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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kindliche Verbrühung/Verbrennung



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RS-USER-Rippenspreizer
28.05.2006, 07:41
Mal wieder - nach langer Zeit - ein Fallbeispiel. Diesmal etwas "dramatisch". Inspiriert durch die Schilderung einer Rettungsassistentin, die einen solchen Fall vor einiger Zeit tatsächlich erlebt hat.

Es ist 16:45 Uhr und ihr werdet mit Sonderrechten zu einem Notfall "Kind mit Verbrühung" geschickt. Die Einsatzstelle liegt ca. 7 Min. entfernt und ihr trefft um 16:52 Uhr ein.
Das NEF muss den Arzt zunächst von einem Begleittransport auslösen und wird in ca. 12 Minuten eintreffen...

Bereits beim Aussteigen auf der Straße hört ihr ein laut schreiendes Kind, kurz darauf trägt die Mutter den 2jährigen verletzten Jungen zu euch heraus (derweil ihr eine Menge Krempel aus dem Fahrzeug holt)
"Hilfe, Hilfe, mein Kind hat sich verbrannt" schreit die Mutter, gefolgt von 3 weiteren Mitgliedern einer offenbar türkischstämmigen Familie.

Das nur mit einer Unterhose und einem T-Shirt bekleidete Kind schreit lautstark und ist an der gesamten (!) vorderen Körperoberfläche vom Kopf bis an die Füße verbrüht. Die Haut und stark gerötet, z.T weiss-gelblich mit braunen Flecken. Teilweise haben sich bereits großflächige Blasen gebildet, die an einigen Stellen eröffnet sind, an Oberarmen und Beinen hängen Hautfetzen herab.

(Anamnestisch erfahrt ihr, dass das Kind einen großen Brühtopf kochendem Teewasser vom Tisch gezogen hat, der sich komplett über das Kind ergossen hat.)

- eure ersten Maßnahmen/Pathophysiologie
- Verhalten gegenüber der Familie
- Was wird der Notarzt brauchen? (Vorbereitungen)




Ich bin gespannt auf eure Antworten!
Gruß, Daniel

Grillmaster T
28.05.2006, 13:01
Der Kollege würde "all den Krempel" schnellstmöglich wieder verlasten und die Anweisung bekommen, das Water-Jel-Paket aufzureißen und damit die Trage vorzubereiten.
Alles weitere Vorgehen würde ich nun sehr stark an die örtlichen Gegebenheiten ausrichten.
Ich würde mich jetzt nicht dran machen, dem Kind einen Zugang zu legen. Auch käme ich nicht auf die Idee, RR zu messen, da ja nun auch der Oberarm und Oberschenkel stark betroffen sind. Eine weitergehende Untersuchung wird mich auch nicht viel schlauer machen, da das Hauptproblem ja sehr offensichtlich ist. Das Kind wird schnellstmöglich eine vernünftige zielgerichtete Volumentherapie, Analgesie und Narkose benötigen, die ich jetzt nicht leisten kann. Ich bezweifle ganz stark, dass ich der Mutter das Kind "entreißen" könnte. Versuchen würde ich es trotzdem (nicht durch Gewalt, sondern durch Überzeugung). T-Shirt und Unterhose natürlich sofort weg vom Körper. Wenn es machbar wäre, Lagerung auf dem vorbereitetem Water-Jel-Tuch. Auf eine angemessene Temperatur im RTW ist selbstverständlich zu achten!
Wenn eine nahe gelegene Klinik eine adäquate Versorgung nicht gewährleisten kann, wäre der Ruf nach Luftunterstützung nun obligat. Dann noch schnell die Überlegung angestrebt, ob nicht ein Krankenhaus, welches ärztlicherseits und strukturell für eine ERSTVERSORGUNG geeignet ist schneller erreichbar wäre, als das anfahrende NEF. Alternativ würde dann ggf. diese nach entsprechender Voranmeldung angefahren werden. Hielte ich für besser, als 12 Minuten auf das NEF zu warten.
So, alles weitere wären Verzweifelungstaten. Nach Lagerung, oder alternativ "Sicherung" von Mutter und Kind würde das baldigste Rendevouz mit dem NEF mittels "entgegen Fahren" angestrebt, bzw. der Weg in die Klinik angetreten. Das Kind würde mit dem Water-Jel an den entsprechenden Stellen versorgt werden. Die Angehörigen würden über das weitere Vorgehen kurz und bündig, aber eindringlich informiert werden. ("Der Notarzt ist noch weit weg, wir fahren im entgegen. Geben Sie mir eine Telefon- oder Handynummer. Ich rufe Sie sofort an, wenn ich weis, in welches Krankenhaus das Kind kommt und wo sie die Mutter wieder abholen können. Nur müssen wir ihrem Kind/Neffen/Bruder-was auch immer- nun schnellstmöglich helfen!" Abschlussfrage: „Kann ich jetzt noch etwas für Sie tun? Sollen wir Hilfe für Sie holen?“) Generell ist das in der Theorie schwer zu beurteilen. Kommt darauf an, wie die Leute in der Realität „drauf sind“ und reagieren. Danach würde ich meine Kommunikation ausrichten.
Dann Abfahrt... Auf solche Dinge wie Vorbereiten der Intubation, usw. an der Einsatzstelle würde ich getrost verzichten, da alles Material im RTW so gelagert ist, dass es in Windeseile gebrauchsfertig ist. Dafür muss ich die invasiven Maßnahmen nicht rauszögern. Venenpunktion ist auch vorbereitet im Schrank, wobei nach der Schilderung hier wahrscheinlich nicht der 08/15-Weg durchführbar wäre... Während des Transportes würde ich das EKG am Rücken kleben und - wenn durchführbar - an einer möglichen Stelle die SpO2 - Klebesonde anbringen.
Medis vorbereiten? Nein. Der anbrausende Doc wird seine Vorlieben haben, die ich nicht kenne. Pädiafusin wird vorbereitet, alles andere – na ja, was jetzt noch??? Ich weis es nicht. Dies wäre in der Tat ein Fall, der mir meine Grenzen deutlich aufzeigt.
Die forensische Komponente ist für mich jetzt erstmal zweitrangig.

RS-USER-Rippenspreizer
28.05.2006, 13:10
Sehr differenzierte und ehrliche Aussage.

Nach Rückmeldung mit der Leitstelle entscheidet ihr euch nach den genannten Maßnahmen (Entkleiden, Water-Jel), dem NEF entgegenzufahren. Das nächste Krankenhaus ist in Fahrtrichtung NEF ca. 13 km entfernt - dort kann auch eine adäquate Primärversorgung stattfinden.
Außerdem kümmert sich die Leitstelle um ein Verbrennungsbett sowie einen möglichen Lufttransfer, da eine nächstmögliche Verbrennungsklinik knapp 120 km entfernt ist.

Ihr benötigt ca. 5 Minuten, um das Rendezvous mit dem NEF zu erreichen. Diese 5 Minuten sind die Hölle - das Kind schreit immer noch, bei jeder Berührung bleiben Hautfetzen an euren Handschuhen kleben.

Gibt es innerhalb dieser 5 Minuten noch Behandlungsoptionen, die allen Anwesenden die Situation erträglicher machen könnte?

Rettungstiger
28.05.2006, 14:50
Wenn die Mutter noch keine Kühlung durchgeführt hat (Wir haben kein Waterjel) könnte man alternativ die Verbrühten Stellen mit einer Ringer aus dem Wärmefach "kühlen" Das dürfte ungefähr die handwarme Temperatur haben die immer gefordert wird. Ansonsten auf den Wärmeerhalt achten, da die kleinen recht schnell auskühlen. (einwickeln in Rettungsdecke). Ich würde die Mutter zu diesem Zeitpunkt noch in die Versorgung einbinden und sie eine O2-Maske (8l Flow) vorhalten lassen.
1. Tu ich was für die Verbesserung der Sauerstoffversorgung des Kindes (die bei starkem schreien schon mal etwas absacken kann)
2. ist es psychologisch gesehen gut, dass die Mutter merkt, es wird noch etwas getan fürs kind (ausser schnell dem Doktor entgegen fahren)
3. Wird sie dadurch eventuell etwas von den Verletzungen ihres Kindes abgelenkt

Ansonsten geb ich dem Grillmeister recht:
Alles notwendige habe ich gleich vorbereitet, schließlich wird der Arzt in dem Moment wenn er einsteigt nicht gleich(zeitig) einen i.v./i.o Zugang legen, Medikamente verabreichen und intubieren. Ihr seid ja nur HALB-götter in weiss ;)

Alles in Allem, Scheisseinsatz, den man keinem wünscht!:-kotz :-kotz

RS-USER-DocMezzoMix
28.05.2006, 16:39
Aloha, ich möchte mich Grillmeister anschliessen, habe aber noch ein zwei Fragen/Anmerkungen:

1. Waterjel finde ich persönlich auch toll, würde ich auch nehmen, da die Verbrennung aber nur frontal ist, würde ich ihn nicht auf eine Waterjelmatte legen (vermutlich nur "ungenau" beschrieben und ich bin ein Korintenkacker;) )
2. Die Klinik als zwischenstop würde ich mir schenken, und direkt zum V.Zentrum fliegen lassen.
3. RTW aufheizen nicht vergessen!
4. Ist Pädiafusin bei Verbrennungen nicht out?
5. Ich stelle jetzt mal in ermangelung Zugang (wenn mich nicht wirklich etwas extrem anlachen würde, was ich aber auch nicht glauben und erwarten würde, nehme ich davon auch Abstand, da sonst das Kind nur noch unkooperativer wird) Ketanest und Diazepam per Spritze in die Nase in den Raum. Zumindest das Diazepam würde es zumindest beruhigen und durch die weniger Bewegung evtl- auch die Schmerzen reduzieren. Ob ich dies durchführen würde ist eine andere Frage, da sie über jegliche NoKo hinausgeht. Im Zweifelsfall kann sie aber spätestens beim ärztlichen "Zugang popeln" hilfreich sein.

Gruß dMM

RS-USER-Bärentöter
28.05.2006, 18:01
Original geschrieben von DocMezzoMix
Ketanest und Diazepam per Spritze in die Nase

Ich hätte, ehrlich gesagt, spontan keine Ahnung, wie ich das dosieren sollte

RS-USER-blacksheep
28.05.2006, 18:06
Diazepam/Dormicum ganz normal wie bei iv-Gabe. Das man auch Ketanest über die Nase geben kann/gibt war mir nun neu. Aber ich denke da wird die Dosierung wahrscheinlich analog zur Dormicumgabe ähnlich der IV-Gabe sein. Ich hab letztens sogar mal so nen Zersteuber in der Hand gehabt.

RS-USER-fishy
29.05.2006, 00:01
Mein Brainstorming zu der Sache (ohne gross auf die anderen Beiträge einzugehen):

1. in den RTW verbringen

2. komplett entkleiden

3. RTW Heizung auf max.

4. Frage: wurde schon gekühlt?

4a. Wenn ja, steril abdecken und für Wärmeerhalt sorgen (Rettungsdecke/Silberwindel)

4b. Wenn nein, sterile Verbandtücher mit Infusionlösung befeuchten zur Kühlung auf dem betroffenen Areal (für max. 15min.). Im Anschluss Wärmeerhalt mit 3 Ausrufezeichen.

Parallel dazu natürlich die "ABC's", sowie sofortige RTH-Nachforderung.

5. Sauerstoffgabe

6. nächster Gedanke: Analgesie!
Midazolam/Ketamin vorbereiten. "Zugangsmöglichkeit" eruiren.
I.V./I.O. in Betracht ziehen, sollte das zu lange dauert bzw. zu umständlich sein Ketamin i.m.

7. "Wie komm ich zum NA oder wie kommt dieser zu mir". Abwägung und den umständen entsprechende Entscheidung (Entgegenfahren...).

8. Volumensubstitution.
Parklandformel rauskramen und Bedarf berechnen. Entsprechend vorbereiten.

9. Intubation ggfs. vorbereiten.

Umgang mit den Eltern der Situation und deren "Verhalten" anpassen auf jeden Fall so weit möglich alles erklären.

Das wäre so mein erster Ansatz, aber die Realität erschwert solche theoretischen Denkspiele oft (wo bringe ich den SpO2-Sensor an? Bekomme ich irgendwo ne Vene? ... solche dinge halt).

RS-USER-DerDings
29.05.2006, 06:13
Original geschrieben von fishy
8. Volumensubstitution.
Parklandformel

? parklandformel ?

ich kenn nur baxter...

RS-USER-fruehgriller
29.05.2006, 07:36
Kann dem Grillmeister nur recht geben, mit der Versorgung und Taktik.

Was mir noch durch den Kopf schießt, wäre Diazepam Rectiole, bzw Dormicum intra popolär. Ist aber sowas von weit weg von der Noko, das ich das nur nach Funkrücksprache mit NEF evtl wagen würde, damit dsa Kind weniger Schmerzen hat.

Ansonsten ist einer der wenigen Scoop & Run Fälle, da eine adäquate Versorgung wirklich nur im KH stattfinden kann.

Ach ja, wielange braucht der RTH zum RTW???

Dann hat nämlich Doc MM recht, den weg über das nächste KH zu sparen, un d gleich ins Fachzentrum.

RS-USER-Obelix
29.05.2006, 09:13
Also ich bin persönlich jetzt kein Fan von wir fliegen sofort eine Verbrennungskilinik an.
Der Patient sollte auf alle Fälle stabil sein. Und das bekomme ich unterumständen in einer Klinik leichter geregelt als in einem RTW. Zudem hat die Verbrennungsklinik dann noch ein paar Minuten mehr, sich auf den Patienten vorzubereiten.
Weil die Chancen des Patienten steigen auch nicht, wenn er völlig kreislaufdekompensiert in der Verbrennungsklinik ankommt. Und die Möglichkeiten während eines Hubschrauberflugs sind meines erachtens im Vergleich zur Klinik begrenzt.

RS-USER-Rippenspreizer
29.05.2006, 09:31
Sehr gut - ihr habt dem Kind zwei Diazepam-Rectiolen verabreicht - die Idee mit dem Midazolam/Ketanest ist prinzipiell möglich aber nur sehr zeitverzögert wirksam, darüber hinaus definitiv nicht über die Notkompetenz abgedeckt.

Sauerstoff ist immer gut, die Mutter bleibt bei einem solchen Kasus draußen! (Eltern bei kleineren Verletzungen immer integrieren, sobald es ernst wird, wollt ihr aber unter euch sein! Die Mutter ist hier sicherlich keine Hilfe, das Kind braucht keine beruhigende Mutter sondern adäquate Analgesie/Narkose)

Womit wir auch schon beim iv-Zugang wären. Bei Kindern ja immer so eine Sache - in diesem Fall kann getrost das intraossäre Set rausgekramt werden... Darüber kann sehr effizient und auch volumenstark alles an Narkotika, Analgetika und Infusionen appliziert werden.

Ihr "rendezvoust" mit dem NEF nach 4 Minuten, der NA teilt eure Meinung einer schnellstmöglichen Versorgung in einem Verbrennungszentrum und entschliesst sich zu einer Maximaltherapie im RTW bis der RTH eintrifft. Dieser müsste lt. LS innerhalb der nächsten 8-10 Minuten eintreffen.

In dieser Zeit legt der Notarzt zwei intraossäre Zugänge und gibt bei einem Gewicht von ca. 10kg:

0,2 mg Fentanyl
150 mg Trapanal
2 mg Dormicum
kein Relaxanz, vor allem nicht Succi!
Das Kind wird intubiert/beatmet (AZV 100 ml, AF 18) unter kapnometrischer Kontrolle (30-35 mmHg) , SO2 bleibt konstant auf 98%.
Gabe von Ringer 250ml initial (für RTW + RTH-Transport, also über ca. 30 Minuten)

Unter Monitoring bleibt das Kind stabil bis zum Eintreffen des RTH. Es erfolgt die Übergabe an den RTH-Arzt, der direkt telefonische Rücksprache mit dem Verbrennungszentrum hält.

RS-USER-Rippenspreizer
29.05.2006, 09:39
Ich hab hier noch etwas differenzierte Infos von der ANR München (http://www.anr.de/de/schwerpunktthemen/trauma/verbrennung.jsp). Da gibt es reichlich weitere Infos zu dem Thema...

Präklinische Therapie

Kaltwasserbehandlung

Das Spülen mit kaltem Wasser ist eine wichtige Sofortmaßnahme insbesondere bei kleinflächigen zweitgradigen Verbrennungen sowie Verbrennungen mit chemischen Substanzen. Zuvor muss die Kleidung entfernt werden, um einen Hitzestau und ein Nachbrennen zu verhindern. Die verbrannten Köperregionen sollten innerhalb von 20 Minuten nach der Verletzung mit 15°C kaltem Wasser für etwa 20 Minuten schonend gespült oder abgebraust werden. Alternativ werden auch kühle Kompressen empfohlen.

Intubation und Beatmung

Die Indikation zur prophylaktischen »Frühintubation« sollte im Gegensatz zum polytraumatisierten Patienten zurückhaltend gestellt werden. Oft führt diese später zu pulmonalen Komplikationen wie sekundären Pneumonien oder erschwertem Weaning von der Beatmungsmaschine.
Auch die Gesichtsverbrennung gilt per se noch nicht als absolute Indikation zur Frühintubation, da nur weniger als ein Drittel dieser Patienten auch ein Inhalationstrauma aufweisen. Beim Inhalationstrauma tritt eine Störung des pulmonalen Gasaustausches oder eine mechanische Atemwegsbehinderung – wenn überhaupt – erst nach Stunden auf, so daß die Intubation noch rechtzeitig in der Klinik erfolgen kann (11, 15, 19).

Absolute Intubationsindikation besteht grundsätzlich bei:

Bewußtlosigkeit, schwerem Schock, schweren Begleitverletzungen, schwerem Inhalationstrauma mit Dyspnoe (z.B. Atemfreq.> 30/min.). Hier dient die Beatmung zur Prophylaxe eines ARDS. Nach üblicher Analgosedierung sollte der Patient mit einem Low-Pressure-Cuff-Tubus intubiert werden. Da aufgrund einer potentiellen Ödembildung der oberen Luftwege eine spätere Umintubation schwierig sein kann, ist beim Verbrennungstrauma eine primär nasale Intubation zu rechtfertigen. Der Tubusdurchmesser sollte mindestens 7,0 mm (30 Ch) betragen, um später bronchoskopisch ein mögliches Inhalationstrauma diagnostizieren zu können und eine adäquate Atemwegshygiene zu ermöglichen. Die Beatmung erfolgt kontrolliert mit 100% Sauerstoff und PEEP.

Infusionstherapie

Wie geschildert, kommt es nach Brandverletzungen aufgrund einer erhöhten Kapillarpermeabilität zu einer Flüssigkeitsverschiebung mit Ödembildung im Interstitium. Bei Verbrennungen von mehr als 10% KOF (Kinder > 5% KOF) besteht akute Schockgefahr.

Die Therapie des hypovolämischen Schocks erfolgt durch ein aggressives Infusionsschema. Die Wahl des Flüssigkeitsersatzes, ob Kristalloide, Kolloide oder hypertone NaCl-Lösung, ist unverändert Mittelpunkt kontroverser Diskussion. Tendentiell wird in den ersten 24 h die alleinige Infusion von Ringer-Laktat oder einer Elektrolytlösung favorisiert, da kolloidale Lösungen durch Ablagerung im Interstitium das Verbrennungsödem verstärken können. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß, auch bei korrekter Errechnung der Substitutionsvolumina, kristalloide Lösungen zur Kreislaufstabilisierung manchmal nicht ausreichend sind. Auch der erhoffte Erfolg durch die Anwendung von hypertonen NaCl-Lösungen im Sinne einer »small volume resuscitation« kann noch nicht endgültig bestätigt werden.
Die erforderliche Infusionsmenge wird häufig unterschätzt. Für die präklinische Notfalltherapie kann gelten, daß ab zweitgradigen Verbrennungen > 10% KOF (bei drittgradig < 10% KOF) in der ersten Stunde 1 l Ringer-Laktat zu infundieren ist. Bei Kinder wird 20–40 ml/kg KG in der ersten Stunde verabreicht.
Zur genaueren Berechnung des Infusionsvolumens hat sich die Parkland-Formel als gut praktikabel erwiesen:

Infusionsvolumen / 24 h = 4 ml Ringer-Laktat x % verbrannter KOF IIo/IIIo x kg KG

Die Hälfte des errechneten Volumens wird in den ersten 8 Stunden, je 1/4 wird in der zweiten und dritten 8 Stunden-Periode infundiert. Unter der Infusionsbehandlung sollte eine stündliche Urinausscheidung von 1ml/kg KG erreicht werden. Mit einem höheren Volumenbedarf muß vor allem beim Inhalations- und Polytrauma gerechnet werden. Hier kann eine zusätzliche Gabe von kolloidalen Lösungen und niederdosiertem Dopamin bzw. Noradrenalin erwogen werden. Die Katecholamingabe bei Schwerbrandverletzten gilt ansonsten innerhalb der ersten 24h als kontraindiziert (13).

Die Volumensubstitution erfolgt mindestens über einen großlumigen periphervenösen Zugang (G14 oder G16). Der zentralvenöse Zugang sollte aufgrund der erhöhten Kontaminationsgefahr als Punktionsort zweiter Wahl betrachtet werden. Zu berücksichtigen ist, daß zirkuläre Extremitätenverbrennungen innerhalb kürzester Zeit zu venösen Abflußbehinderungen führen können. Prinzipiell kann eine Punktion auch im verbrannten Gebiet erfolgen, da später wegen einer langen Intensivtherapie und zahlreicher plastischer Operationen venöse Zugangsmöglichkeiten limitiert sind (15).

