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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : ...da ist alles voller Blut!



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RS-USER-Feuerblick
22.04.2003, 10:15
Hallöchen!

Wir hatten gestern einen ausgesprochen unappetitlichen Einsatz, den ich Euch gerne mal als Fallbeispiel hier vorstellen möchte....auch, weil mich interessiert, was ihr gemacht hättet (besonders auch den Blinden hätt ich gerne mal gehört, weil es ein wenig in sein Fachgebiet fällt....:D ).

Aaalsooo....: Ihr meldet Euch nach einer ambulanten Behandlung/Fehleinsatz wieder frei (RTW und NEF) und bekommt von der Leitstelle hektisch das Einsatzstichwort "Chirurgischer Notfall in R." (das ist ca. 6 km entfernt von eurem jetzigen Standort). Leider bekommt ihr keine weiteren Angaben zu Art des Notfalls. An der Einsatzstelle rufen euch völlig dekompensierte Angehörige zu "Schnell, schnell, es geht um Sekunden, da ist alles voller Blut, der stirbt!". Ups...okay, ihr beschleunigt euren Schritt treppaufwärts etwas mehr als üblich.

Folgendes Szenario bietet sich im Wohnzimmer des Patienten: Der Pat., 34 Jahre, liegt mit T-Shirt und Unterhose bekleidet blutüberströmt auf dem Boden in einer Blutlache. Neben ihm kniet sein Vater, der mit bloßen Händen auf eine 10 cm breite Wunde am Hals des Patienten drückt. Er habe seinen Sohn aus dem Badezimmer kommen und sofort umfallen sehen und hätte ziemlich schnell die Wunde komprimiert, teilt er euch mit.
Der Pat. indes ist nicht ansprechbar, zeigt Schnappatmung.
Okay, dann legt mal los! Mich interessiert jegliches Vorgehen und ich werde mir Mühe geben, Euch weitere Infos möglichst schnell zu geben...

Liebe Grüße
Feuerblick

RS-USER-Hoffi
22.04.2003, 12:45
Des ist übel...

So schnell wie möglich die Wunde verbinden (aber nicht zu fest, ich glaube das ist am Hals net so gut...), Kreislaufwerte erfassen (RR, SpO2, EKG), Absaugbereitschaft herstellen und die Intubation vorbereiten...

RS-USER-Schädelspalter
22.04.2003, 13:02
Oha, das sieht übel aus. Ich schließe mich Hoffi an. Auf jeden Fall auch ein paar möglichst große Zugänge und dann 1l HES und Ringer, Jono usw. was das Zeug hält.
Um sich mal einen Überblick zu verschaffen, wie ist das denn passiert? Suizid? Unfall?
Welcher Art ist denn die Blutung (arteriell?), wie tief ist die Verletzung, welche Strukturen sind denn nach erstem Augenschein verletzt?

RS-USER-Matze
22.04.2003, 13:03
Mhhh, dann auch gleich mal zwei bisd drei dicke Zugänge, HAES und NaCL, weiter die Wunde komprimieren. Frage zum Hintergrund. Unfall oder Suizidversuch? Wenn letzteres, schnell mal abchecken ob evtl auch Medis ím Spiel sind. Wie weit ist das nächste KH mit Chirurgie?

RS-USER-Feuerblick
22.04.2003, 14:31
Ui...kaum ist man mal kurz weg...

Also, das sind die initialen Kreislaufwerte:

RR 90 mmHG systolisch
SpO2 um die 90
HF 120, EKG zeigt Sinusrhythmus
GCS 3

zwei Zugänge (re. und li. Unterarm) orange (2,0) liegen, über einen läuft Haes, über den anderen NaCl (Ringer gibts auf unseren Autos nicht....). Der NA sucht nach weiteren Möglichkeiten... und legt zwei weitere Nadeln.

Inzwischen sind wir mit NA fünf Leute vor Ort. Einer komprimiert weiterhin die Wunde, einer beatmet den Pat. mittels Beutel. Intubation ist gerichtet und wird durch den RettAss durchgeführt. Innerlich sind keine Verletzungen zu sehen.

Die Wunde ist etwa 10 cm breit, das Blut läuft massiv aus den kaputten Gefäßen sodaß wir leider nicht erkennen können, was alles kaputt ist. Zunächst scheint die Blutung ausschließlich venös zu sein, später wird klar, daß auch eine Arterie kaputt sein muß...
Wir gehen zu diesem Zeitpunkt von einem Suizidversuch aus, da der doch arg verstörte Vater des Patienten etwas in dieser Richtung äußert. Später findet sich im nebenan befindlichen Bad eine aus einem Rasierapparat ausgebaute Klinge und ziemlich viele Blutspritzer. Die Eltern berichten, der Sohn sei wegen Depressionen seit Jahren in Behandlung. Medis waren soweit absehbar nicht im Spiel.

