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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Das RS-Notfalllexikon für Extreme Fälle



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RS-USER-fruehgriller
18.04.2005, 17:19
Hallo zusammen.

Doc Mezzo Mix und ich haben uns mal Gedanken gemacht, wie wir unseren jüngeren Kollegen (und allen anderen sowieso) mal hilfreich sein können, und kamen auf folgende Idee:

Hiermit eröffnen wir feierlich (TUSCH!!!!) das RS Notfalllexikon für Extreme Einsätze, das heisst nicht der alltägliche VU, oder HI.

Ihr könnt hier Fragen stellen, und wir werden diese, in zusammenarbeit mit unseren hier vertretenen Docs im Sinne einer richtigen und RD Konformen Versorgung beantworten.

Wir werden gemäß dem Ablauf
Geschehen / Arbeitsdiagnose / Basics / Maßnahmen RettAss / RettSan / Notkompetenz / weitere Maßnahmen durch NA

eure Fragen beantworten.

Einen Algorismus werden wir vorerst absichtlich nicht beifügen.

Also, los gehts.

RS-USER-fruehgriller
18.04.2005, 17:38
Der erste Fall zum Eingewöhnen:

Amputatiosverletzungen:

Fall:
Amputation eines Beines oberhalb des Knies nach Arbeitsunfall.

Gefahren:

Schock durch Volumenmangel & Schmerz, Sekundär Infektionen.

Basics:

Verbinden der Wunde, evtl aufpressen von sterilem Material, zB Verbandtuch auf die Blutungsstelle.
(Bei Amputationen unterhalb des Ellenbogens kann durchaus eine Hochlagerung die Blutung verringern / Stoppen)
Wärmeerhaltung, Betreuung.
RR Messung
Amputat suchen lassen und in Replantatbeutel sichern.
Evtl anfordern RTH

Maßnahmen RettAss in NK:


Legen von mind. 1 peripher venösen Zuganngs, möglichst Großlumig, evtl Druckinfusion mit VEL bis eintreffen NA.

CAVE: Keine punktion von zentralen venösen Gefäßen, diese sind sache des NA. Blutgefäße nicht abklemmen, sondern durch Druck auf Wunde verschließen.

Wenn kein peripherer Zugang möglich, evtl den Pat auf Trage lagern, und diese komplett auf "Kopf tief" stellen, allerdings nicht zu steil. Schocklage durch anheben eines Beines und des Stumpfes entfällt.
Komplettes Monitoring
Lagerung evtl in Vakuumatratze

Maßnahmen NA:

allgemein Schmerzbekämpfung, evtl Narkose zum Trsp.

Um Ergänzungen und Fragen wird gebeten


Gruß

Griller

RS-USER-blacksheep
18.04.2005, 17:45
Zu den Basics:
Druckverband. Geht auch bei Teil oder Vollamputationen. Die Wunde wird steril abgedeckt und mit dem ersten Verbandpäckchenfixiert. Nun rund rum am Stumpfende ein Verbandpäcken mit ein wickeln und festziehen. Ein paar mal weiter einwickeln und dann das nächste Verbandpäcken nebendran. Das Ganze so lang bis der Stumpf rundrum bedeckt ist.

edit:
Zum Thema Zugang und Transport: Kein langes rumstochern. Ein paar Versuche und wenn man nix bekommt Pat einpacken und scoop & run. Also entweder NA entgegenkommen oder wenns schneller ist ins KH unter Voranmeldung.

rettungsküken
18.04.2005, 17:47
Meine Frage wäre, ich hab mal (im lpn san *glaub*) gelesen das man falls das nicht aufhört zu bluten oder halt zu stark, eine pneumatische blutsperre anlegen könnte. Die meinen damit blutdruckmanschette, odda?
Wird das überhaupt noch so gemacht, wenn ja, mit wieviel druck ?

