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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : beta-Blocker beim akuten Infarkt



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RS-USER-DoktorW
16.10.2006, 13:36
Ich hatte eben eine kleine Diskussion mit einem Kollegen. Daher würde mich mal interessieren, wie ihr so mit beta-Blockern im akuten ST-Hebungsinfarkt umgeht.

Es gibt da ja verschiedene Auffassungen. Die Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Kardiologie von 2004 bejahen das ja eher, in der aktuellen Notfallmedizin up2date wird beim herzinsuffizienten Patienten eher davon abgeraten.

Wie handhabt ihr es so? Habt ihr eine HF-Grenze? Bekommt es jeder HI?

Bin gespannt!

RS-USER-Bärentöter
16.10.2006, 13:39
für mich Standard, solange keine ausgeprägten KI (COPD!) dagegen stehen und die Insuffizienz nicht zu stark ausgeprägt ist. HF-Grenze: meinst Du nach oben oder nach unten?

Gasmann1
16.10.2006, 13:56
Wie sie meisten unserer Internisten - eher zurückhaltend. Wenn nach ausreichender Analgesie und Anxiolyse immer noch eine Tachykardie vorliegt, würde ich mit Metoprolol therapieren. Nach zwei rasch progredienten kardiogenen Schocks in den letzten Schichten bin ich beim STEMI vorsichtiger. Beim ACS ohne ST-Elevation hingegen gerne.

Gm1

RS-USER-Rippenspreizer
16.10.2006, 15:07
Ich halte mich da auch eher zurück. Bei massiven HRST oder HF > 90 bzw. RR > 170 mmHg (nach Nitrogabe) gebe ich schon fraktioniert Beloc. Vorausgesetzt natürlich, das ACS geht nicht mit einer klinisch relevanten COPD einher.
Ist - wie so vieles - eine Glaubensfrage. Und ja, ich glaube, dass der myokardiale Sauerstoffverbrauch idealerweise minimiert werden sollte. Dennoch sollte man immer im Hinterkopf haben, dass ein Rückzug nach Gabe von ß-Blockern nicht mehr möglich ist. Wenn es zu einer CPR mit Einsatz von Katecholaminen kommt, habe ich mir einen Großteil der Rezeptoren blockiert und das könnte sich dann schlimmstenfalls bitter rächen...

Im Gesamtkontext (Pat. hat STEMI oder NSTEMI, ist panisch und nimmt ohnehin ß-Blocker) kann man bei zusätzlichen HRST sicherlich die fraktionierte Metoprolol-Gabe rechtfertigen. (Das Zeug hat ja auch keine ewig lange Halbwertzeit)
Natürlich neben den üblichen Dingen wie ASS, Heparin/Clopidogrel (?) und Morphin. Ich hab bei einem HI auch schon mal einen Hauch Midazolam gegeben; erlaubt ist, was den Patienten beruhigt und dadurch den O2-Verbrauch senkt.

:-meinung
Daniel

RS-USER-Bärentöter
16.10.2006, 15:15
Original geschrieben von Rippenspreizer
Ich Ich hab bei einem HI auch schon mal einen Hauch Midazolam gegeben; erlaubt ist, was den Patienten beruhigt und dadurch den O2-Verbrauch senkt.


oder Diazepam, es darf ja ruhig etwas länger wirken.

RS-USER-Schädelspalter
16.10.2006, 16:28
Diese Woche wurde mir eine ältere Patientin mit der Diagnose "ST-Hebungsinfarkt im beginnenden kardiogenen Schock" gebracht. Irgendwie kam sie mir komisch vor (das EKG auch), tatsächlich war nach Behebung einer Frequenz von ca 140/min nichts mehr von ihren (tachykardiebedingten) ST-Hebungen übrig.

Aber zum Thema:
Unsere Notärzte sind eher zurückhaltend, wenn nach dem üblichen Programm noch eine Tachykardie besteht, benutzen die meisten doch Metoprolol (Beloc) milliliterweise titrierend. Das kommt aber eher am Ende der Überlegungen.

Beachbaer82
16.10.2006, 17:49
Das NEFSystem hier gibt 99% aller Infarktpatienten Beloc. Sogar bei HF ca 60 und Druck ca 120mmHg...
Auf Nachfrage hab ich gesagt bekommen, das der positive Effekt der besseren Sauerstoffversorgung dem evtl. negativen Druck oder Frequenzabfall gegenübersteht. Natürlich sollte man vorsichtig sein, aber so 1-3mg bekommt jeder...

