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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Viggo bei Pat. mit Hemiparese



serial2k
30.08.2005, 16:09
Folgender Sachverhalt: bin zur Zeit in der Anästhesie als Praktikant tätig, mache die Einleitungen der Augen-OPs mit (hat den Vorteil dass da pro Schicht 15-25 Patienten durchgeschleust werden, das heißt Viggos legen üben en masse ;) ).

Naturgemäß gibts da nicht so viele Intubationsnarkosen, diese werden immer Richtung Ende der Schicht geschoben, so auch heute. Der Patient hatte bereits 3x einen Apoplex und dadurch hervorgerufen eine dauerhafte Hemiparese rechts, das war auf dem OP-Plan vermerkt (und noch ne Riege anderer Sachen, der Mann hat keine der sog. Zivilisationskrankheiten ausgelassen :( ). Die Schwester mit der ich zusammengearbeitet hab hatte mir erklärt, dass man bei diesen Patienten den venösen Zugang auf der nicht betroffenen Körperseite legt. Also habe ich mich aufgemacht und mir auf dem linken Handrücken ein Venchen gesucht, allerdings kam in dem Moment in dem ich grade die Viggo ausgepackt hatte eine ältere Anästhesistin raus und meinte sowas von wegen "moment, das ist ne Intubationsnarkose, da will ich einen vernünftigen Zugang haben, die andere Seite sieht doch viel besser aus" (wo sie schon recht hatte, die Venen auf der rechten Seite sahen zum punktieren besser aus, wobei links jetzt auch nichts wirklich problematisches war, das hätte schon gepasst). Mit den Worten nahm sie dann auch die Viggo und machte sich am rechten Handrücken zu schaffen. Ich hab sie natürlich drauf hingewiesen dass das die gelähmte Seite ist, aber sie meinte das wäre völlig egal. Daraufhin kam die Schwester und meinte sie hätte mir grade erklärt dass man dann auf der anderen Seite punktieren solle. Das konnte die Anästhesistin überhaupt nicht verstehen... Irgendwie hatte ich vorher auch im Hinterkopf dass man die gesunde Seite nehmen soll...

Die Frage ist nun, wer hat recht? Macht das einen Unterschied wo man punktiert?

RS-USER-Bärentöter
30.08.2005, 16:42
wenn irgend möglich, punktiere ich auf der gesunden Seite. Laut Lehrmeinung ist die Gefahr einer Thrombose auf der gelähmten Seite höher. Wie weit dies relevant ist, weiß ich allerdings nicht.

serial2k
30.08.2005, 17:01
Genau das hatte ich auch im Hinterkopf. Aber dummerweise keine Begründung, kann die jemand nachliefern?

Stephan2204
30.08.2005, 17:28
Hallo,

soweit hab ich das ich der Pflege und RD-Schule auch gelernt, ebenfalls so etwas wie RR-Messen am betroffenen Arm unterlassen (gefahr: Lymphödem).

Ich hab bezügl. der Punktion am apoplektischen Arm mal in der Pflege und Rettungsdienst Literatur geschaut... leider nichts zu finden.

krumel
30.08.2005, 21:42
Ich habe mir das selber mal über die fehlende Muskelspannung in dem betroffenen Arm erklärt (deswegen würden da ja auch die Venen meist besser ausschauen..)
Keine Muskelspannung heißt:
1. Keine Muskelpumpe
2. Erhöhte Thrombosegefahr
3. Fehlender Tonus des Gefäßes....

Ob das stimmt weiß ich aber nicht..

rettungsküken
31.08.2005, 08:27
Original geschrieben von Stephan2204
Hallo,

soweit hab ich das ich der Pflege und RD-Schule auch gelernt, ebenfalls so etwas wie RR-Messen am betroffenen Arm unterlassen (gefahr: Lymphödem).

Ich hab bezügl. der Punktion am apoplektischen Arm mal in der Pflege und Rettungsdienst Literatur geschaut... leider nichts zu finden.

andere Frage: Würde man überhaupt einen Druck bekommen? ;)

Stephan2204
31.08.2005, 09:30
Original geschrieben von rettungsküken
andere Frage: Würde man überhaupt einen Druck bekommen? ;)

Hallo,
ja, würdest du.. da die Hemipares ja aufgrund einer störung im Gehirn / ZNS ist. Wenn du keinen Druck auf dem Arm bekommen würdest, wäre im Arm ja die durchblutung gestört ;)

Hörbird
31.08.2005, 15:03
Hab in meinen Lehrbüchern auch nix dazu finden können.
Aber was Krumel da erwähnt könnte stimmen. Ich hätte gedachtt, das es evtl. was mit dem Spasmus sein könnte - Verstärkung durch den Reiz.

rettungsküken
31.08.2005, 15:59
Original geschrieben von Stephan2204
Hallo,
ja, würdest du.. da die Hemipares ja aufgrund einer störung im Gehirn / ZNS ist. Wenn du keinen Druck auf dem Arm bekommen würdest, wäre im Arm ja die durchblutung gestört ;)

Ist sie doch aber auch, immerhin ist die Muskelspannung auch in den Arterien wech, odda? Zumindest ist der Blutdruck dann nicht sehr realistisch, oder???

