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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ärtzeschreck - Patient im Vollbesitz seiner zweifelhaften geistigen Fähigkeiten?



quaks
17.02.2006, 21:53
Hallo alle zusammen

ich bin hier vor ein paar Tagen über die Seite gestolpert und jetzt nehm ich die Möglichkeit wahr und frag was ich schon lange mal wissen wollte. ;D

Der gemeine Mediziner steht in den letzten Monaten doch vermehrt im Blick der Öffentlichkeit. Begleitet durch so tolle Reportagen ala - 1 Tag im Leben eines ..... (Fachrichtung frei einsetztbar)

Was mir bei mind. zwei solcher Artikel aufgefallen ist (in Wartezimmern liest man alles was so da ist und deswegen ist mir eine Quellenangabe nicht mehr möglich) das dort die Patientenaufklärung mehr oder weniger als Zeitverschwendung empfunden wurde - man könne ja jetzt im OP stehen und Leben retten ...

schon klar, das war überspitzt, aber geht es euch wirklich so - dass das Gespräch mit euren Opfern nur ein nicht zu vermeidendes Übel ist?

Meine negativen Erfahrungen dazu halten sich in Grenzen und gingen dann in die Richtung:
leichte Panik verusachende Aussage über evtl. eingetretenen Komplikationen des Assi-Arztes ...

Was mich dazu führt - WER lehrt sowas eigentlich? Es gibt bei den Assistenten eigentlich zwei Arten Gespräch - entweder man steht da und fragt sich die ganze Zeit - "für wie blöd hält der dich eigentlich" oder man ist damit beschäftigt die Fachausdrücke zu behalten und deren Bedeutung im Gedächtnis (soweit dort überhaupt vorhanden) nachzukramen.
:confused:

So und nun bin ich gespannt.

Viele Grüße
quaks

RS-USER-Bärentöter
17.02.2006, 22:08
bitte Butter bei die Fische! Das ist mir zu allgemein!

quaks
17.02.2006, 22:22
wie jetzt zu allgemein?

Ich mein das auch recht allgemein.

funky weirdo
18.02.2006, 00:12
ich denke bärentöter würde gern ein konkretes beispiel haben an dem mein deine frage besprechen kann?

nunja, so wie ich das verstehe willst du quaks über die sozialen kompetenzen reden? inwiefern der arzt den patienten als vollwertigen menschen akzeptiert oder nur als "arbeit" betrachtet? ich bin mir da grad nicht so ganz sicher...

RS-USER-Bärentöter
18.02.2006, 10:30
die Aufklärung gehört sicher nicht zu den spannendsten Aspekten unserer Tätigkeit. Ich versuche immer, auf das Verständnisniveau des Patienten einzugehen und anschaulich zu sein. Ein großer Anteil der Patienten will auch gar nicht aufgeklärt werden ("Sie werden schon wissen, was zu tun ist").
Ich persönlich habe immer Schwierigkeiten mit Patienten, die sich (z.B. im Internet) ein gefährliches Halbwissen angelesen haben.
Zum Verständnis: ich bin in der Inneren, kläre also nur über Prozeduren (Magenspiegelung, Herzkatheter etc.) auf, nicht über Operationen oder Narkoseverfahren, das machen die Fachkollegen.
Edit: so richtig beigebracht wird einem die Aufklärung nicht. Leider wie so vieles "Learning by Doing"

quaks
18.02.2006, 11:34
Original geschrieben von funky weirdo
ich denke bärentöter würde gern ein konkretes beispiel haben an dem mein deine frage besprechen kann?

nunja, so wie ich das verstehe willst du quaks über die sozialen kompetenzen reden? inwiefern der arzt den patienten als vollwertigen menschen akzeptiert oder nur als "arbeit" betrachtet? ich bin mir da grad nicht so ganz sicher...

ja - ziemlich gut getroffen :)

Ich werd dran arbeiten konkreter zu schreiben. :-blush

Bisher haben mir (Eltenteil) weder Chirurgen noch Anästhesisten (Kinderchirurgie) das Gefühl gegeben, das ihnen das Gespräch lästig ist, was aber

a) nicht ausschließt, dass dem nicht doch so ist - und das würd mich halt interessieren - wie lästig, unbequem und ungeliebt dieser Teil des Job's euch tatsächlich ist.

und
b - nicht einschließt, dass der Gesprächspartner es auch wirklich konnte.

