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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Verhalten bei "Sicheren Todeszeichen"



RS-USER-DerDings
30.03.2003, 17:29
Folgendes Szenario:

NEF und RTW werden zu einem Einsatz entsendet, die LS läßt durchklingen das es wahrscheinlich zu einer ReA kommen wird. Der RTW erreicht den Einsatzort einige Minuten vor dem NEF - die Besatung (2 RS) findet den ca. 70 Jahre alten Patienten auf dem Sofa liegend vor. Anwesend ist der Sohn des Patienten, der seinen Vater besuchen wollte und ihn reglos vorfand. Kreislauf und Atmung sind nicht vorhanden, als die RS den Patienten auf den Boden legen, bemerken sie das der Patient bereits zu einem gewissen Grade starr ist. Sie beginnen trotzdem mit der Reanimation, als wenig später der NA eintrifft, bricht er die ReA durch die RS ab und stellt den Tod des Patienten fest.


Was mich an diesem Einsatz beschäftigt, ist die ReA durch die RS trotz eines sicheren Todeszeichens (Muskelstarre durch Unterkühlung konnte in der beheizten Wohnung ausgeschlossen werden). Ich kann verstehen, dass die Besatung des RTW auf das bald zu erwartende NEF warten wollte, doch denke ich auch v.a. an den anwesenden Sohn. Meine Frage: Ist eine solche (sinnlose) ReA nicht nur eine zusätzliche Belastung für anwesende Verwandte (Hoffnungsschimmer) ? Ich hätte in dieser Situation wahrscheinlich gleich verhalten wie die RTW Besatzung, da ich nirgendwo "Verhaltensregeln" für solche Situationen finden kann, finde perönlich aber, das es zu mehr Schaden (an den Angehörigen) führt als es nützt.
Meiner Meinung nach sollte der Umgang mit den Angehörigen Verstorbener vermehrt in der Ausbildung mit geschulten Personal (KIT) geübt und angehende RS auf solche Situationen besser vorbereitet werden.

Ich beziehe mich hier nur auf die Österreichische RS Ausbildung, da ich nicht weiß wie dies in Deutschland gehandhabt wird. Mich würde interessieren inwiefern die RA Ausbildung solche Situationen behandelt und wie ihr über das oben beschriebene Vorgehen und meine Einwände denkt.

DerBlinde
30.03.2003, 20:44
Nun, es kann ja mehere Möglichkeiten für eine Gelenksteife geben. Ich findedas schwierig in diesem Falle.
Dennoch denke ich, im Zweifelsfall lieber Reanimieren und auf den Arzt warten, der dann die Verantwortung trägt.

Hier nochmal die Todeszeichen (nach LaRoche):

1) die Kriterien des eingetretenen Hirntodes: weite lichtstarre Pupillen, zerebrale Areflexie (spinale Reflexe oft erhalten; s.a. supravitale Reaktionen, dort Tab.), Null-Linie im EEG, Kreislaufstopp in Vertebralis u. Karotiden (angiographisch nachzuweisen vor Organentnahme für Transplantation!).

2) sichere:
Beginn der Totenstarre am Unterkiefer 1 Std. p.m., Totenflecke (hinter den Ohren, an abhängigen Körperpartien), Fäulniserscheinungen, Verwesungsgeruch; Tab.; s.a. Leichenerscheinungen.

3) unsichere:
Totenblässe, Leichenkälte, Atemstillstand (Nichtbeschlagen eines Spiegels), Fehlen von Herz- u. Pulsschlag, Weichwerden der Bulbi, Austrocknung der Kornea, Ausbleiben der Hautrötung bei Hitzereiz oder künstl. Stauung (= MAGNUS* Zeichen).

noch Jemand an Zeitpunktbestimungen interessiert? ;)
Todeszeitbestimmung (nach G. HANSEN)

