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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : "Interkulturität" in der Krankenpflege



RS-USER-Nufragnich
21.05.2004, 11:13
Moin, moin!

In einem Einwanderungsland wie Deutschland stellt sich natürlich auch die Frage, wie man mit verschiedenen Kulturen im Krankenhaus umgeht. Meine Erfahrung war, dass man jeden Patienten (egal, ob nun Deutscher oder anderer Herkunft), der sich nicht in den Stationsalltag fügt, als störend empfunden hat. Vielleicht empfindet man Migranten eher als besonders schwierige Patienten, da die Verständigung oft schwierig ist, auf beiden Seiten eine gewisse Hilflosigkeit vorhanden ist und es manchmal, aufgrund von Missverständnissen, Unkenntnis oder änlichen zu Aggressionen kommt.
Manche Dinge erscheinen uns auch unverständlich z.B. werden in der Tükei die Betten von Neugeborenen mit Gazeschleiern vor dem "Bösem Blick" geschützt.
Auch der Umgang mit Schmerz und Trauer ist abhängig von der Kultur. Manche Kulturen ziegen solche Emotionen viel intensiver als wir. Es ist nicht überall peinlich, zu weinen oder Schmerzen zu zeigen.
In unserem Kulturkreis, kommt man gerne schnell zur Sache und im Pflegealtag geht es im Gespräch mit dem Patienten auch oft darum, schnell an Informationen zu kommen. Dies "schnell zur Sache kommen" wird in anderen Kulturen oft als unhöflich empfunden.
Ein typisches Beispiel für kulturell bedingte Probleme im Krankenhaus ist die Behandlung einer z.B. türkischen Frau mit einer gynäkologischen Erkrankung durch einen männlichen Arzt/Pfleger.

Wie sind eure Erfahrungen im Umgang mit anderen Kulturen im Krankenhaus? ICh weiß nicht, ob solche Aspekte in der Pflegeausbildung zur Sprache kommen, aber Sinn machen würde es auf jeden Fall.

Nursy
22.05.2004, 11:01
Solche Situationen gibt es oft ...

In der Ausbildung wurde schulisch darüber gar nix besprochen - was ich jedoch sinnvoll fände !

Was häufig auch als störend empfunden wird, sind die Besuche des "ausländischen" Pat. durch die Familie ... da diese meist das Krankenzimmer zum Platzen bringen !
Wenn die Mitpatienten sich dadurch gestört fühlen, hat man da echt ein Problem !
Wenn es irgendwie ging, habe ich immer den Aufenthaltsraum als Ausweichmöglichkeit vorgeschlagen !
Dann fühlen sich meist alle Parteien wohler !

Natürlich gibt es noch unzählige Beispiele mehr ...

Pit Schnass
22.05.2004, 14:51
also wir haben das Thema in der Ausbildung kurz angesprochen. Aber wo will man da anfangen?? Es gibt so viele verschiedene Kulturen/Religionen. Wir versuchen auf Station schon, darauf Rücksicht zu nehmen. Oft geht es gar nicht anders, denn wenn der Patient erst mal auf "dann eben nicht" stellt, kommt man gar nicht mehr weiter. Dinge, die uns bekannt sind berücksichtigen wir auf jeden Fall. Meistens fehlt einfach das Hintergrundwissen.
Manchmal fehlt auch einfach die Zeit, sich mit den Menschen genügend auseinander zu setzen - oft auch die Nerven.
wer mal eine "echte" türkische Frau mit Bauchschmerzen erlebt hat.... :-p

Aber wie sagt die Werbung so schön: Wir arbeiten daran. ;)

Hörbird
22.05.2004, 16:24
Das ist ein Thema das in der Ausbildung eindeutig zu kurz kommt.
Bis jetzt sieht es so aus, als würde mam Learning by Doing praktizieren.
Es wird soweit es geht schon Rücksicht darauf genommen. Meißt helfen auch Angehörige weiter, geben Tipps.
Gut ist es, wenn man einen Arzt hat, der diesselbe Kultur hat, das erleichtert doch vieles.

Ein Thema, das unbedingt ausführlicher diskutiert und besprochen werden sollte !

RS-USER-Nufragnich
25.05.2004, 12:17
Original geschrieben von Hörbird
Das ist ein Thema das in der Ausbildung eindeutig zu kurz kommt.
...

Ein Thema, das unbedingt ausführlicher diskutiert und besprochen werden sollte !

Ich denke, gerade in größeren Klinken in Städten mit höherem Ausländeranteil macht es Sinn hausinteren Fortbildungen zu diesem Thema anzubieten. Manchmal reichen ja schon wenige Informationen, um Missverständnisse auszuschliessen und sich so die Arbeit zu erleichtern.

Guedeltubus
25.05.2004, 21:23
die Stationsmitarbeiter bei meiner Schwester, konnten (af freiwilliger Basis) einen Kurs in Englisch bezogen aufs Krankenhaus mitmachen. Der wurde sehr gut angenommen und ist dort auch sehr von vorteil. Die haben viele Araber usw. weil sehr viele KM-Transplantationen durchgeführt werden und die da irgendwie ziemlich gut sein müssen.
Die Familien können auch desöfteren auf station übernachten (natürlich nciht die ganze sippe) weil das ja grade bei solchen pat. wichtig ist.

