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RS-USER-schmoelzi
03.07.2003, 12:05
Hi!

Hab ihr gestern vielleicht den Beitrag in Abenteuer Wissen auf ZDF gesehne, in dem es um die Ausstellung der Totenscheine und Gerichtsmedizin ging.

Ich hab ihn leider nicht von Beginn an gesehen, aber es ging darum dass Ärzte immer mehr gedrängt werden auf dem Scheine eine natürliche Todesursache zu bescheinigen und nicht ungeklärte Todesursache anzukreuzen. Gedrängt werden sollen die Ärzte von der Polzei (zu teuer, wozu soll ein 70jähriger obduziert werden, usw.) und den Angehörigen (muss mein Mann wirklich aufgeschnitten werden).

Es ging aber auch darum, dass bei langen Fahrten in die Gerichtsmedizin (immer mehr solche Abteilungen werden geschlossen) mögliche Todesdelikte ungeklärt werden, da die Beweise vernichtet werden. (Leichenstarre bricht, Todesflecken verschieben sich, ...)

Außerdem würde dann die Statistik der Tötungsdelikte steigen, wenn mehr ungeklärte Fälle obduziert werden. Bei mir Ö soll die Mordrate pro Kopf 4x so hoch sein, da jede Fünfte Leiche obduziert wird.

Wisst ihr von solchen Fälle, dass Ärzte zur Austellung einer natürliche Todesursache gedrängt worden sind. Bzw. wie geht ihr Ärzte hier im Forum mit solchen Fällen um?

RS-USER-Defi Brillator
03.07.2003, 12:16
Hatte mal sowas bei nem Einsatz:
Dicker VU, 1 Pat leicht verletzt, 1 Pattex (SHT 3.Grad), der NA wollte noch die Leichenschau vor Ort machen.
Also kreuzt er mal "Unnatürlicher Tod" an (jeder Unfalltod ist definitionsgemäß ja doch nicht natürlich... ;) )

Pol kommt an: "Können sie da nicht nen natürlichen Tod von machen?"
Rettungsteam: "?????....Ähh, bitte??"
Pol: "Ja gucken se sich den doch mal an, das ist ja wohl natürlich, daß man bei so schweren Verletzungen stirbt!"


... no further comment ....
(obwohl die Aussage an sich eine gewisse Logik in sich trägt :D )

RS-USER-fruehgriller
03.07.2003, 12:18
Also in unserem RD Bereich wird bei unklarer Sachlage Grundsätzlich die Pol dazu geholt, damit da nix übersehen wird. Ist zwar immer ein wenig aufwendig, aber bei Tod in Fremder Umgebung (Straße, andere Wohnung etc) oder unklaren Umständen bestehen unsere NA da drauf. Zurecht, wie ich meine.

Einer unsere NA, ein Langjähriger und sehr erfahrener NA hat vor Jahren einem Pat nach Rea am frühen Morgen (im Bad bei der Morgentoilette) natürlichen Tod bescheinigt (Vd a Infarkt). In der Leichenhalle ist den Bestattern dann das Toupet des verstorbenen Verrutscht, und mann hat den Kopfschuß gesehen. War ne sehr kleine Waffe, hatt aber gelangt.

Seither ist er bei der Leichenschau noch genauer.
Ist aber nicht wirklich ein vergnügen, einen Junkie der seit 3 Wochen im Hochsommer in der Whg liegt auf den Bauch zu drehen, wegen der Leichenschau:mad:

PS Hab den Bericht leider auch nur gegn Schluß hin gesehen, war aber sehr interresant.

RS-USER-schmoelzi
03.07.2003, 12:27
Klar ist es kein Vergnügen, das ist keine Totenbeschau.

Denoch ist sie wichtig, einfach zu wissen ob jetzt ein Mörder rumläuft oder ob mein Nachbar nicht mit dem Küchenmesser umgehen konnte (so als Beispiel).

