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grisuline
11.02.2004, 20:45
Ihr werdet um 20:30 Uhr mit dem RTW zu einer 19jährigen Patientin gerufen. Sie sitzt auf dem Sofa, klagt über ziehende Krämpfe in den Händen und im Nacken. Leichte Hyperventilation. Die Finger sind stark verkrampft und dabei gestreckt.:)

grisuline
11.02.2004, 20:52
Hört sich doch easy an oder?

RS-USER-Hoffi
11.02.2004, 22:40
beruhigend auf sie einreden und erstmal so versuchen sie in normale bahnen der atmung zu bekommen. seit wann hyperventiliert sie denn?

RS-USER-Rettungsente
12.02.2004, 07:36
Ich würde Ihr zusätzlich die Hyperventilationsmaske reichen, bzw. hält sie einer aus dem Team. So dann RR, Puls, SpO2 und (je nach Pulsfrequenz) noch das EKG dran. Pupillenkontrolle und GCS - verbunden mit der Frage ob sie irgendetwas genommen hat...bzw. Fremnanamnese an dieser Stelle, muss ja noch mindestens einer da sein, der angerufen hat...

Viele Grüße Rettugsente

grisuline
12.02.2004, 09:41
Also wir reden sehr beruhigend auf sie ein, die Pat. wirkt auch nicht sehr aufgedreht. Hyperventilationsmaske wird gereicht, nach einigen Minuten jedoch von Pat. verweigert. Die Mutter ist ebenfalls anwesend und beschreibt, dass sich der Zustand seit 30 min zunehmend verschlechtert. Keine wirklichen Auslöser für eine Hyperventilation ersichtlich. SpO2 96 %, RR 140/95, Puls 114, EKG SR:)

grisuline
12.02.2004, 09:48
Ach ja genommen: Abendessen und ihre normalen Medikamente: Haldol 25 mg Tbl., da sie seit Jahren unter einer Neurose leidet.

grisuline
12.02.2004, 10:01
Oh ist das peinlich: Es waren natürlich 5mg Haldol (Tbl.) und 25 Tropfen Atosil. (Sonst hätte es bei der Menge Haldol ja jedes Pferd weggehauen!):rolleyes:

silver tabby
12.02.2004, 12:03
Also gut, da die Sättigung so niedrig ist glaube ich ehrlich gesagt nicht, dass das eine ganz normale hysterische Hyperventi ist... Wie lange nimmt sie schon das Haldol etc., warum nimmt sie es, wie schauen die Augen aus, zittert sie? Ab ins KH, da hätt ich dann noch gern eine art. Blutgasanalyse!

grisuline
13.02.2004, 10:14
Die Medi´s nimmt sie seit 2 Tagen, da die vorige medikamentöse Therapie nicht mehr zufriedenstellend war. Wie gesagt nimmt sie alles wg einer Angstneurose die seit ca 3 Jahren besteht. Pupillen unauffällig.
Wollt ihr euch mal einen NA nachfordern? Natürlich gehen wir jetzt nicht mehr von einer normalen Hyperv. aus.:confused:

Rettungstiger
13.02.2004, 10:38
Schon nach Allergien gefragt? Ist zwar von der Symptomatik her eher nicht der Fall, aber fragen kostet nichts. Außerdem würd ich mir mal den Beipackzettel vom Haldol durchlesen, was da als Nebenwirkung so draufsteht und sie Fragen, ob sie ähnliche, vielleicht schwächer ausgeprägte Symptome schon einmal, insbesondere Gestern oder vorgestern, seit dem sie die neuen Medis eben nimmt, gehabt hat. Hat sie auch genau die vorgeschriebene Dosierung genommen? Ich habe ja irgendwie das Gefühl, dass die Ursache in den Medikamenten zu suchen ist. Mein Pharmakologisches Wissen reicht zwar nicht sehr weit, aber Haldol wirkt doch im Gehirn, und die Muskeln, die die finger verkrampfen lassen werden doch auch von dort gesteuert!:confused:

NA: na ich weiss nicht, solange sie stabil ist, mit der Sättigung im grünen Bereich und psychisch nicht zu sehr dekompensiert ist sowie die Verkrampfungen keine allzu großen Schmerzen breiten, glaub ich würd ich den Druiden weiter seiner Beschäftigung nachgehen lassen :prost:

