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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Verschenktes Leben



Rettungstiger
27.04.2005, 16:52
So was nervt mich immer tiereisch! Letzten Samstag:
ca. halb drei in der Früh, Cardia 4, Notarzteinsatz.
Nach ca. 6 min Eintreffen. Mehrfamilienhaus, große Aufregung, ausländische Familie (Kroaten o.ä.)
Im Schlafzimmer: Mann, 56 JAhre, neben dem Bett auf dem Rücken, Reanimationspflichtig. Halbautomat angeschlossen, Asystolie, "kein Schock empfohlen". Pupillen weit und lichtstarr Ca. 2 min reanimiert, dann Notarzt eingetroffen, unterhält sich kurz mit Angehörigen, kommt zu uns, prüft noch mal Pupillen --> wie vorher. Nochmal Analyse, wie vorher, NA bricht Rea ab.
Er hat gerade von den Angehörigen erfahren, dass der Familienvater gegen Mitternacht plötzlich stärkste Brustschmerzen bekommen hatte. Es wurde aber nix unternommen, er hat sich ins Bett gelegt, nach gut zwei Stunden war er plötzlich ganz ruhig (und tot), worauf man (leider etwas zu spät) den RD gerufen hat. Natürlich keine Laienreanimation durchgeführt.
Das tragische: Wir sind fast die ganze Nacht durchgefahren, nur zwischen Mitternacht und diesem Einsatz hatten wir Pause.
Ein Anruf gegen kurz nach Mitternacht, und er könnte schon wieder übern Berg sein!:-keule

RS-USER-apoplex
27.04.2005, 16:57
Das ist überall so.
Wir haben am Wochenende einen Patienten mit Schlaganfall hereinbekommen.
Dann zeigte uns die Ehefrau einen Einweisungsschein mit "neu aufgetretener Tachyarrhythmie + Vorhofflimmern", der allerdings schon 2 Tage zuvor ausgestellt worden ist.
Ihr Mann hat sich nur geweigert, ins Krankenhaus zu gehen.
Der Schlaganfall wäre vermutlich zu verhindern gewesen.

Carlbaer
28.04.2005, 16:54
hatten wir neulich Samstagvormittags:

Papa fiel da heim tot um !
Doch stat Mama uns anruft, ruft sie Sohneman an !
Der stand zu der Zeit in seiner Heimat ca. 10 km weiter im Wengert!
Sohneman fuhr mit dem Schlepper erst mal heim, setzte sich ins Auto (nachdem er noch schnell eine Nachricht für seine Frau schrieb !!!) und fuhr dann zu den Eltern !
Hier angekommen stellt er fest was Mama am Telefon schon sagte: "der tut nemme !"
Also mal den Onkel Doktor anrufen !!! ( Bereitschaftsdienst, Notfallpraxis )
Arzthelferin des AND´s hatte dan den Notruf veranlasst weil der Dok. auf Hausbesuch war !
Nach weiteren 15 minuten, also unserem Eintreffen, und wie auch sonst, ohne Ersthelferreanimation, war halt echt nix mehr zu machen !!!

Monoton NA: Der isch futsch :(

funky weirdo
29.04.2005, 00:08
wäre echt mal interessat zu erfahren, wieviel indizierte notfälle doch letztlich auch (rechtzeitig) gemeldet werden. kann mir nämlich (auch aus gesprächen mit bekannten) nicht vorstellen, wieviele leute wissen, wann die zeit der 112 gekommen ist.

RS-USER-Shizr
29.04.2005, 08:08
da spielt ja dummerweise auch die angst mit rein, man müsse den einsatz bezahlen, wenn's fehlalarm ist... wissen viele nicht, dass das nur bei böswilligem fehlalarmieren kostet.

aber ich denk, die quote ist sehr hoch.

Rettungstiger
29.04.2005, 08:47
Manchmal ist da die Welt aber auch einfach verkehrt! Die einen haben ein derartiges Anspruchsdenken und alarmieren den RD wegen jedem Sch...., die anderen bei denen es wirklich indiziert wäre, wollen "keine Umstände" machen und verzichten darauf.
Ein RA hatte mal passend dazu gesagt: "Ich frag mich schon manchmal, da laden wir den Pat. aus, zu dem wir wegen ner bisschen Schnittverletzung mit Blau raus gefahren sind, und nebenan ziehens den halbbewusstlosen Apolpex ausm Privat PKW".

Schim
29.04.2005, 09:10
Original geschrieben von Rettungstiger
[...]die anderen bei denen es wirklich indiziert wäre, wollen "keine Umstände" machen und verzichten darauf.
Hatte auch mal eine "interessante" Sache in meiner Verwandtschaft, ist gottseidank gut ausgegangen:

Tante mit bekannter (!) Wespenallergie wird bei der Feldarbeit gestochen. Was tut die Gute?

Zuerst mal die aktuelle Arbeit fertig machen. Klar. Dann nach Hause gehen und umziehen, denn mit dem schmutzigen Zeug kann man sich ja nicht öffentlich blicken lassen. Dann mit dem Fahrrad zum Hausarzt.

Die Sprechstundenhilfe bewundert zwar die Schwellung und den kräftigen Hautausschlag, lässt sie aber trotzdem ganz normal warten. Und vordrängen - wer käme denn auf so etwas?

Der Hausarzt sieht sich angesichts beginnender Atembeschwerden etwas überfordert und rät dringend zu einem Krankenhausbesuch. Er schlägt einen Transport per KTW vor - aber soviel Aufwand treiben, das geht doch nicht.

Also mit Rad wieder heim. Auf halber Strecke geht's dann doch nicht mehr so ganz, also den Ehemann anrufen, damit er mit dem Auto kommt.

Der ist gerade beim Holz Hacken, muss daher noch duschen(!), holt sie dann mit dem PKW ab und bringt sie endlich in KH.

Kommentar des Arztes: "Der letzte in Ihrem Zustand ist mit dem Hubschrauber gekommen..."

serial2k
29.04.2005, 13:11
Jep, Kosten und Angst davor, "umsonst" angerufen zu haben überwiegen leider bei dem meisten Leuten.

Selbst mein Vater, Allergiker und dadurch recht starker Asthmatiker war der felsenfesten Überzeugung, dass er den NA im Notfall bezahlen muss. Das wäre nämlich in Berlin fast soweit gewesen, wir waren in einem Museum und er hat auf einmal immer schlechter Luft gekriegt, hatte sein Spray aber im Hotel liegen lassen (sehr intelligent). Gott sei Dank hatte die Dame an der Garderobe noch stärker Asthma und hat im dann gleich ein Spray und ein paar Cortison-Tabletten geschenkt, noch mehr dabei hatte. War ne sehr nette Aktion. Hinterher meinte er auch "das war knapp, gut dass die das hatte, sonst..." und ich ergänzte "hätten wir eben zügig den RD holen müssen". Dann wollte er mich davon überzeugen, dass das sauteuer wäre... und sich auch nicht erklären lassen, dass er die Kosten nicht selber tragen muss. Ich glaube der denkt bis heute noch, dass er im Notfall persönlich blechen muss.

Das ist dummerweise bei vielen Leuten so. Und eben die Angst, wegen einer mögliche "Lapalie" irgendjemandem Umstände zu bereiten. Das wäre ja auch sooooo schlimm... da geht man dann lieber die Tage mal wegen diesen nervigen Brustschmerzen zum Hausarzt.

RS-USER-Rettungshund
29.04.2005, 13:20
Also ich bin auch so ein Mensch der lieber den RD einmal zu viel Ruft als einmal zu wenig.

Weil besser einmal eine Fehlfahrt zu haben oder es ist nix so schlimmes als das ein Person mit einem HI meint mit dem Fahrrad den Brerg hoch bis zum Arzt schaff ich noch.

RS-USER-Claudi
29.04.2005, 13:25
Original geschrieben von Schim


Tante mit bekannter (!) Wespenallergie wird bei der Feldarbeit gestochen. Was tut die Gute?

Zuerst mal die aktuelle Arbeit fertig machen. Klar. Dann nach Hause gehen und umziehen, denn mit dem schmutzigen Zeug kann man sich ja nicht öffentlich blicken lassen. Dann mit dem Fahrrad zum Hausarzt.


erinnert mich verflixt an meine eigene Verwandtschaft. :rolleyes:
Da ruft man mich an, statt die 112.
"Hach, ich hab so ein Herzrasen und der Schweiß läuft mir so runter und so Beklemmungen in der Brust. Atmen klappt auch nicht wirklich gut. Und der Blutdruck war gerade 190 zu irgendwas..."
"Ja - dann ruf jetzt mal die 112 und PRONTO!"
"Äh - ja, mal sehen. Wenns in ner halben Stunde noch nicht besser ist... ich hab doch noch so viel zu tun...aber jetzt leg ich mich erstmal hin" :rolleyes:

Die Gute ruft allerdings nur deshalb keinen Notarzt, weil der sie ja mitnehmen könnte. Und das geht nun wirklich nicht. Wer soll denn dann die Arbeit zu Hause machen? Wenn sie irgendwann tot im Keller liegt, wer macht dann die Arbeit? Aber so weit denkt wohl keiner.