RS-USER-Defi Brillator
03.07.2003, 12:33
Ich kenn ein paar NAs die prinzipiell kaum "natürliche Todesursache" ankreuzen, mit der Begründung, daß sie z.B. über Grundkrankheiten des Pat nicht bescheidwissen und den Vorteil haben, daß man sich in Niedersachsen nicht entscheiden muß sondern "ungeklärte Todesursche" ankreuzen darf... die Pol darf sich dann um alles weitere kümmern...

DerBlinde
03.07.2003, 16:42
Ich bin selber auch schon von Angehörigen massiv bedrängt worden meinen Schein mit "ungeklärt" in "natürliche Todesursache" zu ändern... Kommt vor. Und manchmal ist der Druck auch so groß, daß man es machen muß :rolleyes:

RS-USER-Cypher
03.07.2003, 18:30
Original geschrieben von DerBlinde
Ich bin selber auch schon von Angehörigen massiv bedrängt worden meinen Schein mit "ungeklärt" in "natürliche Todesursache" zu ändern... Kommt vor. Und manchmal ist der Druck auch so groß, daß man es machen muß :rolleyes: Ich erinnere mich ... Du erzähltest davon ...

RS-USER-Schädelspalter
04.07.2003, 15:49
Richtig ist, dass man mit dem Ankreuzen von "ungeklärt" einigen Aufwand auslösen kann. Das ist dann aber nicht mein Bier. Wenn ich den Patienten nicht lange auf seinem Weg in den Tod begleitet habe oder die Sache zu offensichtlich ist, müßte auf fast jedem Totenschein "nGw" stehen - nur Gott weiß. Was für eine andere Wahl hätte ich denn?
Wegsehen aus Angst, sich oder jemand anderem Ärger zuzumuten? In einem kleinen Dorf kann der Besuch der Kripo schon zu Gerüchten führen, aber deshalb als falsch verstandenen Gefallen "natürlich" ankreuzen ???
Und außerdem weiß die Staatsanwaltschaft selbst ganz gut, wann sie sich den Kopf zu zerbrechen hat... ;)

DerBlinde
04.07.2003, 16:03
Original geschrieben von Schädelspalter
Richtig ist, dass man mit dem Ankreuzen von "ungeklärt" einigen Aufwand auslösen kann. Das ist dann aber nicht mein Bier. ...

In dem Fall war es leider doch mein Bier. Da die ausländische Familie aus religiösen Gründen auf eine Feuerbestattung bestand, die bei "unklar" rechtlich unmöglich ist. Erst wollte ich den Schein auch nicht ändern, da wurde aber mit den Medien gedroht und dem üblichen Traraa á la: " Neonazi-Arzt verweigert ausländischer Familie die Bestattung des Großvaters!" etc. pp. Nun, da wir alle nicht auf so negativen Medienrummel stehen, wurde dann eben nachgegeben...

RS-USER-Defi Brillator
04.07.2003, 16:15
Hmm, wie issn das bei Euch mit 2. Leichenschau vor Feuerbestattung?
Hier ist das doch soweit ich weiß Pflicht, und wird durch den Amtsarzt erledigt?
Trotzdem bleibts ein "Verantwortung weiterschieben"...

RS-USER-Schädelspalter
04.07.2003, 16:40
In Niedersachsen werden die Leichen vor Feuerbestattungen von einem Amtsarzt gesehen.
Bei "nicht natürlichem" oder "ungeklärtem" Tod ist (zumindest in Nds.) ein Feuerbestattung möglich, wenn ein Fremdverschulden ausgeschlossen wurde.
So gesehen braucht man sich also nicht ander Leute Kopf zu zerbrechen, wichtiger wäre es IMHO, seinen eigenen Job richtig zu machen.

Hubschrauberfanatiker
05.07.2003, 13:12
Das nächste Problem bei diesen tollen Scheinen ist aber nicht nur die Frage ob natürlich oder nicht, sondern diese tolle Kausalkette die dort zu erbringen ist.
Ist es bei euch auch üblich in das Feld unbekannt reinzuschreiben??

