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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ist das Medizinstudium echt so leicht ??



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MD/PhD
27.08.2011, 13:29
Ne Mathe nicht, dafür aber IT seit einem Jahr.

Ah, ich seh grad in anderen Beiträgen, dass du erst im Oktober mit Medizin anfängst. Läuft Info so gut, dass du zuversichtlich bist, was die Doppelbelastung angeht? Warum hast du nicht gleich mit Medizin begonnen? Hast du auch eher wenige Pflichtveranstaltungen?

(du kannst dich meiner auch gerne über PN offenbaren, wenn überhaupt ;-))

MD/PhD
27.08.2011, 14:16
Das ist ein weig kurz gedacht. Ich weiß, es soll hier um das Studium an sich gehen, da ist es durchaus tatsächlich in vielen Fächern je nach Präsentation an den einzelnen Fakultäten durchaus möglich, mit nicht allzu viel Engagement und Verständnis für das, was man da gerade lernt, Klausuren zu bestehen. Tja, und dann? Irgendwann ist dieses Pipifaxstudium rum und man wird in die weite Welt ins wahre Leben geschmissen. Und der Beruf des Arztes, den wohl doch noch eine Vielzahl der (ehemaligen) Medizinstudenten anstrebt, ist sicherlich nicht mit dieser oben genannten Einstellung zu bewältigen. Da greift wieder das, was Rico eben so wunderschön ausgeführt hat. Nur wenn ich eine Krankheit, ein Symptom etc. begriffen habe, kann ich es auch behandeln. Der Patient präsentiert sich eher selten mit dem typischen und absolut eindeutigen Symptom X, das zwangsläufig und immer so wie man es ja anspruchslos aus Telefonbüchern gelernt hat, mit Medikation Y behandelt. Wenn vielleicht nicht zwangsläufig im Studium selber, sofern der Anspruch dort ein reines Klausurenbestehen ist, so doch im Beruf später schadet ein Funken Intelligenz ganz sicher nicht.

Richtig, eigentlich gings mir nur ums Studium. Denn die Situation später im Beruf lässt sich kaum vergleichen, da die Berufsfelder eines Fachs wie Mathe so extrem verschiedenartig sein können. Von Dingen wie Forschung in reiner Mathematik (:-((), theoretische Physik, Entwicklung komplexer Modelle etc. deren geistiger Anspruch wohl nicht zu übertreffen ist, bis hin zu Dingen wie der statistischen Auswertung von Daten oder Firmenmanagement was vielleicht eher Zeitaufwand als intellektuelle Höchstleistung erfordert (?).

Aber davon mal abgesehen dachte ich, dass sich das Medizinische Verständnis auch nach dem Studium weniger durch Reflexion als vielmehr durch "Trial and Error" und dem Erfahrungsschatz entwickelt, den man im Laufe der Assistenzarztzeit und darüberhinaus gewinnt (incl. Hinweise von erfahrenen Schwestern, weiterbildenden Oberärzten etc., die man sich einfach... merkt.)
Jedenfalls wurde irgendwo hier im Forum auch schonmal angemerkt, dass Medizin eigentlich mehr Ausbildung als Studium (Denkschule) ist :-?

bremer
27.08.2011, 16:00
Wie viele, außer mir, die in diesem Thread schreiben, haben denn bereits erfolgreich Mathe oder Informatik oder Physik studiert?

(mit erfolgreich meine ich erfolgreich abgeschlossen)

achilles111
27.08.2011, 16:08
Mal zusammenfassen: Das Studium schafft eigentlich jeder Hauptschüler, die beiden Staatsexamina sind bei Bestehensquoten von über 95% ein Witz, für den es sich nicht mal zu lernen lohnt, den Doktortitel bekommt man für das Betreten der Unitoilette automatisch verliehen und nach dem Studium erwartet einen ein fürstliches Gehalt für einen lauen Job ohne große Belastungen.

