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Mahlzeit
28.07.2006, 14:20
Hallo zusammen!

Folgenden Text habe ich eben auf DocCheck gelesen:
(der komplette Text ist auf http://newsletter.doccheck.com/generator/449/2121/xhtml?user=5df4c27201d42bd67509038dc7413df7 zu finden)



In Notsituationen, die ärztliche Hilfe erfordern, sind Hilfsbedürftige und Angehörige dankbar, wenn ein zufällig am Unglücksort anwesender Arzt die Versorgung übernimmt. Erleiden die Unfallopfer dennoch bleibende Schäden, sieht sich der Arzt gegebenenfalls dem Vorwurf ausgesetzt, nicht entsprechend seines Könnens eingeschritten zu sein.

Sachverhalt

Im März 2001 spielt die 2-jährige K um 11.30 Uhr auf dem Grundstück Ihrer Eltern im gemeinsamen Hofraum des Elternhauses und des Nachbaranwesens. Der nicht eingezäunte Hofraum liegt 50m vom Ufer des Chiemsees entfernt am oberen Ende einer leicht abschüssigen Wiese. Der See hat einen erhöhten Wasserspiegel, so dass ein Teil der Wiese unter Wasser steht. Gegen 11.50 Uhr bemerkt die Mutter der K deren Verschwinden. Nachdem M sich auf die Suche gemacht hat, findet sie K gegen 12 Uhr bewusstlos mit dem Gesicht unter Wasser regungslos an der Wasseroberfläche treibend. Sie holt K aus dem Wasser und ruft um Hilfe.

Arzt A, ein seit 20 Jahren niedergelassener Gynäkologe, der bisher nicht im Notfalldienst gearbeitet hat und der sich in seiner Freizeit am Chiemsee aufhält, hört dies und eilt zu Hilfe. Er gibt sich als Arzt zu erkennen und untersucht K. Er hält deren Kopf schräg nach unten und streicht den Oberkörper von unten nach oben aus, worauf hin Wasser aus dem Mund und orangefarbener Schaum aus der Nase der K herausläuft. A entfernt den Schaum aus der Nase der K, fühlt mehrfach den Puls und die Temperatur und schaut in die Pupillen, die weit und starr sind. Die stark unterkühlte K atmet nicht, hat keinen tastbaren Puls mehr und weist keine Muskelspannungen auf. A unterlässt die weitere Reanimation, weil er K für tot hält. Die später gegen 12.16 Uhr eintreffenden Notärzte können K jedoch reanimieren. K leidet seither wegen des Sauerstoffmangels an irreparablen Hirnschäden. Sie ist stark behindert und pflegebedürftig. Es kann aber nicht mehr festgestellt werden, ob K aufgrund langer Sauerstoffunterversorgung bereits vor dem Eintreffen des A einen schweren Hirnschaden erlitten hat.

[...]

Fazit
Schreitet ein zufällig am Unfallort anwesender Arzt in einer Notsituation helfend ein, schließt er hierdurch noch keinen Behandlungsvertrag mit dem Unfallopfer; weder die tatsächliche Durchführung der Untersuchung noch die Äußerung, Arzt zu sein, ist als Angebot zum Abschluss eines Behandlungsvertrages zu verstehen.

Vielmehr erfolgt die Übernahme der Hilfeleistung im Einvernehmen mit dem Hilfebedürftigen aufgrund eines unentgeltlichen Auftrags i.S.d. § 662 BGB; der nicht nothilfegeschulte Arzt ist dabei nicht in seiner Eigenschaft als Arzt, sondern wie ein beliebiger Dritter zu behandeln: Zwar muss er sich bezüglich der Anforderungen an ein sorgfaltsgemäßes Vorgehen an den Kenntnissen und Fähigkeiten messen lassen, über die er berufsbedingt verfügen muss. Eine weitergehende Haftungsverschärfung aus dem Beruf des Helfers abzuleiten ist jedoch nicht sachgerecht.

Auch die speziell für das Arzthaftungsrecht entwickelten Beweislastgrundsätze finden mangels Vorliegens eines Behandlungsverhältnisses aufgrund eines Behandlungsvertrages in den vorgenannten Fällen keine Anwendung.


Da werfen sich nun doch einige Fragen auf:

Ist das ganze "Garantenstellung"-Gerede für den Allerwertesten ?


Ich habe immer gelernt, dass ich diese Stellung einnehme, sobald ich mich als Fachkundiger zu erkennen gebe (Kleidung / Äußerung). D.h. dass man von mir dann auch mehr erwarten kann als von einem Laienhelfer und ich somit für evtl. Schäden haftbar gemacht werden kann (z.B. wenn ich von einer Rea abrate o.ä.)


Was mache ich als "einfacher Sani / RS", wenn mir so ein Arzt begegnet ? egal ob im Dienst oder Privat...


klar werde ich einen NA angefordert haben, aber was kann man / sollte / darf bis dahin mit diesem übereifrigen Doc machen?

Der wird sich kaum wegschicken lassen um eine Decke zu holen ;)

Kommentare ?
Anregungen ?

Rescuerambo
28.07.2006, 15:07
Ich hab eben auch gerade an die "Garantenstellung" gedacht...

Aber als Arzt sollte ich doch die sicheren und die unsicheren Todeszeichen kennen, oder irre ich?


Ich denke, dass ich wenn ein Arzt vor Ort ist, und dieser sich mir als Gyn ohne Notfallerfahrung vorstellt, auf jeden Fall die Rea einleite bis mir der Druide mitm Blaulicht sagt, dass ich aufhören soll...

Den übereifrigen Doc würde ich direkt mit einbeziehen, würde ihn bitten den Akademiker einzuweisen oder ähnliches!

RS-USER-blacksheep
28.07.2006, 15:11
Garantenstellung hat nur derjenige der im Dienst ist oder in einem Verwandschaftlichen Verhältnis zur Person steht. Auch als RS/RA der Privat an einem Notfall vorbekommt muss er nur einfach Erste Hilfe leisten. Das diese fachgerecht durchgeführt werden muss und er bei Fehlern einen schlechteren Stand hat als der Ersthelfer ist klar, aber er macht sich wenn er etwas nicht tut nicht des "Begehen durch Unterlassens" schuldig.

Mit dem Arzt der mit der Notfallmedizin am Hut hat sieht es ähnlich aus. Er ist zwar Arzt, aber ohne Erfahrung in der Notfallmedizin kann man von ihm nicht mehr erwarten als BLS. Das einfache Abrechen bzw Unterlasssen von Reanimationsversuchen könnten jedoch vor Gericht kritisiert und bestraft werden. Aber das hängt dann wohl von der Sachlage und dem Richter ab.

RS-USER-DoktorW
28.07.2006, 15:35
Original geschrieben von Rescuerambo


Aber als Arzt sollte ich doch die sicheren und die unsicheren Todeszeichen kennen, oder irre ich?


Lehn dich da mal nicht so weit aus dem Fenster ;) Das ist nicht das erste mal, dass gerade ein unterkühlter Patient versehentlich als tot befunden wird!

Gasmann1
28.07.2006, 15:49
CAVE:

Es ist schon darauf eingegangen worden, dass dies für Ärzte, die regelmässig Notfälle behandeln, nicht gilt. In diesem speziellen Fall geht es um einen langjährig niedergelassenen Gynäkologen, der auch nicht am Ärztlichen Notdienst teilnimmt, sondern sich vertreten lässt. Nur deshalb ist die verfrühte Todesfeststellung mit folgendem Unterlassen der CPR - was ja nach Todesfeststellung richtig ist - nicht vorwerfbar.
Dies Urteil gilt nicht für Ärzte, die den Notarztdienst ausüben oder die Qualifikation dazu haben, Ärzte die KV-Dienste machen, Ärzte die in Krankenhäusern Notfallpatienten versorgen.

Gm1

RS-USER-Bärentöter
28.07.2006, 15:55
Original geschrieben von Gasmann1
Nur deshalb ist die verfrühte Todesfeststellung mit folgendem Unterlassen der CPR - was ja nach Todesfeststellung richtig ist - nicht vorwerfbar.

sichere Todeszeichen sollte meines Erachtens ausnahmslos jeder Arzt erkennen können!

Gasmann1
28.07.2006, 16:07
Original geschrieben von Bärentöter
sichere Todeszeichen sollte meines Erachtens ausnahmslos jeder Arzt erkennen können!

ist nur eben nicht so... es gibt Ärzte, die haben im Lauf ihrer Karriere nicht eine Todesfeststellung gemacht. Gibt halt viele unterschiedliche Fachärzte.

Gm1

RS-USER-DoktorW
28.07.2006, 16:11
Also mal ganz im ernst. Ein Gynäkologe, der nix anderes ausser xxx gesehen hat, von dem kann man gerade in diesem heiklen Fall (unterkühltes Kind) keinen Vorwurf machen. Er ist mit der Situation nicht im geringsten vertraut. Desweiteren hatte er unsichere Todeszeichen, die ihn zu seinem Entschluß geführt haben. Tragisch in diesem Fall, aber verständlich.

RS-USER-Bärentöter
28.07.2006, 17:28
was mir noch einfällt: der Gynäkologe hätte IMO solange reanimieren müssen, bis Profis kommen. Auch bei längeren Anfahrtswegen kann das nicht ewig dauern!

RS-USER-DoktorW
28.07.2006, 17:30
Original geschrieben von Bärentöter
was mir noch einfällt: der Gynäkologe hätte IMO solange reanimieren müssen, bis Profis kommen. Auch bei längeren Anfahrtswegen kann das nicht ewig dauern!

worauf begründet diese Aussage?

Ich kenne Gegenden, da sind 20 min Anfahrt keine Seltenheit. Plus Notruf, plus Alarmierung etc. pp

krumel
28.07.2006, 17:47
Ich kenne die entsprechende Gegend, wo das passiert ist, recht gut... Leider gehören 20 Minuten Anruf-> Eintreffen erstes RM da durchaus zu den guten Zeiten.
Wenn du Pech hast und das NEF nicht aus Prien sondern aus Wasserburg oder Rosenheim kommt bzw. keine Helis frei sind, dann kann es aber auch durchaus mal 30 Minuten oder länger dauern, bis der NA kommt.
Und dummerweise ist der Gyn den RDlern weisungsbefugt.
Grüße,
Philipp

RS-USER-Bärentöter
28.07.2006, 17:52
Original geschrieben von DoktorW
worauf begründet diese Aussage?


auf meiner Meinung!
Nebenbei gemerkt, 20 Minuten REA ist zwar anstrengend, aber nicht zuviel verlangt.

R.Klein
28.07.2006, 18:22
kommt drauf an wann und wo ! i8ch möchte derzeit keine 20 minuten in einem gewächshaus reanimieren müßen ! gfenauso im winter bei schnee und eis irgendwo in der pampa ohne die möglichkeit den pat mal in den wagen zu schaffen ... ist beides tierisch scheiße und ne sache die ich echt nicht brauchen kann ... aber naja ich will ja bei dem wetter auch kein feuer fahren und wenns soweit ist mach ichs wohl doch ... :mad: :peace: :-keule ;)

El Mosquito
28.07.2006, 19:15
Nebenfrage:
Ich unterstelle jetzt einfach mal das der Herr Arzt A nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat, und möchte auch nicht ausschliesen das er sich entsprechende Vorwürfe macht.

Wie schaut es eigentlich mit der Fortbildungspflicht für Ärzte aus ?
Wie gut kann sich der durchschnittlich FoBi-Interresierte Dorfarzt Dr. XY der vmtl. auch noch anderes auser seiner Praxis und der Med. am Hut hat auf solche Situationen regelmäsig vorbereiten (sprich wie gros wie gut ist das FoBi-Angebot) ?

Das der Mann das Kind für tot erklärt hat um nicht Ewigkeiten drauf rumzudrücken halten ich für einen inakzeptablen Vorwurf, mal ganz davon ab das jeder Erst-Helfer (Laie) lernt so lange die HLW durchzuführen bis der RettDi da ist bzw. sich auch mal ablösen zu lassen wenn er körperlich nicht mehr in der Lage ist die HDM durchzuführen. Das erwarte ich auch von einem Arzt.

RS-USER-Küchenhexe
28.07.2006, 19:40
Äh, mir kommt da gerade der Verdacht, daß der Arzt vielleicht schon versucht hätte, zu reanimieren, wenn er gewußt hätte, wie's geht.
Ich habe gerade mal einen Bekannten angerufen (der gerade seine Facharztprüfung Innere gemacht hat, aber auich als Notarzt durchaus was taugt - selten, ich weiß ;) ) und ihn gefragt, was man denn so frisch aus der Uni über Kindernotfälle und Kinderreas weiß. Antwort: theoretisch hat man mal was gewußt, präsent ist es meist nicht so ohne weiteres und wenn man sich nicht vor seinem ersten Dienst noch mal schlau macht und auch übt, sieht's böse aus. :(
Jetzt stellt Euch mal vor, so was kommt aus der Uni und hat eigentlich kein Interesse, jemals 'nen anderen als 'nen fachspezifischen Notfall zu behandeln. Einmal ausgewildert muß man da nichts wirklich Sinnvolles dazulernen. Das, plus 20 Jahre Abstand zum einstigen Wissen... :rolleyes:
Wenn's ein Säugling gewesen wäre, hätt's vielleicht geklappt. Aber so konnte der Gute wahrscheinlich vor lauter Nerven REA nicht mal buchstabieren. Er macht sich wahrscheinlich selber die meisten Vorwürfe. Davon kann sich zwar keiner was kaufen -aber vielleicht führt's dazu, daß auch Ärzte mal eine Mindeststundenzahl REA-Fortbildungsstunden pro Jahr nachweisen müssen. Und zwar nicht nur Theorie und tolle Fälle, sondern auch Basismaßnahmen.

Hol schon mal die Puppe, Harry...

