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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : erythromycin als magenentleerer?



RS-USER-priv.doz.
12.05.2005, 12:21
hallo,
hab da mal eine frage.
habe im pj in der notfallaufnahme vor in paar tagen erfahren, dass bei einem patienten mit akuter magenblutung mit indikation zur notfallgastroskopie erythromycin gegeben wurde. mit der begruendung dass der magen sich dann innerhalb von 5 minuten entleeren tut.
meine frage ist , stimmt das?? hab davon noch nie was im studium gehoert.

wenn das aber stimmt, kann man dann nicht vor einer notfallintubation zum beispiel crush-einleitung, denn nicht auch zur aspirationsprophylaxe erythromycin geben? waere doch sinnvoll, oder etwa nicht??

falls das jetzt von mir geschriebene totaler stuss ist, bitte ich um entschuldigung. ansonsten aber vielen dank im voraus für die antworten.

mfg

priv.doz.

RS-USER-Feife
12.05.2005, 23:01
Hallo Priv. Doz.,

ich kenne Erythromycin nicht bis ins letzte Detail aber ich glaube hier hat dir jemand einen Bären aufgebunden...
Mangels eines schlauen Buches in dem steht was Erythromycin tut und was nicht, lass mich den Weg zur Begründung von hinten durch die Brust ins Auge versuchen:

> Um eine Magenentleerung binnen fünf Minuten zu erreichen (und ich nehme an mit Magenentleerung meinst du nicht Erbrechen) muss ein Medikament den Körper zu einer irren Hyperperistaltik anregen.
200ml Wasser haben auf nüchternen Magen eine Halbwertszeit von ca. 10min. Wenn ich nun an einen mit 500ml Blut und Speiseresten gefüllten Magen (lauter Protein, Kohlenhydrate und Fett), reden wir knapp von einer Verzwanzigfachung der Peristaltik.
Die gesteigerte Peristaltik müsste natürlich auch den Darmtrakt betreffen. Denn wenn nur der Magen Druck macht ist ziemlich rasch Stau im Rohr (und die Geschichte geht in die falsche Richtung, *würg...*).
Ist der Darm in die Hyperperistaltik miteinbezogen dürfte es Bauchgrimmen der bösesten Art geben.
Klingt also eher unwahrscheinlich.

> Angenommen, diese Hyperperistaltik könnte aber wirklich erzielt werden, so dürfte sich der Pylorus wie der Druckminderer von B-Rohr auf Gartenschlauch fühlen. Wohlwissend das der Pylorus Streß gar nicht abkann dürfte er wohl dicht machen und die Hyperperistaltik nach hinten losgehen (also doch erbrechen. Nicht im Sinne des Erfinders).

> Wir haben Erythromycin als reguläres Antibiotikum (was auch die einzige Anwendung ist in der ich es kenne) im Sortiment. Und bisher hat sich, abgesehen von dem ein oder anderen leichteren Durchfall, noch keiner über ein überschnell verdautes Frühstück beklagt...

Eine Frage am Rande... bist du sicher dass du Erythromycin nicht mit Erythropoetin verwechselst? (Hab ich als Azubi immer prima gekonnt)
Das Erythropoetin würde in meinen Augen jedenfalls besser zur unklaren Magenblutung passen als Erythromycin. Von einer Anregung der Peristaltik wüsste ich aber auch hier nichts.

Zum Schluß ein paar Worte zur Aspirationsprophylaxe bei Notfallintubation:
- Hyperperistaltik heißt gesteigerte Darmaktivität, also erhöhter Sauerstoff- (und damit Blut-) -bedarf im Darm.
- Die Umverteilung des Blutes zu Gunsten des Verdauungstraktes dürfte bei Notfallpatienten (weil in der Regel Kreislaufinstabil) äusserst unerwünscht sein.
- Bei nicht nüchternen Ileuspatienten genausowenig, denn ein paralytischer Ileus wird von Hyperperistaltik nicht "aufwachen" und ein mechanischer nicht "aufgehen"wird. In beiden Fällen wäre also nur die Rupturgefahr der Darmwand durch Überaktivität erhöht.

Hat jemand zu dem Thema was studiert? Jetzt wär ich nämlich noch auf eine Buchmeinung gespannt...

Gruß, Feife.

Intensivling
13.05.2005, 06:53
Also wir verwenden Erythomycin zur Steigerung der Peristaltik mit super Erfolgen, leider kann ich dir jedoch nicht sagen ob es binnen 10 Minuten wirkt.
Analgosedierte Patienten mit Transportstörungen bekommen 30 Minuten vor Sondenkostbeginn 200mg Erythromycin via Magensonde ... danach funktioniert der Transport von Sondenkost wesentlich besser als mit anderen Mitteln wie Motilium etc.
Es hat dir sicher keiner einen Bären aufgebunden denn es funktioniert wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann.
Laut unseres Ernährungsexperten gibt es keine plausible Studie darüber aber es hat sich eben gezeigt das die Gabe von 200 - 400mg Erythromycin oral die Peristaltik deutlich anhebt, trotz Analgosedierung oder anderen Faktoren die die Magen- Darmmotilität hemmt.

Ich würde der Aussage der Notfallaufnahme glauben schneken, auch wenn dir keiner eine plausible und durch Studien begründete Äusserung geben kann.


Laut einiger Aussagen unseres Expertenteams Ernährung war es ein Zufallsbefund durch eine Fehlapplikation, da Erythromycin eigentlich für die i.v. Gabe konzipiert ist.

Leider haben wir es nie prophylaktisch zur Crush - Intubaton eingesetzt, so das ich dir hierzu nichts weiter sagen kann ...

Solltest mal GOOGLEN (http://www.google.de/search?hl=de&q=Erythromycin+magenmotilit%C3%A4t&spell=1)
hab viele gefunden die das auch so machen und gute Erfahrungen haben.


Nachtrag :
Geben die das i.v. oder oral ???

RS-USER-SchwesterM
13.05.2005, 23:02
Naja, habe das noch nie gehört, aber man weiß ja, daß viele Patienten von ihrer Antibiose Durchfall bekommen.

Könnte ja sein, daß das nicht nur mit den vielen toten Darmbakterien zusammenhängt ...


:confused:

RS-USER-Katja
14.05.2005, 16:54
Original geschrieben von SchwesterM
Naja, habe das noch nie gehört, aber man weiß ja, daß viele Patienten von ihrer Antibiose Durchfall bekommen.

Könnte ja sein, daß das nicht nur mit den vielen toten Darmbakterien zusammenhängt ...

Nee, das hat nichts miteinander zu tun. Erythromycin beschleunigt in erster Linie die MAGENentleerung, mit gekillten Darmbakterien hast Du in dem Bereich nichts am Hut :)

10 Minuten halte ich allerdings für etwas optimistisch. Wobei wir es auf der Intensivstation auch eher bei Patienten anwenden, wo's mit dem Transport halt nicht klappt, die sind ja alle nicht gesund :o Für Akutsituationen ist es mir noch nie in den Sinn gekommen.

RS-USER-SchwesterM
16.05.2005, 15:47
aber nur die beschleunigte Magenentleerung nützt ja auch nix, wenn`s dann nicht weiter geht ...

Intensivling
16.05.2005, 16:17
Also es beschleunigt die Magenentleerung und dadurch kommt auch die Darmperistaltik in Gang ... bei uns ist es in der Tat so das die enterale Ernähruing damit deutlich besser klappt .... wobei ich nichts über Akutsituationen wie ne Magenblutung oder Crush - Intubation berichten kann.

silver tabby
18.05.2005, 04:42
Also wir geben (abdominalchirurgisch) gerne bei Oberbauchatonie (von der hier ja die ganze Zeit gesprochen wird) 3x tgl. 250mg iv.

wirkt ganz gut. wenns nicht reicht (zum abführen...) kommen die "2P" ins Spiel: Prostigmin und Paspertin. Wenn das immer noch nicht reicht kann man noch Distigminbromid versuchen, das ist allerdings schon ein echter Knaller.. *schmunzel*

Allerdings wage ich zu bezweifeln, dass man diese Massnahmen als Notfall-Medis einsetzt. Die meisten Patienten brauchen trotzdem bis sie abführen...

