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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Notaufnahme: 45-jährige Frau mit hoch-fieberhaftem Infekt und Luftnot



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nitas
02.09.2011, 13:53
Interesse an einem spannenden Fall?

Hab sowas noch nie verfaßt, daher habt Nachsicht mit mir...

Ich fange mit dem Telefonat an, das ich mit der einweisenden Hausärztin geführt habe und schildere das Eintreffen der Patientin. Dann könnt ihr Fragen stellen oder Vorschläge zum weiteren Procedere machen, okay?

Mittags in der Notaufnahme (internistisch). Eine Hausärztin ruft an und fragt nach einem Bett für eine 45-jährige Frau, die wahrscheinlich eine Pneumonie habe und eingewiesen werden soll. Die Patientin sei gestern in der Arztpraxis gewesen und habe schon recht krank gewirkt. Auskultationsbefund verdächtig wie bei Pneumonie, daher zur Sicherung der Diagnose Überweisung zum Röntgen und Wiedervorstellungstermin in der Praxis. Dorthin sei die Patientin aber nicht gekommen. Auf Nachfragen der Hausärztin habe die Patientin gesagt, sie sei zu krank, um das Haus zu verlassen. Aus Sorge und da sie nicht selbst zum Hausbesuch kommen konnte, hat die Hausärztin einen RTW zur Patientin beordert und weist sie ein.

Ich warte also an diesem zugegeben ruhigen Tag in der ZNA und als die Retter mit der Patientin ankommen, bekomme ich einen kleinen Schreck. Patientin ist tachypnoeisch, hat 6 l Sauerstoff laufen, schwitzt und gibt allein schon vom Umlagern auf das Bett Luftnot an.


Was nun?

dreamchaser
02.09.2011, 14:24
Zunächst mal versuchen, eine Anamnese zu erheben (incl. Auslandsaufenthalte in der letzten Zeit, Kontakt mit Tieren, zeitlicher Verlauf, Vorerkrankungen, Medikation), dann Untersuchungsbefund erheben.
Zudem Vitalwerte erheben und eine BGA machen, um die respiratorische Lage zu erfassen. Bei Fieber die Patientin umfangreich kultivieren (Blut, Urin, ggf. Sputum).
Wenn das externe Röntgenbild nicht gelaufen ist, das jetzt durchführen - sonst aus der Praxis den Befund und das Bild anfordern.

Welche Informationen erhalten wir hieraus?

nitas
02.09.2011, 14:40
Also.

Eigenanamnese:
Kurz und knapp. Sie ist gesund. Hat absolut nix und auch noch nie gehabt (außer Appendektomie in der Jugend und mal einen gebrochenen Knöchel vor vielen Jahren). Keine Medikamente. Höchstens bei Bedarf mal "1 Aspirin". Keine Haustiere.

Aktuelle Anamnese:
fühlt sich seit einer Woche irgendwie "grippig". Hat viel geschlafen und gehustet. Daher gestern zur Hausärztin gegangen.

Reiseanamnese:
Nix in den letzten Monaten. Lebt und arbeitet im Nachbardorf.

Vitalwerte:
RR so ca. 110 systolisch, HF ebenfalls 110, SpO2 liegt bei 88 % unter 6 l O2 via Nasenbrille. Körpertemp.: 38,9°C. Zucker normal.

BGA:
pO2: 68 mHg, pCO2: 29 mmHg, pH: 7,37, SaO2: 90%

Externes Röntgenbild haben die Retter freundlicherweise eingepackt:
beidseits flächige basale Infiltrate wie bei Pneumonie mit V. a. beidseitigem Randwinkelerguß.

chil-i
02.09.2011, 14:43
Außerdem die Übergabe der Retter anhören, ob die Patientin in dem Zustand vorgefunden wurde oder ob er sich verschlechtert hat und welche Maßnahmen ergriffen wurden.
Dann oder noch besser parallel EKG und Pulsoxy anlegen, RR messen lassen, Zugang legen.

edit: sorry, hab dreamchasers beitrag nicht ausführlich genug gelesen

dreamchaser
02.09.2011, 14:46
Sind Allergien bekannt? Wenn nein, dann nach Kultivierung Beginn der antibiotischen Therapie mit z.B. Cefuroxim und Klacid für eine ambulant erworbene Pneumonie. Parallel aber noch an atypische Erreger denken, also Legionellen-Antigen und Pneumokokken-Antigen im Urin und Mykoplasmen- und Chlamydien-Serologie abnehmen.
Bei der respiratorischen Partialinsuffizienz würde ich die Patientin auf die Intensivstation verlegen, da eine weitere respiratorische Verschlechterung bzw. eine manifeste Sepsis zu befürchten ist (bzw. je nach Labor schon vorliegt).
Hat die Patientin Auswurf, muss sie viel husten?

nitas
02.09.2011, 14:47
Joo, die Retter schauen mich an und sagen was wie "Frau Doktor, also beim Umlagern zuhause hat die uns echt gar nicht gefallen. Aber dann ging's wieder. Kurzzeitig hätten wir fast noch das NEF alarmieren wollen!"

