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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kammerflimmern nach Herzinfarkt



Subduralhämatom
03.09.2006, 19:15
Heute mal ein Case report aus meiner letzten NEF-Schicht:

Alarmierung 12:30 Uhr, Stichwort "Re-Apoplex"

Die Anfahrt im NEF war geprägt von der Diskussion zw. Rettungsassistent und Notarzt, ob der "Re-Apoplex" überhaupt noch eine NA-Indikation ist und wie gut man auf diese internistischen Einsätze verzichten könnte.

Vor Ort dann ein 44jähriger Familienvater mit Ehefrau und 2 Kindern im Wohnzimmer. Er klagt über Kribbelparästhesien in den Fingern bds. und deutlicher Unruhe. Er hatte offenbar auch etwas hektisch geatmet und trotz eines anamnestischen Apoplexes im April diesen Jahres waren wir schnell bei der Verdachtsdiagnose "Hyperventilation".
Ursächlich für die Tachypnoe war ein leichtes thorakales Druckgefühl. Im EKG zeigte sich eine Sinustachykardie (HF bei 130 bpm) und zahlreiche SVES und VES. Sonst kreislaufstabil.
Noch im Wohnzimmer erfolgte Sauerstoffgabe und die Anlage einer Infusion sowie 2 Hub Nitro sublingual und 3mg Beloc fraktioniert zur Reduktion der HF.
Anamnestisch traten erste AP-Beschwerden bereits 1992 auf, eine damals durchgeführte Katheteruntersuchung war allerdings unauffällig. Trotzdem - ein Schlaganfall mit 44 Jahren und jetzt eine Angina pectoris lies uns skeptisch sein.

Sicherheitshalber und um dem nitroresistenten Brustschmerz doch Rechnung zu tragen, haben wir ein ordentliches 12-Kanal-EKG gemacht und siehe da: Dicker STEMI Vorderwandinfarkt V1/V2. Daraufhin das volle Programm; Heparin, Aspisol, Beloc ohnehin auch schon vorher. Patient kontinuierlich kreislaufstabil, wach und orientiert.

Nach kurzer Aufklärung des Patienten und seiner Familie machten wir uns alarmmäßig auf den Weg zum nächsten Katheterplatz, ca. 25km entfernt. Die HF bewegte sich um 90, die Kribbelparästhesien persistierten in beiden Armen, es bestehen weiterhin SVES und VES und auch 5mg Morphin sowie 2mg Midazolam konnten keine weitere Beruhigung in die Situation bringen.

2 km vor dem Krankenhaus verdreht der Patient plötzlich die Augen, wird bewußtlos und im EKG zeigt sich deutliches Kammerflimmern. Der RTW hält, der Patient wird mit 0,2mg Fentanyl und weiteren 13mg Midazolam analgosediert um unmittelbar im Anschluss defibrilliert zu werden. Nach Defibrillation zeigte sich initial ein stabiler SR ohne eine einzige SVES oder VES mit einer HF von 80. Druck 130/80. Patient wird nach gabe von 20mg Etomidaten intubiert und kontrolliert beatmet.
(Zeit zwischen der VF und Defibrillation >40 Sek., Zeitraum zwischen VF, Defibrillation und ITN ca. 6 Min.)

Weitere 8 Minuten später erfolgt die Übergabe auf der internistischen Intensivstation, wo der Patient sofort für eine Herzkatheteruntersuchung vorbereitet wird. Die Vitalparameter sind stabil, der Patient weiterhin analogosediert und beatmet.

Morgen werde ich im KH nachfragen, was die Katheteruntersuchung erbracht hat und wie der weitere Verlauf war. Für heute habe ich tatsächlich mal wieder das Gefühl, wirklich ein Leben gerettet zu haben.

Subduralhämatom

RS-USER-Rippenspreizer
03.09.2006, 19:42
Wir haben Deinen Fallbericht zum Anlass genommen, ein Unterforum "Case Report" einzurichten. Die "Bedienungsanleitung" und Bedingungen zur Veröffentlichung eines Case Reports entnehmt ihr bitte diesem Posting (http://www.rippenspreizer.de/forum/showthread.php?s=&threadid=6396)!