RS-USER-Schädelspalter
05.07.2003, 19:59
Manche machen das.
Wegen der Kausalkette: man kann ja nur angeben, was man weiß, außerdem wird hier das Wahrscheinlichste genannt...

Übrigens wurde IMHO noch nie ein Arzt wegen eines falsch ausgefüllten Totenscheins strafrechtlich belangt. Das Präzedenzurteil war Ablehnung der Klage wegen "Ausstellung eines falschen Gesundheitszeugnisses", weil ein Toter ja nicht mehr gesund sein kann... :rolleyes: :-p

der Irritator
05.07.2003, 20:03
aber müßte die Anklage nicht eher "Urkundenfälschung" lauten? :confused:

RainerB
05.07.2003, 20:28
Also hier gehört es schon fast zum Normalfall, das die Kripo den NA von ungeklärt auf natürlich überreden will - zum Glück wissen das die NA´s und bleiben zu 95% standhaft! Allerdings kann es dann und wann passieren, dass 2 std nach dem Einsatz ein Fax von der Staatsanwaltschaft kommt auf dem dann die Todesart durch den Staatsanwalt "berichtigt" wurde...

Hubschrauberfanatiker
06.07.2003, 13:20
Naja das ist ja ganz schön fies. Das Messer entfernt und die Todesart geändert:D :D

Ich finde auch wenn nicht jeder Herzinfarkt angeben würde in der Kausalkette, dann wäre die Mortalität bestimmt geringer.

RS-USER-Schädelspalter
06.07.2003, 14:31
Man schätzt, dass ca. 1/3 der Todesursachen nicht richtig sind. "Mh, naja, das wird schon das Herz gewesen sein...".
Ob Herzinfarkt oder Lungenembolie spielt vielleicht keine große Rolle, ob Stromunfall, Selbstmord oder Tötungsdelikt schon (aber da schauen sowieso Rechtsmediziner drauf ;) ).
Aber auch, wenn "natürlich" angekreuzt ist: wenn Fieber bekannt ist, als Todesursache bzw. in der Kausalkette "Pneumonie" auftaucht, aber der Hausarzt den 30cm-Dekubitus mit freier Sicht auf das Steißbein (und die eventuelle Sepsis) nicht erwähnt, stimmt doch was nicht. Entweder wollte sich der Arzt keine Mühe machen und hat sich die Leiche nicht gründlich angesehen oder er wollte aus falsch verstandener Rücksicht niemandem schaden ("ach, komm, is eh egal").

Hubschrauberfanatiker
06.07.2003, 14:35
Deswegeb haben die in unserem Kurs damals gesagt das man das Feld ruhig leer lassen soll damit sich dieses Ungleichgewicht nicht ergibt.

RS-USER-Claudi
06.07.2003, 14:47
ich glaube aber auch das "Totenschau" bei den Allgemeinmedizinern etwas zu kurz kommt. Es gab mal Pathologen, die einen Kurs dazu angeboten haben, und die Resonanz bei den Niedergelassenen war gleich null. Das war nach diesem Fall, wo dem Bestatter in der Leichenhalle auffiel, dass die Tote doch noch recht warm war (obwohl der Totenschein vor Stunden ausgefüllt worden ist). Die hatte tatsächlich noch gelebt ist dann aber kurz drauf verstorben. Da staunt man schon ein wenig.

Hubschrauberfanatiker
09.07.2003, 12:03
Zum Thema drängen zum natürlichen Tod, habe das gestern erst mal wieder live erlebt.

30 Jähriger tot beim onanieren umgefallen. Keine Vorerkrankungen. Der Arzt sagt zum Polizisten da brauchen wir die Kripo. Todesursache unbekannt, die kamen dannn und haben ihn solange zugelabert bis er dann doch natürlichen Tod angekreuzt hat. :( :(
Aussage auch wenn sie unbekannt ankreuzen, obduziert wird der doch nicht, denn der Staatsanwalt macht dann das was wir sagen.:mad: :mad: :mad: