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Mit diesem Beitrag möchte ich zum einen meine Begeisterung für Gedichte kundtun und zweitens eine Plattform bieten, Gedichte einzustellen, die zumindest im Entferntesten etwas mit Medizin und/oder Rettungsdienst, Feurerwehr, KatS, und und und zu tun haben.
Also bitte nicht die Glocke oder so reinkopieren ;-)
Beginnen möchte ich mit zwei Gedichten von Gottfried Benn (1886-1956):
Kleine Aster
Ein ersoffener Bierfahrer wurde auf den Tisch gestemmt.
Irgendeiner hatte ihm eine dunkelhelllila Aster
zwischen die Zähne geklemmt
Als ich von der Brust aus
unter der Haut
mit einem langen Messer
Zunge und Gaumen herausschnitt,
muss ich sie angestoßen haben, denn sie glitt
in das nebenliegende Gehirn.
Ich packte sie ihm in die Brusthöhle
zwischen die Holzwolle,
als man zunähte.
Trinke dich satt in deiner Vase!
Ruhe sanft,
kleine Aster!
____________________
Mann und Frau gehen durch die Krebsbaracke
Der Mann:
Hier diese Reihe sind zerfallene Schöße
und diese Reihe ist zerfallene Brust.
Bett stinkt bei Bett. Die Schwestern wechseln stündlich.
Komm, hebe ruhig diese Decke auf.
Sieh, dieser Klumpen Fett und faule Säfte,
das war einst irgendeinem Manne groß
und hieß auch Rausch und Heimat.
Komm, sieh auf diese Narbe an der Brust.
Fühlst du den Rosenkranz von weichen Knoten?
Fühl ruhig hin. Das Fleisch ist weich und schmerzt nicht.
Hier diese blutet wie aus dreißig Leibern.
Kein Mensch hat so viel Blut.
Hier dieser schnitt man
erst noch ein Kind aus dem verkrebsten Schoß.
Man lässt sie schlafen. Tag und Nacht. Den Neuen
sagt man: hier schläft man sich gesund. Nur Sonntags
für den Besuch lässt man sie etwas wacher.
Nahrung wird wenig noch verzehrt. Die Rücken
sind wund. Du siehst die Fliegen. Manchmal
wäscht sie die Schwester. Wie man Bänke wäscht.
Hier schwillt der Acker schon um jedes Bett.
Fleisch ebnet sich zu Land. Glut gibt sich fort.
Saft schickt sich an zu rinnen. Erde ruft.
Leitstelle
13.09.2004, 13:41
dann schreib ich ganz einfach mal meine signatur herein!!
wenn du glaubst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Blaulicht her
hab ich auch selbst gedichtet!!
RS-USER-Bärentöter
13.09.2004, 13:42
nicht ganz vergleichbar...
Leitstelle
13.09.2004, 13:44
aber immerhin reimt es sich
Und noch eins von Gottfried Benn:
Der Arzt
I
Mir klebt die süße Leiblichkeit
Wie ein Belag am Gaumensaum.
Was je an Saft und mürbem Fleisch
Um Kalkknochen schlotterte,
Dünstet mit Milch und Schweiß in meine Nase.
Ich weiß, wie (---)* und Madonnen riechen
Nach einem Gang und morgens beim Erwachen
Und zu Gezeiten ihres Bluts -
Und Herren kommen in mein Sprechzimmer,
Denen ist das Geschlecht zugewachsen:
Die Frau denkt, sie wird befruchtet
Und aufgeworfen zu einem Gotteshügel;
Aber der Mann ist vernarbt;
Sein Gehirn wildert über einer Nebelsteppe,
Und lautlos fällt sein Samen ein.
Ich lebe vor dem Leib: und in der Mitte
Klebt überall die Scham. Dahin wittert
Der Schädel auch. Ich ahne: einst
Werden die Spalte und der Stoß
Zum Himmel klaffen von der Stirn.
