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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Mystik der Zeltfeste



Subduralhämatom
17.06.2004, 20:52
Einmal im Jahr ist in jedem Dorf der Ausnahmezustand. Diese Orgie heisst das "Feuerwehr-", "Schützen-" oder "Sängerfest", "Kirmes" oder meinetwegen auch "Hühnerwämserball". Ist vollkommen egal, weil - is eh alles daselbe.
Dann wird ein Zelt aufgebaut -irgendwo - und mindestens drei Tage getestet, wieviel Ballerbrühe die alte Karkasse noch aufsaugen kann. Fängt meist schon Tage vor an, mit Kränze flechten, Birkenbraken anne Verkehrsschilder nageln oder weiss der Henker. Hauptsache mit`m Trecker rumnageln und Kiste Bier dabei! Während die Männer in der Wildnis das gefährliche Tannengrün erlegen sitzen die Weibchen im Kreise und basteln daraus meterlange Kränze.
So wird die traditionelle Rollenteilung gefestigt und und keiner kommt auf dumme Gedanken. Die Sitte des Kränzens ist uralt. Früher beim Schützenfest kamen immer mehrere Leute zu Tode: Kaputtgesoffen, anner Theke totgetrampelt oder anner achten Bratwurst erstickt. Ja und weil das ganze Dorf nach´m Zeltfest zu tattrig war, um ´n ordentlichen Beerdigungskranz zu flechten, wurden die vorher auf Vorrat fertiggemacht. Musste man Montags dann nur noch auf Enden schneiden das Gestrüpp, Papierblume dran und ab auf´n Friedhof.
Heute gibt´s ja kaum noch Tote bei Zeltfesten. Nicht mal Schlägereien - das waren ja früher die Höhepunkte!

Die Schlägerei ist die Form, in der der Mann vom Lande einem anderen sagt, dass er ihn lieb hat. Und nach der Massenschlägerei in der Sektbar waren alle Männer Blutsbrüder. Doch die soziale Kälte is auch auf´n Dorf zu spüren - keiner haut mehr dem anderen einfach mal so in die Fresse!

Ein heimlicher Höhepunkt beim Zeltfest ist der spontane Geschlechtsverkehr an der Rückwand vom Festzelt. Wenn die Kerle zum Pissen isn Gebüsch verschwinden, erinnern sie sich plötzlich, dass sie nicht bloss ein Loch im Kopp haben, wo man Bier reinschütten kann sondern das es zwischen den Beinen auch wieder raus kann!Und mit dieser verkümmerten Restexistenz hatten sie früher doch auch immer viel Spass. Und jetzt schlägt die erotische Phantasie gnadenlos zu: Sex ohne sich gross ausziehen zu müssen ist das allergrösste! Hose is eh nochauf vom Pissen, also halbe Miete.
Jetzt fehlt bloss noch die Gelegenheit. Doch da sieht´s dann finster aus denn die Auswahl an willigen Tanten, die teilentblöst an der Zeltwand lehnen hält sich doch in Grenzen. Und so laufen Dutzende von halbbesoffenen Typen mit offener Buchse hinterm Zelt rum und verstehen die Welt nicht mehr. Müsst ihr mal drauf achten - so ab 23 Uhr geht´s etwa los: Dann schleichen hier überall die Männer durch´s Unterholz . Offiziell wollen sie ja nur 10 Liter Gerstensaft nach draussen bringen. InWahrheit aber sind sie allesamt auf der Suche nach erotischen Abenteuern...

Es gibt auch Kerle, die gehen zum Pinkeln in den Toilettenwagen, die haben die Hoffnung aber schon aufgegeben, dass da draussen in der Wildnis noch was zu löten wäre. Aber auch bei den anderen sieht die Realität nicht besser aus: Nach dem Strullen kommen sie total gefrustet wieder zurück ins Zelt. Früher entlud sich dann der Frust immer in einer homoerotischen Ersatzbefriedigung: Massenschlägerei! Haben wir schon gesehen, gibt´s heute kaum noch. Es bleibt also nur noch, die Körperfunktionen stilllegen durch Alkoholzufuhr- Das hört sich einfach an, isses aber nicht. Weil: Beim Zeltsaufen gibt es festgelegte Rituale, die man unbedingt einhalten muss!

1.
EIN Bier bestellen geht gar nicht! Damit sagt man quasi, dass man ´ne knickrige Sau ist, keine Freunde hat, wahlweise Antialkoholiker ist oder eben beides.

2.
Also immer mindestens zehn Stück, einen Meter oder ein ganzes Tablett. Nie vorher abzählen, wieviele Menschen um einen herumstehen und dann wohlmöglich genau die Anzahl bestellen! Am besten ist immer, irgendeine Zahl über die Theke zu grölen und ab dafür.

