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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Intubation und Narkose - Ja oder Nein?



AKUT
11.05.2004, 08:04
Gehört eine verletzte Person nach dem Sprung aus dem 4. Stockwerk mit klinisch mindesten Femurschaftfrakturen beidseits intubiert und narkotisiert?

RS-USER-DerDings
11.05.2004, 08:35
4.stock + Femur# beidseits...

... sry, aber aufgrund dessen jetzt zu enscheiden intubieren o. nicht hat was vom KickTipp...

vielleicht hilft folgende "faustregel":
einfach solange fenta verabreichen bis das "aua" aufhört... wenn der pat. dann 'ne atemdepression bekommt: rein mit dem schnorchel ;)

wieso präklinisch 'ne narkose fahren wenn der pat unter analgesie stabil ist ???

meine bescheidene meinung

RS-USER-Hoffi
11.05.2004, 08:54
Original geschrieben von AKUT
Gehört eine verletzte Person nach dem Sprung aus dem 4. Stockwerk mit klinisch mindesten Femurschaftfrakturen beidseits intubiert und narkotisiert?

gegenfrage: kann man sowas pauschal beantworten?

RS-USER-DerDings
11.05.2004, 08:55
eben nicht

RS-USER-Hoffi
11.05.2004, 08:57
man könnte auch fragen ob jeder hund der knurrt eingeschläfert gehört.

AKUT
11.05.2004, 09:45
Übrigens:

Primär nicht beatmete Polytraumatisierte haben eine 20 - 40% höhere Letalität.

Einfluß von logistischem und medizinischem Rettungsaufwand auf die Letalität nach schwerem Trauma

A. Biewener A1, M. Holch A1, U. Müller A1, A. Veitinger, C. Erfurt A2, H. Zwipp A1
A1_Klinik und Poliklinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden
A2_Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden

Zusammenfassung
Die retrospektive Erhebung betrachtet 122 nach schwerem Trauma Verstorbene (mittlerer ISS 40 - 19) in einem Zweijahreszeitraum (1993/94) aus dem Großraum Dresden. Ausgewertet wurden die präklinischen Behandlungsdaten und das Obduktionsprotokoll hinsichtlich Qualität des taktischen Einsatzablaufs, der präklinischen Diagnosesicherheit des Notarztes und der Qualität der medizinischen Erstversorgung. Die durchschnittliche Anfahrtszeit betrug 8,1 - 5,9 min bei einem durchschnittlichen Anfahrtsweg von 5,9 - 5,7 km. Primär zum Einsatz kamen: 65,9% Notarztwagen (NAW), 19,8% Rettungswagen (RTW) + Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF), 5,6% nicht arztbesetzte Rettungsmittel (RTW). Der Rettungshubschrauber (RTH) war bei 8,7% der Unfallereignisse vor Ort, allerdings wäre der Einsatz der Luftrettung bei 54% der Unfälle möglich gewesen. Unfallursache war zu 71,4% ein Straßenverkehrsunfall, 14,3% Sturz aus großer Höhe, 5,9% Baustellenunfall, 5,9% Schuß- und Stichverletzung, 1,7% Brandverletzungen. Das Krankenhaus erreichten 82 Patienten (67,2%, mittlerer ISS 37 - 18) lebend. Nur 26% der Patienten wurden direkt in ein Klinikum der Maximalversorgung eingeliefert. Die durchschnittliche Überlebensdauer aller 122 Verletzten betrug 146 - 30,4 h. Ein nach morphologischem Befund ausgedehntes Schädelhirntrauma wurde zu 82% vom Notarzt erkannt. Spezifische Therapiemaßnahmen waren: Intubation 63,0%, 17,4% O2-Insufflation, 19,6% keine Maßnahmen. Das schwere Thoraxtrauma wurde zu 54% vom Notarzt erkannt. Therapiemaßnahmen waren: 64,8% Intubation, 18,8% O2-Insufflation, 16,2% keine Maßnahmen. Ein Hämatopneumothorax (n=26) wurde zu 65,6% erkannt, eine Entlastung durch Thoraxdrainage erfolgte bei 7,1%. Die Diagnosesicherheit beim Abdominaltrauma lag bei 29%, bei den instabilen Beckenbrüchen bei 27,8%. Ein damit einhergehender Volumenmangelschock lag bei 44,2% der Fälle vor, die durchschnittliche präklinische Infusionsmenge dieser Fälle betrug 960 - 610 ml. Schwächen in der Erstversorgung lagen in der Unterschätzung der schweren Rumpfverletzungen und dem nicht konsequenten Einsatz invasiver Behandlungsmaßnahmen. Der primäre Transport des Schwerverletzten in eine maximalversorgende Klinik durch Einsatz der neu aufgebauten Luftrettung erfolgte nur bei einem geringen Anteil der Patienten.

RS-USER-Hoffi
11.05.2004, 09:49
ist ja schön und gut. trotzdem kann man sowas nicht verallgemeinern. es gibt auch leute die stehen nach so einem sturz auf und gehen weiter. warum sollte so einer nen schnorchel bekommen?

AKUT
11.05.2004, 09:59
Na ja - mit Oberschenkelschaftbrüchen beidseits aufstehen?????