Rettungstiger
13.02.2004, 10:43
Also kurz gesagt, ich bin zwar nur RDH und würde deshalb nicht diese Entscheidungen treffen, aber wenn ich als Erstversorger den Fall hätte würde ich mal einen RTW, zur Sicherheit notfallmäßig anfordern.
Ansonsten wäre wahrscheinlich noch ein BZ-Test sinnvoll, damit man wirklich alles gemacht hat, in die Pupillen wird natürlich auch noch geschaut, und dann zügig aber relaxt ins Krankenhaus, die Ärzte wollen schließlich auch noch was von ihr haben.
Ach ja, und bei ner Sättigung von 96% bei gleichzeitger Hyperventilation schaden 4l O2 über Nasenbrille natürlich auch nichts.

grisuline
13.02.2004, 10:53
BZ wurde von uns nicht gemacht, aber war mit Sicherheit unauffällig. Nur dann fängt die Pat. noch an zu lallen. (Und ich fing an mir richtig Sorgen zu machen.)

Rettungstiger
13.02.2004, 11:12
Außerdem würd ich mir mal den Beipackzettel vom Haldol durchlesen, was da als Nebenwirkung so draufsteht und sie Fragen, ob sie ähnliche, vielleicht schwächer ausgeprägte Symptome schon einmal, insbesondere Gestern oder vorgestern, seit dem sie die neuen Medis eben nimmt, gehabt hat. Hat sie auch genau die vorgeschriebene Dosierung genommen?

Gibt es jetzt diesbezüglich irgendwelche Neuigkeiten?
Bei lallenden Patienten versuch ich instinktiv immer an der Ausatemluft zu schnuppern und sie zu fragen obs denn gut war, der Schnapps, das Bier, etc.
Aber da mich das Gefühl beschleicht damit nicht wirklich weiter zu kommen :) würde ich ihr mal ernst in die Augen schaun und Fragen ob sie sich nicht vielleicht erinnern kann noch irgendwas anderes genommen zu haben.
Desweiteren würd ich vielleicht jetzt doch mal vorsichtig bei der Leitstelle fragen ob ich unseren Notdoktor stören dürfte, mit irgendeiner Begründung, die cool und gefährlich klingt, sowas wie v.a. cerebrales Geschehen mit progredienter mentaler Dekompensierung:D

silver tabby
13.02.2004, 15:49
Mich würd noch interessieren, welche Medis sie bis vor zwei Tagen genommen hat? Haldol und Co sind Neuroleptika, mit starker antidopaminerger Wirkung. Gut zum Schmerzen bekämpfen, gut zum Sedieren, aber leider auch gut, um fiese nebenwirkungen zu machen. Ich habe gerade gelesen, dass die normale Dosierung bei solchen Patienten nur 3x tgl. 1-3mg betragen soll. Kann man zwar steigern, sollte man aber nicht gleich am Anfang...
UAW:
Extrapyramidale Symptome: Häufig (ca. 25%) koennen extrapyramidale Symptome, wie Tremor, Rigidität, Hypersalivation, Bradykinesie, Akathisie, akute Dystonie, okulogyre Krisen und laryngeale Dystonien vorkommen

Malignes neuroleptisches Syndrom: Haldol kann ein malignes neuroleptisches Syndrom ausloesen. Das Syndrom wiederspiegelt ein seltenes idiosynkratisches Geschehen, charakterisiert durch Hyperthermie, generalisierte Muskelsteifheit, autonome Instabilität, erhoehte CPK-Spiegel, getruebtes Bewusstsein. Anzeichen einer autonomen Dysfunktion wie Tachykardie, schwankender Arteriendruck und Schwitzen koennen einer Hyperthermie vorausgehen und als fruehe Warnsignale dienen. Bei Auftreten des malignen neuroleptischen Syndroms sollte eine antipsychotische Therapie sofort beendet, und geeignete symptomatische Massnahmen mit sorgfältiger Überwachung eingeleitet werden.

Andere ZNS-Wirkungen: Gelegentlich: Depression, Sedation, Agitation, Schläfrigkeit, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Schwindel, Ruhelosigkeit, Angstzustände, Euphorie, Lethargie, Grand mal Anfälle und Verschlimmerung psychotischer Symptome einschliesslich Halluzinationen.

AUs Arzneimittelkompendium der Schweiz

Ausserdem kann es auch noch Bardykardien bei prädisponierten Personen auslösen...

Lange Rede kurzer Sinn, sieht mir nach Medikamenten Reaktion aus...