Meine Empfehlung: einfach mit diesem Glauben an die Sache rangehen, da kann man nicht enttäuscht werden! :-)

GEIL:-))))))))))))))))))))))))))))))

Medi2009
28.08.2011, 12:09
und aus diesem grunde besteht auch der großteil der studenten (welche mit ihrem 1er abi ja in der regel sehr fleißig sind) die klausuren. ich kenne ne menge leute, welche die chemieklausuren durch kreuzen gut bestanden haben, und jetzt im biochemie praktikum ein sechsbindiges kohlenstoffatom an die tafel malen.

Und genau deswegen ist bei uns Chemie (BC auch) auch Prosa aka 40-50% Durchfallquote :-))

studi2010
28.08.2011, 14:15
nach dem 3 versuch 40-50%?das wäre dann krass. bei der ersten kann das durchaus vorkommen, ist hier genauso. aber letzendlich sind beim 3ten versuch dann doch über 90% durchgekommen allein schon aufgrund von gleitklauseln, habt ihr die nicht?multiple choice ist halt auch irgendwo ne glückssache immer

mejakru30
28.08.2011, 18:09
Geil- jetzt kommt das Thema und dabei stehe ich vorm Blockpraktikum und habe nur noch das Staatsexamen vor mir, hätt mir das nicht mal jemand vorher sagen können! Oder den Klausurenstellern, die doch immer wieder so dumme Verständnisfragen einflechten...
Zumindest habe ich jetzt gelernt, dass das Hammerexamen auch nur Pipifax ist, da fällt mir ein Stein vom Herzen, hatte schon Angst ich müsste da Arbeit investieren. Und warum häng ich blöde Kuh seit 3 Jahren an meiner experimentellen Doktorarbeit? Oh mann- Jahre zu spät!!!
:-party

Rico
28.08.2011, 19:57
Richtig, eigentlich gings mir nur ums Studium. Denn die Situation später im Beruf lässt sich kaum vergleichen, da die Berufsfelder eines Fachs wie Mathe so extrem verschiedenartig sein können. Also das medizinstudium lässt sich - obgleich grundverschieden - problemlos bezüglich intelektuellem Anspruch mit dem mathestudium vergleichen, der spätere Beruf des Mediziner bzw. Mathematikers - da grundverschieden - nicht mehr?
Alles klar. :-peng

Aber davon mal abgesehen dachte ich, dass sich das Medizinische Verständnis auch nach dem Studium weniger durch Reflexion als vielmehr durch "Trial and Error" und dem Erfahrungsschatz entwickelt, den man im Laufe der Assistenzarztzeit und darüberhinaus gewinnt Also ein vernünftiger Arzt macht doch kein "Trail and Error" - wo sind wir denn hier? Beim Therapiebingo? :-???
"Heut nehm ich mal das - oh tot" "
Dann nehm ich heut mal das - oh auch tot"

Jedenfalls wurde irgendwo hier im Forum auch schonmal angemerkt, dass Medizin eigentlich mehr Ausbildung als Studium (Denkschule) ist :-?Anders: Das Studium ist die intelektuelle Basis, die Du brauchst damit die sowohl theoretischen wie auch praktischen Lehrinhalte der Facharztausbildung überhaupt auf fruchtbaren Boden fallen.

Bensona!
28.08.2011, 20:32
Das Medizinstudium ist weder leicht, noch sehr schwer.

Freizeit hat man mehr als genug, auch als Medizinstudent. Aber das ist davon abhängig, ob man auf Nebenjobs abhängig ist oder wie strebsam man ist. Wenn man darauf verzichtet, jeden Tag im Labor zu sitzen und man auch auf die Vorlesungen keinen wert legt, dann hat man sehr viel Freizeit.

Vergleichen kann man verschiedene Fächer einfach nicht. Ein Physikstudent oder Luft- und Raumfahrtingeniur Studiengang, hat meiner Meinung nach beispielsweise höhere Anforderungen. Und da gibt es sicherlich noch einige mehr Beispiele.

Aber auch hier gilt es, dass ein Studium fast nur so schwer ist, wie man es von sich selber fordert.