Da es gute Retter sind, haben sie einen ordentlichen Zugang gelegt und der Dame aus Blutdruckgründen schon mal 1000ml NaCl zügig einlaufen lassen (das meiste ist schon drin).

nitas
02.09.2011, 15:14
Also, es geht noch weiter.....

Die Sache mit der ITS hab ich mir auch überlegt. Da die nur eine Tür weiter liegt, hab ich schon recht früh einen kurzen Blick riskiert und die Intensivärztin informiert, daß eine Patientin ein Bett braucht.

Sie muß ziemlich oft husten, vor allem bei Lageänderungen. Aber Auswurf? Nicht wirklich. Bißchen weißen Schleim vielleicht. Heute früh hat sie bißchen was hochgehustet und runtergeschluckt, was dann irgendwie nach Blut geschmeckt hat.

dreamchaser
02.09.2011, 15:20
Gibt es laborchemisch Auffälligkeiten? Organschädigungen? Hinweis auf Organversagen bei Sepsis?
Anzustreben wäre eine Bronchoskopie, um atypische Erreger mittels PCR nachzuweisen (CMV, MOTT, Tbc, HSV, Aspergillen,...).
Auf der ITS am besten Sepsistherapie und Versuch, die Patientin mit einer Atemhilfe zu stabilisieren (z.B. NIV).

nitas
02.09.2011, 15:22
Ist bestimmt alles richtig, aber soweit sind wir noch nicht. Erstmaßnahmen wie Blutkulturen, Urinuntersuchung inkl. -kultur und "Basismaßnahmen" haben wir ergriffen. Labor inkl. großer Routine ist Richtung Labor geschickt.

Die Patientin ist so ca. seit 10 Minuten da. Wir könnten sie aber noch mal zum Krankheitshergang befragen.

Brutus
02.09.2011, 16:18
Was arbeitet die Gute denn? Irgendwelche Noxen?

Ein Sono würde mich auch noch interessieren. Stauung? Herz? Ergüße?

Evtl. trotzdem noch mal ein eigenes Thoraxbild, ggf. Thorax-CT?

nitas
02.09.2011, 18:46
Sie ist Sekretärin in einem kleinen Unternehmen und kommt auf den ersten Blick mit keinen Schadstoffen in Kontakt.

Während ich das Sono-Abdomen mache und mich an der ca. 20 cm durchmessenden Milz und einer nicht unerheblichen Hepatomegalie erfreue, erzählt sie mir, daß sie vor ca. 6 Wochen schon einmal heftig krank gewesen ist. Hat sie aber für die jährliche winterliche Erkältung gehalten und deswegen vorher nicht erwähnt, als ich nach Vorerkrankungen und Verlauf gefragt hatte.

Damals hat sie fast eine Woche - auch teils mit Fieber - im Bett gelegen, war aber nicht bei der Ärztin. Wenn sie richtig drüber nachdenkt, geht es ihr seitdem auch nicht mehr so wie früher. Sie fühlt sich schwächer und ist häufiger außer Puste, sobald sie sich anstrengt.

Thorax-CT haben wir auch überlegt, weil sie so hypokapnisch und tachykard war. Bevor wir das durchführen konnten, sind aber andere Dinge passiert.

Wollt ihr noch was wissen, oder soll ich das Labor verraten?

torrannagga
02.09.2011, 18:48
Ich bin zwar nur Rettungsassistent, aber ich hoffe es ist ok, wenn ich ein bisschen mitmache. :-lesen

Thorakale Schmerzen derzeit?
Atmungsabhängig? Lageabhängig?
Wie verändert sich die Sättigung mit mehr Sauerstoff?

Kann die Patientin noch was zum Beginn der Symptome sagen? Rascher Beginn oder eher schleichend verschlechtert über Tage hin? Kann sie noch eingrenzen mit welchen Symptomen es angefangen hat?

