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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Angst vor Ansteckung - HepC + HIV



Sait
11.10.2011, 14:30
Ich habe mich bereits schon einmal mit einer Nadel gestochen. Gott sei Dank war es kein HIV/HepC Patient. Aber seitdem mache ich mir oft Gedanken, was wäre gewesen, wenn ....

Mich würde es mal sehr interessieren, wie ihr mit dieser angst umgeht. Habt ihr euch auch schon mal gestochen o.ä.?

Ich bin gespannt auf eure Antworten.

Kackbratze
11.10.2011, 16:02
Als Chirurg badet man manchmal in infizierten Sachen (die Gynäkologen noch häufiger), wenn man sich damit verrückt machen würde, könnte man nicht arbeiten.
Aber es nervt, wenn die Socken wieder im Eimer sind!

Ansonsten beachte ich die normalen Hygienestandards, gehe regelmäßig zum Screening und zahle artig in meine BU ein.
Mehr kann ich auchnicht machen.

ehem-user-02-08-2021-1033
11.10.2011, 16:48
Angst vor einer Ansteckung sollte man nicht haben.
Eher sollte man die Gefahr der Ansteckung im Hinterkopf haben und entsprechend vorsichtig arbeiten.
Je umsichtiger man arbeitet desto geringer ist eben das Risiko.

Und noch ein Paar "beruhigende" Daten zum Abschluss:


Der Anteil der infektiösen Personen (Prävalenz) in Deutschland liegt bei ca.:

•1,3 % für den Erreger der Hepatitis B (1.000.000 Personen)
•0,5 % für den Erreger der Hepatitis C (400.000 Personen)
•0,05 % für das HIV, den AIDS-Erreger (44.000 Personen)
Zu einer Übertragung (Serokonversion) nach einer Nadelstichverletzung kommt es

•bei HBV in 300 von 1000 Fällen,
•bei HCV in 30 von 1000 Fällen,
•bei HIV in 3 von 1000 Fällen.

Damit beträgt das rechnerische Infektionsrisiko für die jeweiligen Erreger ca.:

•1 : 250 für Hepatitis B[1]
•1 : 6 500 für Hepatitis C
•1 : 650 000 für HIV/AIDS

Quelle: www.nadelstichverletzung.de
http://www.nadelstichverletzung.de/ist_eine_infektion_nicht_sehr_unwahrscheinlich.htm l#_ftn1

WackenDoc
11.10.2011, 17:08
Ich hab mich bisher einmal mit ner Nadel gestochen- die Nachkontrolle war echt nervig, aber zum Glück war der Patient negativ von dem her war auch nicht mit einem negativen Ergebnis bei den eigenen Kontrollen zu rechnen.

Ansosnten hab ich schon reichlich mit allen möglichen mehr oder weniger ekligen Flüssigkeiten zu tun gehabt.

Wenn ich weiss, dass ein Patient HIV-positiv ist und/oder ne Hepatitis bekannt ist, hab ich schon ein unwohles Gefühl. Aber das müsste man ja eigentlich auch bei anderen Infektionskrankheiten haben.
Zum Glück hält sich die Anzahl dieser Patienten in meinem Bereich in Grenzen.

Ständig bei allen Patienten Angst vor Ansteckung zu haben, wird wahrscheinlich auf Dauer zu einem Problem führen. Entweder findet man dann ne ansteckungsferne Nische oder müsste sich tatsächlich überlegen, ob man im richtigen Beruf ist.

Wie man damit umgeht:
- Zum einen -wie unser Elite RDH schon geschrieben hat- umsichtig arbeiten und Sicherheitsmaßnahmen einhalten
- Zum anderen viel mit den Kollegen austauschen. Das kann übrigens auch in vielen anderen Situationen helfen.

SuperSonic
11.10.2011, 23:48
Ich hab mich bisher einmal mit ner Nadel gestochen- die Nachkontrolle war echt nervig, aber zum Glück war der Patient negativ von dem her war auch nicht mit einem negativen Ergebnis bei den eigenen Kontrollen zu rechnen.
Bei aktuell HCV- und HIV-negativem Indexpatienten und bestehendem Hepatitis-B-Impfschutz beim Verunfallten gibt es beim Betriebsarzt unserer Uni gar keine Nachuntersuchungen, weil das Infektionsrisiko so niedrig sei.