Und ein fauler BWLer wird auch kein Platz in irgendeiner Unternehmensberatung oder Investmentbank bekommen.

Kackbratze
28.08.2011, 22:54
Und ein fauler BWLer wird auch kein Platz in irgendeiner Unternehmensberatung oder Investmentbank bekommen.

Nicht? Oh, verdammt.

Che^
28.08.2011, 23:10
@ threadstarter:

BWL ist leichter, studiere BWL ^.^

$Tristan$
29.08.2011, 11:10
Interessanter Artikel...

http://www.zeit.de/2011/35/Doktorarbeit-Medizin-Forschung

MD/PhD
29.08.2011, 13:17
@ Rico:

Zwischen den Zeilen deines Posts liest man zwar heraus, dass du keine Lust auf diese Diskussion hast, aber rechtfertigen möchte ich mich trotzdem noch ;-)


Also das medizinstudium lässt sich - obgleich grundverschieden - problemlos bezüglich intelektuellem Anspruch mit dem mathestudium vergleichen, der spätere Beruf des Mediziner bzw. Mathematikers - da grundverschieden - nicht mehr?
Alles klar.

Mit dieser "Grundverschiedenheit" meinte ich die Mathematiker Berufe unter sich (nicht den Vergleich zwischen Mediziner und Mathematiker). Es gibts halt Mathematiker Berufe, die wirklich keiner großen Fähigkeiten bedürfen und solche, bei denen man selbst in seiner Freizeit nur noch am Grübeln ist. Deshalb lassen sich Mathe und Medizin Berufe ohne zu differenzieren nicht vergleichen.
Die Studiengänge kann man dagegen sehr wohl vergleichen, da alle Mathematikstudenten (unter sich) im Grunde den selben Aufwand haben, genauso wie Medizinstudenten (unter sich) ebenfalls die gleichen Leistungen zu erfüllen haben.


Also ein vernünftiger Arzt macht doch kein "Trail and Error" - wo sind wir denn hier? Beim Therapiebingo?
"Heut nehm ich mal das - oh tot" "
Dann nehm ich heut mal das - oh auch tot"

So drastisch hätte ich das nicht formuliert, aber ist es nicht so? Über Trial & Error finde ich heraus, welche Pillen den Blutdruck meines Patienten am Besten senken. Über Trial & Error finde ich heraus, welche Cremes meinem Neurodermitispatienten Linderung verschaffen etc. Und mit der Zeit bekommt man möglicherweise ein "Gespür" für solche Dinge (=> also letztendlich Erfahrung).
Dieses Prinzip liegt doch in der Natur der Medizin, sowohl Forschung als auch Klinik, weil sie eben unberechenbar ist (in Zukunft vielleicht weniger dank Fortschritte in der Genanalyse). Im Gegensatz zu Mathematikern oder Ingenieuren können und müssen Mediziner die "Subjekte" ihrer Arbeit nicht völlig durchdacht und verstanden haben, sondern nutzen und erweitern stattdessen ihren Erfahrungsschatz oder Faktenwissen. I think :-oopss

konstantin
29.08.2011, 14:00
So drastisch hätte ich das nicht formuliert, aber ist es nicht so? Über Trial & Error finde ich heraus, welche Pillen den Blutdruck meines Patienten am Besten senken. Über Trial & Error finde ich heraus, welche Cremes meinem Neurodermitispatienten Linderung verschaffen etc. Und mit der Zeit bekommt man möglicherweise ein "Gespür" für solche Dinge (=> also letztendlich Erfahrung).