II
Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch -:
Geht doch mit anderen Tieren um!:
Mit siebzehn Jahren Filzläuse,
Zwischen üblen Schnauzen hin und her,
Darmkrankheiten und Alimente,
Weiber und Infusorien,
Mit vierzig fängt die Blase an zu laufen-:
Meint ihr, um solch Geknolle wuchs die Erde
Von Sonne bis zum Mond -? Was kläfft ihr denn?
Ihr sprecht von Seele - Was ist eure Seele?
Verkackt die Greisin Nacht für Nacht ihr Bett -
Schmiert sich der Greis die mürben Schenkel zu,
Und ihr reicht Fraß, es in den Darm zu lümmeln,
Meint ihr, die Sterne samten ab vor Glück . . .?
Äh! - Aus erkaltendem Gedärm
Spie Erde wie aus anderen Löchern Feuer,
Eine Schnauze Blut empor -:
Das torkelt
Den Abwärtsbogen
Selbstgefällig in den Schatten.
III
Mit Pickeln in der Haut und faulen Zähnen
Paart das sich in ein Bett und drängt zusammen
Und säet Samen in des Fleisches Furchen
Und fühlt sich Gott bei Göttin. Und die Frucht - ? -:
Das wird sehr häufig schon verquiemt geboren:
Mit Beuteln auf dem Rücken, Rachenspalten,
Schieläugig, hodenlos, in breite Brüche
Entschlüpft die Därme -; aber selbst was heil
Endlich ans Licht quillt ist nicht eben viel,
Und durch die Löcher tropft die Erde:
Spaziergang -: Föten, Gattungspack -:
Ergangen wird sich. Hingesetzt. -
Finger wird berochen.
Rosine aus dem Zahn geholt.
Die Goldfischchen - !!! - !
Erhebung! Aufstieg! Weserlied!
Das Allgemeine wird gestreift. Gott
Als Käseglocke auf die Scham gestülpt -:
Der gute Hirte - !!.-.- Allgemeingefühl! -:
Und abends springt der Bock die Zibbe an.
* An dieser Stelle steht im original das H...-Wort für Prostituierte, das läßt die Filterfunktion des Forums aber leider nicht zu...!
Und noch eins von Benn:
(ihr merkt, der hats mir angetan)
Saal der kreißenden Frauen
Die ärmsten Frauen von Berlin
- dreizehn Kinder in anderthalb Zimmern,
(---)*, Gefangene, Ausgestoßene -
krümmen hier ihren Leib und wimmern.
Es wird nirgends so viel geschrien.
Es wird nirgends Schmerzen und Leid
so ganz und gar nicht wie hier beachtet,
weil hier eben immer was schreit.
"Pressen Sie, Frau! Verstehn Sie, ja?
Sie sind nicht zum Vergnügen da.
Ziehn Sie die Sache nicht in die Länge.
Kommt auch Kot bei dem Gedränge!
Sie sind nicht da, um auszuruhn.
Es kommt nicht selbst. Sie müssen was tun!"
Schließlich kommt es: bläulich und klein.
Urin und Stuhlgang salben es ein.
Aus elf Betten mit Tränen und Blut
grüßt es ein Wimmern als Salut.
Nur aus zwei Augen bricht ein Chor
von Jubilaten zum Himmel empor.
Durch dieses kleine fleischerne Stück
wird alles gehen: Jammer und Glück.
Und stirbt es dereinst in Röcheln und Qual,
es liegen zwölf andere in diesem Saal.
* das H...-Wort für Prostituierte. Die Filterfunktion des Forums ist sich immer noch zu fein dafür...
