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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kreislaufstörung



RS-USER-DocMezzoMix
10.04.2006, 07:34
Sodele,

es ist knapp 23.00, ihr werdet mit RTW dringend zu einer "Kreislaufstörung" in einem Hochhaus geschickt.

In der ordentlichen Wohnung trefft ihr auf eine knapp 70jährige, dem subjektivem Eindruck nach "fitte" LADinGAZ, welche euch stehend empfängt und über Schmerzen im Rücken, z.T. auch in die Brust ziehend und ein ständiges Gefühl "rülpsen" zu müssen(was sie auch ab und an dezent tut), klagt. Erstes Auftreten war vor gut einer Stunde, während bzw. kurz nach dem Duschen.

Was sind eure ersten Fragen??? Was macht ihr zuerst?

SEGRH
10.04.2006, 09:31
Hmmm .... würde erstmal nachfragen welche und ob Erkrankungen vorliegen. Wenn nach Medikamenten fragen, evt. Nebenwirkungen durch spez. Medikamente ( Magen Darm ?!).

Als Maßnahmen die Standartsachen, wie Sauerstoff, Oberkörper erhöt lagern, Wärmeerhalt (wg. Duschen), RR, Pulsoxy, EKG ...usw.

Sollten absolut keine Medikamente genommen werden, könnte das Roemheld Syndrom vorliegen.
Äußert sich in Form von Magen Darm Problemen später Herzrasen, atemnot und panik... herzrhytmusstörungen mit vorhofflimmern...
Schmerzen im Muskulaturbereich sind auch häufig anzutreffen.

Also die Dame schnellstens ins KH unter ständiger Beobachtung des EKG sowie Vitalfunktionen.

Mehr kann ich dazu leider nicht sagen kann "nur" aus Form eines Rettungshelfers sprechen !

RS-USER-Bärentöter
10.04.2006, 10:57
darf ich als Druide auch mitmischen?
Sowas kann auch mal ein Infarkt sein.
Also wenn das (Zwölfkanal-) EKG auch nur irgendwie "komisch" aussieht, NEF anfordern!

Edith war da: hatte versehentlich Sechskanal-EKG geschrieben

E.E.Gal
10.04.2006, 11:42
LADinGAZ ???

RS-USER-Bärentöter
10.04.2006, 11:48
Original geschrieben von E.E.Gal
LADinGAZ ??? aus "House of God"

Liebe alte Dame in gutem Allgemeinzustand.

Gegenpart zu GOMER: Go out (of) my emergency room

Urinkellner
10.04.2006, 16:06
Untersuchung
Beruhigung
Wärmeerhalt
Lagerung
NA-Ruf
Monitoring (RR, EKG, SpO², BZ)
O²-Gabe (4l+ je nach Sättigung)
Anamnese + Medikation
i.V. - Zugang + Infusion(langsam)
12 Kanal-EKG
Abtransport vorbereiten
evtl. Nitro/Heparin/Aspisol/Morphin - je nach untersuchungsergebniss
Wenn es eher was nicht - kardiales ist die Meds natürlich anpassen


Klinikbett auf orthopädische Höhe einstellen!:D :D

RS-USER-DocMezzoMix
10.04.2006, 19:42
So, dann machen wir mal weiter, -> Duschen ist vor einer Stunde gewesen, und in ihrer Wohnung ist es normal warm.
Die Dame wirkt ein wenig agitiert und ignoriert auch die dritte freundliche Aufforderung sich zu setzten. Es wird aber deutlich, das sie scheinbar immer so ist. Sie wirkt nicht aufgeregt, und hat auch nicht die üblichen "Todesangst" Gefühle, sondern regt sich vor allem über das rülpsen auf.

Nachdem ihr sie dann irgendwann mal auf einen Stuhl geschubst habt, beginnt ihr mit eurem Anamnesegespräch.

RR ist 140/80
HF 75
SPO² 98%
BZ 142

Ihr schreibt ein 12Kanal EKG und erkennt darauf nichts, weder alte, noch aktuelle Infarktzeichen, Sinusrhythmus.


Ich frag mal so provokativ: NA zu diesem Zeitpunkt? Warum?

VEK:

Vor nem halben Jahr ne Arteritis temporalis, ansonsten
irgendwas mit Schilddrüse und
irgendwas mit Wirbelsäule.

MED Schildrüsenmedikation, nimmt sie schon länger.

Kardiologe: War sie vor ein paar Monaten, alles OK, es wurde kein BelastungsEKG gemacht, weil sie sich nach der Arteritis noch schwach fühlte.

RS-USER-Bärentöter
10.04.2006, 20:52
Original geschrieben von DocMezzoMix

Ich frag mal so provokativ: NA zu diesem Zeitpunkt? Warum?



bei in die Brust ziehenden Schmerzen m.E. unabdingbar... o.k. ich bin ein Druide...

