PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Parallel-Narkosen in privaten Klinikverbünden



Seiten : [1] 2

RS-USER-Hypnos
20.10.2005, 12:51
Hallo und schönen guten Tag, liebe Spreizerinnen und Spreizer...

...ich habe da mal eine persönliche Frage.

Neulich war ich auf einer anästhesiologischen Fortbildung, wo man ja u.a. auch mal mit KollegInnen ins Gespräch kommt. Ein Kollege, welcher in einem großen privaten Klinikverbund arbeitet, berichtete mir davon, daß bei ihm in der Klinik das Thema Parallelnarkosen schon umgesetzt wird.
Für alle, die weniger im Bild sind, hier kurz zur Erklärung, was gemeint ist:

Eine Parallelnarkose ist weitläufig so definiert, daß ein approbierter Arzt (nach Facharztstandard) mehrere OP's bzw. Narkosen parallel betreut. In den Zeiten seiner Nicht-Anwesenheit im OP wird die Narkose derweil von speziell ausgebildetem Anästhesie-Pflegepersonal (mit Zusatzausbildung) betreut.

Meine Frage nun an Euch: Was haltet Ihr davon? Würdet Ihr Euch in einem solchen Zentrum operieren lassen (vorausgesetzt, ihr wüsstet es VORHER?)

Ich für meinen Teil werde, so es mir bei Bewußtsein möglich ist, als Patient nie einen Fuß in eine solche Klinik setzen, denn wer die Empfehlungen (letztmalig aktualisiert 01/05) der Fachgesellschaften so offensichtlich missachtet, tut eher was gegen das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Arztberuf als solches, und im Speziellen schadet er m.E. insbesondere dem Fach Anästhesie...

Ein nachdenklicher Hypnos

Achja...anbei noch der Link zur Fachgesellschaft:
Akutelle Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin
http://www.dgai.de/06pdf/2_16.pdf

RS-USER-Shizr
20.10.2005, 14:00
Original geschrieben von Hypnos
Was haltet Ihr davon?

nix. man nehme nur den supergau.

anästhesist A betreut vier Narkosen...
1. eine Appendektomie bei einem jungen, fitten Mann
2. einen Schrittmacher in Lokalanästhesie bei einer älteren Patientin
3. eine Laparoskopie zur Gallenblasenentfernung bei einer jungen Frau
und 4. eine Tonsillektomie bei einem siebenjährigen Jungen

nun treten spontan bei Pat. 2 massive HRST auf, die Patientin wird hämodynamisch instabil und nach kurzer Zeit reanimationspflichtig.

gleichzeitig punktiert der Famulus bei OP 3 die Pfortader, nachdem er unabsichtlich vom CA angestoßen wurde. die Patientin verliert in kürzester Zeit massiv Blut.


So, Anästhesist A, wer soll nun dein Herzblatt sein? :mad:

oh, bevor ich's vergesse... Pat. 1 entwickelt gerade Anzeichen einer malignen Hyperthermie...

ich halt von parallelnarkosen garnix. es ist m.E. viel wahres daran, dass es vllt ne "kleine chirurgie", aber keine "kleine anästhesie" geben kann
ich geb ja zu, mein Szenario ist etwas dramaturgisch überzeichnet, aber trotzdem.


Original geschrieben von Hypnos
Würdet Ihr Euch in einem solchen Zentrum operieren lassen (vorausgesetzt, ihr wüsstet es VORHER?)

nein. auf gar keinen fall.

RS-USER-Kermit
20.10.2005, 15:20
Hm, übles Thema. Ist halt wie überall in der Medizin, 50 mal gehts gut und beim 51. ist die Kacke am dampfen. Tatsächlich wird das heute ja schon eher lasch gehandhabt, je nach Anästhesist geht der mal raus telefonieren oder so. Aber dennoch ist ihm nur ein Patient zugewiesen und er muss sich auch nur auf einen Patienten konzentrieren. Insofern finde ich die o.g. Praxis sehr bedenklich...

Beachbaer82
20.10.2005, 15:54
Kosteneinsparung zu Lasten der Patienten...

Ich habe da NULL Verständnis!

serial2k
20.10.2005, 16:21
Original geschrieben von Beachbaer82
Kosteneinsparung zu Lasten der Patienten...