RS-USER-Cypher
25.05.2004, 21:28
Original geschrieben von Hörbird
Das ist ein Thema das in der Ausbildung eindeutig zu kurz kommt. [...]

Ein Thema, das unbedingt ausführlicher diskutiert und besprochen werden sollte !
Wir haben das, zumindest ansatzweise, im Zusammenhang mit Pflegemodellen durchgekaut: Madeleine Leininger - kulturkongruente Pflege.

Hörbird
25.05.2004, 22:32
In Großstädten ist dies schon eher der Fall Fortbildungen dazu zu machen. Aber nur etwas außerhalb, und schon sieht es anders aus.
Andererseits, wenn Du alle wichtigen Themen in der Ausbildung unterbringen willst, müßtest Du die Ausbildungszeit verlängern. Und bekanntlich wurde sie dieses Jahr bereits verlängert...

Ich denke, jedes Krankenhaus ist da in die Pflicht genommen, entsprechendes für ihre Mitarbeiter anzubieten.

Shanaria
20.07.2004, 09:44
Original geschrieben von Hörbird
In Großstädten ist dies schon eher der Fall Fortbildungen dazu zu machen. Aber nur etwas außerhalb, und schon sieht es anders aus.
Andererseits, wenn Du alle wichtigen Themen in der Ausbildung unterbringen willst, müßtest Du die Ausbildungszeit verlängern. Und bekanntlich wurde sie dieses Jahr bereits verlängert...

Ich denke, jedes Krankenhaus ist da in die Pflicht genommen, entsprechendes für ihre Mitarbeiter anzubieten.

Ich fänd das gut, wenn es im Unterricht wenigstens mal im Ansatz zur Sprache käme, aber dafür bleibt ob des gestrafften Arbeitspensums leider nur sehr wenig Zeit.. wichtiger ist es, glaub ich, auf den Stationen die Augen und Ohren offen zu halten und sich, auch wenn es manchmal echt nervig ist (siehe Bsp. "echte" türkische Frau mit viel Schmerz) sich damit zu beschäftigen und über den eigenen Tellerrand hinauszusehen..:knuddel:

RS-USER-rettungshamster
12.09.2004, 09:50
Im Krankenhaus seid ihr ja in diesem Punkt viel mehr gefordert wie wir in der Altenpflege. Die Zahl der ausländischen Bewohner ist derzeit noch nicht allzu hoch (aber das wird sich noch ändern). Im Unterricht selbst wurde dieses Thema besprochen, aber bei weitem nicht so ausführlich wie es eigentlich von Nöten wäre. Näher sind wir auf die moslemische Kulturen/ Riten eingegangen - z.B. was das Essen angeht oder auch der Totenritus (unterscheidet sich erheblich von dem der Deutschen). Da zahlt es sich wieder aus wenn man türkische Mitschüler im Kurs hat, da diese quasi die falsche Auffassungen und Meinungen revedieren oder auch ergänzen können.
Es gibt bei uns ein Altenpflegezentrum in München, welches sich ausschließlich die Betreuung und Versorgung von jüdischen Menschen auf die Fahne geschrieben hat. Da kam es auch schon mal vor das eine Bewohnerin seit drei Jahren nicht mehr gewaschen wurde, weil sie einfach panische Angst vor Bädern hatte (historisch gesehen absulot nachvollziehbar). Dann kam sie mal aufgrund eines Sturzes in ein KH und dort hatte man die hygienische Mangelversorgung erstmal versucht zu beheben. Ein Desaster. Die Frau wurde in die Dusche gebracht - dort hat sie dann eine panische Angst bekommen, die vor Ort nicht mehr in den Griff zu bekommen war. Sie wurde ein Fall für die Psychiatrie.
= Posttraumatische Belastungsreaktion. Sie hatte damals in der Dusche geglaubt sie würde vergast werden.

Shanaria
13.09.2004, 08:39
:eek: das ist ja hardcore! Ich wär da aber auch in nem Zwiespalt... pflegerische Defizite in Kauf nehmen und dafür verklagt werden können oder Rücksichtnahme auf die psychischen Biographie?

RS-USER-rettungshamster
21.09.2004, 20:13
Sicher eine Frage die man sich stellen muss. Aber was ist mir dann in diesem Fall wichtiger ? Die psychische Stabilität einer alten Frau oder das durchziehen der Grundversorgung mittels duschen der Bewohnerin ?
Aufgrund dieser Biographie würde ich mich für die psychische Verfassung entscheiden.

Nicht dass die Körperpflege nicht auch wichtig ist, aber das hätte man auch anders lösen können - auf jeden Fall nicht gegen den Willen der Bewohnerin !

Shanaria
27.09.2004, 09:41
In diesem Fall wären ausgedehnte Fußbäder für den Anfang und zum Ende hin vielleicht gemeinsames Duschen (Badeklamotten hat ja wohl jeder) ne Möglichkeit, aber das kann man hier auch leicht sagen, ich weiß nicht, ob ich mich trauen würde...und abgesehen davon.. die Frau hat wohl genug durchgemacht, da muß man ihr nicht noch mit nem Waschfimmel das Leben zur Hölle machen...

RS-USER-rettungshamster
28.09.2004, 07:59
Auf jeden Fall wäre eine Vorgehensweise angezeigt, welche professionell begleitet werden sollte - und dazu reicht eine examinierte Pflegekraft einfach nicht aus. Denn sowas liegt ganz klar nicht in unserer alleinigen Kompetenz.