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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Tod eines Patienten während des Einsatzes



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Doktor Dormicum
10.03.2004, 11:06
Ich wollte mal fragen, wenn während einer Einsatzfahrt der Patient stirbt oder am Unfallort, ob euch das nach geht oder ob ihr das verdauen könnt?

Rettungstiger
10.03.2004, 11:53
Ja und Nein.
Das kommt glaube ich auf den Patienten an. So oft kommt sowas ja nicht vor, ich hatte den Fall einmal, da hat mich das nicht sonderlich gestört denn der Patient war über 80, dement, hat einen AV Block 3. grades gekriegt, ist gleichzeitig eingetrübt, dann war nur noch weak action und irgendwann dann Asystolie. Das ganze war relativ friedlich.
Im großen und ganzen spielen da folgende Aspekte eine Rolle ob einem so etwas nahe geht oder nicht:
- Alter des Patienten
- Gesundheitszustand des Patienten
- Beziehung Helfer-Patient (Hat der Helfer noch vorher mit dem Patienten noch geredet/ihn betreut)
- Art des Sterbens (Todeskampf/Schmerzen/friedliches entschlafen)
- Kennt man den Patienten persönlich?

Wie gesagt, ich glaube mein Fall hätte jeden anderen REttungsdienstler auch nicht sonderlich berührt.
Aber wenn man bei einem VU ist und einen Jungen eingeklemmten bewusstseinsklaren Patienten betreut, der einem von seinen Ängsten, Sorgen, Zukunftsplänen erzählt und ne Stunde später stellt man die Reanimation ein weil die inneren Verletzungen doch zu stark geblutete haben, dann glaube ich, würde dass einen doch etwas mehr belasten.

Ach ja,
einem nahe gehen und etwas verdauen muss sich nicht widersprechen, es müsste viel mehr heißen ob es einem nahe geht oder ob es einen nicht berührt!

RS-USER-DerDings
10.03.2004, 12:02
ich stimme dem tiger da zu...

möchte jedoch anmerken das die aufwühlendsten einsätze nicht mal unbedingt mit dem tod des patienten enden müßen... der einsatz der mich bisher am härtesten getroffen hat war der fall einer polytraumatisierten motorradfahrerin in meinem alter - später stellte sich heraus das ich sie "vom sehen her" kannte. sie wurde von einem 18jährigen in einer 70km/h zone mit 140 frontal abgeschoßen. obwohl die dämmerung schon eintrat wurde extra nochmal die (bereits auf dem heimweg befindliche) hubschrauber mannschaft angepiepst und kam zu uns... die bodengebundene notärztin vor ort war - pardon - unter aller sau (mittlerweile fährt sie nicht mehr, weil sie kurz darauf bei einer rea mächtig schei55e gebaut hat, weiß darüber aber nix genaues)...
bis zuletzt war nicht klar ob die patientin es überleben würde - sie hat es, hat jetzt aber eine künstliche hüfte und der rechte US mußte amputiert werden... wie gesagt: in meinem alter...

furchtbar war dann auch das wir den unfallverursacher und seine beifahrer ins KH bringen konnten (leichte verletzungen, cut usw...).

Haß, trauer, ohnmacht war ziemlich übel... ich muß dazu sagen das dies einer der ersten einsätze war den ich ohne erfahrenen hauptamtlichen zu erledigen hatte und als transportführer auf dem RTW war...

silver tabby
10.03.2004, 12:23
*Schüttel* Gebt dem Dativ keine Chance!!! Es heisst des Einsatzes... Bitte!!!!

Ich denke da hat der Dings recht! Es hängt viel mehr mit Art des Einsatzes zusammmen. Beispielsweise bin ich bei Auffinden von Leichen meist mehr betroffen, weil ich immer denke, die armen Leute, völlig einsam teilweise erkennbar krepiert... Sterbende sieht man ja im Spital schon recht häufig, und da kann man sich dran "gewöhnen". Aber wie ich gestern ja schon geschrieben hatte hauts einen immer wieder völlig unvermittelt aus den Latschen. Und ich denke es ist einfach eine Form des Abstumpfens wenn "alte Hasen" behaupten, sie ginge so etwas gar nix mehr an... Die klassische Verdrängung..

RS-USER-Hoffi
10.03.2004, 12:31
ich hatte bisher auch keine probleme damit, hatte aber auch keine "schlimmen" notfälle, also mit verstorbenen kindern oder bekannten. dann sieht es wahrscheinlich anders aus. bei mir unbekannten patienten baue ich einfach ne mauer auf, ich kenne die nicht, man hat das beste versucht und mehr war nicht möglich.

ich bin allerdings froh, das der eine ausm jahrgang über mir sich 200m vor der landesgrenze zerlegt hat und ich da nicht hinmusste. soll sehr übel ausgesehen haben.

RS-USER-schmoelzi
10.03.2004, 12:34
Es ist schon ein unterschied, wie der Pat. verstirbt und wie alt er ist.