RS-USER-blacksheep
29.04.2005, 14:07
Naja man sollte so ehrlich sein und sagen das Kassenpatienten einen Eigenanteil bei einem Transport bezahlen müssen. Der liegt aber zwischen 10 und 20¤ und ist damit weit unter der Kosten für einen RTW/NAW (380¤ bzw 480¤ am Tag zzügl. ein paar Euro pro km)
Privatpatienten fallen immer aus allen Wolken wenn sie die Rechnung bekommen. Schön öfter mal einen am Tel gehabt der sich drüber aufgeregt hat. Ein bissle Überzeugungsarbeit was da vom RD dahinter steckt und das wir Fehlfahrt nicht bezahlt bekommen und um dann doch wenigstens auf Null bzw mit nem Gewinn darstehen zukönnen sind sie dann meist einsichtig.

RS-USER-Rettungshund
29.04.2005, 14:28
Original geschrieben von blacksheep
Naja man sollte so ehrlich sein und sagen das Kassenpatienten einen Eigenanteil bei einem Transport bezahlen müssen. Der liegt aber zwischen 10 und 20¤ und ist damit weit unter der Kosten für einen RTW/NAW (380¤ bzw 480¤ am Tag zzügl. ein paar Euro pro km)
Privatpatienten fallen immer aus allen Wolken wenn sie die Rechnung bekommen. Schön öfter mal einen am Tel gehabt der sich drüber aufgeregt hat. Ein bissle Überzeugungsarbeit was da vom RD dahinter steckt und das wir Fehlfahrt nicht bezahlt bekommen und um dann doch wenigstens auf Null bzw mit nem Gewinn darstehen zukönnen sind sie dann meist einsichtig.

Der Eigenanteil gilt aber nur für KTP und nicht für die Notfallrechnung IIRC

RS-USER-blacksheep
29.04.2005, 14:33
Könnt sein das es sich in den verschiedenen LandesRettungsdienstgesetzen unterscheidet.
Es wurd mir so aber von unserer Abrechnungsstelle gesagt. Kann sein das sich das irgendwie geändert oder die es einfach nur falsch weitergegeben haben.

RS-USER-DocMezzoMix
29.04.2005, 15:09
Eigenanteil ist zumindest bei uns immer.


Back to topic

Kann es sein, dass es ein deutliches Gefälle zwischen Land und Stadt und zwischen den Generationen gibt?

Ich könnte aus dem Stehgreif bestimmt 100 Fälle nennen, wo wir wegen "sch**dreck" mit blau hingefahren sind, oder denen ich am Telefon gesagt habe "schauen Sie mal aussem Fenster und sagen sie mir, welche Farbe der Himmel in ihrer Welt hat", während die Omi oder Opi die wirklich was haben und sich nicht trauten wirklich selten geworden sind.

Aber wir züchten uns die in der Stadt auch selbst, den wie gesagt, leider kostet es nix...

Ich denke 50€ wären ne gute Sache, denn wer wirklich Hilfe braucht, lässt sich durch die Summe nicht abschrecken, und wer nur zu faul ist "Morgen zum Hausarzt, ich, nö, da hab ich keine Zeit, da bin ich midde Jungs verabredet" überlegt es sich nochmal. Evtl. kann man ja auch über ein großzügiges "Der NA kann die Schuld erlassen" Verfahren nachdenken.

RS-USER-Rettungshund
29.04.2005, 15:11
Na ja nach dem Motto verschieden Krankheitsbilder zahlen dann halt nix. Wie z.B. Rea oder Apoplex usw.

Ropi
29.04.2005, 15:12
tja, einer Freundin von mir ist es in HH passiert, daß sie ne fette Rechnung (private KV) für einen RTW Fahrt beinahe zahlen mußte.
Ihr älteres Kind hatte nachts um 3 Uhr einen heftigen und ersten pseudoKrupp anfall. Sie hat in der Kinderklinik angerufen und die haben einen Arzt geschickt, der nach der Behandlung (erfolgreiches Ansprechen auf Cortison Zäpfchen) meinte, daß er die Kleine plus Mutter lieber mitnehmen würde, da das beim ersten Anfall wegen Nachbeobachtung etc. besser bzw. nötig wäre. In der Klinik ging es der Kleinen immer besser und sie durften nach etwa 2 h wieder heim.
Die Mutter bekam dann ne saftige Rechnung mit der Begründung, das die Fahrt mit Arztbegleitung wohl überflüssig gewesen wäre, da das Kind ja nur ambulant behandelt worden wäre und die Kosten des Transports nur bei stationärer Behandlung übernommen würden . Sie hat sich dann gewehrt und argumentiert, daß sie nachts um halb vier sich auf die Aussage des Arztes verlassen hätte der ja schließlich auch kein Hellseher sei. Ausnahmsweise hat die KV dann die Kosten übernommen.

