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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Erste Hilfe bei Verbrennungen-Umsetzung neuer Richtlinien?



Rettungstiger
18.08.2005, 17:10
Bin gerade bei der AGBN (http://www.agbn.de) auf folgende Pressemitteilung (http://www.agbn.de/download/469.pdf) gestoßen. Den fachlichen HIntergrund will ich hier nicht zur Diskussion stellen, sondern die Umsetzung.
Betrifft: Erste Hilfe, Sandienste, First Responder, Rettungsdienst ohne NA
Meine Fragen:
1. Setzt ihr dies genauso um?
2. Welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht?
3. Wie wird die Thematik aktuell in San-, RS-, RA-Kursen gelehrt?

Das ganze vor folgendem Hintergrund:
Das Kühlen von Brandwunden ist (ohne Beleg; meiner Meinung nach) DIE Maßnahme der Ersten Hilfe, die der Bevölkerung als Einzige in Fleisch und Blut übergegangen ist und konsequent durchgeführt wird. Wie schwer wird es sein, das abzustellen?
Und vor Allem: Wie reagieren Ersthelfer darauf, wenn der Rettungsdienst, oder man selbst als Ersthelfer ohne Ausrüstung, diese (schmerzlindernde) klassischsche Maßnahme nicht mehr durchführt?

RS-USER-DoktorW
18.08.2005, 17:27
der Rettungsdienst sollte meiner Meinung nach eh mit professionelleren Maßnahmen arbeiten! Ich denke da an Burn Pack etc. Wasser bzw. Infusionen sollten eigentlich der Vergangenheit angehören!

Allerdings laufe ich mit den Aussagen des Herrn Prof. Sefrin auch nicht immer zu 100 % konform. Aber das ist eher so meine persönliche Meinung...

RS-USER-Elektro-Dengel
18.08.2005, 20:49
Also auf die Gefahr hin, dass ich mich hier als Unwissender oute:

Meines Wissens ist eine Kühlung die erste und wichtigste Massnahme bei Verbrennungen. Abgesehen von der Schmerzlinderung wird dadurch verhindert, dass es zu weiteren hitzebedingten Gewebsschäden kommt (v.a. bei Verbrühungen kann die Hitze schnell unbemerkt tiefere Schichten erreichen).
Dass das ganze nicht übertrieben werden darf sollte eigentlich der gesunde Menschenverstand gebieten. Wer sein sprichwörtlich "gebrandtes Kind" mal eben für ne Std. in ne Wanne Eiswasser setzt, bracht sich hinterher eigentlich nicht wundern.
Ich hab mal die Faustregel gelernt "mit handwarmem Wasser (ca. 20°C) für max. 20 min. kühlen, sofern die Verbrennungen (Lokalisierung, % Kof) dies zulassen."
Dass darunter andere Massnahmen (Schockbekämpfung, Volumensubstitution, Analgesie duch NA, Wundversorgung, etc.) nicht zu kurz kommen sollten, versteht sich eigentlich auch.
Wenn ich bei dem ganzen Tara mit ein bisschen Hirn rangeh und den Patienten beobachte, dann seh ich ja was ihm gut tut und was nicht!

Also weiß ich nicht, was dieser Artikel mir sagen soll. Wenn er das sagt, was ich denke (du nix mehr kühlen Brandwunde, sonst böse Aua) dann muss mir das mal jemand genau erklären, warum und weshalb ich dann dem schreienden Pat. statt ihm Linderung zu verschaffen, sage: "bleiben sie ruhig, der Notarzt kommt bald, wenn sie das verstanden haben, schreien sie bitte 2 mal laut auf!"

RS-USER-titan_cb
18.08.2005, 21:32
Original geschrieben von Elektro-Dengel


Also weiß ich nicht, was dieser Artikel mir sagen soll. Wenn er das sagt, was ich denke (du nix mehr kühlen Brandwunde, sonst böse Aua) dann muss mir das mal jemand genau erklären, warum und weshalb ich dann dem schreienden Pat. statt ihm Linderung zu verschaffen, sage: "bleiben sie ruhig, der Notarzt kommt bald, wenn sie das verstanden haben, schreien sie bitte 2 mal laut auf!"

Meines Wissens kommt man vom Kühlen bei Verbrennungen immer mehr ab, da Studien gezeigt haben, dass Kühlen nur hilft, wenn es innerhalb von 30sec bis 3min beginnt und von den Meisten Laienhelfern derart "übertrieben" angewandt wurde, dass sie mehr schadet als hilft > 10min eiskaltes Wasser u.ä.


Ich erachte folgende Regel für San-Personal geeignet (natürlich immer Situationsabhängig): Wenn als Ersthelfer vor Ort: mit handwarmem Wasser kurz kühlen (2 bis 5min), dann für Wärmeerhalt sorgen.

Für den RD sollten andere Standards gelten: Burnpack, Schockbekämpfung, Schmerzbekämpfung durch NA ...

Stephan2204
18.08.2005, 23:08
Ja, das mit der Kühlung "rauszubekommen" wird sehr schwer sein.. die Richtlinie ist zwar da, aber es wird eigentlich momentan immer noch gekühlt.. Das Problem ist, das in dieser Richtline (meines Wissens) keine Alternativen zum kühlen genannt sind (wenns diese denn geben würde)

saddamski
19.08.2005, 00:34
Hatte zu dem Thema auch mal was gelesen. Gab eine große Diskussion. Ist allerdings die Frage, wann das ganze auch umgesetzt wird und z.B. in Prüfungen so durchgezogen wird.

Ich weis nicht genau wie das mit der Umsetzung ist. Gillt das für alle? Oder nur für bestimmte Kreise(Halt das was die ÄLRD vorschreibt)?

Hab morgen Dienst und werden mich mal umhören wie das hier in Wuppertal so gehandelt wird.

Wenn es wirklich so ist, dass das Kühlen nur in den ersten paar Sekunden was bringt, kann man sich das natürlich schenken und vorallem einer Unterkühlung vorsorgen.

Vielleicht könne ja mal ein paar Leute was dazu sagen die auch ausbilden, was Sie bei Verbrennungen vermitteln(EH, SanH, RH/RS, RA)

Tobias

RS-USER-Obelix
19.08.2005, 07:48
Auch wenn ich nicht immer mit Herrn S. aus Wü auf einer Linie liege, hier hat er wohl recht. Irgendwo gab's im Forum die Disskussion auch schon mal.
AFAIK ist das Outcom schlechter, wenn die Wunde stark gekühlt wurde. Scheint irgendwie daran zu liegen, daß die Gefäße sich durch starkes Kühlen kontrahieren und damit die Betroffene Stelle schlechter durchblutet wird. (Hab da jetzt aber leider keine Quelle gefunden)
Aber das Hauptproblem ist wohl, daß ein Verbrennungspatient schon genug Kreislaufprobleme hat und nicht noch zusätzlich Kreislaufprobleme durch die Untzerkühlung braucht.

Xaxis1
19.08.2005, 09:44
Jetzt mal persönliche Erfahrung:

Hab mir vor ca 6 Wochen am linken Arm fiese Ölbrandwunden zugezogen, am Unterarm - da ging es leichter - gekühlt, leitungskalt und ca 10 Min, danach Brandwundenspray, Oberarm nur kurz mit Wasser abgespritzt und Brandwundenspray -

Heute sieht es so aus: Unterarm behandel ich immer noch mit Contractubex, Oberarm sieht man fast nix mehr...

scheint - für mich - also was dran zu sein, daß zu langes Kühlen die Regeneration der Zellen stört...

Mal sehen, was unsere "Chefs" ;-) beim nächsten FR-Treff dazu sagen !

RS-USER-Elektro-Dengel
19.08.2005, 20:50
Original geschrieben von Obelix
AFAIK ist das Outcom schlechter, wenn die Wunde stark gekühlt wurde. Scheint irgendwie daran zu liegen, daß die Gefäße sich durch starkes Kühlen kontrahieren und damit die Betroffene Stelle schlechter durchblutet wird. (Hab da jetzt aber leider keine Quelle gefunden)
Aber das Hauptproblem ist wohl, daß ein Verbrennungspatient schon genug Kreislaufprobleme hat und nicht noch zusätzlich Kreislaufprobleme durch die Untzerkühlung braucht.

Zum Thema Vasokonstriktion:
Ich find da kann man drüber streiten, ob das nun gut oder weniger gut is. Dass die verbrandten Areale nicht mehr durchblutet werden muss ja nicht unbedingt schlecht sein. Was einmal verbrannt ist, braucht auch keine Durchblutung mehr (weil eh kaputt). Außerdem wird bei einer verminderten Perfusion der verbrannten Areale die Wahrscheinlichkeit vermindert, dass bei der Verbrennung freigewordene Toxine in den Organismus gespült werden. Und kontrahierte Gefäße wirken meiner Meinung nach eher einem Schock ENTGEGEN.

Und zur Unterkühlung:
Wie schon gesagt, ich steck niemanden in Eiswasser. Natürlich wird so schonend wie möglich gekühlt um ein Auskühlen des ges. Organismus zu verhindern.

Resumee:
Die Kühlung kurz nach Hitzeeinwirkung steht ausser Frage. Hier MUSS gekühlt werden um weitere Hitzeschäden zu verhindern.
Danach dient die Kühlung zur Schmerzlinderung. Diese ist wichtig, da meiner Meinung nach ein Schockzustand eher durch brutale Schmerzen (wie die bei Verbrennungen) ausgelöst wird als duch eine sanfte lokale Kühlung mit lauwarmen Wasser.
Wenn der Doc dann da ist kann man die Schmerzen anderweitig behandeln aber vorher ist Kühlung meiner Meinung nach die einzige Möglichkeit.

Wenn mir jemand plausibel erklären kann, dass (wenn überhaupt) eine Kühlung (>3-5 min.) zu massiv verschlechteter Wundheilung führt, dann her damit. Aber vorher seh ich echt kein Argument nicht so zu verfahren wie ich bereits beschrieben hab !!

RS-USER-titan_cb
20.08.2005, 13:34
Original geschrieben von Elektro-Dengel

Und zur Unterkühlung:
Wie schon gesagt, ich steck niemanden in Eiswasser. Natürlich wird so schonend wie möglich gekühlt um ein Auskühlen des ges. Organismus zu verhindern.


Eben darum ... es geht nicht nur um dich und andere medizinisch Gebildete. Meiner Meinung geht es hier wohl eher um ein Umdenken in der Ersten Hilfe und EH-Lehrmeinungen sind nun mal für die breite Öffentlichkeit gedacht > und hier soll und muß ein Umdenken stattfinden, da eben das Kühlen oft übertrieben wird und mehr schadet als hilft.

RS-USER-DocMezzoMix
20.08.2005, 15:29
Ich finde die momentane Situation eher unbefriedigend.
Die Lehrmeinungen klaffen weit auseinander, Laien und Ersthelfer werden mit dem Rettungsdienst gemischt, jedes Zentrum gibt alle X Wochen ne neue Meinung raus.
Ich bin der MEinung, es wird endlich Zeit, das man dem Rettungsdienst ein wenig mehr zutraut als "kühlen besteht die Gefahr der Unterkühlung". Ach, das sat ja bereits der gesunde Menschenverstand, das ich nur lokal und kurzfristig anwende.
Zum Thema Burn Pack, Waterjel was auch immer. Die einen schwören drauf (ich find sie auch genial, die kühlen lokal, ohne zusätzlichen Aufwand, ohne der Gefahr der Unterkühlung) das hier zuständige Verbrennungszentrum (BG Ludwigshafen) sagt: Teufelszeug, also fliegen sie bei uns raus.

Ich werde so lange nach "meinem" Schema arbeiten: Primär lokale Kühlung für 3-4 Minuten, danach Waterjel, Wärmeerhalt für den Körper und großzügig um Analgesie feilschen.
Bei der Kühlung ist die Dosis meines erachtens nach der Knackpunkt: Richtig angewand liefert sie dem Opfer eine objektive und subjektive Schmerzlinderung (das ist wie jeder ein Antibiotika erwartet, wenn er "die Grippe" hat), verhindert ein "weiterbrennen im Gewebe" (bei zügiger Anwendung). Wenn man es übertreibt kommt es zu einer minderperfusion der Gewebe (vor allem in den Randbereichen) und zu einem schwereren Schaden. Aber dafür bin ich ja nicht der panische Ersthelfer, sondern der Typ mit der roten Jacke.

Vielleicht werden die sich ja irgendwann einig was nun wirklich gut ist.

Jibjib
20.08.2005, 19:00
...unbefriedigend und ungenau!
Soll ich im Erstehilfekurs sagen, stellen Sie sich mit der Stoppuhr daneben, wenn jemand grillt?
Was heißt Unterkühlung? Von welchen Körperteilen sprechen wir? In der Ersten Hilfe ist meines Wissens nach noch nie gelehrt worden mit Eiswasser zu kühlen!!!
Naja, meinen ersten Kurs hab ich 1981 mitgemacht, vielleicht war das ja noch davor.
Was ist mit Verbrennung/Verbrühung an den Extremitäten?
Da kann ich auch aus dem Nähkästchen plaudern:
Hab mir selbst mal kochendes Wasser über die Hand geschüttet. Sofort angefangen zu kühlen, war direkt neben dem Waschbecken passiert. Wenns unangenehm wurde hab ich unterbrochen, wenn es wieder losbrannte weiter gekühlt. Das Spiel hab ich über einen Zeitraum von 45 - 60 min gemacht, bis es endlich nicht mehr losbrannte, als ich aufgehört hab.
Die Hand ist an zwei Stellen rot geworden, wo das Leitungswasser nicht so gut hinkam. Ansonsten NIX! Und am nächsten Tag wars vergessen!
Soviel zum GEFÄHRLICHEN kühlen.
Und der Ersthelfer macht sowieso was er will, egal was wir ihm im Kurs erzählen, der ist auch nach wie vor der Meinung, dass der Helm nicht runter darf.
Liebe Notärzte, ihr erwartet vom Laien zuviel, seid doch froh, wenn er euch wenigstens rufen tut!!!
Gruß Jibby

Rettungstiger
21.08.2005, 10:11
Ich sehe schon, dass ihr es genauso seht wie ich.
Würde als Ersthelfer auch mit bedacht ein Wasseranwendung durchführen. Je nach LAge der Verbrennung mit kühlem (nicht Eiskalt) oder lauwarmen Wasser. Immerhin: wenn ich mich ein paar Minuten unter die lauwarme Dusche stelle, bin ich noch sehr weit entfernt von einer Unterkühlung.Ich werde volgende Regel anwenden:
Eine vorsichtige Wasseranwendung um die Schmerzen zu bekämpfen hilft, durchgeführt von fachlich ausgebildetem Personal, mehr, als ein Verzicht (--> verstärkung des Schockgeschehens, unkooperativer PAtient aufgrund der Schmerzen)
DIe Notärzte, die solche Mitteilungen vertreten, leben in einer Scheinwelt, in der es nur Laienersthelfer gibt, und das Rettungsfachpersonal immer zeitgleich mit einem Notarzt ankommt. (kommt mir jedenfalls so vor).
Aber was mich noch speziell interessieren würde, wäre die Lehrmeinung in San- und Rettungsdienstkursen.

serial2k
21.08.2005, 11:56
Lehrmeinung bei uns ist ganz klar: kühlen mit lauwarmem, fließendem Wasser (etwa 10 Minuten).

Das findet sich auch so im Lehrbuch (Rettungsdienst, 4. Aufl.) wieder.