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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : 2. Versuch eines Kurzromans / Praktikanten



GSchimmy
08.04.2003, 13:05
Praktikanten

......“Warum hatte der Rettungsassistent grade auf Schwester Ulla`s Bereitschaftsdienstzimmer angerufen um mich zu erreichen?“ fragte sich Dolor, nachdem er durch das schrille Klingeln unsanft von einer weiteren intravaginalen Chromosomenapplikation abgehalten wurde. Noch während er den Fersenriemen der Einsatzbirkenstöcker ordnungsgemäß anlegte und den Einsatzkittel ( Schutz-kleidung muß ja schließlich sein ) überzog, wurde der in ihm keimende Verdacht zur Gewissheit.
Nein, er wurde nicht observiert, auch entwickelte er keine Paranoia, die neue Telefonanlage des Krankenhauses war schuld. Rufnummernübermittlung heißt das Zauberwort. Er muß zukünftig vorsichtiger mit seinen Telefonaten sein, ermahnte sich Dolor innerlich, während er gemessenen Schrittes in Richtung NEF ging.
Früher war doch alles besser, da wurden die Patienten noch zu den Ärzten gebracht und nicht umgekehrt, es gab nur eine Maxime im Rettungsdienst. „Load an go“ und immer den Patienten im Mittelspiegel beobachten, denn man fuhr ja noch alleine, „Spiegelrettung“ halt........und natürlich keine Rufnummernübermittlung.
Dem frisch von der Schule kommenden NEF-Assistenten war die Aufregung buchstäblich ins Gesicht geschrieben und er beging den Kardinalfehler die rosige Gesichtsfarbe von Dolor ebenfalls auf den, mit einsetzen des Alarmtons des Piepers, auftretenden Adrenalinschub in Verbindung zu bringen.
Ein Umstand der die Laune Dolor`s von noch relativ gut in ziemlich schlecht umschlagen ließ, zumal er seine Volumentherapie bei Schwester Ulla nicht abschließen hatte können. Auch ärgerte ihn, dass das zunehmende Alter und die damit einhergehende Schwerpunktverlagerung der Körpermasse in Richtung Abdomen, sich in Tateinheit mit einer ausgeprägten Hypertonie äusserten und Schwester Ulla ihn manchmal, wenn sie ihn ein bisschen necken wollte, zärtlich „Addi“ ( Annahme d. Autors: von Adipositas ) nannte.
Alles Dinge die der Assistent nicht wissen konnte, aber ihn würde die volle Wucht des aufgestauten Zorns zu gegebener Zeit noch treffen. Völlig grundlos, aber dafür umso gnadenloser.
Erst als das NEF kurz vor der Einsatzstelle war bemerkte Dolor eine heißen feuchten Atem im Haaransatz des Nackens und durch das herunterklappen der Sonnenblende konnte er verifizieren, das noch ein Praktikant auf dem Rücksitz kauerte.
Seine Stimmung besserte sich schlagartig, als er erkannte das es eine Praktikantin war, die da, vor Aufregung bleich, schon fast hyperventilierte. Ob es an ihrer mangelnden Einsatzerfahrung oder am Fahrstil des Assistenten lag blieb Dolor verborgen.
Ahh, ein scheues junges Reh ...........der Jäger in ihm erwachte.
Es gibt Dinge die werden sich nie ändern und Dolor erlag jedes Mal seiner archiaischen Programmierung, wenn es darum ging seinen, wenn auch unvollständigen Chromosomensatz, möglichst weit zu verbreiten.
„Was liegt denn überhaupt an?“ fragte Dolor den Fahrer.
„033 mit 031 auf der BAB“ antwortete der Assistent überrascht.
Auch wenn Dolor die Polizeikürzel nicht unbedingt geläufig waren, übersetzte er es für Praktikantin um Pluspunkte zu sammeln.
An der Einsatzstelle angekommen stellte sich eine Lage dar wie Dolor sie liebte.
Jupp van der Tulpjes hatte sich wohl grade einen Kaffee eingeschenkt als er mit seinem 40 Tonner etwas auf den Seitenstreifen kam und das dort abgestellte und vorschriftsmäßig abgesicherte Pannenfahrzeug übersah.
Wer dieses ungleiche Duell verlieren würde war schon vorher klar. Dumm nur, das der Fahrer des PKW nicht hinter der Leitplanke auf den ADAC ( polnisch für „gelber Engel „ ) gewartet hatte, sondern im Auto saß als der holländische LKW mit der mechanischen Kaltverformung des KFZ begann.
Ein kurzer Blick in den stark mitgenommenen PKW zeigte, das von dem Sicherheitsraum der Fahrgastzelle nicht mehr viel übrig war. Polytrauma !!!!!
Eine gebrochene Lenkradspeiche hatte den Brustkorb des Verunfallten partiell eröffnet und Dolor konnte ohne große chirugrische Eingriffe die Massage am offenen Herzen, seine Paradedisziplin, durchführen. Der Patient bekam das volle Programm. 2 großlumige Zugänge und initial 2 Liter Druckinfusion, Narkose, Intubation noch im Fahrzeug, Thoraxdrainage und wenn er rangekommen wäre hätte er auch noch einen Blasenkatheter gelegt. Dr. Dolor lief zur Höchstform auf.
Er arbeitete sich praktisch in einen Rausch der präklinischen Maximalversorgung hinein. Nicht das es noch einen Sinn gemacht hätte die Wiederbelebung durchzuführen, aber er war als Arzt doch verpflichtet das möglichste zu tun..................um bei der Praktikantin zu landen.
Die inzwischen eingetroffene Hubschrauberbesatzung des Christoph XY glaubte nicht was sie da sah. Waren sie es doch gewohnt von Dolor eher unter- und/oder maximal chirurgisch invasiv versorgte Patienten zu übernehmen. Nach 45 Minuten wurden die Reanimationsmaßnahmen abgebrochen.
Die Praktikantin bekam langsam wieder Farbe ins Gesicht und bei der redlich verdienten Zigarette bemerkte Dolor aus dem Augenwinkel wie sie ihn mit glänzenden Augen ansah. Kämpfte sie mit den eben gemachten Erfahrungen und Eindrücken, bedauerte sie das so sinnlos ausgelöschte Leben des Autofahreres?........Nein, er war sich sicher......er hatte es mal wieder geschafft, er war der Held für Sie, der Halbgott in weiß, sie blickte zu ihm auf und seine Chancen standen gut bei der anberaumten Einsatznachbesprechung in seinem Dienstzimmer die ihm bis jetzt noch verborgenen gebliebenen Körperregionen der kleinen Maus zu erkunden.
Der Dienst am Nächsten, das war es doch warum Dolor die Medizin zu seiner Lebensaufgabe gemacht hatte.

RS-USER-Speedy
12.05.2003, 00:46
Nachdem ich nach einem heftigen Lachanfall wieder zu Atem gekommen bin erstmal ein Lob an den Autor. Wieder eine gelungene Episode aus Dr. Dolors ereignisreichem Leben. :)

RS-USER-Finn
20.05.2003, 10:27
Und auch dieser Roman hat es in den Rippenspreizer.Artikelbereich geschafft! Vielen Dank, GSchimmy!

Gruss, Finn