Ich habe da NULL Verständnis!
Das bringt meine Meinung von der ganzen Sache so ziemlich auf den Punkt.

Und nein, in so einem Haus würde ich mich definitiv nicht behandeln lassen.

RS-USER-Bärentöter
20.10.2005, 16:33
welche Klinikkette ist das denn? Gerne auch als pm

Stephan2204
20.10.2005, 16:53
Nunja, auf der einen Seite sage ich, das ausgebildetes Anästhesie - Pflegepersonal eigentlich eine sehr hohe Fachkompetenz hat. Andererseits muss man sagen, das Pflegepersonal nunmal keine Ärtze sind. - Wie schon im Vorfeld geschrieben wurde, solange so etwas gut geht, wird keiner etrwas sagen frei dem Motto: "Wo kein Kläger, da kein Richter"- Geht aber was schief, dann haben die entsprechenden Personen grosse Probleme....

Und worum geht es mal wieder? Leider wieder um das leidige Thema GELD.. es ist heutzutage leider immer mehr nur eine Geldfrage.... leider...

PS: Ich würde mich dort auch nicht operieren lassen wollen, wenn ich es vorher wüsste.

RS-USER-Obelix
21.10.2005, 08:26
Also, im Prinzip finde ich das ganze auch nicht so prickelnd toll. Nehm jetzt aber trotzdem mal den Standpunkt der Gegenseite ein. Wär ja sonst bei einer Diskussion langweilig, wenn's keine Gegenworte gäbe.

Aber wer macht denn in einem Krankenhaus die Narkosen? Also hier in der Uni - soweit ich das einsehen kann - ein Assistenzarzt - bis vor kurzem auch AIPs. Das kann ein erfahrener Assistenzarzt sein (schon Facharzt oder kurz davor) oder aber auch einer, der frisch von der Uni kommt. Und wer jetzt mehr Ahnung hat, vom Personen schlafen legen, der Anästhesiepfleger, der das schon jahrelang macht oder der Neuling von der Uni..... In beiden Fällen gibt's ne Aufsicht, die bei Problemen einschreiten muß.

So, jetzt wieder meine Meinung.
Von einem Arzt ist zu erwarten, daß er doch etwas mehr Hintergrundwissen mitbringt, als ein Anästhesiepfleger. Damit sollte er, wenn was nicht so planmäßig läuft, die Sache im Zweifelsfall besser geregelt bekommen.

krumel
21.10.2005, 10:11
Moment.. In einem Uni.Haus, dass z.B. junge Assistenzärzte ausbildet ist aber (zumindestens in denen die ich kenne) immer ein Oberarzt im Hintergrund (= im OP Bereich irgendwo), der da wen nötig hinzukommt, falls der "Jüngling" net weiter kommt oder es kritisch wird. (Es muss sich hierbei ja net mal um einen Notfall handeln, es reicht ja schon, dass der three in one oder der femoralis-block net rein geht wie er soll..)
Wenn ich jetzt aber einen Anästhesisten habe, der mehrere Säale betreuut, dann habe ich mit Sicherheit keinen OA in Rufbereitschaft..


Liebe Grüße,
Philipp
PS: Da bin ich ja froh, dass ich bei Narkosen Hochriskiopatient bin und bei mir mind. der Oberarzt da ist und schon weiche knie bekommt.

Beachbaer82
21.10.2005, 10:22
Original geschrieben von krumel

PS: Da bin ich ja froh, dass ich bei Narkosen Hochriskiopatient bin und bei mir mind. der Oberarzt da ist und schon weiche knie bekommt.
Ob mich sowas "froh" stimmen würde, wenn der OA schon schiss bekommt...

Ich denke auch, das Fachpfleger genug Kompetenzen haben, habe auch nichts dagegen das die das machen, aber wenn EINER für VIER zuständig ist macht mir das Angst!!!

Bestelle mir bei 4 Patienten nach VU auch (mind.) einen RTW dazu und mach net alles allein...

