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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Verdacht auf erweiterten Suizid



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RS-USER-Schädelspalter
11.05.2003, 21:17
Der Notruf kommt von einem Mann, der soeben von einer einwöchigen Geschäftsreise zurückgekehrt war. Er hat seine Frau soeben nicht ansprechbar im Schlafzimmer vorgefunden und seine 18 Monate alte Tochter liegt "wahrscheinlich tot" in ihrem Bett.
Weil er vermutet, dass seine wegen Depressionen in Behandlung befindliche Frau seine Tochter umgebracht haben könnte und sich dann selbst töten wollte, ist die Polizei auch unterwegs (also, fahrt vorsichtig, Jungs ;) ). Also: Verdacht auf erweiterten Suizid (schreckliches Wort).
Euer RTW ist zuerst da, NEF & Grün-Weiß kommen gleich.
Älteres Ein-Familien-Haus, wohl gerade außen renoviert, etwas außerhalb der Stadt, gute Wohngegend.
Der Mann öffnet mit einem Kind auf dem Arm die Tür und meint, seine Frau liege im Schlafzimmer.
Um wen oder was kümmert Ihr Euch zuerst?

RS-USER-Hoffi
11.05.2003, 21:24
Autsch schwere Frage!

Ich denke ich würde mir erstmal einen Überblick verschaffen, also beide angucken. Ich persöhnlich würde davon ausgehen, das es schon länger her ist und das man höchstwahrscheinlich eh keine Chance mehr hat, realistisch gesehen. Dann würde ich nach sicheren Todeszeichen gucken und hoffen das der NA bald kommt. Vielleicht schon mal nen EKG kleben, oder mit den Elektroden eine Ableitung machen, in der Hoffnung, das da noch Bewegung ist.

Ich kann kich zwar nicht festlegen, aber wahrscheinlich würde ich mit dem Kind anfangen, frag mich nicht warum, ist halt so.

RS-USER-DerDings
11.05.2003, 21:26
nun ja, ich schnapp mir das baby, BAk und erweiterte maßnahmen, meinen kollegen schicke ich nach oben zu der frau (Ich geh' davon aus das NA und ein 2. RTW mitalarmiert wurden).
Vom mann versuche ich herauszukriegen welche tabletten die frau zu hause hatte, er soll die packungen suchen (Alle medikamente) und versuchen mir zu sagen wieviele fehlen, liegen irgendwo noch leere alk flaschen herum... ach ja, auf äußer einwirkungen achten, würgemale z.b. oder kleine stichwunde die auf eine injektion hindeuten würde.
dann versuche ich vom mann noch zu erfahren wann & was denn so alles renoviert wurde und womit gearbeitet wurde

RS-USER-Schädelspalter
11.05.2003, 21:57
Das Kind zeigt keine Zeichen äußerer Gewalteinwirkung. Beim Entkleiden fällt auf, dass die Kleine steif ist und sich schon hellrote konfluierende, nicht mehr vollständig wegdrückbare Flecken am Rücken gebildet haben. Das Kind ist ca. 20-25 Grad C warm (die Wohnung ist gut geheizt, es ist Spätherbst).

Der Mann (ca. 45 Jahre, laut Klingelschild Dr.) sagt, seine Frau (31 Jahre) habe immer was zum Einschlafen im Nachtschrank, ihre Medikamente holt er aus der Küche.
Die Frau liegt in der stabilen Seitenlage auf dem Bett, etwas nicht mehr ganz frischer grünlicher Schleim findet sich auf dem Kopfkissen. Die Frau atmet mäßig tief ca. 8x pro Minute, keine Zyanose, warme mäßig feuchte rote Haut.
HF: ca. 80 (arrythm.), O2-Sättigung 100%, RR 100/65.
Keine Reaktion auf Ansprache, auf Schmerzreiz ungezielte Streckreaktion und einen leisen Schmerzlaut, öffnet die Augen nicht.
EKG zeigt einige ventrikuläre Extrasystolen.

Auf dem Nachtschrank liegt eine Packung Oxazepam, halbleer, sowie ein Glas Wasser. Der Mann kommt mit einer Großpackung Lithium, nicht mehr viel drin.

Polizei und NA sind inzwischen da, man kümmert sich beruhigend um den völlig aufgelösten, weinenden Mann (Zureden). Er habe Eheprobleme gehabt, aber seine Frau sei die letzten 2 Jahre immer psychisch stabil gewesen. Er ist fassungslos, dass sie so schnell wieder einen Schub ihrer Depression oder Manie bekommen konnte. Darauf habe vor seiner Abreise nichts hingedeutet, sie hat sogar noch bei den Umbaumaßnahmen zur Wärmedämmung mitgeholfen, was sie sicher nicht getan hätte, wenn sie dann schon depressiv gewesen wäre. Vielleicht hat sie herausbekommen, dass er eine Geliebte hat und dann... Dann ist vor Weinen nichts mehr herauszubekommen.

