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tneumann
17.04.2006, 15:01
Hallo zusammen!

Für das folgende Fallbeispiel kann ich euch leider keine abschließende Epikrise bieten, da ich den Patienten nur präklinisch versorgt habe.

Ich werde darüber hinaus ungefragt nur recht wenige Informationen rausgeben, weil es mir hier primär darum geht, ein Gefühl für die Situation vermitteln, welches mein Kollege leider im realen Einsatz vermissen ließ.

Und zu guter Letzt sei noch gesagt, dass meine Antworten vielleicht ein wenig auf sich warten lassen. Sorry hierfür schon im Voraus!

Und nun zum Einsatz:

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Ihr sitzt gemütlich auf der Feuerwache, habt den morgendlichen Fahrzeug-Check schon hinter euch gebracht und zu 2 Tassen Kaffee bereits 3 Zigaretten geraucht. Kurz: ihr seid in Bestform.

Der große Dreiklang-Gong (Brandschutz + Rettungsdienst) ertönt. Einsatzstichwort: Person hinter Tür.

Ihr rückt gemeinsam mit LF & DL aus. Die Jungs legen beim Öffnen der Tür ein ziemliches Tempo vor, so dass ihr Beiden zeitgleich mit einem jungen Feuerwehrkollegen neben dem Patienten steht. Die Polizei ist ebenfalls bereits am Ort.

Der junge Feuerwehrkollege nimmt auch das mit dem Ansprechen schon mal ab: Patient ist ansprechbar und berichtet ungefragt, dass er nicht mehr hätte aufstehen können.

Er liegt auf dem Rücken in einem Fenster-Erker, Füße von der kleinen Erker-Empore herabhängend. Der Kopf liegt direkt an der Heizung vor dem Fenster, was nach Aussage unseres Patienten so langsam unangenehm wird.

In seinem roten Gesicht imponiert eine große Knollen-Nase.

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Und jetzt seid ihr am Drücker. Viel Spaß!

RS-USER-Bärentöter
17.04.2006, 15:40
ein paar Anmerkungen:

a) der Patient scheint Alkoholiker zu sein
b) a) erklärt aber keine plötzliche Lähmung -> an Querschnitt nach Sturz denken
c) aufgrund a) und der Auffindesituation (Fenster!) an Suizidalität denken

das fällt mir jetzt mal so aus dem Stegreif ein

tneumann
17.04.2006, 15:44
Original geschrieben von Bärentöter
ein paar Anmerkungen:

a) der Patient scheint Alkoholiker zu sein
b) a) erklärt aber keine plötzliche Lähmung -> an Querschnitt nach Sturz denken
c) aufgrund a) und der Auffindesituation (Fenster!) an Suizidalität denken

das fällt mir jetzt mal so aus dem Stegreif ein

ad a) Sehe ich auch so.

Aber was tun wir nun? Ich mach jetzt erstmal gar nix mehr ohne konkrete Aufträge. *pfft* :-7 :-)

RS-USER-DocMezzoMix
17.04.2006, 15:48
Fragen wir ihn doch einfach mal, Wie kommen sie ins Fenster, warum sind sie im Fenster, Warum können sie nicht aufstehen? Schwäche, Lähmung, Schmerz, kein Bock?
Und wie geht es ihnen sonst so?

mmpreis0
17.04.2006, 15:54
Hi,

versuch mich jetzt einfach mal an dem Fallbeispiel.
würde auch den Pat. befragen bzgl. Situation, Schmerz usw. Zeitgleich RR, Atmung (Frequenz, evtl. Atemgeruch), EKG anlegen, Bodycheck, Umgebung inspizieren (Alk, Medis o. ä.)

Toxic_Lab
17.04.2006, 16:01
Ähmm... wie wäre es denn, den Herren aus dem Fenster erst mal zu entwirren??? Natürlich erst, wenn eine Gefährdung durch den Vorgang ausgeschlossen werden kann...

tneumann
17.04.2006, 16:02
Original geschrieben von DocMezzoMix
Fragen wir ihn doch einfach mal, Wie kommen sie ins Fenster, warum sind sie im Fenster, Warum können sie nicht aufstehen? Schwäche, Lähmung, Schmerz, kein Bock?
Und wie geht es ihnen sonst so?

"Wie ich hier hingekommen weiß ich nicht. Ich liege hier halt so rum... Dass ich nicht aufstehen konnte, das hatte ich noch nie. Schmerzen? Nein, sonst geht's mir gut. Ich seh bloß ein wenig verschwommen. Was soll denn hier kein Bock heißen??? Wenn Sie mir jetzt langsam mal helfen würden, stünde ich längst auf meinen eigenen Beinen!Das wird langsam echt warm am Kopf."