Aber solche Aktionen verunsichern natürlich die Leute - wenn die KK sich schon bei dem Transports eines Kindes auf Rat eines Arztes hin so anstellt.....

RS-USER-opus
29.04.2005, 15:36
Original geschrieben von blacksheep

Privatpatienten fallen immer aus allen Wolken wenn sie die Rechnung bekommen. Schön öfter mal einen am Tel gehabt der sich drüber aufgeregt hat. Ein bissle Überzeugungsarbeit was da vom RD dahinter steckt und das wir Fehlfahrt nicht bezahlt bekommen und um dann doch wenigstens auf Null bzw mit nem Gewinn darstehen zukönnen sind sie dann meist einsichtig.
Auch der Vergleich mit Schlüsseldiensten oder Klempnern und deren Kostensätze, wenn man nachts einen Hausbesuch wünscht, hilft zuweilen. Die verlangen u.U. locker das Doppelte.

Momentan werden Kämpfe mit KVs wegen vermeindlich unnötiger Transportleistungen tatsächlich immer häufiger. In meinen EH/EH-K -Kursen ermuntere ich noch immer, im Zweifel die Fachleute zu holen, aber, wer weiß, wie lange ich das noch mit gutem Gewissen tun kann. In der Regel gebe ich den Rat: 'Leute, wenn ihr euch unsicher seid, dann ruft trotzdem an. Beschreibt die Situation, wie sie sich euch darstellt und fragt: "Was soll ich tun?"'
Zu meiner Zeit im 'Außendienst' war die Welt noch einfach. Hat irgendein Doc unterschrieben, daß ein Transport erforderlich sei, egal ob Hausarzt oder Aufnahmearzt im KH, dann wurde die Fahrt von der Versicherung bezahlt.
So schön ist es eben nicht mehr.

RS-USER-DocMezzoMix
29.04.2005, 15:46
Das ist halt echt der Widerspruch... zum einen werden notwendige Leistungen nur zögerlich bezahlt, die Leute trauen sich nicht anzurufen, obwohl es höchste Zeit ist zu anderen nimmt das Schmarotzertum innerstädtisch zu (besonders leider oft bei Personen, die vor 2Jahren noch an Orten gewohnt haben, wo es keinen Arzt gibt...) Das anspruchsdenken wird direkt mitgeliefert...
ISt schon ein wenig frustran, aber leider wird sich daran nichts ändern lassen, damit nicht irgendwem geschadet wird der unsere Hilfe wirklich braucht.

Bei uns ist es übrigens "Dienstanweisung" "Lieber mitnehmen, auch wenns kein Geld gibt" und das ist auch gut so.

Gruß dMM

Carlbaer
30.04.2005, 08:23
Wir durften neulich als eiliger NAW zu einer (angeblich) hilfloßen Person fahren.
Dort angekommen stellten wir zuerst fest das wir nicht rein kommen :D weil kein DRK Hausnotruf sondern selbst instaliertes Billiggerät!
Als dann eine Angehörige gekommen ist (Der hat dieses Gerät auch angerufen/ krasse Sache, warum können unsere Geräte das nicht :confused: ) stellten wir nun fest das sich diese alte Dame vor einem Geräusch im Keller erschreckt hatte, und als ans Bett gefesselte, keine andere Möglichkeit sah, auf den Knopf zu drücken !!!

Haben dann ein Beratungsgespräch über DRK Hausnotruf geführt und sind wieder ins Bettchen :mad:

Kusti
04.05.2005, 17:04
Original geschrieben von funky weirdo
wäre echt mal interessat zu erfahren, wieviel indizierte notfälle doch letztlich auch (rechtzeitig) gemeldet werden. kann mir nämlich (auch aus gesprächen mit bekannten) nicht vorstellen, wieviele leute wissen, wann die zeit der 112 gekommen ist.

Der Prozentsatz derer, die (bei REA) rechtzeitig anrufen ist leider schwindend gering. Und noch geringer ist der Anteil derer, die dann noch Reanimationsmassnahmen durchführen...

In der aktuellen Ausgabe vom "Rettungsdienst"-Magazin musste ich über n Titel so lachen: "Deutschland soll ein Volk von Lebensrettern werden" ... ;)