RS-USER-titan_cb
18.04.2005, 18:33
Original geschrieben von rettungsküken
Meine Frage wäre, ich hab mal (im lpn san *glaub*) gelesen das man falls das nicht aufhört zu bluten oder halt zu stark, eine pneumatische blutsperre anlegen könnte. Die meinen damit blutdruckmanschette, odda?
Wird das überhaupt noch so gemacht, wenn ja, mit wieviel druck ?

pneumatische Blutsperre is im Prinzip eine Abbindung und als allerletze Methode der Blutstillung zu sehen. Der Druck wird auf 20-30 mmHg über den Systolischen Wert des Patienten gebracht.

(ähm ... bin kein doc ... darf ich trotzdem Antworten?)

RS-USER-fruehgriller
18.04.2005, 19:03
Natürlich, davon soll das Lexikon ja Leben, das jeder was dazu sagt. Wenn dabei Fehler auftreten (und nur aus solchen lernt man ja) wirds eben korrigiert.

silver tabby
18.04.2005, 23:39
Ich denke, zum Thema Abklemmen hatte sich unser Gefäßspezialist Der Blinde ja schon geäussert, und ich denke das sollte man UNBEDINGT auch einhalten! Abklemmen eines Gefässes ist absolut nur durch einen NA durchzuführen, und ich denke auch hier wird es, auch wenn chirurgische Bestecke auf den meisten RTWs gibt, nur in absoluten Ausnahmefällen dazu kommen, die meisten NAs sind schliesslich keine Gefässchirurgen.

Ansonsten kann man durch vernünftige Druckverbände die meisten Blutungen zumindest zum Verringern bringen.

Und wenn gar nichts geht hilft halt nur grosszügiger Volumenersatz und anfahren des nächsten Schockraums!

Insbesondere bei Arbeitsunfällen mit schwerem Gerät kann man präklinisch miest sowieso wenig beurteilen, wo sich welche Struktur befindet...

Wer einmal ein zerquetschtes Bein gesehen hat, wird mir da sicher zustimmen.

Ansonsten ist bislang die Vorgehensweise wir hier beschrieben m.E. korrekt...

Sollte der Patient natürlich die Kriterien einer Reanimatiosnpflichtigkeit erfüllen (Na? Wer fasst sie mal zusammen?), darf diese natürlich gerne begonnen werden!

In diesem Fallbeispiel fehlen mir lediglich noch einige "Kleinigkeiten":

1. Eigenschutz! Was ist passiert? Wie wurde die Verletzung verursacht? Besteht noch Gefahr durch z.B. laufende Maschinen, lose Teile? Wann ist der Unfall passiert?

2. Anamnese, soweit erhebbar (meist ist man mit mind. 3 Personen vor Ort, kann also ggfs. nach primärer Stabilisierung erfolgen): Vorerkrankungen (Herz, Lunge, Zucker?)

3. Psychische Betreuung des Verletzten? Bitte nicht als erstes, was er hört: "Mein Gott! Das sieht ja schrecklich aus!!!"; Besser schlucken und ihn beruhigen!

4. Wenn der Verband durchblutet: nicht abreissen, sondern neue Schicht drüber (zumindest habe ich das mal so gelernt...), da sonst etwaige schon gebildete Koagel wieder abgerissen werden und es erneut stärker blutet... (bitte um Korrektur, falls das nicht mehr lege artis ist!)

5. je nach Ort (sehr ländlich, schlechte Verkehrssituation, langer Weg bis ins nächste KH, Einklemmung und langdauernde Rettung) ggfs, Blut-PKW bestellen (falls verfügbar...)

sturmi
19.04.2005, 01:12
Original geschrieben von silver tabby
[B]Ich denke, zum Thema Abklemmen hatte sich unser Gefäßspezialist Der Blinde ja schon geäussert, und ich denke das sollte man UNBEDINGT auch einhalten! Abklemmen eines Gefässes ist absolut nur durch einen NA durchzuführen

Also hier auf dem Land kommen häufig Nofallbilder vor (z.B. Amputationsverletzungen durch landwirtschaftliche Maschinen oder Kettensägen"massaker" :D) bei denen man dann vor der Entscheidung steht:

a) den arteriellen Blutfluss durch Abbinden (in Form einer RR-Manschette o.Ä.) zu unterbinden, oder

b) den Blutverlust durch Volumensubstitution zu komprimieren.

Was würde sich ein NA, der etwa 15min später eintrifft (ja, wir haben noch ein Rendevouz-System), wünschen??? a),b) oder eine Kombination beider???

RS-USER-blacksheep
19.04.2005, 01:26
Original geschrieben von sturmi

b) den Blutverlust durch Volumensubstitution zu komprimieren.

Meinst du kompensieren oder minimieren?

Nur Volumen ist ja auch nur minderschön. Es suppt ja nicht nur Plasma raus sondern auch schön isoton alles was so im Blut noch sich befinden.
Wenn man nen schönen Zugang gefunden hat sollte man noch so viel Zeit reininvestieren eine Blutentnahme (Labor nicht unbendigt aber Kreuzblut ;)) vorzunehmen. Dann kann das NEF evtl auch schon mit Kreuzblutröhrchen in Richtung Blutbank starten. Gibt der BB doch schon ein wenig Vorlauf Konserven vorzubereiten.

Meiner Meinung nach darf "abbinden" wirklich nur als letzte Möglichkeit gesehn werden, wenn man trotzgroßzügigem Volumen und Druckverband den Kreislauf nicht einigermaßen stabil bekommt.

@Tabby: Ich hab das auch so gelernt das man die nächste Schicht drüber macht ohne altes Material zu entfernen. Glaube auch nciht das sich das jemals ändern wird.

edit: Evtl sollten wir Zwecks Übersichtlichkeit Diskussionen themenspezifisch auslagern.

RS-USER-Kermit
19.04.2005, 08:32
Gute Sache das...:)
Zu dem Verbinden, bei mir hat die Erfahrung eher gezeigt, dass es schön weiter durchblutet, wenn man "nur" eine weitere Schicht über die Wunde legt. War bei einer Kopfplatzwunde so, da hatten die Kollegen nachher 3 große Verbandtücher als Polster drauf gebunden und da ist es schön weiter durchgesuppt.
Letztendlich denke ich es läuft auf nen Mittelweg hinaus, gegen eine zweite Schicht eines Druckverbands/Verbands kann man sicher nix sagen, aber nach der fünften sollte man sich evtl. nochmal Gedanken über seine Verbandstechnik machen ;)

RS-USER-fruehgriller
19.04.2005, 08:47
Hier helfen oftmals wirklich die Tricks der Ersten Hilfe.

Wie schon oben geschrieben, bei großen Verletzungen / Amputationen unterhalb des Ellenbogen ist hochhalten (über Hertniveau) eine gute Lösung. Ich hab da auf meinem Handy ein schönes Foto vom WE, da haben wir eine Hand / Fingerverletzung mit teilweiser Amputation gehabt, und den Arm die ganze Zeit, auch den Trsp über hochgehalten. Eine Blutung war zwar noch da, aber nur gering.

Werde mal sehen, ob ich das Foto hier reinsetzen kann. Keine Angt, ist sehr harmlos, ohne Blut. Sind ja keine Bildzeitung hier.

@ Tabby

Wo liegen denn die großen Gefahren beim Legen zentraler zugänge (Halsvenen usw)????

RS-USER-Obelix
19.04.2005, 09:04
Weil hier ländliche Gebiete und lange Transportwege angesprochen wurden. Immer schon frühzeitig an einen RTH denken. So etwas Anflugzeit hat der auch.

RS-USER-fruehgriller
19.04.2005, 10:00
Richtig!!!

Steht auch schon im Fall drin. Ist übrigens auch bei relativ dichter Klinikbesiedlung oft sinnvoll, wenn ein KH überaschend absagt, ist mann schon in der luft und schneller in einer weiter entfernten Klinik.

sturmi
19.04.2005, 10:56
äehhhm ja, meinte natürlich kompensieren.....war schon a bisserl spät gestern....