RS-USER-Bärentöter
17.04.2006, 16:02
@Toxic:
erst nach Ausschluß eines Querschnitts!!!
@Tneumann: Lallt er? Wirkt er betrunken?

Toxic_Lab
17.04.2006, 16:04
Original geschrieben von Bärentöter
@Toxic:
erst nach Ausschluß eines Querschnitts!!!
@Tneumann: Lallt er? Wirkt er betrunken?

Deswegen "Natürlich erst, wenn eine Gefährdung durch den Vorgang ausgeschlossen werden kann..." :D

tneumann
17.04.2006, 16:06
Original geschrieben von mmpreis0
Hi,

versuch mich jetzt einfach mal an dem Fallbeispiel.
würde auch den Pat. befragen bzgl. Situation, Schmerz usw. Zeitgleich RR, Atmung (Frequenz, evtl. Atemgeruch), EKG anlegen, Bodycheck, Umgebung inspizieren (Alk, Medis o. ä.)

Umgebung checken wir beim Betreten ab: ein schmutziges Glas, kein Alk, keine Medis. Wohnung nicht unbedingt daily-soap-mäßig ausgestattet, aber ganz OK.

Zunächst der Bodycheck: keine Schmerzen kein Knochenreiben, keine abnorme Beweglichkeit.

RR 160/80, AF o.p.B., Zähne heute noch nicht geputzt, sonst kein Foetor. EKG: LT, SR, HF um 92/min, keine ERBS.

RS-USER-DocMezzoMix
17.04.2006, 16:07
Naja, ich hätte das mit dem "kein Bock" ein wenig einfühlsamer formuliert . . . ;)

Wirklich null erinnerung wie er ins Fenster kommt?

Gibt es im Umfeld anzeichen, die auch nur erahnen lassen, das er irgendwie gefallen ist?

Ansonsten erstmal kurze neurologische Untersuchung inkl. orientierender Bodycheck mit besonderem Augenmerk auf WS.

tneumann
17.04.2006, 16:08
Original geschrieben von Bärentöter
@Toxic:
erst nach Ausschluß eines Querschnitts!!!
@Tneumann: Lallt er? Wirkt er betrunken?

Umlagern: da habts beide Recht.

Nein, er lallt nicht. Macht derzeit keinen betrunkenen Eindruck.

tneumann
17.04.2006, 16:11
Original geschrieben von DocMezzoMix
Naja, ich hätte das mit dem "kein Bock" ein wenig einfühlsamer formuliert . . . ;)

Wirklich null erinnerung wie er ins Fenster kommt?

Gibt es im Umfeld anzeichen, die auch nur erahnen lassen, das er irgendwie gefallen ist?

Ansonsten erstmal kurze neurologische Untersuchung inkl. orientierender Bodycheck mit besonderem Augenmerk auf WS.

Die Erinnerung diesbezüglich ist ihm jetzt nicht wirklich zu entlocken. Eher keine Erinnerung. Er ist auch ein wenig aufgeregt, wegen der 10 Feuerwehrleute und 3 Polizisten in seiner Wohnung, also schicken wir den Löschzug zurück ins Körbchen. ;-)

Für ein Sturzereignis sehe ich so keine Anzeichen.

Auch die WS verhält sich beim Bodycheck regelrecht.

RS-USER-Bärentöter
17.04.2006, 16:30
Zungenbiß? Eingenäßt?

RS-USER-Katja
17.04.2006, 16:54
Welcher Körperteil klemmt denn im Fenster (oder habe ich das überlesen *schäm*)? Und im Rahmen oder in der Scheibe?
Ansonsten neben "Knochen"bodycheck mal Sensorik und Beweglichkeit überprüfen (Beweglichkeit im Sinn von "Bewegen Sie mal..", nicht aktives Rumgeruckel).

tneumann
17.04.2006, 17:23
Original geschrieben von Katja
Welcher Körperteil klemmt denn im Fenster (oder habe ich das überlesen *schäm*)? Und im Rahmen oder in der Scheibe?
Ansonsten neben "Knochen"bodycheck mal Sensorik und Beweglichkeit überprüfen (Beweglichkeit im Sinn von "Bewegen Sie mal..", nicht aktives Rumgeruckel).

Patient zeigt keinen Zungenbiß und hat nicht eingenäßt.

Der Patient hängt nicht etwa im Fenster sondern liegt auf dem Boden eines Fenster-Erkers. Sorry, wenn das missverständlich war.

Die Aufforderungen zur Prüfung der aktiven Motorik scheint der Patient nicht so richtig zu verstehen. Sensibilität scheint erhalten.