RS-USER-Katja
16.10.2006, 20:14
In Anbetracht der Tatsache, daß selbst unsere ACB-Patienten ihre Betablocker morgens präOP bekommen - und die kriegen intra- und postoperativ meist irgendwann Katecholamine ;) -, und auch dorct die Vorteile bzgl. gesenktem Sauerstiffverbrauch usw. überwiegen, halte ich die Blockade der Betarezeptoren durch
einmalige Metoprololgabe für vertretbar.
Ich schreib' morgen noch was dazu, heute bin ich nach 13 Stunden OP zu platt :heul:

RS-USER-Rippenspreizer
16.10.2006, 23:17
Original geschrieben von Katja
...heute bin ich nach 13 Stunden OP zu platt :heul:

Irgendwas machst Du falsch...

:-p

Neuer Smiley: :kaffee:

(DoppelpunktkaffeeDoppelpunkt)

RS-USER-DoktorW
17.10.2006, 08:13
Test:

:kaffee:

silver tabby
17.10.2006, 08:20
Ein interessantes Thema... Wie wärs, wenn jemand noch mal die Reihenfolge der Massnahmen zusammenfasst? War lange nicht mehr online, deshalb weiss ich gerade nicht, ob das in einem anderen Thread schon abgehandelt worden ist...?
Lg,
die (schon fast verschollene) Katze

RS-USER-Katja
17.10.2006, 19:42
Wo sind eigentlich diese vor Studien sprudelnden Cardiologen, wenn man sie mal braucht :-p

Södele: Für Metoprolol (und Atenolol) ist im Infarkt eine Senkung der Sterblichkeit nachgewiesen. Es wird teils auch Esmolol empfohlen, aber davon würde ich präklinisch die Finger lassen, weil es doch ein deutliches Rebound-Phänomen macht, was bei der kurzen Halbwertszeit Probleme machen kann. Das ist eher was für Station und Perfusormedizin.
Die Gabe von Betablockern senkt sowohl Infarktgröße als auch die Infarktletalität, Beachtung der Kontraindikationen vorausgesetzt. Bei instabiler AP soll eine Betablockade auch die Infarkthäufigkeit senken.
Die besten Ergebnisse erwartet man aus naheliegenden Gründen bei Patienten mit (Sinus)Tachykardie, TAA, Hypertonus und immer wieder auftretenden ischämischen Schmerzen. Die Begründung für die Gabe von Betablockern ist in der Reduktion des Sauerstoffverbrauchs am Herzen zu suchen (über Frequenzsenkung und dadurch Verlängerung der Diastole, was zu einer Verbesserung der Coronarperfusion führt).

Persönlich kriegt jeder, der nicht nach akutem kardiogenen Schock - möglichst noch mit Mitralklappenausriß - aussieht und weder hochgradige AV-Blöcke noch Sick-Sinus-Syndom oder Asthma aufweist, im ACS oder Infarkt einen Betablocker (man muß ja nicht 5mg Metoprolol im Schuß reindrehen...).

RS-USER-Katja
17.10.2006, 19:47
Original geschrieben von Rippenspreizer
Irgendwas machst Du falsch...

:-p

Neuer Smiley: :kaffee:


Ja, ich lasse mich in den falschen Sälen einteilen :rolleyes:

RS-USER-Bärentöter
17.10.2006, 20:47
ich richte mich weder nach (wer bezahlt die eigentlich?) Studien oder EBM, sondern nach meinem gesunden Menschenverstand. Und da spricht alles (auch nach Studien!!!) für ß-Blocker!

RS-USER-DoktorW
18.10.2006, 08:47
Mein "Problem" ist hier halt, dass ich nur Esmolol oder alternativ Propanolol zur Verfügung habe.

Kennt jemand Links zu Studien? Mein Kollege meinte, er hätte die Tachykardie (130/min) in diesem Fall eher mit Amiodaron verlangsamt. Auf die Idee wäre ich so nicht gekommen..