Dieses Prinzip liegt doch in der Natur der Medizin, sowohl Forschung als auch Klinik, weil sie eben unberechenbar ist (in Zukunft vielleicht weniger dank Fortschritte in der Genanalyse). Im Gegensatz zu Mathematikern oder Ingenieuren können und müssen Mediziner die "Subjekte" ihrer Arbeit nicht völlig durchdacht und verstanden haben, sondern nutzen und erweitern stattdessen ihren Erfahrungsschatz oder Faktenwissen. I think :-oopss

Das klingt jetzt nicht so, als haettest du eine Ahnung, wie das aerztliche Arbeiten funktioniert...

achilles111
29.08.2011, 14:50
Interessanter Artikel...

http://www.zeit.de/2011/35/Doktorarbeit-Medizin-Forschung

interessant:-lesen

MD/PhD
29.08.2011, 15:27
Das klingt jetzt nicht so, als haettest du eine Ahnung, wie das aerztliche Arbeiten funktioniert...

Da hast du auch nicht unrecht, ich kann höchstens aus 2. Hand berichten. Daher habe ich meinen Post auch weitgehend in Frageform formuliert. Dennoch ziehe ich mir das ja nicht alles aus den Haaren. Das Blutdruck Beispiel habe ich hiervon (http://www.usatoday.com/yourlife/health/medical/heartdisease/2010-09-07-hypertension-blood-pressure_N.htm) übernommen:

"The reality is that trial and error is to some degree what has to be done because patients are different and some patients develop adverse effects with one agent and others don't" (Dr. Ernesto Schiffrin, McGill University, Canada)

Das Neurodermitis Beispiel entstammt meiner persönlichen Erfahrung mit Dermatologen.

Was ist denn grundsätzlich falsch an meiner Ansicht zur heutigen Medizin? :-oopss ;-)

Kackbratze
29.08.2011, 16:13
Es ist nicht alles nur Blutdruck und Haut, oder soll die perforierte Appendizitis auch per TnE behandelt werden?

McBeal
29.08.2011, 16:16
Wenn ich die Meningokokkensepsis, die diabetische Ketoazidose oder die das Atemnotsyndrom des Frühgeborenen per trial and error behandle, stehe ich auch schnell wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht...

LG
Ally

Rico
29.08.2011, 16:39
@ Rico:

Zwischen den Zeilen deines Posts liest man zwar heraus, dass du keine Lust auf diese Diskussion hast, aber rechtfertigen möchte ich mich trotzdem noch Hätte ich keine Lust, hätte ich nix geschrieben. ;-)

Mit dieser "Grundverschiedenheit" meinte ich die Mathematiker Berufe unter sich (nicht den Vergleich zwischen Mediziner und Mathematiker). Es gibts halt Mathematiker Berufe, die wirklich keiner großen Fähigkeiten bedürfen und solche, bei denen man selbst in seiner Freizeit nur noch am Grübeln ist. Deshalb lassen sich Mathe und Medizin Berufe ohne zu differenzieren nicht vergleichen.
Die Studiengänge kann man dagegen sehr wohl vergleichen, da alle Mathematikstudenten (unter sich) im Grunde den selben Aufwand haben, genauso wie Medizinstudenten (unter sich) ebenfalls die gleichen Leistungen zu erfüllen haben.Okay, das hatte ich anders aufgefasst.