Diese Arbeit zeigt doch - wie auch andere - dass man als Rettungsdienstler (NA und RA) eben viele Dinge nicht erkennt und erkennen kann.

Und bei nachgewiesener hoher Letalität durch eine Unterlassung der frühen Maßnahmen sollte man nach gewissen Schemata arbeiten.
Dem "Gesunden" sollte die Behandlung nicht schaden.

DerBlinde
11.05.2004, 10:16
Ob ich intubiere oder nicht, hängt von wesentlich mehr ab, als nur einer #.
Und eine bds. OS# hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen ISS von 19-40! Soviel zu Deiner Literaturangabe...

btw: Was ist eigentlich Dein Problem, daß Du genau diesen Fall als Aufhänger für Deinen Feldzug nimmst?

RS-USER-Hoffi
11.05.2004, 10:22
Original geschrieben von AKUT
Na ja - mit Oberschenkelschaftbrüchen beidseits aufstehen?????

Diese Arbeit zeigt doch - wie auch andere - dass man als Rettungsdienstler (NA und RA) eben viele Dinge nicht erkennt und erkennen kann.

Und bei nachgewiesener hoher Letalität durch eine Unterlassung der frühen Maßnahmen sollte man nach gewissen Schemata arbeiten.
Dem "Gesunden" sollte die Behandlung nicht schaden.

ich bezog das nu eher auf einen allgemeinen sturz.

darf ich mal fragen, was du im "real life" bist?

und klar kann man im rd nicht alles erkennen, was aber imho nicht an der ausbildung liegt, sondern daran, das man halt kein röngten, ct, mrt, ultraschall und labor dabei hat. im kh kann man halt viel mehr diagnostisch abarbeiten, was draussen nicht geht.

ich finde nicht das man nach gewissen schemata stur abarbeiten sollte. warum muss einer mit zwei oberschenkelbrüchen intubiert werden? man kann auch ohne intubation, welche ja auch nicht ganz ohne risiko ist, eine sedierung vornehmen.

RS-USER-DocMezzoMix
11.05.2004, 13:29
Auch ich würde bei der Verdachtsdiagnose OS# nicht unbedingt eine Intubation anstreben, wenn der Patient es schmerztechnisch locker wegsteckt.
Nachteile einer frühen präklinischen Intubation sind doch
1. erschwernis der Eigenanamnese, dieses "Ach ja, und hier tuts auch noch weh..."
2. Habe ich als RDler / LS Disponent auf einmal das Problem, den Patienten zu verkaufen. Selbst hier im Rhein Main Gebiet kommt es regelmässig vor, das RTW länger als nötig an der Einsatzstelle stehen, bzw. dann doch ein RTH nachgefordert werden muss (wobei dann alle 3 meist ausgebucht sind) und die "golden hour" dann verstreicht.
D.h. NICHT, dass ein Patient, bei dem es eindeutig indiziert ist, nicht auch intubiert werden muss, doch sollte man die Folgen einer, meiner Meinung nach, großzügigen Intubation auch bedenken.

Desweiteren könnte ich dann auch mal über Chirurgen herziehen, welche immer wieder bei Polytraumata sagen "Überheben, aber ohne Vakuummatratze", "Stifneck ab" und diese "EKG Diagnosen für Chirurgen" kommen ja auch nicht von ungefähr.
Aber, ich finde, das sollte nicht grundlage einer sachlichen Disskussion sein, welche ja hier eigentlich immer das Ziel hat, das viele mit dem "wieder was gelernt" Effekt nach Hause gehen.

PS: Die Studie finde ich nicht uninteressant, gerade die mangelnde infundierung von Volumenexpandern sollte ja zu denken geben.

:peace: dMM

Rettungstiger
11.05.2004, 21:23
Für Intubationen gibt es, finde ich, bestimmte kritterien.
Für den konkreten Fall bds. Femurschaft# würde ich sagen:
Analgesie suffizient, Kreislauf stabil -->nein
Analgesie suffizient, Kreislauf instabil -->ja (bei Transport >15min)
Analgesie insuffizient, Kreislauf stabil -->ja
Analgesie insuffizient, Krieslauf instabil --> ja

Allerdings kommt es auch immer auf Pat. und Notarzt an, d.h. wenn der NA unerfahren ist und Angst hat ne narkose zu machen, ist ein zügiger Transport wahrscheinlich sinnvoller als mehrere missglückte Intubationsversuche, oder auch wenn der Notarzt Anomalitäten an der Anatomie der Halsregion findet, die eine Intubation erschweren würden.

Wir hatten mal den Fall, Pat. nach VU mit Ellenbogenlux und Gesichtsschädeltrauma.
Atmung nach Analgesie suffizient, Kreislauf immer stabil auch ohne massive Volumentherapie, Sauerstoffsättigung bei 99%.
Der Pat. hat stark aus dem Mund geblutet und eine Intubation wäre zur Atemwegssicherung sicherlich indiziert gewesen, aber unser NA hat gesagt (Chir.) , er hätte nicht so viel Übung und habe Angst dass bei Intubation Probleme wegen der Blutung auftauchen, deswegen wolle er aufgrund Kreislaufparameter nicht Intubieren. Wir haben den Pat. in Seitenlage unter Absaugung transportiert und es war richtig so.