Viel Spaß beim Lesen.
Gruß, Daniel

RS-USER-Morpheus
03.09.2006, 20:26
Und da fange ich auch gleich mal an!
In diesem Fall zeigt sich eindrucksvoll, warum überhaupt dieser ganze präklinische Tamtam mit RTW, NEF und dem ganzen Aufwand gemacht wird: weil ein großer Teil der Notfallpatienten hochkritisch sind.
Es steht zwar in jedem Lehrbuch, daß Herzinfarkt und Arrhythmien die Einganstür zur kreisenden Erregung sind, aber in vielen Fällen geht es ja doch immer gut. Zumindest bis zur Übergabe in der Klinik.
Und offenbar hat das Team genau richtig reagiert; die schnelle Defibrillation in Kombination mit ordentlicher Analgosedierung und Intubation haben für stabile Verhältnisse gesorgt.
Abschliessend noch eine kleine These: Vielleicht ist dem 44jährigen mit Z.n. Apoplex und AP-Beschwerden schon mit Ende 20 noch ein bisschen mehr Aufmerksamkeit entgegenzubringen als dem klassichen KHK-Patienten?

Fazit: Augen auf beim Herzinfarkt. Vor allem im Alter von 44!

Morpheus

Rettungstiger
04.09.2006, 16:15
Wieso analgoseodiert man einen Patienten, der durch Kammerflimmern bewusstlos wird? ist doch eigentlich unnötige Zeitverzögerung?

RS-USER-DocMezzoMix
04.09.2006, 19:37
Ich glaub, das kann ganzschön Stress machen, wenn man bewußtlos ist, dann kommt wieder ein wenig an, du wirst wach, dann flimmerts wieder, dann machts Peng und du bekommst was übergebrutzelt.. Kollegen hatten letztens jemanden, der im Rahmen der CPR wach wurde... ich glaube dieser Stress erhöht den Myokardialen O² verbrauch deutlich ;)

RS-USER-Elektro-Dengel
04.09.2006, 20:53
Original geschrieben von DocMezzoMix
Ich glaub, das kann ganzschön Stress machen, wenn man bewußtlos ist, dann kommt wieder ein wenig an, du wirst wach, dann flimmerts wieder, dann machts Peng und du bekommst was übergebrutzelt.. Kollegen hatten letztens jemanden, der im Rahmen der CPR wach wurde... ich glaube dieser Stress erhöht den Myokardialen O² verbrauch deutlich ;)

Also das stell ich mir aber schon krass vor! :eek: Unter CPR aufwachen, dachte eigentlich sowas gibts nur bei ER!

RS-USER-Katja
04.09.2006, 20:55
Original geschrieben von Elektro-Dengel
Also das stell ich mir aber schon krass vor! :eek: Unter CPR aufwachen, dachte eigentlich sowas gibts nur bei ER!
Nö. :D

Rettungstiger
05.09.2006, 12:35
Also das ist mir echt neu, dabei stand in einem Artikel/Buch 8weiß ich nicht mehr genau), dass der Kreislauf während einer Reanimation zu gering ist, um das Bewusstsein wieder zu erlangen :confused:

Auf jeden Fall hab ich es zweimal erlebt, dass der Patient vor unseren Augen das Flimmern angefangen hat, und in beiden Fällen hat der NA unverzüglich geschossen, dann hat es ca. 1 Minute gedauert, und der Patient war wieder bei Bewusstsein

Gasmann1
05.09.2006, 14:41
Ich kann mich auch an einen Fall erinnern, in dem ich unter CPR Hypno geben musste, um den Patienten in Bewusstlosigkeit zu defibrillieren. In dem Fall war der Patient nicht wirklich wach, hatte aber immerhin noch Schutzreflexe, eigene Atmung und Reaktion auf Schmerzreize.
Solche Situationen hat man aber nur, wenn man bei Einsetzen des KF dirket dabei ist.

Gm1

RS-USER-Rippenspreizer
05.09.2006, 15:13
Und genau deswegen ist es auch nur fair, dem patienten etwas Analgosedierung zukommen zu lassen. Zeitverschwendung: Max. 10 Sekunden - Morphin und Midazolam war ja - wenn ich das richtig gelesen hatte - schon aufgezogen...

Rettungstiger
06.09.2006, 12:02
Na ja, wenns schon aufgezogen ist, ist es sicher kein Problem, weil man den Defi ja auch erst betriebsbereit haben muss.

Aber ist es vertretbar die Defibrilation um 1 Minute zu verzögern, weil der Patient evtl. was spüren könnte, wenn laut Studien die wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Defibrillation, auch bei HDM, pro minute tendenziell abnimmt?