So drastisch hätte ich das nicht formuliert, aber ist es nicht so? Über Trial & Error finde ich heraus, welche Pillen den Blutdruck meines Patienten am Besten senken. Über Trial & Error finde ich heraus, welche Cremes meinem Neurodermitispatienten Linderung verschaffen etc. Und mit der Zeit bekommt man möglicherweise ein "Gespür" für solche Dinge (=> also letztendlich Erfahrung).
Dieses Prinzip liegt doch in der Natur der Medizin, sowohl Forschung als auch Klinik, weil sie eben unberechenbar ist (in Zukunft vielleicht weniger dank Fortschritte in der Genanalyse). Nein, eben nicht.
Es gibt eine Therapie der ersten Wahl, der zweiten Wahl, der dritten Wahl und so weiter.
Es gibt eine primäre Therapie bei der Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil in einem möglichst günstigen Verhältnis zueinander stehen und es gibt nachgeschaltet Therapiemodalitäten mit immer ungünstigerem Verhältnis, die dann nacheinander zum Zuge kommen.
Manchmal stehen auf zwar einer Stufe auch mehrere Therapiekonzepte mit ähnlicher Wirksamkeit zur Verfügung, bei denen es keinen (zumindest medizinisch) Unterschied macht welches man jetzt nimmt
Wenn Dein Hautarzt mit einer Kortisoncreme loslegt, dann fängt er nicht mit der höchstdosierten, teuersten mit den meisten Nebenwirkungen an, sondern mit einer, die in der mehrheit der Fälle hilft, günstig ist und möglichst wenig UAWs hat - aber das ist beileibe kein "Trial and Error", was ja nur eine nette Umschreibung für "ins blaue Schießen" ist, sondern eine rationale Therapie.
"Trial and Error" impliziert mir, dass es mehrere gleichwertige Optionen (A - B - C - D) gibt, die man ohne Priorität einfach nacheinander durchprobiert, d.h. ich kann genausogut ABCD machen wie auch BCDA oder DCAB, etc. Das trifft aber in der medizin überhaupt nicht zu, da machst Du immer primär ABCD (aber auf Aufnahmen achten, wo z.B. A oder B kontraindiziert sind!) - wobei man höchstens mal die Wahl zwischen quasi gleichwertigem A1 und A2 hat, das grundsätzliche Therapieschema ergibt sich aber aus der Diagnose, z.B. aus entsprechenden Leitlinien.

Im Gegensatz zu Mathematikern oder Ingenieuren können und müssen Mediziner die "Subjekte" ihrer Arbeit nicht völlig durchdacht und verstanden haben, sondern nutzen und erweitern stattdessen ihren Erfahrungsschatz oder Faktenwissen. Das mag vielleicht für die Behandlung eines Schnupfens gelten, wo man mal Mut zur Lücke haben kann (selbst da nur mit Einschränkungen), aber wenn Du die Indikation zu einer invasiven Behandlung wie einer Chemotherapie oder einer Operation stellst, dann musst Du Dein "Subjekt" vollständig durchdacht haben, sprich alle Erkrankungen, die im weiteren Verlauf zu Problemen führen können vorher antizipieren und abklappern, ggf. therapieren, Differentialdiagnosen ausschließen, damit Du auch die richtige Krankheit therapierst, etc.

Falls Du mit "nicht völlig durchdacht" meinst, dass der Urologe halt das Auge aussen vorlassen kann oder der Internist nicht die genaue molekulare Wirkungsweise eines Medikaments kennen muss um es erfolgreich anzuwenden, dann ist das ja IMHO auch nichts anderes als wenn der Ingenieur eben auch in den Skat drückt, dass er nicht weiß, was in seinem Bremssystem auf submolekularer Ebene abläuft, wenn man auf's Bremspedal drückt.
Bezüglich der für die geplante Operation/Entwicklung relevanten Informationen müssen beide vollständig zuende denken, sonst laufen sie Gefahr was zu übersehen. :-meinung

MD/PhD
29.08.2011, 18:30
@ Kackbratze:

Es ist nicht alles nur Blutdruck und Haut, oder soll die perforierte Appendizitis auch per TnE behandelt werden?

Och, was soll das denn? :-wand
Natürlich meine ich mit Trial & Error nicht: wir gießen mal Zitronensäure auf den perforierten Blinddarm, nähen zu und schauen was passiert...

Woher weiß der Operateur denn bitte, wie er die Appendizitis zu behandeln hat? Aus Büchern und den weiterbildenden Ärzten nehme ich an. Und woher kommt dieses Wissen? Die erste Appendektomie (von Claudius Amyand 1735) war eindeutig mehr Trial & Error als diese reflektive Vorgehensweise von der ich rede. Und eben solches Erfahrungswissen von Amyand und Nachfolgern sammelte sich über die Jahre zu einem großen Wissensblock zusammen, den man sich versucht einzuprägen. Aber auch ein Operateur selbst wird die 20. Appendektomie besser hinbekommen als die erste, eben weil er aus bisherigen Fehlern lernt.

