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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hämatologische / Zytogenetische Remissionen bei Leukämie



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Rugger
13.05.2003, 19:47
Kurze Frage zur Definition:
Ich muß in meinem Pharmakurs ein Referat über einen selektiven Tyrosinkinase- Inhibitor halten, der vor allem bei Leukämie Anwendung findet. In den Papern, die ich dazu bekommen habe, wird von "hämatologischen und zytogenetischen Remissionen" berichtet.
Was hämatologische Remissionen sind, kann ich mir ja noch halbwegs selber erklären (keine nachweisbaren entarteten Zellen mehr im Blutbild, richtig?!), aber wie ist zytogenatische Remission bei einer Leukämie zu verstehen? Heißt zytogenatische Remission hier, daß auch bei einem genetischen Screening keine entarteten Zellen mehr zu finden sind, also vor allem auch keine solchen, die sozusagen als Ursprungs- (Stamm-) Zellen der Leukämie in den blutbildenden Organen dienten?
Wäre für eine kurze Begriffserklärung dankbar!

Rugger

Froschkönig
13.05.2003, 20:11
Zytogenetische Remission bedeutet,dass nicht nur die Krankheitszeichen und Leukämiezellen vollständig verschwinden, sondern auch die für CML typische Chromosomenveränderung, das Philadelphia-Chromosom, nicht mehr nachweisbar ist. Patienten, bei denen dies durch die Behandlung
erreicht wird, haben eine Zehnjahres-Überlebenswahrscheinlichkeit
von 65–80%.

Witzbold
13.05.2003, 20:12
ich denke, das hast du schon richtig interpretiert:

hämatologische remission heisst eine blutbildnormalisierung v.a. im sinne der zellzahl und -morphologie, hier wird ein blutausstrich mikroskopisch untersucht.

bei der zytogenetischen remission bezieht sich das ganze auf die zytogenetische untersuchung, bei die genetische struktur der zellen (meist knochenmarkspuntion!) molekularbiologisch untersucht wird (z.b. philadelphia-chromosom bei cml usw.).

eine hämatologische remission muss also keine zytogenetische remission bedeuten. nach chemotherapie kann der patient hämatologisch gesund erscheinen (nach der erholungszeit) ist aber vor einem rezidiv nicht gefeit, falls er noch zytogenetische auffälligkeiten zeigt.

so ungefähr...

Witzbold
13.05.2003, 20:13
@froschkönig:

poste hier nicht rum, während ich tippe!! :-D ;-)

Froschkönig
13.05.2003, 20:15
Original geschrieben von Witzbold
@froschkönig:

poste hier nicht rum, während ich tippe!! :-D ;-)

Tja...Geschwindigkeit ist keine Hexerei :-D

FataMorgana
13.05.2003, 20:41
Hallo Rugger,

lass mich raten - Dein Referat geht über Imatinib, oder?

Das ist wirklich etwas interessantes...

Ich denke, dass im Fall CML mit zytogenetischer Remission gemeint ist, dass das BCR-ABL-Fusionstransskript nicht mehr nachweisbar ist. Obwohl dies streng genommen "molekulargenetische Remission" heißen müsste, zytogenetisch würde in dieser Logik dann bedeuten, dass mit der FISH-Methode keine Translokation 9;22 mehr nachweisbar wäre.

Rugger
13.05.2003, 22:12
Zuerstmal: danke für die schnellen und kompetenten Antworten!


Original geschrieben von Witzbold
eine hämatologische remission muss also keine zytogenetische remission bedeuten. nach chemotherapie kann der patient hämatologisch gesund erscheinen (nach der erholungszeit) ist aber vor einem rezidiv nicht gefeit, falls er noch zytogenetische auffälligkeiten zeigt.Nicht nur das, wie auch der Könich schreibt. Wie kann es sein, daß selbst bei zytogenetisch geheilten (denn nichts anderes ist ja eine entsprechende Remission, oder?) immerhin 20 - 35% der Patienten innerhalb von 10 Jahren ein Rezidiv erleiden? Ist die Untersuchung nicht genau genug oder liegt das an der genetischen Disposition, so daß de fakto eine Neuerkrankung auftritt?