Ich habe in meinen Famulaturen schon bei einem bekannt HIV-positiven und zwei, drei bekannt HCV-positiven Patienten Viggos gelegt und Blut abgenommen. Da ich sowas grundsätzlich, auch bei pädiatrischen, augenscheinlich nicht infektiösen Patienten, mit Handschuhen mache, war mich auch nicht besonders unwohl dabei. Handschuhe schützen natürlich nicht vor NSV, aber sie senken noch mal das Infektionsrisiko. Ich betrachte unabhängig davon jeden Patienten als potentiell infektiös und arbeite mit entsprechender Sorgfalt. Unruhige Patienten müssen auch von einer zweiten Person fixiert werden, bevor ich was punktiere.

emergency doc
12.10.2011, 21:07
Ich hab mich mal beim Viggo legen bei einem Patienten mit bekannter Hepatitis C und HIV an der Kanüle gestochen. Es war ein ziemlich stressiger Dienst und ich versorgte diesen Patienten nachts um 2:00 zwischen zwei Polytraumen. Dabei war ich irgendwie so ataktisch, daß ich mir den blutigen Stahlmandrin in den Daumen rammte, und zwar richtig tief. Sicherheitskanülen waren damals noch nicht verfügbar, also hatte ich Pech.:-nix
Die Nachkontrollen waren aber alle negativ, und das Ganze ist jetzt fast 9 Jahre her, also ist es nochmal gut gegangen...:-top

Gersig
12.10.2011, 22:16
Ich hab mich mal beim Viggo legen bei einem Patienten mit bekannter Hepatitis C und HIV an der Kanüle gestochen. Es war ein ziemlich stressiger Dienst und ich versorgte diesen Patienten nachts um 2:00 zwischen zwei Polytraumen. Dabei war ich irgendwie so ataktisch, daß ich mir den blutigen Stahlmandrin in den Daumen rammte, und zwar richtig tief. Sicherheitskanülen waren damals noch nicht verfügbar, also hatte ich Pech.:-nix
Die Nachkontrollen waren aber alle negativ, und das Ganze ist jetzt fast 9 Jahre her, also ist es nochmal gut gegangen...:-topWar der Patient medikamentös therapiert? Hast du dir ne PEP geschmissen?

emergency doc
12.10.2011, 22:30
Der Patient war nicht medikamentös therapiert. Die Hep. C hatte er von seiner Mutter und seit der Geburt. HIV war dazu gekommen weil er gerne Drogen nahm.:-nix
Über die Postexpositionsprophylaxe hat mich damals keiner aufgeklärt. Und ich (AiP in der Orthopädie, gerade als Assistenzarzt in die Unfallchirurge gewechselt) war schlicht und ergreifend zu uninformiert und hatte noch nie was davon gehört...

Gersig
12.10.2011, 23:57
Der Patient war nicht medikamentös therapiert. Die Hep. C hatte er von seiner Mutter und seit der Geburt. HIV war dazu gekommen weil er gerne Drogen nahm.:-nix
Über die Postexpositionsprophylaxe hat mich damals keiner aufgeklärt. Und ich (AiP in der Orthopädie, gerade als Assistenzarzt in die Unfallchirurge gewechselt) war schlicht und ergreifend zu uninformiert und hatte noch nie was davon gehört...Wow! Finde ich eindrucksvoll! Ich glaube, ich hätte mir die nächsten Monate in die Hose gepieselt. Immerhin hat sich das Thema mittlerweile herumgesprochen und manche Häuser haben sogar Ablaufpläne im Falle einer NSV ;-)

Sait
13.10.2011, 01:19
Ich hab mich mal beim Viggo legen bei einem Patienten mit bekannter Hepatitis C und HIV an der Kanüle gestochen. Es war ein ziemlich stressiger Dienst und ich versorgte diesen Patienten nachts um 2:00 zwischen zwei Polytraumen. Dabei war ich irgendwie so ataktisch, daß ich mir den blutigen Stahlmandrin in den Daumen rammte, und zwar richtig tief. Sicherheitskanülen waren damals noch nicht verfügbar, also hatte ich Pech.:-nix
Die Nachkontrollen waren aber alle negativ, und das Ganze ist jetzt fast 9 Jahre her, also ist es nochmal gut gegangen...:-top
Erzähl uns doch bitte, wie du dann die nächten drei Monate mit dem Kampf gegen die Angst überlebt hast. Wie waren die Arbeitstage danach? Hattest du angst zur Arbeit zu gehen? Wie hast du dich selbst beruhigt?
Würde mich sehr interessieren.

Brutus
13.10.2011, 11:00
Wow! Finde ich eindrucksvoll! Ich glaube, ich hätte mir die nächsten Monate in die Hose gepieselt. Immerhin hat sich das Thema mittlerweile herumgesprochen und manche Häuser haben sogar Ablaufpläne im Falle einer NSV ;-)

Naja, aber bei weitem nicht alle! Ich habe die Erfahrung machen müssen, dass auch bei diesen Fällen gespart wird.
Ja, ich habe mich auch schon gestochen. Einmal im PJ beim Blutabnehmen (passenderweise an Heiligabend, wo wir PJler nur zum Blutabnehmen von ca. 100 Patienten kommen durften), beim Legen eines ZVK und zu guter letzt an einer Nadel, die aus dem Abwurf nach oben rausragte. :-wand

In den mittlerweile ja auch 10 Jahren, die seit dem ersten Mal vergangen sind, haben sich die (Nach-) Untersuchungen doch deutlich geändert. Beim ersten Mal wurde direkt nach der Verletzung das komplette Programm angespult: HIV, HEP B+C, Leberwerte, damals sogar noch ein komplettes Labor. Bei den Kontrollen ebenfalls das komplette Programm.
Beim 2. Mal war es schon deutlich eingeschränkt: HEP + HIV, Leberwerte zum Anfang und zu den Kontrollen.
Danach wurde zu Beginn noch HIV+HEP, und die Leberwerte, bei den Kontrollen nur noch die Leberwerte abgenommen...

