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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Asylanten-Wohnheit



DerBlinde
03.04.2003, 21:19
OK, hier ein Fall, den ich in ähnlicher Form selber erlebt habe...

Alamierung des RD aus dem Asylanten-Wohnheit. Bei Eintreffen finden die Sanis eine sehr beleibte (BMI sicher 35 ;)) Frau von 61 Jahren im Bett liegend. Da die Familie aus Persien kommt und einer kleinen Volksgruppe mit eigenem Dialekt entstammt, muß der Sohn behelfsmässig dolmetschen. Die Frau ist verschleiert. Der Sohn wirkt aufgebracht und erklärt, seine Mutter hätte starke Schmerzen.

Dann mal viel Spaß! ;) :)

RS-USER-Claudi
03.04.2003, 22:17
na dann fang ich schon mal an zu fragen, bis die anderen kommen... :-p
Schmerzen wo genau? Lokalisierbar? Ausstrahlend? Welcher Art?
Wie lange schon die Schmerzen? Auslöser? Sonstige Symptome?

DerBlinde
04.04.2003, 00:15
Also der übersetzt, die Mutter hätte starke Schmerzen. Sehr starke Schmerzen. Aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse ist nicht herauszufinden, ob die Schmerzen ausstrahlen. Zur Lokalisation zeigt der Sohn auf die Mutter und aufgrund der Leibesfülle ist der "Schmerzbereich" irgendwo zwischen Brusthöhe und Becken anzusiedeln. Ausserdem wird er langsam aggressiv, denn die Mutter habe immernoch starke Schmerzen (dabei stöhnt die Patientin ein wenig) und die würden nicht durch doofe Fragen weg gehen. Man solle endlich der Mutter helfen!!
Währendessen erbricht die Mutter klare Flüssigkeit.

RS-USER-Sebastian1
04.04.2003, 09:15
Nochmal eine kurze Nachfrage vom AV-Block II....

wie differenziere ich denn Bspw AVII vom SSS, wenn der Sinusknoten ausgefallen ist und ich somit eine retrograde Vorhoferregung vorliegen habe? (Bin als Vorkliniker ned so EKG-bewandert ;-) ). Auch dann hätte ich ja eine Bradykardie, bei der die Vorhoffrequenz nicht über der Kammerfrequenz liegt. Würde dann die P-Welle im QRS-Komplex "verschmelzen"?

Gruß,
Sebastian

RS-USER-Claudi
04.04.2003, 19:55
Original geschrieben von DerBlinde
aufgrund der Leibesfülle ist der "Schmerzbereich" irgendwo zwischen Brusthöhe und Becken anzusiedeln...
Währendessen erbricht die Mutter klare Flüssigkeit.

na super... :-p
Das kann ja nahezu alles sein... angefangen vom V.a. Appendizitis über x mögliche internistische Erkrankungen - ggf. sogar was gynäkologisches, obwohl sie für die in Frage kommenden Diagnosen fast zu alt ist - aber nur fast.
Auf jeden Fall mal RR, PF, Temp-Kontrolle und den Bauch abtasten (wenn sie einen lässt ;) : Druckschmerz? Bretthart? Gebläht? Wie sieht sie sonst so aus? Verschwitzt? Gesichtsfarbe? Wie stehts mit der Atmung soweit o. k.??
Hm.... vorläufige Krankenschwesterndiagnose: Akutes Abdomen - am besten ab ins Krankenhaus zur abklärenden Diagnostik, woll?
Ansonsten Ruhe bewaren. In der Regel haben beruhigende Worte bei schlecht deutsch sprechenden persischen Söhnen keine oder gar gegenteilige Wirkung - meiner Erfahrung nach ;) )

DerBlinde
04.04.2003, 23:42
Ich gebe zu, die Geschichte ist ein wenig säuisch, mir persönlich aber in der Klinik passiert... akutes Abdomen als Verdachtsdiagnose ist in solchen Fällen nie verkehrt.

Also, die Frau läßt sich nicht abtasten, da es ihre Verschleierung und erst recht ihre Religion verbietet!
Die Schmerzen werden immer stärker, die Frau stöhnt, erbricht abermals klare Flüssigkeit. Die Gesichtsfarbe ist blaß (soweit bei Schleier beurteilbar), die Frau schwitzt. RR 180/90, HF 110. Temp (oral) 37.9°C. Atmung: tachypnoeisch mit 18/min.
Mittlerweile wird der Sohn ausfallend und schreit alle Anwesenden an, woraufhin die Patientin erneut anfängt zu stöhnen.
Nach erneuten eindringlichen Fragen läßt sich der Hauptschmerz unterhalb der rechten Mamma lokalisieren, strahlt aber wohl in den gesamten Bauchraum aus, da die Patientin starke Schmerzen überall angibt.