Rugger

Froschkönig
13.05.2003, 22:15
Original geschrieben von Rugger
Ist die Untersuchung nicht genau genug oder liegt das an der genetischen Disposition, so daß de fakto eine Neuerkrankung auftritt?

Naja...die "genetische Disposition" - im Falle der CML also die 9:22 Translokation im BCR-ABL-Gen ist ja eigentlich weg. d.h. die genetische Grundlage is wech. Somit würd ich eher auf die Ungenauigkeit der Untersuchung tippen, so es wirklich nur diese zwei Alternativen gibt. Aber wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte....

Rugger
13.05.2003, 22:22
Original geschrieben von FataMorgana
lass mich raten - Dein Referat geht über Imatinib, oder?Richtig geraten - übrigens auch unter dem Handelsnamen Glivec bekannt, für den Fall, daß es hier noch weitere interessierte Mitleser gibt... ;-)
Das ist wirklich etwas interessantes...Hochinteressant! Und in der frühen Phase der CML schier unglaubliche 90% hämatologische und immerhin noch 60% zytologische Remissionen in einer Studie... Muß eine ziemlich gute Nachricht für so manchen Leukämiepatienten gewesen sein...
Ich denke, dass im Fall CML mit zytogenetischer Remission gemeint ist, dass das BCR-ABL-Fusionstransskript nicht mehr nachweisbar ist. Obwohl dies streng genommen "molekulargenetische Remission" heißen müsste, zytogenetisch würde in dieser Logik dann bedeuten, dass mit der FISH-Methode keine Translokation 9;22 mehr nachweisbar wäre. Leider sind mir diese Methoden nicht geläufig (und mir fehlt bei der Pharmalernerei auch ein wenig die Zeit, mich da genauer reinzuknieen...), aber interessant wäre es auch, zu erfahren, wie es zu dieser zytogenetischen Remission kommt... Das es zu einer hämatologischen Remission kommt, wenn die Tyrosinkinase gehemmt wird, erscheint ja logisch, aber wieso die entartete "Stammzelle" dann auch draufgeht, ist mir bislang nicht so ganz klar...
Weisst Du da zufällig genaueres, FataMorgana?

Rugger

Rugger
13.05.2003, 22:24
Original geschrieben von Froschkönig
Somit würd ich eher auf die Ungenauigkeit der Untersuchung tippen, so es wirklich nur diese zwei Alternativen gibt. Aber wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.... Wahrscheinlich... Aber was anderes ist mir als Zwei- Wochen- Kliniker nicht eingefallen... :-)

Rugger

Froschkönig
13.05.2003, 22:25
Original geschrieben von Rugger
Das es zu einer hämatologischen Remission kommt, wenn die Tyrosinkinase gehemmt wird, erscheint ja logisch, aber wieso die entartete "Stammzelle" dann auch draufgeht, ist mir bislang nicht so ganz klar...

In der Kaskade der Rezeptortyrosinkinasen sind unter anderem auch die MAP-Kinasen eingeschaltet. Diese regulieren auf vielfache Weise die Genexpression. Ich schätze, daß eine Rezeptorblockade über eine Mangelstimulation der MAP-Kinasen zu Apoptose führt. Oder ähnlich.....

Rugger
13.05.2003, 22:29
Original geschrieben von Froschkönig
In der Kaskade der Rezeptortyrosinkinasen sind unter anderem auch die MAP-Kinasen eingeschaltet. Diese regulieren auf vielfache Weise die Genexpression. Ich schätze, daß eine Rezeptorblockade über eine Mangelstimulation der MAP-Kinasen zu Apoptose führt. Oder ähnlich..... Wow! Respekt! Hast Du das noch alles so gewusst, oder jetzt schnell mal nachgeschlagen, Könich? Falls zweiteres: wo? Selbst im Mutschler steht nur eine halbe Seite zu den Tyrosinkinasen...