Verdachtsdiagnosen (Kind, Mutter)?
Differentialdiagnosen?
Weiteres Vorgehen?

RS-USER-DerDings
11.05.2003, 22:11
Ich vermute immer noch einen Zusammenhang mit der Sanierung/Wärmedämmung... mit was für Materialien wurde da gearbeitet ?? (Ich kenn mich eben nicht so aus, wäre ich technisch versiert würd' ich ja wohl nicht medizin studieren ;))

Andererseits wieso dann das Kind ? Gestillt wird's wohl nicht mehr mit 18 Monaten...

Abgesehen davon das ich nicht viel mehr über Lithium weiß als das es müde mach, gegen Depressionen verschrieben wird und Nirvana ein Lied darüber geschrieben haben denke ich mal das es nichts mit dem Lithium zu tun hat, Selbstmörder schlucken doch schon eher die ganze Packung...

Also, wie gesagt ich Tippe auf einen Zusammenhang mit der Sanierung...

DerBlinde
11.05.2003, 22:15
Hmmm, das Kind ist sicher tot. Fraglich ist die Ursache. Hellrote Flecken klingen für mich jetzt nicht unbedingt nach Totenflecken, wobei es auch noch recht frisch sein könnte. Deswegen muß man IMHO auch eine CO-Intox oder Zyankali im Hinterkopf behalten.
Zur Frau: Intox mit Benzos und Lithium möglich. Besonders auf Herz (Rhythmusstörungen) aufpassen und später in der Klinik auch besonders auf die Niere.
Ich finde, man darf auch nicht die Möglichkeit eines Kapitalverbrechens mit dem Mann als Täter ausschließen!

RS-USER-Schädelspalter
11.05.2003, 22:52
Original geschrieben von DerDings f.k.a.V. ;)
Ich vermute immer noch einen Zusammenhang mit der Sanierung/Wärmedämmung... mit was für Materialien wurde da gearbeitet ??
Nicht schlecht. Aber mit was für Materialien? Keine Ahnung!

Andererseits wieso dann das Kind ? Gestillt wird's wohl nicht mehr mit 18 Monaten... Gestillt wurde es nicht mehr (und seit 1-2 Tagen sicher nicht mehr). Vielleicht hilft der Tip, daß es hellrote Flecken sind, die auf starken Druck mit dem Fingernagel gerade noch wegdrückbar sind. Übrigens hat das Kind auch keinen Puls, keine Sättigung im Pulsoxymeter, keine Atmung und weite, entrundete Pupillen sowie eine grünliche Verfärbung im rechten Unterbauch.

Abgesehen davon das ich nicht viel mehr über Lithium weiß als das es müde mach, gegen Depressionen verschrieben wird und Nirvana ein Lied darüber geschrieben haben denke ich mal das es nichts mit dem Lithium zu tun hat, Selbstmörder schlucken doch schon eher die ganze Packung...
Komisch, nicht wahr? Der Unfallchirurg, der heute übrigens NEF fahren darf schaut der Frau auch in die Augen und stellt mäßig weite, auf Licht verspätet reagierende, seitengleiche Pupillen fest. Kein Zeichen äußerer Gewalteinwirkung.
Die Atmung wird übrigens in unregelmäßigen Abständen mal vertiefter, mal flacher.

Vielleicht sind sie in der letzten Woche erkrankt oder haben sich gegenseitig mit irgendwas infiziert? Fieber hat die Frau übrigens nicht, aber wohl eine Exsikkose. Bei der Untersuchung fällt auch Urinabgang ins Bett auf (riecht schon etwas).

Was macht ihr denn mit der guten Frau?
Immerhin habt ihr schon ein paar Befunde. Besteht denn dringender Handlungsbedarf? Was spricht für ein Gewaltverbrechen, was für eine Intox., was für einen Unfall oder was auch immer?

RS-USER-DerDings
11.05.2003, 22:57
Tja, ab hier muß ich passen... in ein paar semestern, wenn ich patho hinter mir habe mach ich vielleicht weiter ;)

wenn der blinde nichts mehr loswerden will, bitte ich um auflösung (Ist ja wie ein krimi, vor dem ende geh' ich bestimmt nicht schlafen :D)


Wenn's was mit dem Lithium zu tun haben sollte (Frage and den NA) fänd' ich das ganze schon etwas ungewöhnlich und würde ein Gewaltverbrechen nicht unbedingt ausschließen.