3.
Ganz falsch: Die Umstehenden fragen ob sie überhaupt noch ein Bier haben wollen. Wichtige Regel: gefragt wird nicht, Saufen ist schliesslich kein Kindergeburtstag!

4.
Wenn der Stoff da ist, nicht blöd rumgucken und überlegen, wem man eins in die Hand drücken soll. Am besten die Gläser wild in der Umgebung verteilen denn nur so zeigt man Grosszügigkeit!

5.
Wer zahlt wann welche Runde? In der Regel kommt jeder der Reihe nach dran. Ganz miese ------------------------------ trinken die ersten neun Runden an der Theke mit und wenn sie an der Reihe sind, müssen sie plötzlich pinkeln. Der erste Besteller bestimmt meist die Dauer des Projektes. Wenn er 12 Bier bestellt, müssen alle solange warten, bis die zwölf Runden durch sind. Wichtig ist, das der Strom nie abreisst. Also - wenn alle nur noch die Hälfte im Glas haben sofort die nächste Runde ordern und das neue Glas in die Hand drücken.
Was voll peinlich ist: Mit zwei Gläsern in der Hand an der Theke stehen, deshalb ist Tempo angesagt beim Reinschütten. Das Leben ist kein Ponyhof!

6.
Richtig fiese Schweine bestellen zwischendurch noch ´ne Runde Korn oder die absolute Hölle: "Meyers Bitter", eine Art grünes Schlangengift das mit dem Eiter toter Frösche verfeinert wurde. Hier wird´s erst und sollte sich sowas andeuten, sollte man schnellstens die Flucht ergreifen. Merke: Biersaufen kann man überleben auf´m Zeltfest mit etwas Planung und Glück; nach "Meyers Bitter" weigert sich aber in der Regel sogar der Notarzt, diese Schweinerei zu reanimieren.

7.
Konsequent durchgezogen bist Du normalerweise auf´m Zelt so gegen 21 Uhr stramm wie´n Kesselflicker. Geht aber natürlich noch nicht weil Du ja wegen Verdacht auf Weich-Ei nicht nach Hause kannst! Was also dann? Genau: Pause machen. Dafür sind in der Regel zwei Aktivitäten vorgesehen: Bratwurstfressen oder Tanzen.

Bratwurstfressen
Vorteil: An der Bude gibt´s kein "Meyers Bitter", da bist Du also eine zeitlang sicher vor der drohenden Alkoholvergiftung. Nu sind die Bratwurststände auf´m Zeltfest aber so konzipiert, dass die Nachfrage immer grösser ist, als das Angebot. In der Bude arbeiten auch meistens Fachkräfte, denen man beim Grillen die Schuhe besohlen könnte. Ihre einzige Qualifikation: Sie können mit einem Suerstoffanteil unter 1% in der Luft überleben, deswegen wirken sie auch so scheintot. Nu sieht der Laie natürlich zahlreiche Möglichkeiten, diesen Zustand zu optimieren - Zickzack kämen die Riemen über den Tresen. Falsch: Die mickrigen Bratwurstbuden mit den Untoten stehen da niemals aus Versehen sondern IMMER mit Vorsatz! Hier kann man Asyl beantragen von der Sauferei und je länger man auf den verkohlten Prengel warten muss, desto grösser sind natürlich auch die Überlebenschancen.

Tanzen
Im Vergleich zum Bratwurstfressen die schlechtere Wahl weil anstrengend und mit Frauen! Aber irgendwann geht eben kein Riemen mehr rein in den Pansen und Du musst in den sauren Apfel beissen. Also Zack - einen Rochen von den Bänken gerissen und irgendwie bescheuerte Bewegungen machen. Dabei sollte man zumindest die Bemühung einer rythmischen Grundausrichtung bemerken. Wenn Du Glück hast spielt die Kapelle mehr als zwei Stücke und Du kannst Dir ein paar Bier aus den Rippen schwitzen. Hast Du Pech, kommt nach´m ersten Lied schon gleich wieder der Thekenmarsch und Du stehst wieder da, von wo aus Du gerade geflohen bist.

