Therapie von Furunkeln - Wann Stichin

[ER-Student]

Ich habe eine Unklarheit bezüglich der Therapie von Furunkeln. Laut BASICS Dermatologie werden eingeschmolzene Furunkel per Stichinzision therapiert. Während einer Famulatur habe ich jedoch mal einen Fall mitbekommen, wo eine Furunkel im Bereich der Axilla mit einem ca. 2cm langen Schnitt plus kleiner Drainage eröffnet wurde.

Wie genau erkennt man, dass der Furunkel eingeschmolzen ist? Hatte bisher gedacht, dass würde sich an einer sichtbaren Eitelkuppel zeigen. Im oben geschilderten Fall war aber nur Rötung und Lymphknotenschwellung sichtbar. Laut BASICS entscheidet aber genau die Frage, ob der Furunkel eingeschmolzen ist, ob man eröffnet.

Wonach entscheidet sich, ob man eine Stichinszision macht oder ob man den Abszess mittels größerem Schnitt und Drainage öffnet? Weshalb muss man eigentlich bis zur Einschmelzung warten und eröffnet den Abszess nicht sofort?

Vielen Dank für Eure Antworten.

[WackenDoc]

Wenn du zu früh eröffnest hast du oft nur ne diffuse Gewebeschwellung und bekommst den eigentlichen Abszeß/Furunkel nicht. Bzw. der Abszeß ist dann noch nicht wirklich da.

Wann genau man die Stichinzision macht, ist so ein bischen Gefühlssache und Erfahrung. Das Eiterköpfchen ist schon mal nen guter Hinweis. Aber das haste nicht immer. Manchmal kannste auch tasten, ob der Abszeß schon "reif" ist.
Das ganze ist auch ne Zeitfrage: Nach 2-3 Tagen haste eigentlich immer ne Einschmelzung. Nach nem halbem Tag in der Regel noch nicht.

Ob ich ne Stichinzision oder größeren Schnitt mit Drainagenbehandung mache, mach ich u.a. von der Größe und Tiefe abhängig. Wenn´s zu klein ist, bekommste auch keine Drainage rein. Wenn das Ding eher ne Tasche bildet, dann Drainage- wenn es flach und oberflächlich ist, dann eher keine.

Kann auch passieren, dass man mit ner Stichinzision behandelt hat und im Verlauf merkt, dass das nicht ausreicht.
Oder du stellst bei der Stichinzision fest, dass es größer ist als gedacht.

Und noch ein Praxistip: An die Antibiose und bei häufigen/schlecht heilenden Abszessen/Furunkeln/Karbunkeln an Grunderkrankungen denken.

[ER-Student]

@WackenDoc
Vielen Dank für Deine Antwort.

Wann genau muss man bei Furunkeln am Körper Antibiose geben? Im beschriebenen Fall wurde eine Antibiose vom Chirurg z.B. nicht angeordnet.

Wie kann ich, besonders bei Abszessen in der Axialla, eigentlich unterscheiden, ob es sich um eine Furunkel, Akne inversa oder einen primär von den Schweißdrüsen ausgehenden Abszess handelt? Macht das vom Prinzip einen Therapieunterschied?

[WackenDoc]

Mit der Antibiose: Kommt drauf an. Je länger das Ding besteht, je größer, je ausgeprägter die Umgebungsreaktion und je kränker der Patient desto eher.
Und ich beziehe die Nähe zu Nachbarstrukturen mit ein.
Gute Erfahrungen hab ich da mit Amoxicillin/Clavulansäure (z.B. Augmentan)gemacht.

Was es-gerade in der Axilla- genau ist, bekommt man nicht immer raus.
Bei ner Akne inversa haste aber in der Regel ja nicht nur einen Abszeß.
Also kannst du fast davon ausgehen, dass es das nicht ist, wenn du nur nen solitären und einmaligen Abszeß hast.
Andererseits können auch Furunkel und Schweissdrüsenabszesse multipel und mehrfach auftreten.
In der Abszeßspaltung macht es allerdings keinen Unterschied, höchstens in der langfristigen Versorgung.

Häufige Abszesse können übrigens ne Erstmanifestation für Diabetes oder auch HIV sein.

[ER-Student]

Habe jetzt auch mal in der Dualen Reihe nachgelesen. Dort stehen Akne inversa und Schweißdrüsenabszess des Erwachsenen als Synonyme drin.
Das verwirrt mich gerade ein wenig, da ich bisher dachte, beides wären unterschiedliche Krankheitsbilder, wobei die verstopften und entzündeten Talgdrüsen bei Akne inversa irgendwann auch auf die Schweißdrüsen übergreifen, Schweißdrüsenabszesse aber auch alleine auftreten können, z.B. wenn irgendwelche Stoffe, die z.B. in duftenden Deos enthalten sind, die Ausführungsgänge der Schweißdrüsen verlegen.

Werden Spaltungen von Abszessen eigentlich nur in der Chirurgie gemacht oder könnte man das auch als entsprechend ausgebildeter Allgemeinmediziner in einer Praxisumgebung machen?

[Evil]

Kannst Du als Allgemeinmediziner ganz genauso machen, in Ausnahmefällen tue ich das sogar.

Um das regelhaft anzubieten, ist mir aber der Aufwand mit den Instrumenten und die Sauerei dabei, nicht zu vergessen der Geruch, zu groß.

[WackenDoc]

Ich mach das als angehender Allgemeinmediziner auch hin und wieder. Mein Arbeitgeber stellt das Instrumentarium ja auch zur Verfügung und meistens findet sich die Zeit.
Die größeren schick ich aber auch zum Chirurgen.

Mir macht das sogar Spass, solange ich das nicht jeden Tag machen muss. Ist ein recht "befriedigender" Eingriff. Man sieht sofort ein Ergebnis und der Patient ist direkt deutlich beschwerdeärmer.

So richtig gelernt hab ich das übrigens in Georgien im Einsatz. Da haben die Patienten öfter mal was länger gewartet, auch nach kleineren perforierenden Verletzungen, so dass wir öfter siffige Wunden/Abszesse gesehen haben.
Da war es auch so, dass oft ein Diabetes dahinter steckte, wenn das Ding trotz Therapie nicht abgeheilt ist.

Zum Spülen haben wir da gerne ne Mischung aus H2O2 und Beta genommen. Ist wohl eher umstritten- aber ich hab damit richtig gute Erfahrungen gemacht. Durch die Schaumbildung haben wir schön Reste aus Taschen und Ecken bekommen. Außerdem hat es gut gegen die Nekrosen gewirkt. Eine andere Erkenntnis: Wenn keine/wenig Schaumbildung, dann ist die Wunde sauber.
Mein Chef zu Hause hat gemeint, das würde nicht funktionieren, weil das Zeug miteinander reagiert und dadurch die Wirkung verliert.

Eine der wichtigsten DDs sind übrigens Atherome, weil da die Therapie anders sein sollte. Man kann die zwar auch mit Stichinzision eröffnen, besser wäre aber ne Entfernung zusammen mit der Kapsel. Die überlass ich auch lieber den Chirurgen. Auch weil wir da nur suboptimale Möglichkeiten haben.
Außerdem stinken die wirklich bestialisch, wenn die auf gehen.