RS-USER-Schädelspalter
11.05.2003, 22:59
Ich habe gerade minen 100. Beitrag geschrieben und festgestellt, dass ich jetzt in die Top Ten gerutscht bin. Das ist doch gleich ein doppelter Grund zum Feiern! :D

Was ich noch vergessen habe:
Soll man was gegen die Arrhythmien geben? Die Frequenz ist ja gut, die Atmung ca. 8/min (schwankend in Frequenz und Tiefe), aber die Sättigung anscheinend gut. Ein 12-Kanal EGK habt ihr noch nicht. Wollt ihr erst eins schreiben oder mit Koma unklarer Genese einfach in die Klinik? Wie eilig habt ihr es denn? Was könnte alles Ursache für das Koma sein?

RS-USER-Sani
11.05.2003, 23:03
hm..

also ich (wenn ich NA wäre) würde die Pat. intubieren, O2 is ja immer gut bei Extrasystolen...

evtl. Xylocain, wenn die Arrhythmie net besser wird...

und in die Klinik hätte ich es dann schon eilig...

märchenmond
11.05.2003, 23:42
also...

ich bin auch aus einer ortstelle in nö..

und ich kann nur sagen...
unser gut ausgebautes ortstellensystem schlägt das first responder system um längen...

:cool:

ich werde nächstes jahr die ausbildung zur naw sanitäterin beginnen..
und dann kann ich meine notfallkompetenzen amchen und bin dann hochqualifiziert UND schneller als ein first responder...

;)

RS-USER-DerDings
11.05.2003, 23:49
uhm... toll das deine ortstelle eine bessere arbeit leistet als ein first responder system - das ist auch so gedacht...

das du schneller sein wirst als ein first responder auch gut... aber wenn du dann auch immer an den falschen ort fährst bringt das leider gar nichts ;) (dieser thread ist das trainingscenter - den thread "First responder" hast doch sogar du selbst aufgemacht... da gehört dein post hin)

ansonsten - grüße nach Nö

RS-USER-Schädelspalter
11.05.2003, 23:58
Lidocain (1,5 mg/kg) ist der Klassiker, Ajmalin und Amiodaron kommen danach in Frage - muß hier m.e. aber nicht unbedingt sein, die VES werden ja gut toleriert.
O2 ist sehr gut!
Eilig sollte man es schon haben, auch wenn die Situation nicht in den letzten 5 Minuten entstanden ist.
Befunde habt ihr gut erhoben, aber die Patientin hat eigentlich noch nichts von Euch gehabt...
Hat jemand einen Zugang gelegt?
War der Blutzucker von Interesse?

Suizid wäre ungewöhnlich, weil man dann eher alles nimmt, was im Haus ist. Lithium macht jedenfalls Elektrolytstörungen, weil es sich ähnlich wie Natrium verhält.
Gewaltverbrechen ist möglich, auch wenn der Mann vielleicht nicht gerade Apotheker, Biochemiker, Arzt oder Chemiker ist.
Die Baumaßnahmen sind indirekt schuld - CO-Vergiftung war es dann auch.

Das Haus wurde mit Gas beheizt. Bei unzureichender Wartung erhöht sich der CO-Ausstoß durch unvollständige Verbrennung. Wenn es zugig ist, fällt das meist nicht auf. Aber durch die Bauarbeiten (neue Fenster, Wärmedämmung,...) wurde das Haus und damit die CO-Quelle gut abgedichtet.
Das Kind starb vor ca. 12 Stunden, die Mutter wurde in der Nacht bewußtlos und wurde gerade rechtzeitig vom Ehemann gefunden.

Hellrote Leichenflecken kommen bei CO-Vergiftung (hohe Sättigung) und Kälte (Hb-Bindungskurve nach links verschoben) vor. Das Pulsoxymeter zeigt bei CO-Intox. max. Sättigung, was auch stimmt, aber eben nicht nur mit O2 gesättigt.

An dem Beispiel wollte ich zeigen, dass man sich nicht vom Wesentlichen ablenken lassen soll. Die Frau hatte Probleme mit der Atmung und dem Rythmus und dem Bewußtsein. Sie brauchte O2, Überwachung und weiterführende Diagnostik in einer Klinik. Um sie sicher hinzubringen wäre ein Zugang gut, eine grob orientierende Untersuchung (akute Lebensgefahr? Transportfähig?) und die Frage: "woran stirbt sie, wenn ich nichts mache?".

Zur Vollständigkeit die Symptome einer CO-Vergiftung, Therapie wäre O2, weil die CO-Hb-Bindung reversibel ist.