Dieses Wissen gewinnt der Student garantiert nicht, in dem er es sich deduktiv aus fundamentalen physiologischen, biochemischen oder physikalischen Theorien zusammenreimt (dafür ist der Organismus viel zu komplex), er kann es mit deren Hilfe höchstens „irgendwie“ nachvollziehen. Aber medizinisches Wissen entstammt normalerweise entweder der Erfahrung (seiner selbst oder anderer) oder eben durch Experimente (Trial & Error) aber nicht durchs Nachdenken allein (was eben in Fächern wie Mathematik oder theoretischer Physik der Fall ist).

Es ist doch nun mal so, dass Medizin eine empirische Wissenschaft ist...

@ Rico:


"Trial and Error" impliziert mir, dass es mehrere gleichwertige Optionen (A - B - C - D) gibt, die man ohne Priorität einfach nacheinander durchprobiert, d.h. ich kann genausogut ABCD machen wie auch BCDA oder DCAB, etc. Das trifft aber in der medizin überhaupt nicht zu,

Danke, für den Post. Es war mir gar nicht bewusst, dass ich den Begriff "Trial & Error" hier völlig falsch verwendet habe :-blush


wenn Du die Indikation zu einer invasiven Behandlung wie einer Chemotherapie oder einer Operation stellst, dann musst Du Dein "Subjekt" vollständig durchdacht haben, sprich alle Erkrankungen, die im weiteren Verlauf zu Problemen führen können vorher antizipieren und abklappern, ggf. therapieren, Differentialdiagnosen ausschließen, damit Du auch die richtige Krankheit therapierst, etc.

Ja, so ähnlich habe ich mir das auch gedacht. Ich bestreite auch gar nicht, dass das eine sehr anstrengende Aufgabe ist, da man offensichtlich mit sehr vielen und verschiedenen Faktoren auf einmal umzugehen hat. Worauf ich hinaus will ist aber, dass man hier scheinbar zu einem großen Teil durch angelernte Leitlinien, Indikationsstellung, Kontraindikationen, eigenen Erfahrungen etc. gelenkt wird. Und diese beruhen m.W.n. hauptsächlich auf Erfahrungswissen und nicht aus harter Wissenschaft.

Währenddessen kann der Ingenieur auf das komplette, tief untermauerte Gerüst der Naturwissenschaften zurückgreifen. Er kann sein "Subjekt" (das bei weitem nicht so komplex wie der menschl. Körper ist) viel tiefgründiger verstehen, es verändern wie er möchte (und die Auswirkungen mithilfe von Theorien erfassen) und hat damit einen riesigen kreativen Spielraum.
z.B.: Vielleicht weiß der Ing zunächst nur, dass er für eine gute Bremswirkung einen hohen Reibungskoeffizienten benötigt. Aber wenn er möchte, kann er tiefer darüber nachdenken, was überhaupt zu einem hohen Reibungskoeffizienten führt, und weiß: Es muss mit Gitterstrukturen an der Oberfläche, zwischenmolekularen Kräften etc. zusammenhängen. Dann kann er sich dort austoben wie er möchte, oder macht sich im Geiste auf den Weg nach anderen kreativen Ansätzen zur Verbesserung der Bremsfunktion.

In der Medizin ist diese theorie-gestütze und kreative Art des Denkens nicht möglich. Da müsste z.B. durch mehrere Double Blind Studien erstmal gezeigt werden, dass es Zwischenmolekulare Kräfte überhaupt gibt :-))

Ich hoffe es wird klar was ich meine:

Die Fähigkeit der Mathematiker, Physiker oder Ingenieure liegt in der klaren, strukturierten Reflexion und der Problemlösung durch Abstraktion und Kreativität.
Die Leistung der Mediziner ist die Beherrschung Unmengen an Wissens, dessen geignete Vernetzung im konkreten Fall, und dem Bewahren des Überblicks. Und dies meist unter Zeitdruck.

Wenn es recht ist, lasse ich das jetzt so stehen - ohne Vergleich :-oopss