache als Diskussionsgrundlage und die Verlegungen in die anderen Kliniken sind nicht ausschließlich vom eigenen Verhandlungsgeschick und der Aufnahmebereitschaft des jeweiligen Kollegen abhängig. :-top

EKT
04.07.2011, 18:17
In meinem Psychiatrie-Haus werden Promille-Werte von 1 bis 1,5 als Nicht-nach-Hause-geh-fähig betrachtet, wenn sie es einmal hinter die Schranke und damit in unseren Herrschaftsbereich geschafft haben. Egal, ob und was sie zuvor angestellt haben.

Sebastian1
04.07.2011, 18:58
Jop, hatte das Theater zuletzt am Rosenmontag, Besoffener (>3 %o) die Treppe runtergefallen und sogar ne miniklitzkleine ICB, so dass er iim Nachtdienst auf ITS landete. Da er nicht rauchen gehen durfte, nahm er das als Anlass, abhauen zu wollen -> 110, bitte einfangen. Eine der beiden Polizisten hatte sich da auch noch mit mir streiten wollen, warum ich den denn nicht einfach festbinde, aber die Antwort "weil es nicht meine Aufgabe ist, und auch nicht die einer 50 kg-Schwester, den unwilligen 100kg-Patienten festzuhalten" reichte dann.

lala
04.07.2011, 19:31
In meinem Psychiatrie-Haus werden Promille-Werte von 1 bis 1,5 als Nicht-nach-Hause-geh-fähig betrachtet, wenn sie es einmal hinter die Schranke und damit in unseren Herrschaftsbereich geschafft haben. Egal, ob und was sie zuvor angestellt haben.

Oh, schon bei 1-1.5.... da muss man aber gut Bettenkapazitäten haben:-))
Im Zweifel lieber bei Eindruck eines niedrigen Spiegels und unauffälligem neurologischen Befund (und natürlich Ausschluss von Suzidalität etc.) nicht pusten lassen :-D

Dr. Psycho
04.07.2011, 19:38
[QUOTE=Lava;1042126]Ich möchte hier mal einen Fall schildern und nach eurer Meinung bzw. Erfahrung fragen.

Der Internist hatte vorgeschlagen, den Patienten mit Paragraph 10 in die Psychiatrie einzuweisen. Ich habe aber schon früher die Erfahrung gemacht, dass die chirurgische Patienten nicht nehmen. Sobald da die Überwachung wegen eines möglichen Schädel-Hirn-Traumas oder inneren Verletzungen ansteht, kriegen die Muffensausen und sagen, dass sie das nicht gewährleisten können (obwohl es dort auch eine Chirurgie im Haus gibt, die man konsiliarisch hinzuziehen könnte).



Da kriegen DIE das Muffensausen auch zu Recht...die meisten Psychiatrien können eine gescheite Überwachung bei SHT oder akuter Intoxikation mangels Monitoring überhaupt nicht leisten - da nutzt mir dann der chirurgische Assi irgendwo im Haus auch nicht viel! Zumal die Bereitschaft, sich zeitnah nen intoxikierten auf Krawall gebürsteten Psych-Patienten mitten in der Nacht konsiliarisch anzugucken so ungefähr bei Null liegen dürfte...
Mein Haus hat Volltrunkene bis 3,0 Promille aufgenommen, danach ist dann aber auch echt Ende! Natürlich lässt sich das für Somatiker mit ner ITS, nem rund um die Uhr besetzten Labor und allen bildgebenden Verfahren vor Ort nicht nachvollziehen warum die faulen Säcke in der Psych da wieder nicht kooperieren wollen...:-nix
Man macht schon echt viel Döneken mit, aber bei nem frischen SHT oder inneren Verletzungen ist echt Schicht! Echt jetzt.:-dafür

Evil
04.07.2011, 20:36
Eine der beiden Polizisten hatte sich da auch noch mit mir streiten wollen, warum ich den denn nicht einfach festbinde, aber die Antwort "weil es nicht meine Aufgabe ist, und auch nicht die einer 50 kg-Schwester, den unwilligen 100kg-Patienten festzuhalten" reichte dann.
Das wiederum verstehe ich nicht. Wenn ein Patient selbstgefährdendes Verhalten zeigt (und dazu gehört das Verlassen des Überwachungsbereiches nach Hochrasanztrauma mit >1,5 Promille), dann wurde der von mir 5- oder 7-Punkt-fixiert ohne große Diskussion. Und wenn ich eine Fixierung oder Überwachung nicht wirklich für nötig erachtet habe, dann hab ich nicht hingeschaut, wenn er getürmt ist.

Strodti
04.07.2011, 20:38
Hey Lava,
ich kenn das PsychKG Hessen nicht so gut und kann dir nicht sagen ob Polizei oder Ordnungsamt die vorläufige Unterbringung anordnet. Auf jeden Fall muss die zuständige Behörde einen 24/7 Bereitschaftsdienst haben und muss sich umgehend kümmern. Frag doch mal erfahrene Kollegen oder die Psychiater. Vorläufige Unterbringungen sind ja nun doch nicht so selten.

Strodti
04.07.2011, 20:41
7-Punkt-fixiert

Kurze Zwischenfrage, da mir dieser Begriff noch nicht vorgekommen ist. 7 Punkt heißt Extremitäten, Bauch, Schultern + ?

Evil
04.07.2011, 20:53
Plus Kopf (Stirn) und Oberschenkel.

Rico
04.07.2011, 21:04
Das wiederum verstehe ich nicht. Wenn ein Patient selbstgefährdendes Verhalten zeigt (und dazu gehört das Verlassen des Überwachungsbereiches nach Hochrasanztrauma mit >1,5 Promille), dann wurde der von mir 5- oder 7-Punkt-fixiert ohne große Diskussion. Und wenn ich eine Fixierung oder Überwachung nicht wirklich für nötig erachtet habe, dann hab ich nicht hingeschaut, wenn er getürmt ist.Also so einfach ist das bei mir z.B. nicht. Wenn ich jemanden fixieren wollen würde, dann brauch ich für den ein Intensivbett, weil - wie oben schon geschrieben - ein fixierter Patient ständig überwacht werden muss, da es wohl schon Exemplare gegeben hat, die sich partiell aus der Fixierung winden konnten und dann sich selbst an den Gurten stranguliert haben oder sonstwie verletzt haben.
Und da das bei uns auf Normalstation von den 1-2 Schwestern nachts pro Station nicht zu leisten ist müssen die alle auf ITS (IMC haben wir nicht) und da ein Bett zu kriegen scheitert manchmal an den Kapazitäten - zumal man da ja nun wirklich keine harte Indikation hat dafür jemand anders wegzutriagieren.