PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Das Quinke-Ödem



RS-USER-Elektro-Dengel
25.12.2005, 22:36
So gerade gesehen schon im Forum:
Ich wurde eben als FR zu einem ca. 70 jährigen Herren mit einer massiv ödematös angeschwollenen Zunge gerufen.
Der Patient war ansprechbar, kreislauf-stabil und atmete suffizient (RR 160 Hf 100 SpO2 94).
In der Anamnese waren neben dem obligatorischen Hypertonus mehrer Allergien auffällig (irgendein Metall und ein nicht näher benennbares Antiemetikum). Der Patient hatte in letzter Zeit keine allergenen Stoffe oder irgendetwas für ihn ungewöhnliches zu sich genommen. Auch nach längerem Frage-Antwort-Spiel zeigte sich nichts was eine entspr. Reaktion ausgelöst haben hätte können (dt. Sprache schwere Sprache).

Der paralell alarmierte NA diagnostizierte ein sog.

QUINKE-ÖDEM der Zunge!

So nu die Frage! Habt ihr sowas schon mal präklinisch gesehen? Und kommt sowas häufiger vor??
Bietet sich ausser der symptomatischen präkl. Therapie noch irgendwas spezielles in der Behandlung an ??

Ich frag nur weil ich sowie die RTW-Besatzung uns bei dem Begriff Quinke-Ödem ziemlich doof angeguckt haben!:rolleyes:

RS-USER-Bärentöter
25.12.2005, 23:16
ja Quincke-Ödem gibt es... und gar nicht mal so selten
Cortison soll helfen!

Stephan2204
26.12.2005, 06:04
Moin
kann mich da nur anschliessen. Ich hab von dem Quinke - Ödem in der Ausbildung was gehört, real aber nie gesehen. Sowohl Cortison (wie bärentöter schon sagte), als auch Antihistaminika sollen dabei helfen.

Wobei die Literatur sagt, das das Ödem v.a. im Gesicht ist und nicht auf die Zunge beschränkt.

krumel
26.12.2005, 10:46
schlechte RTW Besatzung..zumindestens der RA sollte das scho wissen..

Wer ein Quincke Ödem sehen will, sollte mir ne Katze zum abschlecken geben... Wirkt herrlich...
:mad:

leuchtreklamefahrer
26.12.2005, 11:56
In der Klinik mal gesehen, draussen noch nie.
Tritt wohl oft im Gesicht auf, meist Lippen, Augenlieder, Zunge, Rachen, und dabei immer nur eine betroffene Stelle (meist).
Kann durch verschiedene Allergene oder auch Medikamente (ACE-Hemmer..;-)) ==> was wiederum mit dem Hypertonus passen würde....

Antihistaminikaa Cortison etc...

RS-USER-Claudi
26.12.2005, 12:13
Also das Quincke-Ödem ist eine Schwellung der Subkutis und kann mächtige Ausmaße annehmen. Meist ist das Gesicht betroffen (Lider, Lippen), es können aber auch die Schleimhäute im Mund und Rachen beteiligt sein.
Ist der Kehlkopf betroffen (Larynxödem) besteht Erstickungsgefahr.
Ursache: Allergische Sofortreaktion auf irgendwas. Exogene sowie endogene Reize kommen in Frage.
Hab sowas schon mal in der Klinik gesehen. Aber nicht allzu häufig.

Antihistaminika helfen.

Das Quincke-Ödem sollte aber auf einem RTW/KTW wirklich nicht unbekannt sein!

RS-USER-fruehgriller
27.12.2005, 00:46
Ich habs bei meiner ehemaligen Verlobten nach einem Friseurbesuch mit Haarefärben gesehen. War gar nicht lustig!!!:mad:

Wie schon beschrieben, Gesichtsschwellung vom Feinsten, leichte Atemnot mit Stridor (Ex & Inspiratorisch) HA>Cortison>Abwarten Stridor rückläufig> zu Hause bleiben unter Aufsicht (ICH)

Sollte schon ein Begriff sein, auch wenns selten ist.