RS-USER-Cookie
10.04.2006, 21:24
Sorry für's spammen, aber bei dem Threadtitel kann ich es mir nicht verkneifen. :D

Als meiner Mutter vor vielen Jahren (auf die genaue Anzahl wollen wir mal nicht näher eingehen :D ) morgens immer schwummerig und schlecht war, hat sie das erst für ne Kreislaufstörung gehalten.

Tja, die Kreislaufstörung war dann ich. :D Und im Familienkreis werde ich auch heute manchmal noch so genannt. :-p

So, und nu bin ich aus dem Fachthread auch schon wieder wech. :)

Toxic_Lab
10.04.2006, 22:30
Original geschrieben von Cookie

Tja, die Kreislaufstörung war dann ich. :D Und im Familienkreis werde ich auch heute manchmal noch so genannt. :-p

Ähmm.. die Frau ist 70... war deine Mutter auch in der Altersklasse??? :confused:

RS-USER-DocMezzoMix
11.04.2006, 06:44
Gut, ich gebe zu ich halte von einer NA Nachbestellung zu diesem Zeitpunkt noch nichts, da momentan eigentlich noch zu wenig bekannt ist. Wir haben bisher noch nicht probiert bzw. erfragt ob:
Der Schmerz evtl. Bewegungsabhängig ist, oder gar auf Druck auslösbar. DD Intercostalneuralgie bzw. von der WS ausgehende Symptomatik.

Meiner Meinung nach sollte man so etwas zumindest kurz eruieren bevor man einen NA alarmiert, da der Dame ja mit einem ÄND in solch einem Fall vermutlich mehr geholfen wäre.

Ansonsten gebe ich dir natürlich Recht, Brust oder Herzschmerz sind eine definitive und nicht wegzudiskutierende NA Indikation.

Gasmann1
11.04.2006, 14:20
Genau, dMM, eine meiner letzten Nachalarmierungen mit Thoraxschmerz erfolgte bei muskulärem Hartspann. Einmal auf den Triggerpunkt gedrückt und die Pat. äusserte eine dtl. Verschlimmerung. Man sollte sich halt doch nicht immer über die Orthopäden lustig machen - die behandeln ganz oft erfolgreich "Thoraxschmerz" mit LA-Injektionen...

Gm1

Urinkellner
11.04.2006, 19:22
Wenn sich bei den Thoraxschmerzen kardiale Ursachen nicht sicher ausschliessen lassen hat die NA Anforderung zwei eindeutige Vorteile.
Ich bin rechtlich aus dem Schneider falls es doch die Pumpe ist und wenn es was muskuläres ist machen wir eine NA - Versorgung (z.B. Quaddeln) und müllen das Klinikum nicht unnötig zu.
Das muss aber der jeweilige Verantwortliche situativ für sich entscheiden.
Ein hier niedergeschriebenes Fallbsp. ist halt nur bedingt zu bewerten.
"Wenn du schon darüber nachdenken mußt ob du einen Notarzt brauchst oder nicht, solltest du ihn holen!"
Auch ein kompetenter RA ist noch immer kein Arzt!
Und den NA zu holen nachdem ich beim Evtl-Infarkt eine halbe Stunde herumdiagnostiziert habe ist in meinen Augen auch bedenklich.
Schnell, effizient, klar Zielorientiert, freundlich und effektiv - dann bin ich bei 99% der Einsätze zufrieden.:knuddel: ;)

RS-USER-DocMezzoMix
11.04.2006, 19:33
Ich brauche für die Frage: Bewegungsabhängig und eine grobe Untersuchung ob sich die Schmerzen ausklösen lassen unter 1min.

Hier ist es nicht üblich, das NA's eine Schmerztherapie bei muskulären erkrankungen machen, d.h. danach wartet die Pat. dann trotzdem auf den ÄND.

Allerdings hast du recht, wenn ich mir nicht 100% Sicher bin, das ich kardiales ausschliesse, sollte ein NA gerufen werden. Nur zu einer wie du sagst Zielorientierten und effizienten Behandlung sollte der ausschluss solcher Faktoren gehören. Immerhin sollte der NA ja auch eine entsprechende Übergabe erhalten ;-)
Allerdings war es kein Ziel eine Grundsatzdiskussion vom Zaun zu brechen, nur sollte man auch im Rahmen der Nicht-Ärztlichen Arbeit so viele wie mögliche Differenzialdiagnosen durcharbeiten.

Wir sind zumindest zu dem Schluss gekommen das wir keinen NA bestellen, und auch vom ÄND abstand nehmen da zu diesm Zeitpunkt Zeiten >1h zu erwarten waren.

Urinkellner
11.04.2006, 19:52
Wie gesagt - situativ zu entscheiden!:peace:

RS-USER-DocMezzoMix
11.04.2006, 20:26
Hat den noch jemand Vorschläge für Differentialdiagnosen?