Aus eigener Kraft hinsetzen klappt nicht so recht. Wollen wir ihm mal helfen oder ihn gleich umlagern oder wollt ihr noch was anderes untersuchen?

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Erfreulicherweise bewegt ihr euch aber schon grob in die richtige Richtung und seid nicht schon auf dem halben Weg ins Akut-KH, was der Kollege zum jetzigen Zeitpunkt noch vorschlug.

RS-USER-Schädelspalter
18.04.2006, 07:34
Original geschrieben von tneumann Die Aufforderungen zur Prüfung der aktiven Motorik scheint der Patient nicht so richtig zu verstehen.

Aber das scheint wohl nicht neu zu sein, dass er Probleme mit dem Verstehen hat, oder? ;) Wie alt ist unser Patient eigentlich (habe ich das überlesen?)

Original geschrieben von tneumann [BAus eigener Kraft hinsetzen klappt nicht so recht. Wollen wir ihm mal helfen oder ihn gleich umlagern oder wollt ihr noch was anderes untersuchen?
[/B]
Orientiert ist er? Ein paar Sekunden für den Blick in die Augen (Lichtreaktion) und Augenmuskelfunktion würde ich noch investieren.

Gasmann1
18.04.2006, 08:44
Bei einer symetrischen, schmerzlosen motorischen Schwäche der Beine, mit teilweise erhaltener Sensibilität, würde meine Verdachtsdiagnose Guilain-Barre-Syndrom (http://de.wikipedia.org/wiki/Guillain-Barre_Syndrom) sein. Ich würde, bei fehlenden Hinweisen für ein Trauma den Patienten in die nächste Neurologie transportieren. Ggf. den Pat vorher achsengerecht rotieren und im BWS-Bereich nach Anprallspuren suchen, das wäre m.E. ein Hinweis für eine BWS-Verletzung (würde die Ausfälle auch erklären).
Bleibt die Frage, ob man in dieser Situation vielleicht doch einen NA nachlarmiert. Bei Trauma besteht die Gefahr des spinalen Schocks...

Gm1

Gasmann1
18.04.2006, 09:19
Original geschrieben von tneumann
RR 160/80, AF o.p.B., Zähne heute noch nicht geputzt, sonst kein Foetor. EKG: LT, SR, HF um 92/min, keine ERBS.

mir würde noch der BZ fehlen, ansonsten, nach Ausschluss Trauma, Transport und weiterführende Diagnostik (Labor, Bildgebung, Liquor). Mehr kann man glaube ich vor Ort nicht machen...

Gm1

tneumann
18.04.2006, 09:39
Die Verständnisprobleme wirken auch auf mich nicht so richtig neu.
Der Pat. ist so um die 55 Jahre alt.
Desorientiert zu Zeit (hinkt 2 Tage hinterher) und Ort ("meine Frau hat ihr Büro gleich da vorne rechts" --> gibt Adresse an, die min. 3 km entfernt liegt und Telefonnummer, unter der sich keiner meldet). Zur Person adäquat orientiert. Pupillen isocor, LR seitengleich auslösbar.
Meinem Finger folgt er nicht so wirklich regelrecht, zeigt aber auch keine klassische Pathologie. Es erfolgt noch eine grobe Überprüfung des Gesichtsfeldes, die mangels Verständnis nicht als pathologisch bewertet werden kann.
Der Kreuzgriff zeigt wie so oft keine Kraftunterschiede der Arme. Welche Untersuchung wäre sensitiver?
Das Heben der Beine klappt nicht so richtig. Deren Kraft werden wir beim Umlagern sicher noch beurteilen können, da wir absolut keinen Anhalt auf ein Trauma haben (WS o.p.B., keine Weichteil-/knöcherne Kopfverletzung).
Erinnerungen sind unserem Pat. keine sinnvollen zu entlocken.
Klar machen wir BZ! Soweit ist es mit den Sparmaßnahmen ja zum Glück noch nicht. ;-) 136 mg/dl
KH? Arzt? "Brauche ich nicht! Ich bin doch noch jung!"
Der Verdacht auf Alkohol begründet m. E. die Knollennase hier hinreichend.

Ich setze jetzt einfach mal unseren Pat. auf den Sessel, weil er mir beim Stützen von hinten echt zu schwer wird. Die ganze Zeit muss ich ihn mit meinen auf die Schultern gelegten Hände stützen. Vor allem mein linker Arm streikt so langsam, weil er aber auch gar nicht mithelfen will. :-)

Beim gemeinschaftlichen Aufstehen zeigt der Pat. eine Schwäche des linken Beins und sinkt im Sessel auf die linksseitige Lehne.

Was nun?