Ach ja, Behandlung:
Behandlung

Es gibt kein spezifisches Antidot. Massnahmen zur Verminderung der weiteren Absorption oraler Formen aus dem Magen-Darm-Trakt sind: Ausloesen von Erbrechen oder Magenspuelung gefolgt von Gabe von Aktivkohle. Die Behandlung ist hauptsächlich symptomatisch. Bei komatoesen Patienten sollten die Luftwege durch einen oropharyngealen oder endotrachealen Tubus offen gehalten werden. Bei Atemdepression ist kuenstliche Beatmung angezeigt. EKG und die Vitalfunktionen sind ständig zu ueberwachen, bis das EKG wieder normal ist. Schwere Arrhythmien sollen mit geeigneten antiarrhythmischen Massnahmen behandelt werden.

Einem Blutdruckabfall und Kreislaufkollaps kann durch die Verabreichung von Infusionsloesungen, Plasma oder konzentriertem Albumin und Vasopressoren wie Dopamin oder Noradrenalin entgegengewirkt werden. Adrenalin sollte nicht eingesetzt werden, da es in Anwesenheit von Haldol eine starke Hypotonie verursachen kann.

Bei starken extrapyramidalen Reaktionen sollten Antiparkinson-Mittel vom Typ der Anticholinergika parenteral verabreicht werden. Sie muessen sehr vorsichtig abgesetzt werden, da extrapyramidale Symptome entstehen koennen.

silver tabby
13.02.2004, 15:51
Îch entschuldige mich bei allen für den exzessiven Beitrag, mag ich normalerweise nicht, aber ich schau auch nicht gerne ständig alles nach, und allen denen es auch so geht hab ich die "Zusammenfassung" gewidmet, natürlich ohne Garantie der Vollständigkeit...
CU und schönes Wochenende!!!

grisuline
13.02.2004, 20:01
Unser NA kam dann sah und siegte. Ich war platt. Also die junge Dame hatte außer ihrer bekannten Medikation nichts genommen. Es handelte sich um eine extrapyramidale Reaktion wahrscheinlich durch das Haldol. Er hat ihr dann (oh Gedächtnis) etwas gegeben (war es Anexate, weiß das wer?) und der Spuk war nach ca. 5 min vorbei. Die Pat wurde noch ins KH zur Beobachtung verbracht.:)

RS-USER-Cypher
13.02.2004, 20:06
Original geschrieben von grisuline
[...](war es Anexate, weiß das wer?)[...]Tippe mal eher auf Akineton. Das Mittel der Wahl bei EPS.

Rettungstiger
13.02.2004, 20:17
ja, das muss Akineton sein! Haben dass mal auf die RTW gekriegt als "Antidot" wenn Patienten auf Paspertin, sprich MCP so reagieren. Da gings auch um extrapyr!amidale Reaktionen

silver tabby
14.02.2004, 14:05
Original geschrieben von grisuline
Unser NA kam dann sah und siegte. Ich war platt. Also die junge Dame hatte außer ihrer bekannten Medikation nichts genommen. Es handelte sich um eine extrapyramidale Reaktion wahrscheinlich durch das Haldol. Er hat ihr dann (oh Gedächtnis) etwas gegeben (war es Anexate, weiß das wer?) und der Spuk war nach ca. 5 min vorbei. Die Pat wurde noch ins KH zur Beobachtung verbracht.:)

Juhu!!! Der Tag ist gerettet!!! Ich hab nen sinnvollen Beitrag geschrieben...

Wer übrigens schnell im Internet Medis nachschlagen will mit Nebenwirkungen und Pharma und allem, schaut mal hier hin
http://www.documed.ch/deutsch/
Ist die "Rote Liste" der Schweiz. Einige Präparate haben andere Namen, muss man also u.U. mit Wirkstoff suchen, aber ist kostenlos und sehr ausführlich!

RS-USER-Defi Brillator
14.02.2004, 14:28
Da ich zu faul zum nachschlagen bin ;), wollte ich mich nach ein paar Begrifflichkeiten erkundigen:

Original geschrieben von silver tabby
Malignes neuroleptisches Syndrom: Haldol kann ein malignes neuroleptisches Syndrom ausloesen. Das Syndrom wiederspiegelt ein seltenes idiosynkratisches Geschehen, charakterisiert durch Hyperthermie, generalisierte Muskelsteifheit, autonome Instabilität, erhoehte CPK-Spiegel , getruebtes Bewusstsein.

Ideosynkratisch sagt mir goar nüscht...
Und was verstehen die Schweizer Kollegen unter "CPK"? Ist das das gleiche wie "CK"?