RS-USER-Rippenspreizer
21.10.2005, 15:51
Original geschrieben von Shizr

So, Anästhesist A, wer soll nun dein Herzblatt sein? :mad:


:D Lustige Vorstellung.
Ich hab ja manchmal schon Probleme, mich auf einen Patienten zu konzentrieren - und dann noch das ganze Gezeichne parallel ;)

Nee, im Ernst - mich erinnert das immer an diese Schachtypen, die 10 Spiele gleichzeitig gewinnen können... Ich befürchte, dass sich das anästhesiologische Fach langfristig tatsächlich in diese Richtung bewegt (wie auch zuweilen schon im europäischen Ausland gehandhabt). Ob das Gut oder Schlecht ist, kann man so lange nicht sagen, wie es keine wirklich "speziell ausgebildeten Anästhesiepflegekräfte über die Fachweiterbildung hinaus gibt.

Letztlich wird sich der Assistenzarzt/ärztin aber sicherlich noch etliche Jahre im OP halten. Sofern er nicht heute schon einen Großteil am Telefon (in der Einleitung), in der Kaffeebude (nebenan), im Aufwachraum (bei den Schwestern :kiss: ) oder sonstwo rumhängt...

RS-USER-DocMezzoMix
21.10.2005, 19:57
Ich finde das jetzt auch nicht so weit weg. Als Präkliniker kann ich ja nur aus Praktikas und "Hörensagen" berichten, allerdings ist es ja durchaus üblich, das der Anästhesist mal weg ist, und "irgendwer" (z.B. der RD Praktikant) den leeren Platz füllt.
Und so kann ich mir schon vorstellen, das 3 erfahrene Pfleger unter Überwachung eines Arztes die "normalen"Narkosen fahren.
Ich denke aber auch, dieses Problem haben sich die Ärzte selbst geschaffen, da sie durch rausgehen, telefonieren und Co bewiesen haben, dass es auch ohne sie geht.
Das Ei haben sie selbst gelegt ...

Gruß dMM

RS-USER-Rippenspreizer
21.10.2005, 20:57
Original geschrieben von DocMezzoMix
Das Ei haben sie selbst gelegt ...


Hm, so einfach ist es dann auch wieder nicht.
Letztlich verbergen sich hinter diesen Plänen primär Einsparungswünsche seitens der Klinikträger. Aktuell ist der Anästhesist genauso wenig aus dem klinischen Alltag im OP und am Patienten wegzudenken wie ein Internist, Chirurg oder die Krankenschwester.

RS-USER-DocMezzoMix
21.10.2005, 21:09
Ei, das weiß ich doch auch ;)
Aber ich bin auch der Meinung, dass sich sowas als Teilaspekt natürlich im Rahmen des Klischeedenkens in solche Spargedanken überträgt. Oder?

Komm, jetzt sach schon, das ein minimaler Teil meines Gedankenganges ein hauch von Wahrheit enthalten könnte ?

;)

RS-USER-Kermit
22.10.2005, 13:36
Wie war das?


Der Knopf mit der Klingel ist der wichtigste, wenn das Gerät piepst, einfach draufdrücken!

Und dann fragte der Patient den dummen Praktikanten, wie lange die OP denn noch dauert, während Anästhesist und Pfleger in der Einleitung Badesalz hörten :D

DieKleine
25.11.2005, 12:52
Original geschrieben von DocMezzoMix
Ich finde das jetzt auch nicht so weit weg. Als Präkliniker kann ich ja nur aus Praktikas und "Hörensagen" berichten, allerdings ist es ja durchaus üblich, das der Anästhesist mal weg ist, und "irgendwer" (z.B. der RD Praktikant) den leeren Platz füllt.

Gruß dMM

Ich habe schon mehrmals im OP zugeschaut/hospitiert und dabei insgesamt höchstens 2-3 Mal erlebt, dass der Anästhesist rausgegangen ist - zweimal in den Einleitungsraum zum telefonieren (also in Rufweite) und einmal, um eine "kreislaufinstabile" Praktikantin rauszubringen.

Beim Patienten war so lange der Anästhesiepfleger (war zufällig beide Male der Gleiche, er hat, denke ich, ziemlich viel Erfahrung, ist auch Ausbilder).
Dass es üblich ist, dass ein RD-Praktikant den Anästhesisten vertritt, kann ich mir eher net vorstellen...die angehenden Rettungsassistenten durften schon einiges, aber nur unter Aufsicht und Anleitung des Arztes bzw. Anästhesiepflegers. Wie das in anderen KHs ist, weiß ich nicht.