Vitalfunktionsmechaniker
04.11.2006, 18:11
Wie schon in den anderen Antworten beschrieben und dargelegt sind Betablocker bei ACS, STEMI und NSTEMI
indiziert. Siehe hierzu auch www.erc.edu
Bei einer Tachykardie im Rahmen eines ACS sind sie auf jeden Fall Amiodaron vorzuziehen, es sei denn es handelt sich um Kammerflimmern:-p
Generell sollten Antiarrhythmika nur bei bestehender Indikation eingesetzt werden und nicht prophylaktisch. Für Amiodaron sind mir in dieser Richtung keine Studien bekannt, wohl allerding die CAST-Studie für Klasse 1C-Antiarrhythmika. Diese sind als prophylakische Gabeklar nicht indiziert bei ACS.
Du hast doch mit Esmolol das perfekte Medikament für die Präklinik, denn durch die kurze HWZ kannst du die geforderte HF von ca. 60 bpm via Perfusor eintitrieren und bei Bedarf sofort "zurückrudern".
Z.b. könnte sich ja hinter dem vermuteten Infarkt ja auch mal eine Aortendissektion verstecken. Hier läge die einizige therapeutische Option präklinisch in der Begrenzung der Druckanstiegsgeschwindigkeit in der Aorta ascendens - eben mit einem kurzwirksamen Betablocker. Du kannst also mit Esmolol nichts falsch machen.

RS-USER-Katja
05.11.2006, 07:23
Original geschrieben von Vitalfunktionsmechaniker

Du hast doch mit Esmolol das perfekte Medikament für die Präklinik, denn durch die kurze HWZ kannst du die geforderte HF von ca. 60 bpm via Perfusor eintitrieren und bei Bedarf sofort "zurückrudern".

Bisserl OT: "Perfusor" ist ein Wort, das auf den meisten RTWs hier in der Gegend zu gewissen Verwirrungen führt. Es ist nicht so, daß keiner da wäre, aber meist dauert die Suche nach Perfusorleitung und/oder Perfusorspritze ein Weilchen an :o Darum sind bei uns perfusorgesteuerte Medikamentengaben draußen weniger populär (was mich nicht nur glücklich macht, etwa bei Supra oder Nitro...) und ich meide wegen der Reboundtachykardie dann Esmolol.

Amiodaron für reine Tachykardie halte ich bei dem Spektrum an Wirkungen und Nebenwirkungen, die es halt so hat, unabhängig von allen Studien für schlicht nicht indiziert. Für TAA besonders nach Infarkt ist es ideal, aber für eine Sinustachykardie?

RS-USER-DoktorW
05.11.2006, 10:47
Die französischen Kardiologen sehen das sehr kritisch und raten nur im Ausnahmefall präklinisch dazu.

Auch die aktuelle Notfallmedizin up2date beschäftigt sich mit dem Thema, und stellt laut COMMIT Studie die Metoprolol Gabe in Frage, gerade bei hämodynamischer Instabilität. Insgesamt ist die Aussage meiner Meinung nach aber weder Fisch noch Fleisch.

Die DGK sagt auch:


Insgesamt werden Beta-Blocker in der akuten Infarktphase immer noch selten eingesetzt. Besonders in allen Fällen mit Tachykardie (ohne Herzinsuffizienz-Zeichen) und Hypertonie
sollten Betablocker (z.B. Metoprolol) großzügig und auch intravenös eingesetzt werden (I-A). In den meisten Fällen ist eine frühe orale Gabe ausreichend (I-C).

Diese "und" Kombination liegt häufig auch nicht vor.

Vitalfunktionsmechaniker
05.11.2006, 11:11
Mal über den grossen Teich geschaut: Dort werden Betablocker präklinisch generell nicht gegeben. Auch den ACS-Leitlinien des ECR ist es eine KANN und keine MUSS Bestimmung. Hintergrund der Sache ist allerdings die Behandlung durch Paramedics. Hier scheint man Angst davor zu haben, dass Paramedics eine Herzinsuffizienz als Kontraindikation nicht sicher erkennen können. Im notartzgestützen Rettungswesen sollte man den Patienten meiner Meinung nach die bestmögliche und nicht nur die notwendige Behandlung anbieten. Betablocker gehören da beim ACS und Fehlen von absoluten Kontraindikationen dazu. Klinisch sind sie auf jeden Fall indiziert und die evt. doch auftretenden Nebenwirkungen kannst du ja behandeln. Letztendlich ist doch die Absprache mit den aufnehmenden Kardiologen die beste Lösung. Es gibt auch Bereiche die bereits im RTW eine Loading-Dose Clopidogrel verbreichen, wenn eine Katheterinervention ansteht - warum nicht? Schreiten wir zum Äussersten - reden wir mit den Leuten. ;)

Beachbaer82
05.11.2006, 11:28
Original geschrieben von Katja
Bisserl OT: "Perfusor" ist ein Wort, das auf den meisten RTWs hier in der Gegend zu gewissen Verwirrungen führt. Es ist nicht so, daß keiner da wäre, aber meist dauert die Suche nach Perfusorleitung und/oder Perfusorspritze ein Weilchen an :o

Was das denn fürn Rettungsdienst???
Hier ist das net unbedingt selten...