Option Sektbar
Eine richtig gruselige Bude, quasi die Abferkelbox im Festzelt. Hier ist es so voll und eng, da bleibst Du sogar noch stehen wenn nichts mehr geht!Es soll schon Kriegsverletzte gegeben haben, denen hat man in der Sektbar beide Beinprothesen geklaut und sie haben´s nicht gemerkt. Doch der Preis, den Du für die Stehhilfe zahlen musst, ist hoch! Du musst Selt saufen aus so mickrigen Blumenvasen die man von der Spermaprobe beim Urologen kennt. Ziemlich ekelig alles. Wenn es keine Sektbar gibt, dann gibt´s ´ne Cocktailbar. Cocktail heisst im Festzelt aber nicht Caipirinha oder Magerita sonder Fanta/Korn oder Korn mit Fanta. Also vorsicht - hier kann´s ganz schnell zuende gehen! Eine Alternative für den ganz schnellen Weg ins Nirvana ist der hannoveraner Zaubertrank:Lüttje Lage. Vom Preis-Leistungsverhältnis immer noch ´ne reele Sache. So besäuft sich der kritische Verbraucher und hat es dann zu später Stunde auch ruckzuck geschafft! Doch bevor Du nach Hause darfst, kommt noch ein wichtiger letzter Punkt, nämlich:...

Kotzen
Klingt scheisse, Du wirst aber Dankbar sein, wenn Dir Dein Körper dieses Geschenk bereitet. So hast Du wieder Platz für ein paar Bratwürste und vielleicht sogar das Glück, die letzten zwanzig Bier zu erwischen, bevor sie Dein Gehirn erreicht haben. Der Profi jedenfalls kotzt oft und gerne!
So - jetzt wären wir auch schon beim Nachhause gehen. Haha, aber wenn Du den Zeitpunkt verpasst hast und vom Bratwurstfressen oder Pissen wieder ins Festzet kommst und nur noch fünfzehn traurige Gestalten abhängen, dann kann es nur noch böse enden!

Arschkarte gezogen
Ab jetzt geht es um so spannende Sachen wie "Bierfass-ausssaufen" (es ist immer mehr drin als Du denkst) oder Absacker trinken. Jetzt darf´s auch gerne Meyers Bitter sein, der Notarzt hat sowieso Feierabend! Jeder passt jetzt auf, dass keiner heimlich abhaut, die ersten sacken einfach so vor der Theke zusammen nur um nicht noch mehr saufen zu müssen. Unbestrittener Vorteil dieser Phase des Zeltfestes: Du musst zum Kotzen oder Pissen nicht mehr nach draussen latschen; das geht jetzt alles vor Ort!

Nach Hause
Fällt aus. Mach Dir keine Illusionen mehr - alleine schaffst Du´s nicht nach Hause. Taxis gibt´s aufm Land nicht mehr und selbst wenn, würden sie Dich nicht mitnehmen. Mit Recht übrigens!

Der Morgen danach
Die ersten Sonnenstrahlen brechen durch die Ritzen der Festzeltplane und Du wirst wach von einem Zungenkuss wie Du ihn im Leben noch nie bekommen hast; Leidenschaftlich küsst Du zurück bis Du Deine verklebten Augen aufkriegst und in das zottelige Gesicht des Köters vom Karusellfritzen blickst. Und mit einem eigenen Beitrag zum Thema Würfelhusten fängt der Tag wieder an. Dein Kopf fühlst sich an wie nach einem Steckschuss und Du weisst - jetzt hilft nur noch Stützbier bis die Maschine zumindest halbwegs normal läuft.
Seid froh, dass die Schützenfest-Saison vorbei ist und wir alle stolz und glücklich sind, ein weiteres Jahr überlebt zu haben.

Cheers!

MatthiasKlemens
17.06.2004, 21:23
Original geschrieben von Subduralhämatom
nach "Meyers Bitter" weigert sich aber in der Regel sogar der Notarzt, diese Schweinerei zu reanimieren.

:grins:

der ist wirklich gut! :D

RS-USER-Rippenspreizer
18.06.2004, 05:22
Ziemlich langer Text aber echt witzig :-p :-p

RS-USER-Bärentöter
18.06.2004, 11:37
wirklich fein beobachtet... ich habe mehr als 10 Jahre neben einem Kirchweihplatz gewohnt...

Dynamike
18.06.2004, 15:00
siehe auch hier (http://www.rippenspreizer.com/forum/showthread.php?s=&postid=104240#post104240)

RS-USER-Rippenspreizer
18.06.2004, 16:21
Original geschrieben von Dynamike
siehe auch hier (http://www.rippenspreizer.com/forum/showthread.php?s=&postid=104240#post104240)


:D :D
@Subduralhämatom: Da wo DU hinwillst, da kommt der Vindu schon her!! :-p

(Ich hoffe, Du hast den Text irgendwoher kopiert und nicht mühsam irgendwo abgetippt. Obwohl, hier und da gibt es kleine Unterschiede im Text!)

Gruss, Daniel

Reanimator
01.07.2004, 12:39
Auch wenn das nicht 100%ig von ihm allein stammen sollte, finde ich den Text sehr geil! :D