Sooo,
nun ne kurze Info über den guten, der uns diese tollen Gedichte schenkte;-)
Gottfried Benn
Pathologe, Dermatologe, Schriftsteller
Gottfried Benn
* 2. Mai 1886 in Mansfeld (Westpriegnitz)
† 7. Juli 1956 in Berlin
Viele Ärzte waren und sind gleichzeitig Schriftsteller - wenige Schriftsteller auch Ärzte. Mit Gottfried Benn haben wir einen jener Menschen vor uns, die aus Liebe und Fürsorge zum hilfsbedürftigen Kranken den Arztberuf wählten, doch gleichzeitig der kranken, verwundeten, schmerzgepeinigten und dem körperlichen Verfall preisgegebenen menschlichen Existenz nur über das Wort des Schriftstellers Gehör geben konnte. Benn, der begnadete Lyriker, Prosaist und Essayist, der wie kaum ein anderer seiner Zeit artistisch mit der Sprache umgehen, alltägliche Begriffe ungeheuer bildhaft und ausdrucksstark darstellen, scharf und sauber wie Seziermesser niederlegen konnte, hat nicht nur die Schriftstellergeneration nach 1945 fasziniert, sondern auch die Menschen seiner Zeit in den Bann gezogen - freilich auch zu Widerspruch und Empörung aufrufen.
Mehr unter http://www.m-ww.de/persoenlichkeiten/benn.html
Was bringt den Doktor um sein Brot?
a) die Gesundheit, b) der Tod.
Drum hält der Arzt, auf daß er lebe,
Uns zwischen beiden in der Schwebe.
Eugen Roth
Sind "ernstere" Sachen auch erlaubt...
Worte, die "für nach einem Einsatz" passen bzw aus diesem Grund entstanden sind...?
....was einem so zu fällt....
Das Leben
voll von
Möglichkeiten
reich an Auswahl
doch
den Einkaufswagen
schiebt
das Schicksal
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Unheimlich
Unsicher
ob
Unsicher
wann
Unsicher
wie
Nur sicher
daß
es sich
zu leben lohnt
RS-USER-Bärentöter
14.09.2004, 10:19
dazu kann ich wenig beitragen, habe schon als Kind Sachbücher gelesen und konnte mich stundenlang mit einem Lexikon beschäftigen.
Welche berühmten Schriftsteller/Dichter waren Ärzte? Benn hatten wir schon, E. Roth m.E. auch, der Russe mit Tbc, der mir grad ned einfällt. Wen gibt's noch?
@ Xaxis1
Die Gedichte, die du eingestell hast sind echt sehr gut,
sind die von dir?
Hast du noch mehr davon??
Original geschrieben von SanMax
@ Xaxis1
Die Gedichte, die du eingestell hast sind echt sehr gut,
sind die von dir?
Hast du noch mehr davon??
Jep, sind sie - also (c) Xax :-)
Ja... auch in eher andre Richtungen.
Unterschied
Jede Wunde
heilt
der Schmerz
ebbt ab
Nur Worte
hallen
immer
wieder
RS-USER-Bärentöter
14.09.2004, 20:26
Original geschrieben von SanMax
@ Xaxis1
Die Gedichte, die du eingestell hast sind echt sehr gut
anschließ! Ein Mensch der nachdenkt!
o ja,
schlicht, ohne große, hochtrabende Worte und doch sehr Aussagekräftig.
Man muß sich nicht zu tode interpretieren, um zu verstehen, was sie aussagen.
Aber sie wirken...
Schneller Tod
Er kannte keinen Spass im Leben
wie den, so richtig Gas zu geben.
Bedachtsamkeit war nie sein Fall.
Drum fuhr er stur 200 Sachen
und hörte es nicht mal mehr krachen.
Der Tod war schneller als der Schall.
Ein Rad kam in der Luft zum Stehen,
begann, sich sacht retour zu drehen.
Dann trafen Rettungskräfte ein.
Sie kratzten von der Strassendecke,
was sie noch fanden. Ein paar Flecke.
Hirn kann es nicht gewesen sein.
Dieter Höss
RS-USER-Hoffi
09.12.2004, 23:13
mein freund der radfahrer
ich traf ihn das erste mal,
als er mir wild klingelnd
in der einbahnstrasse entgegenkam
das zweite mal,
als ich zurücksetzte um nach ihm zu sehn,
das dritte mal um sicherzugehn
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