Wie gestern schon angesprochen, damals mit der 18 jährigen die bei einem VU ums leben, war das ganz was anderes als nach der alten Frau die auf offener Straße wahrscheinlich einem Insult erlegen ist.
Erschwerend kam bei dem VU auch dazu dass ziemlich viele Journalisten anwesend waren und ich war absolut entsetzt als beim wegräumen des Tubus und dem restlichen Blutverschmierten Materialien plötzlich ein Foto geschossen wurde.

So lange ich mir keinen Fehler vorwerfen kann und ich weiß ich hab das möglichste für den Pat. versucht, kann ich auch mittlerweile rel. gut damit umgehen. Weiß nicht wie es mir ginge, wenn ich mir irgendetwas vorzuwerfen hätte.

Rettungstiger
10.03.2004, 12:36
DA gibts doch jetzt aber Erkentnisse, dass verdrängen besser sein kann als sich dauernd mit irgendeinem Thema auseinanderzusetzen. Ich glaube die alten Hasen haben da völlig recht. Wenn die jede schlimme Erfahrung "psychologisch sezieren" sind die eher am Ende als wenn sie sich sagen: kenn ich nicht, hab getan was ich konnte, jeden Tag sterben Menschen auf tragische Weise, diesmal war ich halt dabei.
Ich weiss, dass das provokant klingt aber ich glaub an der Theorie ist einiges dran.

P.S. war wohl etwas zu langsam, Hoffi und Schmoelzi haben ja in der Richtung auch was erwähnt.

RS-USER-DerDings
10.03.2004, 12:54
hmm.. normalerweise ists ja auch so - wenn wir jemanden im RD als patient antreffen, dann hat der meist kein "gesicht" -ich meine keine geschichte - das ist der patient mit dem und dem symptom - darauf wird er behandelt und die sache hat sich...

schlaflose nächte hatte ich noch von einem einsatz, egal ob wer wo runter geschnitten wurde, ob wir zu nem kindernotfall unterwegs waren oder die alte omi stocksteif im bett gefunden haben.

ich kenn die leute nicht und vor ort hab ich selten die zeit mir über den patienten als person gedanken zu machen...

bei dem motorradunfall war das anders.
1.war's ein furchtbarer anblick, wie die patienten da zig meter vom auto + motorrad wrack entfernt gelegen hat.
2.war das arbeiten eine katastrophe. unser rtw war mit dem naw der nachbarwache unterwegs - die mannschaften haben sich ggenseitig praktisch nicht gekannt und die naw jungs haben den naw auch mähtig raushängen laßen...
3. das vorgehen der notärztin... keinen narkose, keine intubation - nur den güdeltubus reingesteckt und immer am absaugen :rolleyes: der anblick des C8 war wirklich eine erlösung, v.a. als ein gasmann ausgestiegen ist und endlich die atemwege gesichert hat...
4. als resultat dieser ersten 3 punkt: dadurch das der einsatz so lange gedauert hat (ca. 50 min vor ort) und irgendwann nicht mehr wirklich was zu tun war, weil die NÄ sich nichts traute oderwasauchimmer, kommt man dann ins grübel - vor allem wenn man immer wieder in den RTW muß, wo der kollege gerade den unfallverursacher betreut...

und diese grübelei kostet dich dann den letzten nerv. an dem abend habe ich noch lange vor der wache gesessen und eine zigarette nach der anderen geraucht und bin den gesamten einsatz nochmal durchgegegangen - ich hab auch nicht vorbildlich gearbeitet und das ist mir bis heute hängengeblieben...

silver tabby
10.03.2004, 13:02
Aber ich denke aus solchen Einsätzen kann man auch positives ziehen!
Gerade wenn alles gut läuft macht man sich keine Gedanken, was man noch besser hätte machen können. Wenn man allerdings ehrlich ist gibt es immer dinge die hätten besser sein können. Ich sehe es immer von dem Standpunkt aus, das hilft sehr bei der verarbeitung. Ich schätze ich bin mittlerweile etwas rationaler geworden duchs PJ... Keine Ahnung ob das besser ist, aber mir hilfts...

RS-USER-DerDings
10.03.2004, 13:06
hast schon recht... nur einen fehler zu machen ist eine sache - aber wenn der ganze einsatz so beschi**en abläuft und man dann selber auch noch fehler macht - dann ist "schluß mit lustig"...

RS-USER-schmoelzi
10.03.2004, 13:07
Original geschrieben von DerDings
die mannschaften haben sich ggenseitig praktisch nicht gekannt

Kann zeitweise auch ein Vorteil sein.
Der Einsatz bei dem ich zum Ersten Mal einen Heli da hatte ist spitze gelaufen, obwohl ich mit den beiden anderen RTW Kollegen noch nie unterwegs war. War hatten einen Pat. mit Verbrennungen II. Grades auf ca 30%KOF und ca. 20% III. Grades und alles ist ruhig, überlegt und glatt abgelaufen. Als dann der Heli kam gab es mit der Mannschaft auch keine Probleme. Die Ärztin hat unsere Handlungsweise gelobt und auch die Prakt. Ärztin die dort war (keine typ. HA) war von dem Einsatzablauf begeistert.