RS-USER-Elektro-Dengel
27.12.2005, 11:06
Original geschrieben von fruehgriller

Wie schon beschrieben, Gesichtsschwellung vom Feinsten, leichte Atemnot mit Stridor (Ex & Inspiratorisch) HA>Cortison>Abwarten Stridor rückläufig> zu Hause bleiben unter Aufsicht (ICH)


Hat mir der NA aber anders erklärt. Der hat gesagt, dass sowas schnellst möglich ins KH gehört um ein spezielles Medikament zu verabreichen, da ein Quinke-Ödem durch Cortison bestenfalls in seinem Wachstum gebremst werden kann.
Ohne dieses Medikament (irgendein synthetische Enzym) wächst das Ödem unaufhaltsam und kann, insbes. im Rachenraum zu gefährlichen Komplikationen führen.

Tja wenn das doch häufiger vorkommt, dann hab ich jetzt zumindest diese Wissenslücke gestopft:rolleyes:

RS-USER-Bärentöter
27.12.2005, 11:24
der Begriff Quincke-Ödem ist etwas unscharf. Das Quincke-Ödem im engeren Sinne ist ein angeborener (selten erworbener) C1-Esterase-Mangel (da hilft auch kein Cortison!!!), im weiteren Sinne halt jede allergische Reaktion mit Schwellungen in dem Bereich.
Das Vorgehen von Frühgriller fand ich auch etwas leichtsinnig.

Link (http://www.medizinfo.de/hautundhaar/allergie/quincke.htm)

Rescuerambo
27.12.2005, 11:42
Original geschrieben von Stephan2204
Moin
kann mich da nur anschliessen. Ich hab von dem Quinke - Ödem in der Ausbildung was gehört, real aber nie gesehen.

dito

Aber da ich nur RS bin meine Frage:
was ist C1-Esterase ???

RS-USER-Bärentöter
27.12.2005, 12:05
Original geschrieben von Rescuerambo
was ist C1-Esterase ???

vereinfacht ausgedrückt: eine Substanz, die überschießende Immunreaktionen abbremst. Und zwar auf der Stufe des Komplementsystems.
Einfach mal googlen, bin jetzt zu faul dafür

RS-USER-fruehgriller
27.12.2005, 17:55
Original geschrieben von Bärentöter
Das Vorgehen von Frühgriller fand ich auch etwas leichtsinnig.

Link (http://www.medizinfo.de/hautundhaar/allergie/quincke.htm)

Tja, das Vorgehen auf diese Weise ist auch nicht unbedingt auf meinem Mist gewachsen:rolleyes: Die Pat war partout nicht zu überzeugen, ins KH zu gehen. :rolleyes:

Es stellte sich aber auch eine schnelle Besserung der Atemnot ein.

saddamski
27.12.2005, 19:46
Mal ne kleine Frage nebenbei.
Spricht man das so aus, wie man es schreibt?

RS-USER-Rippenspreizer
27.12.2005, 20:33
Das klassische Quinke-Ödem allergischen Ursprunges sollte man im Notfall auf jeden Fall vom sogenannten hereditären bzw. angioneurotischen Ödem unterscheiden, weil sich eben auch die Therapie maßgeblich unterscheidet.
Wie bereits erwähnt wurde hilft das Cortison bei jeglicher Schwellung, im Falle des angioneurotischen Ödems aber nur sehr eingeschränkt. In diesem Fall darf ruhig über eine elektive Intubation nachgedacht werden, bevor der subglottische Bereich so zuschwillt, dass eine (Be)atmung nicht mehr möglich wird!
Auch Adrenalin (und lt. Literatur FFP´s) können hier zum Einsatz kommen. Bei bekannter genetischen Disposition auf jeden Fall ACE-Hemmer vermeiden. (Wurde ja auch schon erwähnt)

Typisch für das glücklicherweise extrem seltene hereditäre Angioödem sind regional lokalisierte Schwellungen der Extremitäten, im Gesicht und im Larynxbereich. Typischerweise ist das hereditäre Angioödem induriert und schmerzhaft. Es fehlt jedoch die begleitende Urtikaria und ein Pruritus (also der Juckreiz). Ausgelöst wird die Symptomatik sowohl durch Traumen als auch durch Viruserkrankungen, wobei emotionaler Stress die Symptomatik verschlimmern kann. Auch der Gastrointestinaltrakt kann betroffen sein, wobei Übelkeit, Erbrechen, Koliken und unter Umständen Zeichen einer intestinalen Obstruktion auftreten.

