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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : perioperative Anämie



Con
13.10.2006, 15:06
In den letzten Wochen diskutieren wir in meiner Abteilung darüber wie "hoch" der Hb sowohl prä- als auch postoperativ zu sein hat. Speziell bei landläufig "schwer Herzkranken" Patienten gehen die Meinungen weit auseinander. Hier ist weniger die Lehrbuchmeinung gefragt, sondern viel mehr wie es im Alltag aussieht. Es gab keinen konkreten Vorfall, wir diskutieren dieses Thema aus Interesse.

Manch ein operatives Fach toleriert einen Hb von 8 g/dl , die anderen meinen 10 g/dl sei das nonplusultra. Die Kardiologen empfehlen den Hb "hochnormal" zu halten.

Nun meine Fragen an Euch:
Wie handhabt Ihr das bei Patienten mit Elektiveingriffen (vor allem Abdominalchirurgie, Orthopädie, Gefäßchirurgie), ab wann transfundiert Ihr präoperativ auf?
Welchen "Ziel - Hb" stebt Ihr an?
Welche postoperativen Hb´s toleriert Ihr?
Welche strebt Ihr an?

Danke soweit.

RS-USER-Katja
13.10.2006, 16:34
Ich habe Dir mal unser SOP kopiert, das wäre etwa die Kurzfassung dessen, worauf wir uns innerklinisch haben einigen können:

SOP „Transfusionstrigger für die Gabe von Erythrozytenkonzentraten“

Grundsätze:
•Normovolämie ist immer erforderlich.

•Bei anämiebedingtem Laktatanstieg, Tachykardie, neu aufgetretener ST-Strecken Senkung und Abfall der zentralvenösen Sättigung unter 50% ist in der Regel eine Transfusion indiziert.

•Es gibt bei Erwachsenen ohne angeborenen Herzfehler keine Situation, in der eine Transfusionsindikation bei einem Hb Wert über 10 g/dl besteht.

•Bei Patienten >75 J. und Patienten mit kritischer Organdurchblutung (z. B. akutes Koronarsyndrom, inkomplette Revaskularisation, LV Hypertrophie, Low Output-Syndrom, cerebraler Pathologie, AVK) wird ein Hb von 9–10 g/dl angestrebt.

•Bei Patienten >65 J. und Patienten mit kardialer Anamnese ohne signifikant eingeschränkter Koronarreserve z. B. nach vollständiger koronarer Revaskularisation wird Hb Wert von 8-9 g/dl als ausreichend angesehen.

•Bei Patienten <65 J. ohne Verdacht auf kardiopulmonale Einschränkung ist bei einem Hb Wert über 7,5 g/dl keine Indikation zur Transfusion gegeben.

Literaturhinweise:
1. Madjdpour C, Marcucci C, Tissot J-D, Spahn DR (2005): Perioperative Bluttransfusion Nutzen, Risiken und Richtlinien. Anaesthesist 54, 67-82
2. DR Spahn, Schanz U, Pasch T (1998): Perioperative Transfusionskriterien. Anaesthesist 47, 1011-1020
3. Hebert PC, Yetisir E, Martin C, Blajchman MA, Wells G, Marshall J, Tweeddale M, Pagliarello G, Schweitzer I and The Transfusion Requirements in Critical Care Investigators for the Canadian Critical Care Trials Group (2001): Is a low transfusion threshold safe in critically ill patients with cardiovascular diseases? Crit Care Med 29: 227-234
4. Rao SV, Jollis JG, Harrington RA, Granger CB, Newby LK, Armstrong PW, Moliterno DJ, Lindblad L, Pieper K, Topol EJ, Stamler JS, Califf RM (2004): Relationship of Blood Transfusion and Clinical Outcomes in Patients With Acute Coronary Syndromes JAMA 292: 1555-1562.
5. Practice Guidelines for Blood Component Therapy: A Report by the American Society of Anesthesiologists Task Force on Blood Component Therapy. Anesthesiology. 84(3):732-747,

Con
13.10.2006, 16:43
Danke soweit, das deckt sich mit "unserer" Handhabung.

Vitalfunktionsmechaniker
05.11.2006, 16:03
Wie sieht es denn bei euch mit dem Hämatokrit aus?
Der Hb ist ja nur die eine Seite der Medaille...
Bei KHK-Patienten besteht ja zB die Empfehlung den HKT unanbhängig vom Hb über 30 % zu halten.

Con
05.11.2006, 17:14
Der wird in der Regel vom ärztlichen Personal ignoriert, es sei denn das Pflegepersonal weist ausdrücklich auf einen fiesen Hkt hin bzw. um einen niedrigen Hb mit den Worten: "Das ist alles verdünnt!" zu bewerten.

silver tabby
08.11.2006, 14:25
Ich sags mal ganz bewusst lapidar... Bei uns wird bei kardial gesunden so lange wie möglich auf eine Fremdblutgabe verzichtet, i.e. Transfusion erst ab Hb 7 oder weniger. Bei kardial "vorgeschädigten" sollte der Hb 9-10 betragen.
Wir machen allerdings auch gerne unmittelbar präoperativ eine Hämodilution: einfach 600-800 ml Vollblut via dicke Braunüle oder Shaldon ablaufen lassen, an die Seite stellen, und wenn der Hb dann unter 6,5 fällt, oder spätestens am Ende der OP, kriegt er es zurück. In der Tat hat man den Eindruck, dass die Patienten weniger Fremdblut brauchen.
Besonders gern machen wir das bei Eingriffen wie Leber-Lebendspende, Cystektomie und andere blutige Abdominal-OPs.
Von dem Hb > 10 sind wir hier eigentlich ein wenig weg, da die rheologischen Eigenschaften bei einer leichten Anämie ja eher besser sind.
Lg,
die Katze