RS-USER-Elektro-Dengel
06.09.2006, 13:03
Original geschrieben von Rettungstiger
Aber ist es vertretbar die Defibrilation um 1 Minute zu verzögern, weil der Patient evtl. was spüren könnte, wenn laut Studien die wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Defibrillation, auch bei HDM, pro minute tendenziell abnimmt?

Gute Frage ! Würde mich nämlich auch interessieren! Ich fänds logischer erst zu defibrillieren (FRÜH-Defibrillation) und anschließend analgosedieren. An die 300 J wird sich der Pat., vorausgesetzt er überlebt, dank Dormicum, später eh nicht mehr erinnern!

Aber naja, ich frag mich ja auch warum ich auf der einen Seite lerne, dass die Chance einer erfolgreichen Dfibrillation mit jeder Minute um 10 % sinkt, auf der andren Seite aber nach neuem Algorythmus erst mal min. 2min. HDM tun tu, bevor ich das erste mal schießen darf! Aber das is ja ne andre Baustelle!

RS-USER-schmoelzi
06.09.2006, 13:35
Naja, ich kann nur Berichten wie ich es damals bei einem Einsatz erlebt habe.

Pat. mit bekannter Herzinsuffizienz, RD wegen Atemnot gerufen. RTW mit NEF anwesend.
Während Anamneseerhebung wird Pat. b-los.
-> Rückenlage mit überstrecktem Kopf und assistierte Beatmung lt. Anweisung Arzt.

EKG geklebt, Pat. fällt in ein Kammerflimmern und der Doc hält mit dem LP12 dagegen. Aufgrund des plötzlichen auftretens kurz nach unserem eintreffen waren auch noch keine Medikamente bereit, darum jammert Pat. nach Schockabgabe kurz Aua Aua.

Später hat sich herausgestellt, dass die Pat. nicht wegen der Herzinsuffizenz oder der Atemnot in die Bewusstlosigkeit gefallen ist, sonder wegen einer bewusst herbeigeführten Überdosis an Medikamenten.

War jedenfalls sehr komisch einen eindeutig bewusstlosen Pat. nach der Schockabgabe jammer zu hören.

RS-USER-Katja
06.09.2006, 17:05
Wenn jemand vor meinen Augen am Monitor flimmert und die Äugelein gen Himmel dreht, gibt das - falls keine Klebepaddels - den berüchtigten präcordialen Faustschlag und sonst Strom.

Begründung: Solange der flimmert, ist es ziemlich egal, ob ich was an Analgosedierung gebe, da es sich mangels effektivem Herzzeitvolumen eh nicht im Körper verteilt und seinen Wirkort Hirn bestenfalls per Diffusion erreichen kann.
Außerdem ist Zeit ja bekanntlich Hirn bzw. Myokard.

Wenn ich wen habe, der reanimiert wird und darunter das Bewußtsein wiedererlangt oder eine Vorstufe von Bewußtsein, dann wird der natürlich analgosediert. Ob jemand unter Reanimation wieder anfängt, mit Armen und Beinen zu rudern und nach dem Tubus zu greifen sagt mir ja auch was darüber aus, ob da was zu retten ist. Wenn jemand so gar nichts tut und unter weidererlangtem Kreislauf keine Reaktionen auf Tubus und sonstige unangenehme EInflüsse zeigt, ist die Liegezeit meist länger als angegeben.

RS-USER-Rippenspreizer
06.09.2006, 21:08
Original geschrieben von Katja
Begründung: Solange der flimmert, ist es ziemlich egal, ob ich was an Analgosedierung gebe, da es sich mangels effektivem Herzzeitvolumen eh nicht im Körper verteilt und seinen Wirkort Hirn bestenfalls per Diffusion erreichen kann.
Das ist mal ein plausibles Argument. Irgendwie logisch, aber trotzdem ist mir das gar nicht in den Sinn gekommen...

RS-USER-Bärentöter
06.09.2006, 21:30
Anästheten in der Notfallmedizin...

RS-USER-Katja
07.09.2006, 10:07
Original geschrieben von Bärentöter
Anästheten in der Notfallmedizin...
Ja bitte? :D

RS-USER-Bärentöter
07.09.2006, 10:13
Original geschrieben von Katja
Ja bitte? :D

damit meine ich, daß die öfter analgosedieren, als notwendig wäre.
Wenn der Patient bei meinem Eintreffen leblos ist, braucht er keine Sedierung, wenn er erst später flimmert, halte ich sie für nachrangig. Circulation before Schmerzfreiheit.