R.

FataMorgana
13.05.2003, 22:34
Original geschrieben von Rugger Leider sind mir diese Methoden nicht geläufig (und mir fehlt bei der Pharmalernerei auch ein wenig die Zeit, mich da genauer reinzuknieen...),

FISH = Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (eine Methode, mit der z. B. chromosomale Translokation mit verschiedenfarbiger Fluoreszenz dargestellt werden können - Betrachtungsgegenstand sind dabei allerdings keine einzelnen Gene, sonder ganze Chromosomen)

Beim Nachweis des BCR-ABL-Fusionstransskriptes kann man sich z. B. der real time PCR mit dem "Lightcycler" von Idaho Technology bedienen (ebenfalls fluoreszenz-basierte, quantitative RT-PCR)



Weisst Du da zufällig genaueres, FataMorgana?

Nein, leider nicht. Aber eine Möglichkeit wäre z. B., dass das Tyrosinkinase-Signal für das Überleben der Stammzelle nötig ist, und im andere Fall Apoptose eintritt.



Ist die Untersuchung nicht genau genug oder liegt das an der genetischen Disposition, so daß de fakto eine Neuerkrankung auftritt?

Hmmmm. Gibt es denn eine genetische Disposition für die CML? Da bin ich mir gar nicht mal sicher....
Ich würde fast wetten, dass die Sensitivität der Methode nicht ausreicht. Ich halte es doch für sehr unwahrscheinlich, dass es echte Neuerkrankungen sind.
Die ganzen Spekulationen sind aber müßig, wenn man nicht weiß, welche Methode überhaupt zur Feststellung der cytogenetischen Remission angewandt wurde.
Ich denke, die realt time PCR ist ziemlich sensitiv, aber wenn man bedenkt, dass eine maligne Zelle genügt, um ein Rezidiv herbeizuführen, relativiert sich das ein wenig...

Froschkönig
13.05.2003, 22:35
Original geschrieben von Rugger
Wow! Respekt! Hast Du das noch alles so gewusst, oder jetzt schnell mal nachgeschlagen, Könich? Falls zweiteres: wo? Selbst im Mutschler steht nur eine halbe Seite zu den Tyrosinkinasen...

R.

Steht das nicht im großen Löffler ? Dann hab ich´s wohl mal im Stryer gelesen....ja, das wußte ich tatsächlich noch so. Allerdings hatte ich letztes Jahr in der Radiobiologie-Vorlesung eine kleine Auffrischung....

Rugger
13.05.2003, 22:48
Original geschrieben von FataMorgana
Betrachtungsgegenstand sind dabei allerdings keine einzelnen Gene, sonder ganze ChromosomenUnd das reicht dann aus, um eine zytogenetische Remission zu diagnostizieren? Immerhin ist das einzelne Gen im Vergleich zum Chromosom doch immer noch ziemlich klein...
Aber eine Möglichkeit wäre z. B., dass das Tyrosinkinase-Signal für das Überleben der Stammzelle nötig ist, und im andere Fall Apoptose eintritt.Stimmt, das wäre eigentlich schlüssig.
Gut übrigens auch, wo wir gerade dabei sind, daß Imantinib relativ selektiv ist und z.B. den Insulin- Rezeptor (auch Tyrosinkinase) nicht hemmt... Hätte nie gedacht, daß pharmakologische Forschung derartig hochinteressant sein kann...
Ich würde fast wetten, dass die Sensitivität der Methode nicht ausreicht. Ich halte es doch für sehr unwahrscheinlich, dass es echte Neuerkrankungen sind.Ist wohl erneut die schlüssigste Erklärung...

@ Frosch: Nochmals Respekt. So ein Talent für BC hätte ich gern... :-)

Rugger

FataMorgana
13.05.2003, 22:54
Original geschrieben von Rugger
Und das reicht dann aus, um eine zytogenetische Remission zu diagnostizieren? Immerhin ist das einzelne Gen im Vergleich zum Chromosom doch immer noch ziemlich klein... [/B]

Das ist nicht der Punkt. Die Translokation ist ja ohne weiteres an einem ganzen Chromosom erkennbar, da sie ja ganze Arme der Chromosomen betrifft. Somit ist letztlich egal, ob Du das ganze Chromosom oder die beiden fusionierten Gene BCR und ABL betrachtest.

Allerdings kannst Du mit FISH jeweils nur eine gewisse Zahl von Zellen (die auch noch gerade in Mitose sein müssen) anschauen - und wenn nun ausgerechnet keine maligne Zelle dabei ist, wurde sie eben verpasst.

Anders bei der real time PCR - da genügt eine geringe Menge RNA in einer gigantischen Anzahl von Zellen, um ein positives Signal zu erzeugen. Diese Methode ist also mit Sicherheit sensitiver. Aber eine einzelne maligne Zelle in einem ganzen Organismus kannst Du damit wahrscheinlich auch nicht finden.

Rugger
13.05.2003, 23:00
Original geschrieben von FataMorgana
Das ist nicht der Punkt. Die Translokation ist ja ohne weiteres an einem ganzen Chromosom erkennbar, da sie ja ganze Arme der Chromosomen betrifft. Somit ist letztlich egal, ob Du das ganze Chromosom oder die beiden fusionierten Gene BCR und ABL betrachtest. Ach so. Ich dachte, daß sich die Translokation nur auf das betroffene Gen bezog.
Mal etwas laienhaft gefragt: wie kommt es eigentlich, daß es dann nicht noch zu weiteren Fehlfunktionen der betroffenen Zellen kommt?!
Und: Sitzen die Gene BCR & ABL eigentlich genau an der Fusionsstelle?

Rugger

FataMorgana
13.05.2003, 23:21
Original geschrieben von Rugger
Ach so. Ich dachte, daß sich die Translokation nur auf das betroffene Gen bezog.

Wie stellst Du Dir das vor? Eine Translokation betrifft definitionsgemäß ganze Chromosomen. Aber sie findet eben an irgend einer Stelle statt, in diesem Fall im Bereich von BCR und ABL.




wie kommt es eigentlich, daß es dann nicht noch zu weiteren Fehlfunktionen der betroffenen Zellen kommt?!

Hmmmmmm. Es kommt doch zu Fehlfunktionen. Die malignen Zellen funktionieren doch nicht als normale Granulozyten :-???

Andere Gene der Chromosome 9 und 22 können aber trotzdem noch funktionionsfähig bleiben, sofern sie "im Ganzen" transloziert sind. Am stärksten betroffenen ist eben genau die "breakpoint"-Region.




Und: Sitzen die Gene BCR & ABL eigentlich genau an der Fusionsstelle?

Ja klar, das ist ja der Witz bei der Geschichte (CML). Nur so kann es zur Translation eines bcr-abl-Fusionsproteins kommen.

Rugger
13.05.2003, 23:28
Ja, sorry, stand eben etwas auf dem Schlauch...
Hatte es mir letztlich eigentlich ja selber erklärt (-> Fusionstelle), war bloß irgendwie auf dem Dampfer hängengeblieben, daß alle Gene auf dem transloziertem Chromosom nicht mehr so recht funktionieren. Aber im Endeffekt spricht ja nichts dagegen, daß die einzelnen Gene richtig funktionieren, auch wenn sie auf einem anderen Chromsom als normal lokalisiert sind...

R.

FataMorgana
13.05.2003, 23:38
Na ja, jetzt erst mal EOD für heute, oder? Bierchen genießen, und dann gute Nacht... ;-)