Gruss,
die Katze

RS-USER-Schädelspalter
24.05.2005, 16:24
Hallo,
Erythromycin wird tatsächlich gelegentlich als Prokinetikum benutzt, gerne auch bei Kindern. Für manche Indikationen soll es nichts bringen (wohl keine beschleunigte Giftelimination aus dem Darm), aber zum Plazieren von Dünndarmsonden oder zur Beschleunigung der Magenentleerung soll es ganz gut helfen.
Die beiden Studien, die unten genannt sind, sagen das auch, ein wirklicher Benefit bezüglich "harter" Endpunkte (Überleben usw.) ist aber wohl umstritten. Die meisten Studien, die ich dazu gefunden habe, haben übrigens mit i.v. Erythromycin gearbeitet.

Crit Care Med. 2002 Jul;30(7):1429-35.
Gastrointestinal promotility drugs in the critical care setting: a systematic review of the evidence.
Booth CM, Heyland DK, Paterson WG.

CONCLUSIONS: As a class of drugs, promotility agents appear to have a beneficial effect on gastrointestinal motility in critically ill patients. A one-time dose of erythromycin may facilitate small-bowel feeding tube insertion. Administration of metoclopramide appears to increase physiologic indexes of gastrointestinal transit and feeding tolerance. Concerns about safety and lack of effect on clinically important outcomes preclude strong treatment recommendations

Crit Care Med. 2002 Jun;30(6):1237-41.
Erythromycin and early enteral nutrition in mechanically ventilated patients.
Reignier J, Bensaid S, Perrin-Gachadoat D, Burdin M, Boiteau R, Tenaillon A.

CONCLUSION: In critically ill patients receiving invasive mechanical ventilation, erythromycin promotes gastric emptying and improves the chances of successful early enteral nutrition.

Ach ja, hier noch ein Übersichtsartikel (http://ccforum.com/content/7/3/206) : Prokinetic agents in critical care, Warren L Doherty and Bob Winter, Critical Care 2003, 7:206-208, © 2003 BioMed Central Ltd

Mamue
25.05.2005, 14:05
Bei uns gilt die These MCP für den Magen, Erythromycin für den Darm. Das heißt für die Magenentleerungsstörungen verwenden wir das gute alte MCP - funktioniert besser als Erythro und umgekehrt die Peristaltikanregung am Darm (500 mg Erythro über 30 min i.v.).

Sehr gute Erfahrung haben wir auch im letzten Jahr mit Naloxon gesammelt. Dies bekommen wir aus der Apotheke fertig gemischt als 0,1% Lösung und geben hiervon 8 mg = 8 ml per Os oder per Sonde aller 4 bis 6 Stunden. Dies wird nicht resorbiert und richtet somit keinen Schaden an - beeinflusst somit auch keine Schmerztherapie mit Opioiden. Und durch das "selbstgemischte" halten sich die Kosten gegenüber den Originalampullen auch deutlich in Grenzen. Die Wirkung ist fast wie Taccus - aber ohne die kardialen Nebenwirkungen.

silver tabby
25.05.2005, 14:54
Schonmal jemand was von "Ochsengalle" gehört...?

Geben die bei uns immer als letzten Notnagel...

Intensivling
25.05.2005, 15:09
Original geschrieben von silver tabby
Schonmal jemand was von "Ochsengalle" gehört...?

Geben die bei uns immer als letzten Notnagel...

Was soll das denn sein Tabby ??? :confused:
PS : Dein Postfach ist voll :D

silver tabby
26.05.2005, 00:16
Habbich grad auch gemerkt... jetzt sollte aber wieder Platz sein...

Intensivling
26.05.2005, 07:56
Back to topic ... was hat das denn mit der Ochsengalle auf sich Tabby ???

RS-USER-SchwesterM
27.05.2005, 10:03
Ochsengalle ist ein absoluter Klassiker bei uns auf der Urologie.

wenn das nicht mehr hilft, hat der Patient einen Darmverschluß. Aussage des Oberpflegers.


2 Eßl. auf 500 ml warmes Wasser, das Ganze als Hebe-Senk-Einlauf verabreichen.

Hat in aller Regel durchschlagenden Erfolg ....

silver tabby
05.06.2005, 14:48
Habe auch noch mal nachgefragt... scheint tatsächlich Ochsengalle zu sein (auf der Flasche aus der Apotheke stehts drauf und zusätzlic: Fel tauris siccum EB 6)...
Und durchschlagen tuts wirklich...
Gruss,
die Katze