Ansonsten würde ich morgen früh dann mal lösen . . .

RS-USER-Bärentöter
11.04.2006, 22:57
*michextremzurückhaltweil ichmeinedaßThoraxschmerzendruidenpflichtigsind*

RS-USER-DocMezzoMix
12.04.2006, 08:00
3ter Versuch, gut das ich ne Stunde getextet habe, und es im Forumsnirvana verschwand.

Weiterer Verlauf:

Die Pat. wurde darüber aufgeklärt, das sich ihre Erkrankung zuhause nicht endgültig klären bzw. behandeln lasse und sie deswegen in die Klinik müsse.
Sie lies sich nicht davon abhalten einige Sachen zu packen und wurde dann in den RTW verbracht.

Hier erfolgte noch einmal eine Beurteilung der Situation.
Da sich weder ein Druckgefühl in der Brust, noch ausstrahlende Schmerzen erheben liessen, der RR weiter bei 140 (was für sie normal bis niedrig war) wurde beschlossen auf einen "Nitroversuch" zu verzichten.

Der Transport unter Überwachung geschah ohne Zwischenfälle.
Im Krankenhaus wurde die Pat. an die zuständigen Internisten übergeben, welche auch noch einmal das EKG befundeten, allerdings auch keine neuen Informationen daraus erhielten.
Der Transport in die Klinik ohne NA wurde übrigens durch das Notaufnahmepersonal als "OK" abgenickt.

Die weitere Behandlung im Krankenhaus:

Scheinbar wusste man auch hier nicht so recht, was sich hinter dieser Pat. verbirgt, daher wurde zumindest primär auf "ACS" behandelt (Aspirin, Heparin Etc.). Die Blut- und weitere Untersuchungen bestätigten diesen Verdacht jedoch nicht.
Daher wurde mit grober Zielrichtung Magen Darm Erkrankung mit Pantozol und MCP behandelt. Mittlerweile übrigens durch neue Kollegen.
Als dies auch keinen Erfolg zeigte wurde ein Röntgen Thorax angeordnet. Hierbei zeigte sich eine deutliche verbreiterung im Bereich der Aorta. Die Pat. wurde im laufe der Nacht auf die Intensivstation einer benachbarten Klinik verlegt, welche im Bereich der Aneurysma-OPs spezialisiert ist. 2 Tage nach OP ist die Pat. auf Normalstation und auf dem Weg der Besserung.

Fazit:

Die Notarztfrage ist in diesem Fall mit Sicherheit Diskussionswürdig, die Situation stellte sich vor Ort im Gesamteindruck vermutlich auch ein wenig anders da, als dies in einem solchen Thread darstellbar ist. Grundsätzlich gebe ich aber Bärentöter recht, ein Thoraxschmerz als solcher stellt eine, wenn nicht sogar die klassische Notarztindikation in Deutschland da.

Allerdings zeigt das Fallbeispiel auch, das man sich allzuleicht auf eine Diagnose hin versteift, und Differentialdiagnosen hierbei oft kaum Beachtung finden. An der präklinischen Therapie hätte sich vermutlich wenig geändert. Dennoch hätten eigentlich bereits beim RD Personal bei der Vorerkrankung Arteritis temp. die Warnglocken zum Thema Aneurysma klingeln müssen.
Grade weil ja zum Beispiel bei RS bereits gute Artikel zu diesem Thema bestanden -> hier (http://www.rippenspreizer.de/forum/showthread.php?s=&postid=316356#post316356)



Gute Nacht ;)
dMM

RS-USER-Bärentöter
12.04.2006, 11:04
Original geschrieben von DocMezzoMix
Dennoch hätten eigentlich bereits beim RD Personal bei der Vorerkrankung Arteritis temp. die Warnglocken zum Thema Aneurysma klingeln müssen.


oops, genau das hatte ich überlesen.
Hatte auch mal so einen Fall, wo mich der punktförmige Schmerz ein wenig gestört hat. Also Oberarzt reingeholt (der war recht begeistert...) -> Echo: Aneurysma -> Transport "wie ein rohes Ei" nach Salzburg! -> sofort Op.
Hätte ich nicht daran gedacht, wäre mit der üblichen Infarkttherapie (Blutverdünnung!) der Patient (war recht jung) wohl verstorben.
Der Patient hat meine Bedenken, insbesondere auf der Verlegungsfahrt nach Salzburg, wohl mitbekommen, und war mir extrem dankbar. Hat mich sogar ein paar Wochen später in der Klinik besucht, um sich zu bedanken.
Das sind so die schönen Erlebnisse im Beruf!

RS-USER-DocMezzoMix
12.04.2006, 17:16
Hier kam der Pat. vermutlich auch die zögerliche Handlung beim Ziel ACS sowohl des RD als auch des ärztlichen Personals zu gute.

Gruß dMM