*gähn*

naja, hab jetzt erst mal 8 Stunden Uni ... besser als gar kein Schlaf :D

RS-USER-DocMezzoMix
19.04.2005, 11:13
Erwähnenstwert ist meiner Meinung auch the golden hour of Trauma was wiederum für uns "Präkliniker" bedeutet, der Patient sollte innerhalb 1 Stunde auf dem (Schockraum)-Tisch liegen, weil nur so die (gute)Chance besteht Amputate zu rekonstruieren und (bei anderen Verletzungsmustern) innere Blutungen zu stoppen.
Klartext...nur die akut notwendigen Basics vor Ort durchführen, was geht in während der Fahrt machen.
Wer wirklich mal bei nem Trauma die Zeit stoppt, wird feststellen, selbst bei der Klinik um die Ecke, ist die Zeit schwer zu halten.

Rettungstiger
19.04.2005, 12:34
Hab ich das nur überlesen, oder will hier keiner dem Patienten Sauerstoff geben?
--> Bei Unterschenkelamputation mit drohendem oder bereits manifestem Volumenmangelschock 10l über Maske (mit Reservoir)
--> wegen Abbinden mit Blutdruckmanschette: dürfte u.U. schwierig werden das Ding sinnvoll um den OS zu bringen. Also gute alte Knebelmethode:D

sturmi
19.04.2005, 12:52
Original geschrieben von DocMezzoMix
Erwähnenstwert ist meiner Meinung auch the golden hour of Trauma was wiederum für uns "Präkliniker" bedeutet, der Patient sollte innerhalb 1 Stunde auf dem (Schockraum)-Tisch liegen, weil nur so die (gute)Chance besteht Amputate zu rekonstruieren und (bei anderen Verletzungsmustern) innere Blutungen zu stoppen.
Klartext...nur die akut notwendigen Basics vor Ort durchführen, was geht in während der Fahrt machen.
Wer wirklich mal bei nem Trauma die Zeit stoppt, wird feststellen, selbst bei der Klinik um die Ecke, ist die Zeit schwer zu halten.

Bei uns würde das dann Load-and-go heißen ... oder anders ausgedrückt: Die "goldene Stunde" ist auf dem Land so gut wie NICHT zu erreichen...:(

RS-USER-blacksheep
19.04.2005, 13:07
Original geschrieben von sturmi
Bei uns würde das dann Load-and-go heißen ... oder anders ausgedrückt: Die "goldene Stunde" ist auf dem Land so gut wie NICHT zu erreichen...:(

Wie lange braucht ihr denn in der Regel zu nem Haus der Maximalversorgung?
Wenns zu lange dauert sich frühzeitig um nen RTH kümmern.

Rettungstiger
19.04.2005, 13:09
Na ja, in meinem früheren Einsatzbereich (LKR Rosenheim) gibt es das BHZ Vogtareuth, auf Neuro- und Gefäßchrurgie spezialisiert. Die waren schon in den Schlagzeilen, weil sie einen abgetrennten UA wieder funktionsfähig angeflickt haben. 2 min von dort in jede Richtung, dass ländlichste Bayern, dass man sich vorstellen kann!:)
Aber ernsthaft, es wird zwar schwierig mit der golden shower äh... hour :-blush, aber bei frühzeitiger RTH alarmierung durch die Lst, sollte es in durchaus öfters klappen: Eintreffen RTW/RTH/NEF nach ca. 15 min, Versorgung (das nötigste) 15-20 min , wenn dann das passende Klinikum nicht allzu weit weg ist, könnte es gerade so klappen.

RS-USER-blacksheep
19.04.2005, 13:09
Original geschrieben von Rettungstiger
Hab ich das nur überlesen, oder will hier keiner dem Patienten Sauerstoff geben?
--> Bei Unterschenkelamputation mit drohendem oder bereits manifestem Volumenmangelschock 10l über Maske (mit Reservoir)
--> wegen Abbinden mit Blutdruckmanschette: dürfte u.U. schwierig werden das Ding sinnvoll um den OS zu bringen. Also gute alte Knebelmethode:D

Wo denkst du hin? Wenn wir hier jedem Sauerstoff geben würden, dann würden wir ja arm werden :)

Es soll auch Fahrzeuge geben die ne Oberschenkelbluddruckmanschette dabei haben ;)