Relaxometrie
02.09.2011, 18:54
Wollt ihr noch was wissen, oder soll ich das Labor verraten?
Bitte das Labor incl. EBV-Titer (obwohl der Titer erstmal unwichtig zu sein scheint, so wie's klingt).

dreamchaser
02.09.2011, 18:57
Hat sie gehäuft Hämatome am Körper entdeckt in den letzten Wochen ohne relevantes Trauma? Wegen der Beschwerden mal beim Hausarzt gewesen? Dort ggf. Blutbild gemacht?

nitas
02.09.2011, 19:01
Sie hat keine thorakalen Schmerzen, aber die Atmung ist angestrengt. Sie beschreibt im Prinzip eine Kurzatmigkeit mit beginnender muskulärer Erschöpfung.

Die Sättigung lag initial im RTW ohne Sauerstoff bei nur 80 %, geht unter O2 gut hoch, das Gefühl der Kurzatmigkeit ist aber nicht ganz weg.

Ich habe auch über den zeitlichen Verlauf gegrübelt. Da wir während der knappen halben Stunde, die ich auf's Labor warten mußte, nicht viel mehr tun konnten, als oben schon besprochen - und ich die Frau nicht aus den Augen lassen wollte, bin ich bei ihr geblieben und habe sie ausgefragt.
Die gesamte Sozial-, Familien-, Arbeits-, Reise- und Eigenanamnese habe ich für unauffällig befunden.
Auffällig fand ich nur die schwere Erkältung/Grippe/was-weiß-ich-was-noch von vor 6 Wochen, von der sie sich nie ganz erholt hatte.

Die akute Anamnese hat vor wenigen Tagen (ca. 3-4) begonnen. Zuerst wieder das Gefühl von Grippe/Erkältung mit Müdigkeit, Schwäche, Husten. Seit sie dann die Hausarztpraxis gestern verlassen hatte, ist es quasi nur noch steil bergab gegangen. Sie konnte sich heute nicht selbst anziehen (!). Die Retter haben ihr dabei geholfen.

Eilika
02.09.2011, 19:01
Vor dem Labor vielleicht noch schnell ein bisschen untersuchen. Vor allem Herz und Lunge mal auskultieren (RGs, Herzgeräusche?)...

Relaxometrie
02.09.2011, 19:04
Da wir während der knappen halben Stunde, die ich auf's Labor warten mußte....
Aber bevor die Laborwerte fertig waren, ist etwas passiert, was Euch vom geplanten weiteren Procedere (CT Thorax) abgehalten hat? Ist die Patientin reanimationspflichtig geworden?

nitas
02.09.2011, 19:08
Jetzt kommt's nämlich so, wie's im Buch steht.

Ich leuchte ihr in den Mund und sehe einen eingebluteten Rachen. Dann ziehe ich ihr die Strümpfe aus und sie hat Petechien an beiden Unterschenkeln. Im gleichen Moment klingelt mein Telefon und das Labor ist dran.

Also, Frau Doktor, ich hab das Blutbild jetzt 2x kontrolliert... wollen Sie vielleicht mal selber schauen, ich mache da mal Ausstriche von.

Leuko: 115,3 /nl
HB: 8,2 g/dl
Thrombo: 11 /nl

Maschinelles Diff.-Blutbild
Segment: 47 %
Lympho: 9 %
Mono: 4 %
Diverse: 40 % (Kommentar vom Gerät: V. a. Blasten)
Anisozytose: +

Die klinische Chemie kam dann paar Minuten später:
GOT, GPT, CK, Krea, Na, K, Ca, Lipase: normal
GGT: 156 U/l
AP: 120 U/l
LDH: 946 U/l
CRP: 157 mg/l

SuperSonic
02.09.2011, 19:14
Auffällig fand ich nur die schwere Erkältung/Grippe/was-weiß-ich-was-noch von vor 6 Wochen, von der sie sich nie ganz erholt hatte.

Die akute Anamnese hat vor wenigen Tagen (ca. 3-4) begonnen. Zuerst wieder das Gefühl von Grippe/Erkältung mit Müdigkeit, Schwäche, Husten. Seit sie dann die Hausarztpraxis gestern verlassen hatte, ist es quasi nur noch steil bergab gegangen. Sie konnte sich heute nicht selbst anziehen (!). Die Retter haben ihr dabei geholfen.
Paresen, Parästhesien? Ausbreitung von distal nach proximal? Sonstige neurologische Auffälligkeiten?

nitas
02.09.2011, 19:17
sie konnte sich vor lauter Schwäche nicht mehr anziehen. Neurologisch ist nix auffällig.