Medikamentöse Therapie

Wie bei polytraumatisierten Patienten besteht manchmal auch bei schweren Verbrennungen ein schmerzfreies Intervall. Insbesondere ausgedehnte zweitgradige Brandverletzungen verursachen stärkste Schmerzen. Für die Analgesie hat sich die intravenöse Gabe von Opiaten (Morphin, Pethidin) oder Ketamin in Kombination mit Benzodiazepinen (Diazepam, Midazolam) bewährt.

Die systemische Gabe von Kortikosteroiden ist wegen immunsuppressiver Nebenwirkungen kontraindiziert.

RS-USER-DocMezzoMix
29.05.2006, 09:58
Original geschrieben von DerDings
? parklandformel ?

ich kenn nur baxter...

Ist meines Wissens nach das selbe, heißt in der Lit. auch oft Parkland-Baxter-Formel.

Gruß dMM

RS-USER-DocMezzoMix
29.05.2006, 10:00
Erschreckend, an so banale Sachen wie die Rectiole oder den I.O. Zugang habe ich garnicht gedacht...

RS-USER-Rippenspreizer
29.05.2006, 10:15
Original geschrieben von DocMezzoMix
Erschreckend, an so banale Sachen wie die Rectiole oder den I.O. Zugang habe ich garnicht gedacht...

Kein Problem - hat der NA im echten Fall auch nicht :(
Das Kind ist ohne Tubus und ohne Anlagosedierung bzw. ohne Zugang ins 20 km entfernte Wald&Wiesen-KH gefahren worden...

Also - nächstes Mal wird alles besser :)

RS-USER-DocMezzoMix
29.05.2006, 11:04
Original geschrieben von Rippenspreizer
Kein Problem - hat der NA im echten Fall auch nicht :(
Das Kind ist ohne Tubus und ohne Anlagosedierung bzw. ohne Zugang ins 20 km entfernte Wald&Wiesen-KH gefahren worden...



Das ist noch viel erschreckender....

Schönes Fallbeispiel!

RS-USER-fruehgriller
29.05.2006, 11:12
Original geschrieben von DocMezzoMix
Erschreckend, an so banale Sachen wie die Rectiole oder den I.O. Zugang habe ich garnicht gedacht...

An den i.o Zugang dachte ich zwar auch, aber

1, haben wir den nicht auf RTW, sondern nur aufm NAW

2, wüßte ich nicht, ob ich mich das trauen würde, da wir das

A, nur mal vor einigen Jahren im Rahmen der Fobi geübt haben, und es

B, nicht in der Noko liegt.

aber der größte Hinderungsgrund ist bei mir einfach die mangelnde Übung mit dem i.o.

RS-USER-fruehgriller
29.05.2006, 11:15
Original geschrieben von Rippenspreizer
Kein Problem - hat der NA im echten Fall auch nicht :(
Das Kind ist ohne Tubus und ohne Anlagosedierung bzw. ohne Zugang ins 20 km entfernte Wald&Wiesen-KH gefahren worden...

Also - nächstes Mal wird alles besser :)


Oh shit.....

Das alte Problem mit nicht alltäglichen Notfällen außerhalb der Notfallroutine:mad:

RS-USER-DocMezzoMix
29.05.2006, 11:24
Original geschrieben von fruehgriller
An den i.o Zugang dachte ich zwar auch, aber

1, haben wir den nicht auf RTW, sondern nur aufm NAW

2, wüßte ich nicht, ob ich mich das trauen würde, da wir das

A, nur mal vor einigen Jahren im Rahmen der Fobi geübt haben, und es

B, nicht in der Noko liegt.

aber der größte Hinderungsgrund ist bei mir einfach die mangelnde Übung mit dem i.o.

Wir haben ihn schon in jedem KinderKoffer, und ich habe erst kürzlich wieder eine FoBi darüber gehabt, allerdings stimme ich dir da voll zu:
Altes Problem: Im Notfall sollen wir es können, es wird z.T. von uns erwartet (Hessen:Erweiterte Massnahmen)
allerdings üben kann man selten bis garnicht. Gibt einige Beispiele, Intubieren, I.O. Zugang, in manchen Kreisen ist ja sogar der PVZ "Verboten" oder an rigide Richtlinien gebunden.
Und wer vor 8Jahren oder länger im Klinikpraktikum intubieren durfte wie ein großer, dem fehlen auch heute die Routine und Co. .. Leidiges Thema

Gruß dMM