Ich denke, das Problem liegt eher darin, dass einige private Träger sich die "teuren" Anästhesisten so weit wie möglich sparen wollen und stattdessen Anästhesieassistenten o.ä. einsetzen wollen.
Ob das auf Dauer wirklich so günstig ist, wird sich dann zeigen...
Sollte ich mal operiert werden, wäre es mir auf jeden Fall lieber, wenn während der ganzen OP ein Anästhesist zumindest in Rufweite ist (schon um den Chirurgen auf die Finger zu schauen ;0) ) - und nicht grade 4 Säle weiter eine Hochrisikonarkose überwacht.

DieKleine
25.11.2005, 12:57
Ups...zweimal den gleichen Beitrag weggeschickt...sorry!

RS-USER-gnuff
14.12.2005, 20:48
Was mich interessieren würde: kommt es bei den speziell geschulten Anästhesie-Pflegekräften im Falle eines Falles zu einem Übernahmeverschulden oder ist der Multitasking-Facharzt der gelackmeierte?

SanMax
18.01.2006, 10:35
Als in meinem Klinikpraktikum liefs halt auch so...Schwester macht Mittagspause, Anästhesist muss mal "schnell" weg (10 min) und ich als Praktikant sitz da...("wenn der wert runtergeht, einfach da drauf drücken, bis er wieder so ist, wie jetzt...und wenn was ist, hier ist meine Telefonnummer")
super...und dann meinte der chirurg, wir könnten ausleiten, und der Anästhesist war weg, ich will ihn anrufen und dirket neben mir klingelt sein Telephon...(muß er wohl irgendwie vergessen haben)

RS-USER-Rippenspreizer
18.01.2006, 10:50
Original geschrieben von gnuff
kommt es bei den speziell geschulten Anästhesie-Pflegekräften im Falle eines Falles zu einem Übernahmeverschulden oder ist der Multitasking-Facharzt der gelackmeierte?
Das ist relativ schwierig zu sagen, da diese Praxis bislang noch nicht die "Serienreife" erreicht hat. Insofern wird es da keinerlei Präzidenzfälle geben und ich wage zu behaupten, dass es vermutlich ähnlich gehandhabt wird wie jetzt schon auf Intensivstationen: Das schwächste Glied der Kette bekommt erstmal die Peitsche zu spüren und dann müssen Gutachter klären, inwieweit die anderen auch noch Schuld haben.

Zum Thema "Ich-geh-mal-raus" muss man ganz klar sagen, dass aus medikolegalen Gründen ein Verlassen des OP´s nur in ganz wenigen begründeten Ausnahmefällen möglich ist. Ich persönlich lasse weder RD-Praktikanten, noch Famulaten, PJ`ler - nicht mal Gastärzte - alleine im Saal, weil ich es mir als Assistenzarzt auch gar nicht erlauben kann, so ein Risiko einzugehen.
Natürlich ist es hochunwahscheinlich, dass genau in den 3 Minuten, in denen ich eine Stange Wasser in die Keramik setze das operative Inferno einsetzt. Nach Murphy´s Law passiert es aber eben doch und dann muss ich mich fragen, ob mein Verhalten a) gegenüber dem Patienten, b) gegenüber dem Praktikanten und c) gegenüber meinem Oberarzt fair ist.
Natürlich können (und lassen) wir uns auslösen. Egal ob Mittagspause, Toilette etc. Aber dann nur gegen den OA auf dem Gang oder einen Kollegen aus der Abteilung.

Letztlich macht das jeder individuell - ich zolle den Praktikanten aber lieber meine Wertschätzung durch sorgfältige Anleitung auch invasiver Maßnahmen statt sie risikoreich mit alleiniger Anwesenheit im OP zu überfordern. Das ist nämlich weder cool noch fair!

Vielleicht sehe ich das in 15 Jahren anders; bislang bin ich aber immer ganz gut auf meine Tour gefahren und kann mich auch an keinen Praktikanten erinnern, der traurig war, immer "beaufsichtigt" worden zu sein ;)

:-meinung