Die nächste Chirurgie ist in etwa fünf bis zehn Minuten bodengebunden erreichbar. Allerdings ist das Treppenhaus zur Wohnung, durch das wir den Patienten bringen müssen, sehr sehr eng!

Und nu??

RS-USER-Hoffi
22.04.2003, 14:36
Im Zweifelsfall, wenn das Treppenhaus zu eng ist, die FW mit der Drehleiter kommen lassen und den Patienten aus dem Fenster hieven.

RS-USER-Feuerblick
22.04.2003, 14:52
Gute Idee...nur hätten wir dann den Pat. in einem unzugänglichen Hinterhof gehabt....die Treppe war quasi der einzige Ausweg...

Ach ja: zwei Haes und zwei Ringer sind inzwischen drin.
RR: 120 mmHg

Periphere Pulse sind sehr kräftig zu tasten!

Blickchen

RS-USER-Hoffi
22.04.2003, 15:00
Na dann nehmen wir doch die gute alte Schaufeltrage und zwängen uns die Treppe nunner.

RS-USER-Feuerblick
22.04.2003, 15:10
:D :D

Wir haben später das Tragetuch genommen, weil wir damit besser rangieren konnten...

Aber bisher können wir noch nicht los, weil der Kerl aus dem Hals so suppt und treppab das Komprimieren nicht wirklich effektiv wäre...

RS-USER-Hoffi
22.04.2003, 15:13
Ich glabe nen Druckverband ist nicht so angebracht am Hals oder? :D

Ist ne verrückte Idee, aber vielleicht nen Verband mit nem Stifneck drandrücken, das das nicht so suppt?

RS-USER-Matze
22.04.2003, 16:15
Hatte der Patient noch Puls, als ihr unten wart? Ich würde in diesem Fall vorschlagen, die Chirurgie des nächsten KH entsprechend vorab zu informieren, die Docs direkt ind en OP (oder Schockraum) und dringlich vernähen.

Evtl, falls abgenommen, NEF mit Kreuzblut vorweg.

Mehr geht imho net. Weiter komprimieren und ab mit dreimalwahnsinniger....

DerBlinde
22.04.2003, 17:31
Jo, das ist ein netter Fall (und genau mein Bereich ;)). Habe schonmal so eine Patientin kurz vor Weihnachten gehabt. Kann ich späte rmal erzählen.
Druckverband geht erstmal nicht, da man dann auch die andere Seite komprimiert und aufgrund des Sinus Valsalva der Druck dann doch recht rasch in den Keller geht. Einseitige Kompression ist richtig. Bei dem Patienten auch natürlich Intubation und viel Volumen. Kreuzblut vor Ort ist sicher auch keine schlechte Idee, weiß ich aber nicht, wie gut sich das realisieren läßt. Fazit ist auf alles Fälle, daß der Patient so schnell wie möglich in die Gefäßchirurgie muß (egal ob mit oder ohne Herz ;)). Da vor Ort nicht abzuschätzen ist, ob die Blutun rein venös oder auch arteriell ist (aufgrund der fehlenden Klappen in dem Bereich pflanzt sich der Vorhof-Druck sehr gut fort. Andererseits besteht auch die Gefahr einer Luftembolie bei negativem Vorhofdruck. Deswegen würde ich den Patienten nicht unbedingt mit OK hoch lagern, eher liegend. Sonst könnt ihr echt im schlimmsten Fall an die Maschine gehen, weil er bei massiver Luftembolie seine Lunge abhängt). Gleichzeitig besteht die Gefahr von Nervenläsionen in diesem Bereich (Vagus, Glossopharyngeus, Recurrens, etc.) Wobei bei fehlenden Tachyarrhythmien ich jetzt nicht primär von einer Verletzung des Vagus ausgehen würde. Aber man weiß das ja immer erst intraop.
Anmeldung in der Klinik ist absolut notwendig, denn der Patient sollte ssofort direkt in den OP. Cellsaver, großer Sauger und sicher 8/0 Konserven (0 neg).
Vor Ort kann man sicher nicht allzuviel machen. Kreislauf versuchen so stabil wie möglich zu halten, Blutung komprimieren. Da es sich um einen relativ jungen Patienten handelt, muß man sich aufgrund noch guter Kollateralen keine zu große Sorge um die Hinrdurchblutung machen. Dennoch würde ich Trap zur Senkung des Hirnstoffwechsels vorschlagen. Viel mehr kann man vor Ort IMHO nicht machen.

rettungsküken
30.10.2003, 13:57
Is vielleicht schon ziemlich lange her, aber - hat der das überlebt?
Würde mich mal interessieren.....
Lg
Küken

silver tabby
15.03.2004, 11:29
Ist jetzt noch länger her, aber stimmt Küken!
Lebt er noch???

RS-USER-Feuerblick
15.03.2004, 13:14
Hi!

Ich war fest der Meinung, daß ich den Ausgang der ganzen Sache noch hier gepostet hätte... scheint nicht so zu sein...