RS-USER-Claudi
05.04.2003, 13:10
Na - dann kann man doch wenigstens das eine oder andere ausschließen :-p .
Aber es kommt immer noch alles Mögliche in Frage. Der erhöhte RR und die erhöhte AF und PF können durchaus auch Ausdruck der Schmerzen sein. So ganz spontan würde ich auf eine Gallenkolik tippen (ist aber wahrscheinlich zu einfach, oder ;) ).

Ohne weitere Diagnostik kann ich da wirklich nicht viel zu sagen und da ich nicht dumm genug war Medizin zu studieren, muss ich das ja auch nicht wissen :D

RS-USER-Feuerblick
05.04.2003, 15:41
Puh, wie im richtigen Leben...

Hat die Dame Vorerkrankungen? Sowas vielleicht schon mal gehabt? Wann hat sie das letzte gegessen/ getrunken? Hat sie von Anfang an klare Flüssigkeit erbrochen oder kam auch was "Richtiges" raus? Wie oft hat sie erbrochen? Was ist mit Stuhlgang und Urin?
Grrrr.....der Sohn wird wohl noch ein paar Fragen beantworten müssen....

:D

Feuerblick

RS-USER-DerDings
05.04.2003, 17:05
was sagt uns das Pulsoxymeter ?
EKG wird man uns wohl nicht erlauben ?
Hat die Patientin "Rauschmittel" oder irgendwelche Kräuter/pflanzen zu sich genommen (reginonale bräuche)
Wie lange hat die Frau schon Schmerzen - sind sie plötzlich oder schleichend aufgekommen ?

Zur beruhigung des sohnes:
die eigenen hände auch während der Fragerei immer beschäftigt halten (z.B. oftmaliges blutdruckmessen), konzentrierte blicke auf's pulsoxy - versuchen ihm so klarzumachen das man sich jetzt um seine Mutter kümmert
- hoffen das es hilft :confused:

RS-USER-Claudi
05.04.2003, 17:37
[QUOTE]Original geschrieben von DerBlinde
[B]
Mittlerweile wird der Sohn ausfallend und schreit alle Anwesenden an...

sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit ist hier ganz bestimmt angezeigt ;) . Ob es was nutzt? Schätze, von einer Frau läßt sich der Sohn eh nichts sagen.
Wie sieht es denn mit Abhören und Peristaltik lauschen aus?
Keine Chance?

DerBlinde
05.04.2003, 21:38
Eine Patientin, die sich nicht untersuchen läßt, läßt sich in der Regel auch kein EKG kleben. Schade, die Frage kam etwas spät, sonst hätte ich noch etwas draus gebastelt ;)
Was macht man in einem solchen Fall? Man nutzt die Extremitätenableitungen! Deswegen heißen die so ;) Das EKG ist aber bis auf die Sinustachykardie unauffällig.
Claudi hat gut getippt :thumb up:. Ungefähre Schmerzlokalisation und die Körperfülle (Lebendwandel? ;)) sowie das Alter lassen eine Gallenkolik bei keiner relevanten Vorgeschichte vermuten.
Ich hatte damals die Patientin mit der Geschichte postoperativ nach AVCB (Aortocoronarer Venenbypass) auf meiner Station. Da lief dann natürlich ziemlich schnell ein Maximum an Diagnostik an, denn es könnte natürlich alles sein. In der Abdomenübersichtsaufnahme (wegen Verdacht auf Ileus) zeigten sich dann grosse schattengebende Steine in der Gallenblase. Sicher wäre ein Ultraschall gut gewesen, dazu hätte die Patientin aber ein wenig Haut zeigen müssen ;)
Der Grund, warum die Patientin andauernd erbricht, ist sicher einerseits die Kolik selber, andererseits hat die Familie (wie man im Nachinein erfahren konnte), die Mutter literweise mit klarer Suppe vollgestopft. Das war dann auch ein Volumenproblem ;)
Erhöhter RR und HF sind sicher schmerzbedingt.

Was vor Ort sicher wichtig ist:
Extemitäten-EKG
Zugang
Blut abnehmen! Bitte mit Laktat wenn möglich
Die Angehörigen beruhigen
Schneller Transport in die Klinik

Der Sohn tilte bei uns vollends aus und beschimpfte alle als Nazis, etc.

RS-USER-Claudi
07.04.2003, 12:23
@derBlinde
wie habt ihr eigentlich die Frau operieren können - in Einklang mit ihrer Religion und der Verschleierung? War bestimmt nicht unproblematisch, oder?

DerBlinde
07.04.2003, 14:15
Ja, war nicht einfach ;) Aber wir machen das Unmögliche möglich :D
Nein, ich weiß auch nicht, was die sich vorgestellt haben... :confused:

RS-USER-Sventilator
07.04.2003, 14:20
wahrscheinlich lief die OP nur mit verbunden Augen, gut gepolsterten Einmalhandschuhen und unter ständiger Aufsicht des Familienclans.

Aber so ist das nunmal wenn verschiedene Kulturen aufeinander treffen. Zu dem Thema ist in der aktuellen "Rettungsdienst" ein ziemlich interessanter Artikel drin.

Viele Grüße

Sventilator

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