Aber ich versteh dich Dings, wenn man den Pat. auch nur vom sehen her kennt, ist das gleich was anderes. Erstens kann einem der NA nicht schnell genug da sein, wenn er dann da ist uns selbst nicht recht weiter weis, dann wird das Gefühl immer schlimmer. Die kleinst Anspannung vom nur einem der Helfer kann auf die ganze Mannschaft überspringen.

RS-USER-DerDings
10.03.2004, 13:09
nönö - so wie die da lag hab ich sie nicht erkannt - das ist ja das schlimme... aber am nächsten tag ruft mich ein bekannter an und erzählt mir das eine bekannte einen schweren motorradunfall hatte... da bin ich weiß geworden...

silver tabby
10.03.2004, 13:12
Kann ich guet verstoh...
das fährt einem erst al in die Glieder.. Irgendwie hat man ja auch immer das Gefühl sowas passiert nur den andern, schliesslich ist man auf der "richtigen" Seite der Fronten...:(

Venenverweilkanüle
10.03.2004, 13:44
naja.. also als ich das erste mal tagdienst bin, da hatten wir einen alten mann ( dem eins der größten geschäfte bei uns gehört) der leukämie patient war und eigentlich nur eine transfusion gebracuht hätte, aber als er dann auf dem RTW war, war seinen verfassung so schlecht dass wir ihn - ohne NA nachzufordern, das hätte zu lange gedauert - ins SKH gefahren habe. auf dem weg in die intensiv dann asystolie, rea erfolglos... man fühlt sich schon doof, vor allem wenns die erste rea ist die man erlebt

silver tabby
10.03.2004, 13:50
Jepp. Stimme ich dir zu. man hat dasGefühl völlig unfähig zu sein...

Venenverweilkanüle
10.03.2004, 13:52
völlig unfähig triffts genau. ich war ehrlich gesagt froh dass man mir gesagt hat ich sollle doch die trage wegfahren und die decke falten und das EKG zusammenräumen... dann hatte ich wenigstens was zu tun...

silver tabby
10.03.2004, 13:55
Spricht für die Kollegen, dass sie es so gemacht haben!

Venenverweilkanüle
10.03.2004, 14:02
ja fand ich dann auch... die tatenmir so n bisschen leid weil sie noch angemacht wurden von wegen kein NA.. aber wenn wir noch nen NA gerufen hätten, dann hätten wir im wagen reanimieren dürfe.

RS-USER-DocMezzoMix
10.03.2004, 16:44
Ich muss zugeben, wenn es Gleichaltrige betrifft, komm ich auch aus den Fugen, hab nach nem Busunfall mit Schulklasse auf Reisen ne ganze weile nicht wirklich gut geschlafen. Waren alles Leute nur 1-3 Jahre jünger als ich, auf einer lustigen Heimfahrt von ner Skifreizeit als ihr Bus (zum Glück an dieser Stelle und nicht 100m weiter) einen Abhang hinunterstürzte. Einige von ihnen waren von Bäumen durchbohrt, andere einfach in der mitte gefaltet. Zwischendrin ein Lehrer (ich war damals auch Trainer einer Jugendgruppe) der darumlief und tapfer allen einen Namen zuordnete. 4 haben es nicht geschafft. War hart.

Ansonsten macht mir das wirklich nichts aus, schlucken tut man halt mal, wenn die Kinder gerade heim kommen, während man den Papa von der Heizung abhängt, oder wenn die Ehefrau fragt, wie sie den jetzt weiterleben soll.

Aber da die Patienten ja meist älter sind, ist es ja für viele auch eher eine Erlösung. Gerade wenn man sieht unter welchen Verhältnissen so manche ihre letzten Jahre "geniessen". Das ist eher mal der Anlass ein wenig zu grübeln.

Ich gehöre übrigens auch zu den "Nicht drüber Redern...einfach verdrängern" Ich denke diese Distanz die wir aufgrund dessen, dass wir die Patienten meist noch nie vorher gesehen haben, haben, (was ein Satzbau?!) bewahrt zumindest mich davor, dass ich mir einen großen Kopp um die Patienten machen. Aber ich glaube, auf einer Krebsstation oder ähnlichem könnte ich nicht arbeiten, da wäre mir die Bindung zu den Patienten zu groß.

rettungsküken
10.03.2004, 16:45
ich hab noch keine Rea mitgekriegt...bin auch noch nich so oft als Praktikantin mitgefahren, aber wenns Reas gab dann immer dann wenn ich grade kein Dienst hatte oder das ein paar Tage nach Ende des Praktikums wieder.....C' est la vie