RS-USER-blacksheep
28.07.2006, 19:48
Es muss ja nicht ein mal ne Reanimation sein. Wie schnell Ärzte die nicht mit der Notfallmedizin vertraut sind in Notfallsituationen dekompensieren kann man sehr schön beim (Haus)Ärztlichen Notdienst sehen. Da will der Pulmologe der nun leider mal als Hintergrunddienst arbeiten musste ein Rezept für ein Antibiotikum schreiben während der Patient gut sicht und hörbar ein ordentliches Lungenödem hat.
Been there, seen that ..
Bei den meisten ÄBDs brauchste nicht mal nen Fachkundenachweis Rettungsdienst und wirdst trotzdem wenns nicht anders geht in die Notfallrettung eingebunden oder kommst zu einem Fall der sich als Notfall rausstellt.

Allgemein werden Ärzte die sich nicht für Notfallmedizin interessieren so gut wie gar nicht auf Notfälle vorbeireitet. Vom Studium schon mal gar nicht.

RS-USER-Bärentöter
28.07.2006, 21:58
wie schon gesagt, unter 20 Minuten abzubrechen ist intolerabel! Selbst für einen klinischen Chemiker, der seit 40 Jahren nur im Labor arbeitet

Rescuerambo
29.07.2006, 00:39
Um aber mal zurück zu den Fortbildungen für Ärzte zu kommen:

Ich weiß von einem Kleinstadtarzt, nennen wir ihn XY, der relativ häufig mit irgendwelchen "heiklen" Situationen konfrontiert wird
z.B Bricht keine 5 Meter vor seiner Eingangstür ein Mann mittleren Alters leblos zusammen - er reanimiert fleissig, obwohl er sich beinnahe sicher war, der Patient sei tot, bis der RD und NA vor Ort war und den Tod feststellte bzw. bestätigte...
Dr. XY hat im Anschluss einen Fortbildungslehrgang mit Schwerpunkt "Reanimation" besucht und schafft sich nun einen AED für die Praxis an... und lässt für seine 4 Sprechstundenhilfen einen EH- Auffrischungskurs und einen Frühgrillkurs springen...

Zugegeben, ein Arzt, der von Anbeginn seiner Karriere ne feuchte Nase und noch nie nen Notfall gesehen hat, ist nicht so firm wie ein NA. Aber sollte er nicht als Arzt , welcher eine halbe Ewigkeit studiert, wissen, dass wenn er sich nicht sicher ist bei dem Ertrinkungsunfall, lieber einmal mehr reanimiert als zu wenig-
zumindest bis ein Notfallmedizinier vor Ort ist?

Ich frage mich gerade ob es keine Fortbildungspflicht für Medizinmänner gibt, wie sie für RD'ler besteht... Kann da mal einer der Dres nähere Auskunft erteilem?

RS-USER-DoktorW
29.07.2006, 08:08
Klar müssen sich Ärzte fortbilden. Aber keine zwingt sie das im Bereich Rea etc. zu machen!


Das von den Ärztekammern eingeführte Fortbildungszertifikat sieht vor, dass innerhalb von 5 (3) Jahren 250 (150) CME-Punkte gesammelt werden müssen. Dabei werden 50 (30) Punkte ohne Nachweis für Selbststudium anerkannt. Somit müssen 200 (120) Punkte aktiv erworben werden. Für die Erlangung der Punkte gibt es unterschiedliche Fortbildungsmaßnahmen. Die jeweilige Bepunktung des Fortbildungsangebots richtet sich nach der Muster-Fortbildungsordnung, die auf dem 107. Ärztetag in Bremen beschlossen wurde. Sie kann in einzelnen Punkten von Ärztekammer zu Ärztekammer differieren.



Zugegeben, ein Arzt, der von Anbeginn seiner Karriere ne feuchte Nase und noch nie nen Notfall gesehen hat, ist nicht so firm wie ein NA. Aber sollte er nicht als Arzt , welcher eine halbe Ewigkeit studiert, wissen, dass wenn er sich nicht sicher ist bei dem Ertrinkungsunfall, lieber einmal mehr reanimiert als zu wenig-
zumindest bis ein Notfallmedizinier vor Ort ist?


Und wenn Du glaubst, dass man so etwas im Studium lernt, dann irrst Du gewaltig!


Desweiteren sind alle Spekulationen über verfrühten Abbruch der Rea hier unangebracht, da keiner von uns dabei war...

Rescuerambo
29.07.2006, 09:11
Original geschrieben von DoktorW
Und wenn Du glaubst, dass man so etwas im Studium lernt, dann irrst Du gewaltig!

-> Okey, ich bin eigentlich davon ausgegangen, das dieses Thema im Studium behandelt wird....