Eine tödliche Gefahr entsteht durch die Verlegung der oberen Atemwege wie bereits oben schon erwähnt. Ursache des hereditären Angioödems ist ein Mangel eines Plasmaproteins, nämlich des C1-Esterase-Inhibitors. Somit fehlt dem Körper ein wichtiger Steuerungsmechanismus, um die spontane Aktivierung des Komplementsystems auszuschalten. Das wurde ja auch schon in vorherigen Postings erwähnt.
Bei den meisten der Betroffenen findet sich deshalb ein erniedrigter C1-Esterase-Inhibitor-Plasmaspiegel, bei einem Teil der Betroffenen ist der Plasmaspiegel jedoch normal, das heißt, hier liegt eine Fehlerfunktion des C1- Esterase-Inhibitors vor. Diagnostisch Weg weisend sind die Familienanamnese und die Bestimmung der Komplementfaktoren. Typisch ist ein normales C3, ein erniedrigtes C4 und eventuell eine erniedrigte Konzentration C1 - Esterase - Inhibitors. (Das jetzt aber für ganz spezielle Klugscheisser :D)

Ich hab sowas mal auf einem Festival erlebt und zur Verlaufskontrolle ein Digitalbild gemacht:
(Klassisch war hier der fehlende Juckreiz, keinen konkreten Auslöser bis auf vielleicht den Festivalstress und eine absolut negative Allergieanamnese. 1000 mg Prednisolon bzw. H1-Blocker konnten glücklicherweise die Intubation verhindern und nach 4 Std. war der Spuk vorbei...)

Gruß, Daniel

RS-USER-Elektro-Dengel
27.12.2005, 22:11
Aha aha sehr interessant, danke bis hierher schon mal für die diversen informativen posts!

Zusammenfassend zur Unterscheidung präklinisch "Allergie-Quinke" :
- fehlender Juckreiz
- negative Allergie-Anamnese
- bek. C1-Esterase-Mangel (werden wohl die wenigsten betroffenen wissen)

Wenn dem noch jemand was hinzuzufügen hat, nur zu!:)

RS-USER-Linda
28.12.2005, 00:13
Ahh Daniel, ich erinnere mich!
Da Du die frühzeitigt geplante Intubation (=elektiv?) erwähntest: Kannst Du mir nochmal erklären, warum das in diesem Fall dann letztendlich doch nicht nötig war? Das ist kein Vorwurf! Ich wills nur wissen!

Grüße aus der Nacht,

Linda

RS-USER-Rippenspreizer
28.12.2005, 07:40
Weil die Schwellung nach einigen Stunden deutlich rückläufig war und die Patientin fast beschwerdefrei entlassen werden konnte. Wir hatten ihr aber geraten, in den nächsten Tagen bei einem Immunologen vorstellig zu werden, um eine abschliessende Diagnostik zur Sicherheit machen zu lassen.
Man muss sich wirklich gut überlegen, ob man eine vermutlich nicht-nüchterne Patientin "mal eben" vorsorglich in einem Behandlungszelt eines Sanitätsdienstes intubiert. Da steht immer die Kosten/Nutzen-Rechnung im Vordergrund und ich bin rückblickend wirklich froh, dass es eben auch medikamentös funktioniert hat. War damit vermutlich kein 100% klassisches Angioödem, aber lieber in der Form als hinterher intubiert/beatmet, schlimmstenfalls koniotomiert in irgendeine Klinik...
Am lustigsten war der Auflauf der "oberen Heeresleitung" bei der Anforderung, wir bräuchten prophylaktisch ein Intubations-Set in den Hauptverbandplatz :-p
Das hat sie doch irgendwie alle wuschig gemacht... :rolleyes:

RS-USER-Linda
28.12.2005, 15:33
Oh ja, das Zelt hatte dreimal soviel notärztliches Personal wie vorher. Wieviel Intubationssets hatten die eigentlich auf dem Festival? Ein halbes?