Unsichere Todeszeichen
Trübung der Kornea
bei offenem Auge ca. 1 Std.
bei geschlossenem Auge ca. 24 Std.
spürbare Abkühlung
unbedeckter Körperteile ca. 1-2 Std.
bedeckter Körperteile ca. 4-5 Std.
Leichenerscheinungen
Totenflecke
an abhängigen Partien ab ca. 30 Min.
am übrigen Körper ca. 1 Std.
deutlich konfluierend ca. 2 Std.
voll ausgeprägt u. konfluiert ca. 4 Std.
wegdrückbar (Fingerdruck) bis 10 Std.
nicht wegdrückbar > 12 Std.
bei Umlagerung wandernd bis 4 Std.
bei Umlagerung unvollständig wandernd 6-12 Std.
Totenstarre
am Kiefergelenk ca. 2-3 Std.
am ganzen Körper ca. 8-10 Std.
nach gewaltsamer Lösung wiederauftretend ca. 7-8 Std.
Beginn der spontanen Lösung ca. 2 Tage
vollständige Lösung ca. 3-4 Tage
Leichenzersetzung u. -zerstörung
Fäulnisvenenzeichnung, grüne Bauchdecken ca. 2 Tage
vollständige Mumifikation mind. 1 Jahr
Fettwachsbildung teilweise mind. 6 Mon.
Fettwachsbildung vollständig mind. 1 J.
Auflösg. der Weichteile
im Freien 1 Jahr
in Erde 4-5 Jahre
Auflösg. von Knorpel, Sehnen, Bändern
im Freien 2 Jahre
in Erde 5-7 Jahre
Knochen fetthaltig, schwer
im Freien 2-3 Jahre
in Erde 5-10 Jahre
Knochen leicht, beginn. Verwitterung
im Freien 5-10 Jahre
in Erde 10-15 Jahre
Fliegeneier an Gesichtsöffnungen wenige Std.
lebende Maden ca. 24 Std.
lebende Maden massenhaft, Fraßspuren an Haut 1/2-1 Wo.
Puppen 1-2 Wo.
leere Puppenhüllen 2-3 Wo.

Wasserleichen
»Waschhaut« an Fingerbeeren
beginnend 5-6 Std.
vollständig ca. 24 Std.
»Waschhaut« an Hohlhand 2-3 Tage
»Waschhaut« an Handrücken 5-6 Tage
Ablösung der Waschhaut
an Finger u. Hohlhand ca. 1 Wo.
einschl. Fingernägel u. Handrücken ca. 2 Wo.
insgesamt abstreifbar ca. 3 Wo.
Gesicht u. Hals schmutzig-blau ca. 2 Tage
Brust u. Bauch grünlich-schwarz ca. 4 Wo.
Gesicht u. Körper gedunsen, Haut u. Haare ablösbar ca. 5 Wo.
Fettwachsbildung 4-6 Mon.
Fettwachsbildung an der ganzen Leiche ca. 12 Mon.

RS-USER-Schädelspalter
30.03.2003, 21:13
Original geschrieben von DerBlinde
Nun, es kann ja mehere Möglichkeiten für eine Gelenksteife geben. Ich findedas schwierig in diesem Falle.
Dennoch denke ich, im Zweifelsfall lieber Reanimieren und auf den Arzt warten, der dann die Verantwortung trägt.
Zumal der Tod sowieso nur von einem Arzt festgestellt werden darf - zumindest in einem solchen Fall. Bei offensichtlicher Verwesung etc. kann man niemandem einen Vorwurf wg. unterlassener Hilfe o.ä. machen, aber das ist ein anderes Thema.
Dass der Sohn anwesend war ist bedauerlich, aber wohl nicht unbedingt vermeidbar.

RS-USER-DerDings
30.03.2003, 21:13
interessant, danke für die Liste !

was die starre betrifft - was gibt es für möglichkeiten für eine kurzfristig auftretende Muskelstarre ? - Zumal auch du die Totenstarre als sicheres Todeszeichen aufführst.

RS-USER-Schädelspalter
30.03.2003, 21:31
Unter Umständen ist die Totenstarre (besonders wenn noch nicht voll ausgeprägt) mit anderen Muskelstarren zu verwechseln. Spontan fallen mir da Kontrakturen insbesondere bei pflegebedürftigen Menschen ein sowie Erkrankungen des motorischen Teils des Nervensystems wie z.B. Morbus Parkinson (hier "wachsartiger" sogenannter Zahnrad-Rigor). Wenn man nur eine gewisse Steifigkeit (des Patienten meine ich) hat, dann kann man das in der Hektik wohl auch mit Gelenkerkrankungen verwechseln.
Bei der Todesfeststellung verläßt man sich ohnehin nicht auf ein Phänomen, sondern prüft i.d.R., ob mehrere sichere Todeszeichen (Starre, Flecken und evtl. Verwesung oder Vergleichbares) vorliegen. Die Totenstarre muß auch nicht unbedingt wie im Lehrbuch an Kiefer- und Nackengelenk in 30 - 60 Min. beginnen, insofern sollte man auf Nummer Sicher gehen.