Okay, dann aber jetzt:

Der Patient wurde von uns per Tragetuch in den RTW gebracht und los ging´s mit Gedöns in Richtung Uni. Auf der Fahrt ins KH wurde er leider reanimationspflichtig und ist dann in der Notaufnahme verstorben. Für mich heute noch ein Wunder, daß er´s überhaupt bis dahin überlebt hat. Wobei ich immer noch der Meinung bin, daß er´s geschafft hätte, wenn er weiterhin bewußtlos geblieben wäre und nicht plötzlich gegen den Tubus gewürgt hätte. Dadurch flog die bis dahin gut sitzende Klemme ab und danach haben wir die Blutung leider nicht mehr unter Kontrolle bringen können.
Die nachfolgende Obduktion hat -kurz gefasst- ergeben, daß er sich alles durchgesäbelt hatte, was man in diesem Bereich an Gefäßen durchschneiden konnte. Also eine sehr gründliche Arbeit und insofern vielleicht besser, daß er nicht überlebt hat. Denn wer so gründlich arbeitet, der WILL sterben und ich denke, der darf es dann auch, oder?

War insgesamt nicht wirklich ein schöner Einsatz, der einem glücklicherweise auch nicht jeden Tag passiert. Aber seither bin ich bei chirurgischen Einsätzen wesentlich ruhiger, weil ich weiß, daß es schlimmer schon fast nicht mehr kommen kann....:rolleyes:

Das Funkelauge

Venenverweilkanüle
30.03.2004, 19:34
ohje.. war sichelrich nicht besonders nett.... auch das Putzen hinterher...
das sind so die einsätze, die man nicht unbedingt oft haben muss...

RS-USER-Feuerblick
30.03.2004, 21:11
Putzen war für uns weniger das Problem....aber die Autos wieder aufzufüllen war Streß ;)

Nee, stimmt schon, war ein Einsatz, den ich sicher nie vergessen werde und der mir momentan im OP immer wieder einfällt, wenn ich das Blut rieche...:mad: Nochmal müßte ich das nicht haben, aber wenn es wieder passieren sollte, wäre es nicht mehr so schlimm wie beim ersten Mal.

rettungsküken
16.08.2005, 23:48
Ich heute auch... ich war kurz etwas schockiert, so viel Blut in einer Wohnung hatte ich bisher in meinem fast einjährigen FSJ- Dasein noch nicht bewundern dürfen...
Einweisung vom Hausarzt, Schädelprellung , bekannte Epileptikerin und Alkoholikerin.
Hausarzt machte sich grade aus dem Staub, als wir kamen, gehen in die Wohnung, sitzt die auf nem Stuhl, von irgendeiner Schwester ein bisschen festgehalten, aber tief bewusstlos, die war wohl die Mamortreppe runtergefallen, hat keiner wirklich gesehen, der ganze Boden voll mit Blut, teils schon Kloakel, das Blut tropfte munter die Treppe runter auf den Kellerfussboden... ich stand da wirklich kurz etwas pikiert. :-blush
Bei näherem Hinsehen kam das Blut aus der Nase ganz frisch, aus dem Ohr, aus einer Koplawu...
Wir wussten zuerst nicht, ob das Blut tatsächlich aus dem Ohr kommt oder nur darein läuft. Aber da kam immer wieder frisches raus, wie man im rtw genauer sehen konnte.
Also der Verdacht auf nen SchädelBasisBruch bestand, und unsere Ärztin Flugs den Christoph 2 geholt. Beim Beatmen durch den Tubus kam teilweise Blut durch den Tubus zurück, war echt heftig, die blutete wirklich
überall raus! :eek:
Ich denke, ich werd mich die nächsten Tage mal erkundigen, was aus der geworden ist, und was da nun alles kaputt war, es lässt mich ja doch nicht los.
Und richtig, die Saubermacherei vom RTW war auch mit das Ekligste, wir waren komplett zerschossen! :-p
Und ich glaub, ich rieche den Blutgeruch morgen noch...

RS-USER-DocMezzoMix
17.08.2005, 09:57
Und, den Hausarzt mal angerufen und gefragt, ob er sie noch alle hat?
Bewußtlos und sitzend sind ja schon ein paar Dinge, die nicht zusammen passen...
Wird Zeit das in D mal sowas wie ein Kontrollorgan für Ärzte eingeführt wird, die, nachdem sie die relevanz und richtigkeit der Beschwerde geprüft hat, mal ermittelt und dem Arzt eins auf die Nuschel gibt.

Gruß der dMM
(der manchmal, aber nur manchmal, den Angehörigen so ein bis zwei Hinweise gibt ;) )

Intensivling
17.08.2005, 11:29
Original geschrieben von DerBlinde
Dennoch würde ich Trap zur Senkung des Hirnstoffwechsels vorschlagen. Viel mehr kann man vor Ort IMHO nicht machen.

Trapanal an der Einsatzstelle ??? Böse Idee ... auch wenn es sicher hilft ....