- dafür hätt ich dann auch ein paar konkrete Beispiele -
z.B. das Gefühl gerade auf Sonderschulnivaue gestuft worden zu sein :(
oder die Interpredation von Sättigungsabfällen als Komplikation der vorangegangen Ballondilatation der Speiseröhre (4 Wochen alltes Kind), zu deren Kompensierung weitere chirurgische Maßnahmen aufgezählt worden. (Aussagen die eine Mutter schon in leichte Panik verfallen lassen können)
Drei Stunden später wurde gleiche Sättigungsabfälle vom ausführenden Chirurgen frei übersetzt so kommentiert - " Passt schon, wenn sie das in drei Tagen noch macht, können wir anfangen uns Sorgen zu machen ..."

quaks
18.02.2006, 13:47
Original geschrieben von Bärentöter
... Ein großer Anteil der Patienten will auch gar nicht aufgeklärt werden ...

Ich persönlich halte ne gute Kommunikation für sehr wichtig. Weil es viel dazu beiträgt wie sehr ich dem Gegenüber vertraue und damit die Behandlung (auch mental) akzeptiere.

Kann natürlich auch nach hinten losgehen :)
Beispiel: wenn die Ärztin nen Medi ansetzt , auf die Frage nach Wechselwirkungen mit der Dauermedikaton antworte - weiß ich nicht, hab ich keine Ahnung von - und diese dann auch nicht im Beipackzettel findet - dann ist das nicht sonderlich vertrauensfördern.
:o

RS-USER-DocMezzoMix
18.02.2006, 16:12
In der Uni wird im 2-3 Semester eigentlich in Psychologie/Soziologie auf diese Themen eingegangen, allerdings dauert es von dort bis zum ersten Patientenkontakt noch ein paar Jahre...
Aus dem Rettungsdienst kenne ich die Problematik von eigentlich banalen Eingriffen wie zum Beispiel dem legen eines intravenösen Zuganges.
Der einfachheit passiert dies meist so (es pressiert ja auch oft..):

"Ich leg ihnen mal ne Nadel für eine Infusion."

Korrekterweise müsste dies aber eigentlich so klingen:

"So, aufgrund ihrer Kreislaufsituation halte ich es für notwendig ihnen einen intravenösen Zugang zu legen. Hierbei werde ich mit einer Nadel eine Vene z.B. ihres Armes punktieren, und über diese ein Plastikröhrchen in ihrem Arm belassen, welche dann der dauerhaften Infusion dient. Hierbei kann z.B. diese Vene platzen oder gereitzt werden, es kann zu Nekrosen, also zum Absterben von Zellen führen, und wenn sie Pech haben, fällt ihnen der Arm ab. Allerdings habe ich diese Massnahme bereits mehrfach durchgeführt und beherrsche sie..blablabla, sind sie damit einverstanden?"

Ich wäre es wohl eher nicht...

Ein Niveau zu finden, welches der Patient versteht, ist dabei garnicht so einfach, oft weiß man ja nichts über Bildung und sozialen Stand des Patienten, der eine ist mit Vene schon überfordert, der andere will wissen, welches Gefäss punktiert werden soll.
Was es nicht einfachmacht, ist, dass man gerade im med. Bereich halt oft auch feststellt, wie erstaunlich dumme Leute es gibt, die sollten ebenso verstehen was gemeint ist, wie der Prof. für Biologie.

Oft ist eine richtige Aufklärung leider so erschreckend, das kein normaler MEnsch danach einen Eingriff durchführen lassen will.
Les mal zum Beispiel die PAckungsbeilage von Aspirin, danach wirst du sehr darüber nachdenken ob du sie willst, und der Arzt muss es so verpacken, das der Patient dem Eingriff zustimmt, sonst würde der Arzt ihn ja nicht machen wollen.

Ein nicht wirklich einfaches Thema, wenn man es mal von der anderen Seite betrachtet.

Gruß dMM

quaks
18.02.2006, 21:14
Original geschrieben von DocMezzoMix
...
Oft ist eine richtige Aufklärung leider so erschreckend, das kein normaler MEnsch danach einen Eingriff durchführen lassen will.


Seh ich ein bischen anders - nach einer richtigen Aufklärung kenn ich die Risiken, aber lass den Eingriff trotzdem machen. Weil der der erklärt hat, die Risiken und den Nutzen den richtigen Stellenwert gegeben hat.