DerBlinde
30.03.2003, 23:35
Bei längerem Nachdenken finde ich es sogar gut, daß die RTW-Besatzung die Rea begonnen hat! Und erst bei Eintreffen des NA dann weitere Maßnahmen abgebrochen wurden. Gerade für die Angehörigen. Überleg mal, die wären reingekommen, hätten den "Patienten" angesehen und gesagt: "Ach ne, der ist ja schon tot! Sry, kann man nichts machen!" Und sich dann erst mal ne Zigarette angezündet...
Gut, daß war jetzt übertrieben dargestellt, aber ich glaube, es ist klar geworden ;)

RS-USER-DerDings
31.03.2003, 00:19
na ja... wenn wir schon annahmen über solche umgangsformen äußern könnte ich auch sagen das es besser ist wenn sie nicht reanimieren als wenn dann der NA reinkommt und die RS zusammenschnauzt wieso sie die ausrüstung an solch einen hoffnungslosen versauen...

ernsthaft - ich hätte genauso mit der ReA begonnen, eben weil die sache mit den Todeszeichen für mich nicht geklärt ist. aber rein emotionell betrachtet finde ich es falsch. das rettungsdienstpersonal verhält sich ja (hoffentlich) nicht wie die a****löcher in deinem beispiel, zivilisierte umgangsformen sind ja nicht ein privileg das nur ärzten vorbehalten ist...


und da will ich noch was sagen. wenn ein patient tot ist, dann ist er tot, da kann man nichts machen (hmm, klingt irgendwie blöd bei einem ReA thread, nicht ??? ich hoffe ihr versteht was ich meine), ich hab ja auch schon erlebt das der NA zeitgleich mit dem RTW eingetroffen ist und den patienten für tot erklärt hat und nicht erst noch 5min reanimiert, nur damit er sich besser fühlt...

RS-USER-DerDings
31.03.2003, 00:31
Original geschrieben von Schädelspalter
Sontan fallen mir da Kontrakturen insbesondere bei pflegebedürftigen Menschen ein sowie Erkrankungen des motorischen Teils des Nervensystems wie z.B. Morbus Parkinson (hier "wachsartiger" sogenannter Zahnrad-Rigor).

das sind jetzt doch aber alles krankheitsbilder die nicht über nacht auftreten und über die anwesende verwandte bescheid wüßten. bis auf die muskelstarre bei unterkühlung kenne ich aber keine plötzliche steifheit die in einem kurzen zeitraum ausbrechen kann.
dadurch könnte man in einer situation wie oben beschrieben (verwandter der auskunft über mögliche krankheiten geben kann, unterkühlung ausgeschlossen) doch auf ein sicheres todeszeichen schließen ????

medichater
31.03.2003, 10:42
Naja also wie ich den Fall sehe, hätten die RS durchaus auf eine CPR verzichten können!

Es gibt ja die 4 klassischen Kontras für eine CPR:[list=1] Kein Eigenschutz gewährleistet
Karotispuls ist bei ausreichender Frequenz da
Verletzung, die mit dem Leben unvereinbar sind (Kopf ab, etc.)
Sichere Todeszeichen vorhanden
[/list=1] Von Rechtswegen darf nur ein "Vollapprobierter" die Anordnung zur Unterlassung der CPR geben und den Tod feststellen. RA/RS müssen also von rechts wegen zunächst zügig mit der CPR beginnen! Bei den Kontras 1 u. 2 verbietet sich aber eine CPR für jeden. Bei 3 u. 4 darf und sollte die Entscheidung schon von den RD'lern getroffen werden.

Der NA darf auch bei weiteren Fällen eine CPR abbrechen, so z.b. bei Krankheiten im finalen Stadium (noch nie erlebt hab).

Chata

RS-USER-Matze
31.03.2003, 13:20
Mhhh, das ist ein Fall, bei dem es sicher auf die Situation ankommt. Wenn, und nur genau in o.g. Fall, die Angehörigen in dem Moment, wo ich reinkomme, noch nicht selbst begriffen haben, dass der Patient tot ist, werde ich ihnen keinen langen Vortrag über sichere und halbsicher Todeszeichen halten sondern eben mit der Rea beginnen. Den Schuh, hier evtl. einen falschen Eindruck durch das unterlassen jeglicher Maßnahmen zu erzeugen würde ich mir nicht anziehen...

Wenn ich allerdings reinkomme, der Patient schon lila Flecken hinterm Ohr oder an der unterseite der Arme hat dürfte es eigentlich auch den Angehörigen leicht verständlich sein, dass hier bereits vor längerer Zeit der Tod eingetreten ist.

Gruß, Matze

RS-USER-Schädelspalter
31.03.2003, 22:04
Original geschrieben von Vincent
das sind jetzt doch aber alles krankheitsbilder die nicht über nacht auftreten und über die anwesende verwandte bescheid wüßten. (...)
(verwandter der auskunft über mögliche krankheiten geben kann, unterkühlung ausgeschlossen) doch auf ein sicheres todeszeichen schließen ????
Wenn Du Dich darauf verlassen willst... In so einer Situation (fehlender Carotispuls etc.) wird die Fremdanamnese wohl eher kurz ausfallen, sofern der Sohn überhaupt dazu in der Lage ist.
Außerdem gibt es einige wenige (wahre) Meldungen über falsche Todesfeststellungen aufgrund nicht korrekt durchgeführter Leichenschauen. Mit der ReA zu beginnen, bis der NA da ist, ist m.E. hier klüger, denn dumm gelaufen ist und bleibt halt dumm gelaufen... Und ein RA, der "die RS zusammenschnauzt wieso sie die ausrüstung an solch einen hoffnungslosen versauen", sollte dringend zum Psychiater oder wenigstens mal mit seinem Frisör über seine Probleme sprechen :rolleyes:

Luas
01.04.2003, 10:24
Also für mich gibt es nur einen Grund nicht anzufangen: Ich bin mir sofort sicher, daß der Patient tot! Wenn ich anfangen muß zu überlegen oder die Angehörigen zu befragen, dann fang ich lieber an, da bin ich für mich auf der sicheren Seite. Ich laß mir doch kein Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung anhängen, nur weil ich den Angehörigen was gutes tun wollte.
Versteht mich nicht falsch, wenn ich den Angehörigen helfen kann, dann tu ich das, die sind mir ja nicht egal (sonst hätte ich wohl den falschen Beruf und das falsche Studium), aber das ist für mich eine Frage des Selbstschutzes, und der geht vor (bin nämlich ein Egoist)

RS-USER-DerDings
01.04.2003, 13:58
also, ich hoffe schon das du die verwandten nach medikation und erkrankungen fragst... und wenn auch nur um dem NA später möglichst viele infos geben zu können, einen gewissen Überblick über die Situation sollte man sich bewahren und nicht blind über den Patienten herfallen.

Blödes Beispiel: stell dir vor der Patient hat osteoporose, ob du es weißt oder nicht ändert zwar nichts am ergebnis für den patienten, aber sobald die Rippen unter der HLW krachen, würd's dir mit dem vorwissen sicher leichter fallen.

DerBlinde
01.04.2003, 21:55
Wieso fällt es leichter, wenn man von der Osteoporose weiß bei einer Rea? :confused: Wenn Du das wegen Folgeschäden meinst, die ssind dann eh Problem in der Klinik...
Zumal man davon ausgehen kann, daß so ziemlich jeder ältere Patient Osteoporose hat.

RS-USER-DerDings
02.04.2003, 01:14
ist 'nem bekannten von mir passiert. patient mit fortgeschrittener osteoporose: rea. sämtliche rippen + sternum gebrochen. war kein angenehmes gefühl für ihn - bis er von der fortgeschrittenen osteoprose erfahren hat.
mir gehts hier nur darum das man auch bei einer rea sich einen überblick über die krankheitsgeschichte des patienten machen sollte. fragen kostet nichts und dauert nicht lange - außerdem sehe ich eine meiner "pflichten" als sani immer noch darin, den ärzten soviel infos über den patienten zu liefern wie nur möglich...