5-10 % eichte Einschränkungen des Visus
10-20 %Kopfschmerz, Mattigkeit, Unwohlsein
20-30 %Schwindel, BewustseinseinschränkungGliederschlaffheit und -lähmung
30-40 %Haut rosafarben, Bewußtseitsschwund,Atmung verflacht, Kreislaufkollaps
40-60 %tiefe Bewustlosigkeit, Lähmung,Cheyne-Stoke-Atmung
60-70 %tödlich in 10 min-1h
> 70%tödlich in wenigen Minuten

Der Blinde hatte die richtige Vermutung, ich freue mich schon auf das nächste Fallbeispiel, EKG, Rätsel oder was auch immer :)

DerBlinde
12.05.2003, 01:46
Original geschrieben von Schädelspalter
Der Blinde hatte die richtige Vermutung, ich freue mich schon auf das nächste Fallbeispiel, EKG, Rätsel oder was auch immer :)

War leider etwas verhindert... paar Probleme in der Klinik.
Aber danke für die Lorbeeren ;) Und das für einen kopflosen Chirurgen! :D Aber wie heißt es so schön?... No Brain! No Pain! :D :D

RS-USER-Feuerblick
12.05.2003, 13:59
Jipiiiiieeehhh! *herumhüpf*

Ich hab dieses letzte Fallbeispiel gerade erst gelesen, hätte aber klar auf die CO-Vergiftung getippt.... renoviertes Haus, Hautfarbe, Atmung der Dame...paßte alles zusammen!

Hmmmm, wo hab ich nur meine Unterlagen hingekramt? Würde auch gerne mal wieder etwas zum Knobeln geben...

Feuerblick

RS-USER-Schädelspalter
12.05.2003, 17:03
Original geschrieben von Feuerblick
Jipiiiiieeehhh! *herumhüpf*
Ich mache anderen gerne eine Freude :)

Dabei fällt mir ein, dass Sa(h)ni den sinnvollsten (und einzigen :( ) Therapievorschlag gemacht hat - also schwer zu sagen, wer als Nächste(r) dran ist. Wer zuerst kommt, rätselt zuerst, oder?

RS-USER-Matze
27.05.2003, 14:59
Zum CO-Intox, auf den ich neben der Suizid-Sache primär auch getippt hätte würde mir noche infallen, dass ich (und das hätte ich in der Situation sicher gemacht) zunächst mit allen Mann, incl. Frau und Ehemann, die Hütte verlassen hätte. Evtl. Feuerwehr dazu, bei CO-Konzentrationen irgendwo im Haus (müsste man messtechnisch belegen) besteht Brandgefahr! Ggf. könnte also der unbedacht betriebene Defi oder ein anderes elektrisches Gerät eine Zündung des Gas-Luftgemisches auslösen.

Und auch wenn hier im Hinterkopf Tötungs- und Selbstötungsdelikte rumschwirren: Sicherheit geht vor, und da gehört die Bude leer gemacht!

RS-USER-Schädelspalter
28.05.2003, 13:18
Original geschrieben von Matze
bei CO-Konzentrationen irgendwo im Haus (müsste man messtechnisch belegen) besteht Brandgefahr! Ggf. könnte also der unbedacht betriebene Defi oder ein anderes elektrisches Gerät eine Zündung des Gas-Luftgemisches auslösen. Das ist mir neu. Ich dachte, CO ist nicht brennbar und nicht explosiv? Umgekehrt ist das klar: wo Brand, da auch CO... Ab wann wird die Explosionsgefahr denn relevant?

RS-USER-Obelix
28.05.2003, 13:51
Original geschrieben von Schädelspalter
Das ist mir neu. Ich dachte, CO ist nicht brennbar und nicht explosiv? Umgekehrt ist das klar: wo Brand, da auch CO... Ab wann wird die Explosionsgefahr denn relevant?
CO ist auf alle Fälle brennbar!!! Brennt mit bläulicher Flamme. Und alles was brennbar ist, kann auch explodieren.
Nicht mit CO2 verwechseln. Das ist nicht mehr brennbar. Ist auch das Produkt bei der CO Verbrennung. (Wer hätte es gedacht).

RS-USER-Sventilator
28.05.2003, 13:55
der Kohelnstoff kann doch 2 Sauerstoffatome (1 Saurstoffmolekül O2) binden. Sprich beim CO ist noch ein Ärmchen frei für ein O und das will es auch gerne besetzt haben. Wenn das ganze dann etwas flotter geht dann knallt es :D:D:D

Alles etwas einfach ausgedrückt, hatte nur Chemie Grundkurs in der Schule und das ist auch a bisserl her:D