Begründung damals: Die BG zahlt den Rest nicht mehr...

Nun ja, da ich seit dem 18.LJ regelmäßig Blut spende (mit den Lücken nach NSV) kann ich zumindest nachweisen, dass ich bislang keine Infektionskrankheiten geerbt habe. :-))
Könnte bei einer Auseinandersetzung mit der BG durchaus hilfreich sein...

Gersig
13.10.2011, 11:14
Naja, aber bei weitem nicht alle! Ich habe die Erfahrung machen müssen, dass auch bei diesen Fällen gespart wird.Deswegen auch der zwinkernde Smiley :-)

kra-
13.10.2011, 11:31
Vor 5 Wochen hat mich ein Orthopäde im OP beim Wundverschluss gleich mal mit festgenäht. Kk, das ist etwas übertrieben, aber ne blutende NSV hatte ich trotzdem. Die Patientin hatte weder Heptatitis noch HIV, bin dann aber trozdem zum D-Arzt und hab das aufnehmen lassen. Nächste Woche ist dann Kontrolluntersuchung.
Ich finde das gehört einfach zu unserem Beruf mit dazu und wenn man sich ständig Sorgen macht, kann man sich doch überhaupt nicht auf seine Arbeit konzentrieren. Wichtig ist es, dass man gerade beim Blut abnehmen und Viggo legen feste abläufe eintrainiert, dann passiert auch nix. Und mit den neuen Nadeln kann man sich eh kaum noch verletzen.

Moorhühnchen
13.10.2011, 11:47
In meiner Neurofamulatur hatte ich mal einen Patienten, dem ich eine Braunüle ziehen sollte. Ich hatte gerade das Pflaster gelöst, als der Kerl an dem Ding zieht und mir der blutige Siff ins Auge spritzt. Aufgrund seiner Erkrankung waren in den Tagen zuvor schon HIV/Hep-Serologie abgenommen worden - die Ergebnisse kamen am selben Nachmittag, waren negativ, so daß ich keine weiteren Maßnahmen ergriffen habe.... später habe ich mich etwas darüber geärgert, einfach aufgrund des Versicherungsschutzes - bei mir wurde zu diesem Zeitpunkt noch nie eine Serologie abgenommen und ich hätte später nicht einmal nachweisen können, daß es im Rahmen des Studiums passiert ist.

Jahre später habe ich mich während einer etwas anspruchsvolleren Narkose (ja, auch sowas soll's geben! :-))) an einem EK gestochen (nein, eigentlich nicht gestochen: ich hab mich regelrecht gepierced... fragt nicht, wie's passiert ist). Und obwohl alle der Meinung waren, das Infektionsrisiko sei in diesem Falle verschwindend gering, wurde mir die Nachkontrolle förmlich aufgedrängt (BG-Klinik)! Es war ein wenig nervig, das ganze dann nach meinem Stellenwechsel zu organisieren, aber Gott sei Dank bin ich auch da durch - meinem ehemaligen Arbeitgeber ging es da wahrscheinlich auch um seine eigene Absicherung..... :-oopss

Die Niere
13.10.2011, 15:22
Und noch ein Paar "beruhigende" Daten zum Abschluss:
Quelle: www.nadelstichverletzung.de
http://www.nadelstichverletzung.de/ist_eine_infektion_nicht_sehr_unwahrscheinlich.htm l#_ftn1
Und dabei handelt es sich noch um Zahlen bei Hohlnadeln. Die Gefahr ist bei Nadeln, mit denen im OP eine Umstechung durchgeführt wird oder die Haut genäht wird noch kleiner.

Mit der Angst immer im Kopf, wird es kaum möglich sein, adäquat zu arbeiten. Ich kenne sogar zwei Menschen, die deswegen die Medizin verlassen haben, weil sich daraus eine überbordende Angststörung entwickelt hat.

Man sollte einfach damit leben, sich der Gefahr bewusst sein und alle nötigen Sicherheitsmassnahmen diesbezüglich wahrnehmen. Halt wie beim Autofahren sich anzuschnallen ohne darüber nachzudenken, dass man mit einer Wahrscheinlichkeit von 0.0001% heute im Auto verstirbt.

lg, niere

Die Niere
13.10.2011, 15:29
Ehrlich gesagt, kenne ich kein Haus in der Schweiz, in dem es kein Standardprotokoll für eine Nadelstichverletzung gibt.

Ich wurde (seltener aus eigener Schuld) ca. 15 Mal gestochen in meinem Berufsleben und habe immer brav das volle Programm abgespult. Glücklicherweise war noch keiner der Patienten positiv für HCV und HIV. Aber man sollte allein wegen der Berufsunfähigkeit, die im Raume stehen kann, immer den Aufwand eingehen.

gruesse, die niere