Stephan2204
31.08.2005, 16:15
Original geschrieben von rettungsküken
Ist sie doch aber auch, immerhin ist die Muskelspannung auch in den Arterien wech, odda? Zumindest ist der Blutdruck dann nicht sehr realistisch, oder???

Moment.. der Blutfluss ist ja nicht ausschliesslich durch die Muskelpumpe gegeben .. wäre ja schlimm ;)

Aber wenn du durchblutungsstörungen hättest, wäre was an den gefässen was bei einer Hemiparese ja i.d.R. in den extremitäten nicht ist.. Der Blutfluss ansich ist in Ordnung.

RS-USER-DerDings
31.08.2005, 17:35
Original geschrieben von rettungsküken
Ist sie doch aber auch, immerhin ist die Muskelspannung auch in den Arterien wech, odda? Zumindest ist der Blutdruck dann nicht sehr realistisch, oder???

der sympathische einfluss auf den ruhetonus ist weg, aber die gefäße erhalten selbst einen basistonus aufrecht. fällt der sympathische einfluss aus, steigern die gefäße diesen basistonus (innert einiger tage, wenn ich mich recht erinnere) - der reicht zwar dann auch nicht an den ursprünglichen wert hin, aber eine völlige "entspannung" der gefäße ist nicht gegeben...
der RR dürfte an der betroffenen körperseite gemessen erniedrigt sein...

Gasmann1
01.09.2005, 07:48
Einen Punkt nicht vergessen: an einem paretischen Arm spürt ein Patient u.U. nicht, wenn der ven. Zugang para ist - passiert manchmal auch sekundär. Und das mit dem Lymphödem ist viel wichtiger bei Patienten, denen die Lymphknoten der Achselhöhle entfernt wurden, z.B. viele Frauen nach Brustkrebs-OP.

RS-USER-DerDings
01.09.2005, 08:02
worauf beruht das erhöhte thromboserisiko? verminderte strömungsgeschwindigkeit?

RS-USER-Bärentöter
01.09.2005, 14:40
ich denke, Daß Krumels These schlüssig ist.

RS-USER-Rippenspreizer
22.10.2005, 08:48
Ich hab auch noch ´n bisschen Senf! :D

Krumel hat schon ziemlich Recht, insofern sollte man diese Regel mit der paretischen Seite nicht überbewerten aber wenn möglich auch berücksichtigen.
Wenn alles gut läuft und die Viggo am OP-Ende entfernt wird, ist alles gut; wenn diese aber para läuft, sich entzündet oder was weiss ich passiert, ist der paretische Arm immer im Nachteil. (Lymphabfluss etc.)

Die Vasoregulation (also der Gefäßtonus) ist unabhängig von einer Lähmung, weil wir hier auch den Unterschied der glatten Gefäßmuskulatur in den Gefäßwänden (autonome Regulation) und der quergestreiften Skelettmuskulatur haben. Letztere ist tatsächlich abhängig von unserer bewußten Beeinflussung, die in den äußeren Hirnschichten liegt und somit auch eher durch Apoplexe/intrazerebrale Blutungen beeinflusst ist.

Wenn dem nicht so wäre, würde ja eine Menge Blut im gelähmten Arm "versacken" oder aber bei maximalem Muskeltonus bzw, einer vergleichbaren Gefäßmuskelspastik der Arm wegen Mangeldurchblutung schlichtweg absterben...

Das Thromboserisiko ist in der reduzierten/aufgehobenen Motilität des Armes begründet. Zum Rücktransport des Blutes benötigen wir vor allem in den Beinen, aber auch in geringerem Maße in den Armen Venenklappen und regelmäßigen Muskeltonus, um über die Bewegungen meiner Skelettmuskulatur das venöse Blut indirekt "zurückpumpen" zu können. Das fällt bei der Hemiplegie weg und damit ist das Risiko von venösen Thromben erhöht. (Ähnlich wie bei den bettlägerigen Patienten, die schon nach 1-2 Tagen ohne Bewegung ein erhöhtes Thromboserisiko tragen)

Ich persönlich nehme in Notfällen auch die paretische Seite, bemühe mich aber bei allen elektiven und kontrollierten Situationen die gesunde Seite zu nehmen.
(Das gleiche gilt übrigens für Patienten nach Mamma-Ca (Brustentfernung), da hierbei oftmals auch das Lymphpaket im Achselbereich entfernt wurde und auch dann ein korrekter Lymphabfluss (vor allem bei potentiellen Infektionen) nicht mehr optimal abgeleitet werden kann.

So - viel Text, aber auch ein nicht ganz unwichtiges Thema.

Gruß, Daniel