Und das ist wohl die Kunst, die es zu meistern gilt.

:-meinung



...
Les mal zum Beispiel die PAckungsbeilage von Aspirin, danach wirst du sehr darüber nachdenken ob du sie willst,...
[/B]

Ich les prinzipiell alle Packungsbeilagen und nehm / geb Medi's trotzdem.

;)




Ein nicht wirklich einfaches Thema, wenn man es mal von der anderen Seite betrachtet.

Gruß dMM [/B]

Meine volle Zustimmung - und genau das will ich ja - mal die andere Seite betrachten :)

Grüße
quaks

RS-USER-Katja
19.02.2006, 09:16
Original geschrieben von quaks
Seh ich ein bischen anders - nach einer richtigen Aufklärung kenn ich die Risiken, aber lass den Eingriff trotzdem machen. Weil der der erklärt hat, die Risiken und den Nutzen den richtigen Stellenwert gegeben hat.

Und das ist wohl die Kunst, die es zu meistern gilt.

Eine Kunst mag das wohl sein :) Man muß sich allerdings immer vor Augen führen, daß die Ausgiebigkeit der Aufklärung variabel ist. Wenn jemand meint, er resp. sie müsse sich einer dusseligen SchönheitsOP unterziehen (ich rede nicht von Notwendigem, sondern von "Lifestyle-OPs"), dann wird meine Narkoseaufklärung sehr explizit darauf hinweisen, daß eine Narkose ein Risiko ist, das mit echten lebensbedrohlichen Problemen einhergehen kann.
Wenn da ein verängstigtes Mensch sitzt, daß eine große OP vor sich hat, bei der es um potentiell fatale Diagnosen geht, werden die Risiken in der Aufklärung natürlich vorkommen (dafür isse ja da), aber ich werde die sicher anders verkaufen.
Und für eine Notfallsache (wie DMM es beschreibt) ist die Aufklärung um vieles rudimentärer :D

Prämedikation, also die Narkosevisite präOP zur Aufklärung und - mindestens ebenso wichtig - Erfassung des Risikos für den individuellen Patienten gehört dazu zum täglichen Leben. Ist in manchen Teilen nicht mein Lieblingsteil der Arbeit, aber das liegt nicht am Patientenkontakt, sondern am lästigen Drumherum (die Laborwerte die ich brauche sind noch nicht da, das EKG ist noch nicht geschrieben, die internistische Akte hat auch keiner besorgt etc.), das sich auf leicht ermüdende Weise trotz langer Predigten immer wiederholt.
Jeder Patient hat ein Recht darauf, daß er als einzelner Mensch angesehen wird, daß ich seine Risiken kennen lerne, daß ich ihn nochmal untersuche, daß ich seine Ängste höre und darauf eingehe. Das ist manchmal schwerer als anderswann (jeder hat so gewisse Patiententypen, mit denen er nicht gut kann), aber den Versuch muß ich trotzdem starten. Patienten einer gewissen Altersgruppe haben eher diese "Wenn Sie das sagen, wird das schon richtig sein, Frau Doktor"-Einstellung, andere Patienten haben obskure Ideen (ein Kollege etwa hatte eine Mutter, die die Narkosemedikamente für ihr Kind ausgependelt hat...) oder das vom Bärentöter beschrieben Halbwissen ("Das Kind braucht doch nur ganz wenig Narkose" - Pustekuchen, Kinder brauchen ganz viel Narkose!).
Aufklärungen, wie ich sie mal von einem - bei uns glücklicherweise nicht mehr arbeitenden - unfallchirurgischen Kollegen am Nachbarbett gehört habe ("Sie können im schlimmsten Fall dabei sterben, unterschrieben Sie hier!"), sollten und dürften nicht vorkommen. Daß es sie trotzdem gibt, liegt daran, daß Ärzte auch nur Menschen mit Charakterfehlern sind...

quaks
20.02.2006, 10:08
ein Kollege etwa hatte eine Mutter, die die Narkosemedikamente für ihr Kind ausgependelt hat...)

rofl
mhh vielleicht sollt ich das beim nächsten Mal auch vorschlagen - der Gesichtsausdruck des Gegenüber wäre es mir fast wert :D

Aber wahrscheinlich hätte ich danach ein sehr langes und intensives aber nicht ganz freiwilliges Gespräch mit der hauseigenen Psychologin ......
:eek: