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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : "Wahrscheinlich Fremdkörperaspiration"



RS-USER-Katja
23.11.2006, 19:42
... XX-41, Sie fahren Hermann-Meier-Straße 3, dort wahrscheinlich Kind mit Fremdkörperaspiration. Das NEF nimmt den dritten NA auf und folgt Euch dann" ist die Einsatzmeldung in früher Abendstunde.
Ihr seid recht schnell da, nach kurzer Orientierungsschwäche wegen schlecht beleuchteter Hausnummern findet sich auch die Nummer drei und ihr kommt in eine Wohnung. Im Flur empfängt Euch ein Mann mit seinem Kind auf dem Arm. Das Kind jammert leise und sabbert schon auf den ersten Blick ziemlich.
Vater und Kind sind übrigens Schwarze.

Was jetzt?

RS-USER-rettungshamster
23.11.2006, 20:43
Guten Abend sagen und mir etwas von der Vorgeschichte erzählen lassen ...(war der Vater bei dem Ereignis dabei, was glaubt er könne es sein....etc.)

Bei der Gelegenheit kann er gleich mal die Versicherungskarte suchen gehen ;)

Und damit es dann mal so aussieht das wir uneingeschränkt für das Kind da sind, empfehle ich mal eine Pulsoxymetrie, Inspektion des Halses -> ist was sichtbar (es sei denn die MagLite funzt noch) -> sollte was zu sehen sein, mal versuchen mit der Magill etwas zu erwischen (wenn man dann mal wissen würde was sich da verlagert hat) und manuell zu entfernen.

Sonst mal die Vitalwerte anschauen-> RR,P, EKG....und damit es Rund ist auch ruhig mal ein BZ

RS-USER-Küchenhexe
23.11.2006, 21:01
Klar, die Basisdiagnostik läuft durch. Bewußtsein, Atmung, Kreislauf? Gründliche Inspektion der Atemwege, SpO2? RR, EKG, BZ? Möglichst genaue Anamnese.
Ich lass mich auch mal dahin führen, wo das alles passiert ist, und sehe nach, was denn dieses Kind möglicherweise in den Mund genommen haben könnte. Hmmm, vermehrter Speichelfluß - da leuchten bei mir im Hinterkopf auch mal die "Intox"-Warnlämpchen auf. Spontan fallen mir da Säuren bzw. Laugen, Alkylphosphate, manche Pilze sowie Blei und Quecksilber ein... Jetzt hätte ich gerne viel Licht und die Aussage des Vaters, ob ihm bei Juniors Hautfarbe irgend etwas ungewöhnliches auffällt.

RS-USER-Elektro-Dengel
23.11.2006, 21:22
Also Basics schön und gut, aber übertreiben würd ichs erst mal nicht! Der Aktionismus, den meine Vorredner hier propagieren, wirkt sich sicherlich nicht gut auf den kleinen aus, und auf die Eltern auch nicht.
Bevor ich mit irgendwelchen Sachen die mit Kabeln, kalten Elektroden und piepsenden Geräten zu tun haben anfang, begebe ich mich erst mal mit Papa und Filius (oder Filia?) ins Wohnzimmer und bringe erst mal Alter und Hergang dessen was da passiert is in Erfahrung. Solang das Kind noch jammert, is Zeit für sowas. Das Kind für nen BZ zu pieksen halte ich mal für extrem überzogen!
Und Hamster, was hast du mit der Magill-Zange vor?? Du willst doch nicht bei nem bew.klaren Patienten mit sowas anfangen. Mal davon abgesehn, dass der Kleine sich das sicherlich nicht gefallen lassen wird!

Ich weiß ja, dass hier bei den meisten Fallbeilspielen erst mal "basics abarbeiten" geschrieben wird, um denn ganzen Spass ein wenig abzukürzen, aber hier würd ich gerne besonderen Wert darauf legen, dass kein blinder Aktionismus ausbricht!

RS-USER-Küchenhexe
23.11.2006, 21:38
Ich könnte hier auch versuchen, die gesamten Algorhythmen in Worte zu fassen, aber das wäre sicher etwas zu lang. Ich denke mal, daß die meisten im Forum mit den Abläufen soweit vertraut sind, daß sie die "wenn x, dann y" - Teile der Basisdiagnostik hier einfügen können. Wenn ich zum Beispiel keinerlei Hinweise für eine irgendwie geartete Atemnot entdecken kann und in der Anamnese (die ja parallel ablaufen kann) nichts ist, was einen Verdacht hervorruft, werde ich nicht gleich mit allen verfügbarenm Geräten im Hals rumpulen. Wenn ich aber mehr Daten brauche, werde ich sie mir schon holen! Wenn man das Ganze ruhig, routiniert und mit zwei einigermaßen aufeinander eingespielten Leuten macht, kann man bis mindestens zum EKG alles untersuchen, ohne die Pferde scheu zu machen.

Beachbaer82
23.11.2006, 21:46
Mein erster Gedanke lautet:

Epiglottitis!
Das Kind ist geschwächt, kraftlos ( untypisch ) und dazu dann Sabber ( kann ja dann schlecht schlucken )...

Dahingehende Anamnese
- Alter des Kindes
- zieht sich eine Erkältung hin oder spontanes und schnelles Auftreten
- Fieber?
- evtl. VORSICHTIGE Rachenraumkontrolle

Sollte es sich in diese Richtung entwickeln, zügiges aber ruhiges einladen und ins nä. Kinderkrankenhaus - Lebensgefahr!!!
Keine Manupulation und keine weiteren Maßnahmen außer ggf. O²-Applikation

Wenn der NA vor Ort evtl. ne Verneblermaske...

RS-USER-Elektro-Dengel
23.11.2006, 21:46
Nunja, aber wenn wir hier alle rutiniert und mit den Abläufen vertraut wären, dann bräuchten wir ja keine Fallbeispiele mehr durchspielen! Mir is schon klar, was ihr mit Bsics meint, aber gerade bei Kindernotfällen sollten wir nicht unbedingt mit der "Guten Tag, der Rettungsdienst! Ezählen sie mir mal was passiert is, der Kollege verkabelt sie in der Zwischenzeit!"-Taktik vorgehen.
Zudem sollte man seine "Basics" doch ein bisschen flexibel setzen, v.a. bei Kindern. So wie ihr das geschrieben habt, wolltet ihr ohne euch übermässig mit anamnestischen Informationen zu belasten ;) , mit Magill-Zangen und Nadeln auf das Kind losgehen!

Practicus
23.11.2006, 21:49
........

RS-USER-Elektro-Dengel
23.11.2006, 22:00
Original geschrieben von Beachbaer82
Mein erster Gedanke lautet:

Epiglottitis!
Das Kind ist geschwächt, kraftlos ( untypisch ) und dazu dann Sabber ( kann ja dann schlecht schlucken )...

Dahingehende Anamnese
- Alter des Kindes
- zieht sich eine Erkältung hin oder spontanes und schnelles Auftreten
- Fieber?
- evtl. VORSICHTIGE Rachenraumkontrolle

Sollte es sich in diese Richtung entwickeln, zügiges aber ruhiges einladen und ins nä. Kinderkrankenhaus - Lebensgefahr!!!
Keine Manupulation und keine weiteren Maßnahmen außer ggf. O²-Applikation

Wenn der NA vor Ort evtl. ne Verneblermaske...

Wäre jetzt aufgrund des Sabberns (es se denn das Kind sabbert einfach nur so. Soll ja vorkommen bei Kindern) auch einer meiner ersten Gedanken gewesen !

Bei der Gelegenheit können wir ja mal versuchen eine mögliche Epiglottitis von einem weniger schlimmen Pseudo-Krupp abzugrenzen.

-Fieber: Spricht typischerweise nur für die Epiglottitis wenns richtig hoch is!
-Eintreten: Im Vergleich zum Krupp eher plötzlich!
-Husten: Krupp typischerweise starker bellender Husten,Epiglottitis kein Husten
-Gemeinbefinden: bei Krupp nur kränkelnd, bei der Epiglottitis Eindruck einer wirklich schweren Erkrankung (Fremd-Anamnese durch Eltern: "So schlimm wars noch nie")
-Aktivität: Krupp-Kind unruhig, Epiglotittis-Kind sehr ruhig, ist vollkommen mit Atmen beschäftigt
-Alter: typisches Epiglottitis-Alter 3-5 J., Krupp eher darunter
Hals: beim Krupp-Kind meist o.B., bei Epiglottits-Kind gerne mal geschwollen

Wenn sich der Epiglottitis-Verdacht erhärtet, keine Massnahmen im Rachen !!!!

RS-USER-DerDings
23.11.2006, 22:27
wie alt ist das kind?

während der kollege den vater soweit möglich abfragt (zumindest der zivi müßte doch englisch können :grins: )
und hoffentlich rauszufinden ob und was das kind verschluckt oder getrunken hat.
der daddy bleibt aber beim (un/ruhigen?) kind, das man sich doch näher anschauen sollte um das lästige gefühl im bauch zu vertreiben das uns immer bei resp. erkrankungen im kindesalter beschleicht.

wie reagiert das kind auf ansprache/berührung?
atemfrequenz? -tiefe? anzeichen einer verlegung?
auskultieren dürfte nicht schaden
kreislauf: hf? refill?

ich seh mich um, liegt das was rum das verdächtig erscheint? lego, knöpfe, bohnen, eine flasche weichspüler o.ä.

RS-USER-Katja
24.11.2006, 17:06
So, wieder da :)

Der Papa ist des Deutschen mäßig mächtig, aber sein deutsch ist besser als das Französisch der anderen Anwesenden.
Der Filius ist 2 Jahre und hat in einem unbeobachteten Moment im Badezimmer offenbar (Führung zur Inspektion des Tatorts durch den Vater) in die Toilette gegriffen und den schön nach Zitrone duftenden WC-Stein geangelt und davon abgebissen :eek:

Die Sättigung ist 99%, die Hf 140bpm, der Kleine quäkt und nölt - und es fallen neben dem Sabbern Bläschen auf den Lippen auf und Rötungen am Lippenrot. Die Capillary refill-Zeit ist ca 1s.
Atmung ist eher unauffällig bis auf das Blubbern vom Speichel.

Der Papa sagt, er habe die Reste vom WC-Stein aus dem Mund des Kleinen gepult und präsentiert sie auch (dieses gelbe Chemieabfall-Zeug, was sich manche Leute aus unklaren Gründen in die Toilette hängen). Es scheint - soweit beurteilbar - weniger als 1/4 des Dings zu fehlen. Er habe auch schon versucht, dem Zwerg den Mund auszuspülen, aber der hat wohl schnell das Mitmachen verweigert.


Was wollt ihr jetzt?

- aber schöne Epiglottitis-Abrisse habt ihr da, Glückwunsch :) -


(Bin so ab kurz nach acht nochmal da, muß noch auf sowas wie einen Krankenbesuch...)

RS-USER-blacksheep
24.11.2006, 17:25
Ich nehm mein Telefon und ruf bei der nächsten Giftnotrufzentrale an :) Vielleicht find ich ja noch den Hersteller und die "Inhaltsstoffe" und kann mich von denen über ihre Wirkung aufklären lassen . Wenn uns die Zentrale was schlimmeres zurückgibt ist natürlich das folgende hinfällig. Wenns nun nicht primär Lebenbedrohend ist kommt folgendes:
Die Rötung weisst wahrscheinlich auf eine Reizung des mit dem Zeug in Kontakt gekommenem Gewebe hin. Ob der Doktor im Hinblick auf ne mögliche Schwellung des Rachenraums trotz des derzeitig noch stabilen Kindes eine ITN machen möchte um die Atemwege zu sichern ist fraglich. Ich in der Situation würde von Abstand nehmen und mich um den zügigen (aber noch ohne Sonderrechte) Transport in eine Klinik mit pädiatrischer Abteilung kümmern.

edit: Fehlerkorrektur

serial2k
24.11.2006, 17:29
D'accord @blacksheep.

Auf jeden Fall noch an Sab Simplex denken, wenn ich mich recht entsinne schäumen diese WC-Steine, es sei denn die Giftnotrufzentrale sagt was elementar anderes.

RS-USER-Bärentöter
24.11.2006, 17:47
Ein Klostein besteht aus einer wasserlöslichen Trägersubstanz und anionischen Tensiden (15-30 %) sowie geringfügigen Anteilen nichtionischer Tenside (1-5%), Wasserstoffperoxid und synthetischen Duft- bzw. Farbstoffen. Etwa ein Drittel der Produkte enthält nach Angaben von Stiftung Öko-Test künstliche Moschusverbindungen, des weiteren halogenorganische Verbindungen, anionische Tenside und Wasserstoffperoxid. Eine weitere Substanz in Klosteinen ist das stark riechende Paradichlorbenzol dem jedoch eine keimtötende Wirkung fehlt und dass als Abfallprodukt in der chemischen Industrie entsteht.

(Wiki)

Practicus
24.11.2006, 18:04
..............

Beachbaer82
24.11.2006, 18:11
Giftnotruf wurde genannt, Sab Simplex wurde genannt,
nicht zum erbrechen/kein Wasser zur Verdünnung geben wurde genannt - mehr fällt mir ( ohne Auskunft des GN ) nicht ein.

Sollte der NA ( der sicherlich in der Situation auch erstmal nachschlagen muss... ) noch nicht da sein würde ich auch RUHIG aber zügig den Transport vorbereiten.

Vor Ort kann man sicherlich nichts machen, ein Transport wird stattfinden, also Zeit nutzen aber beruhigen. Das Kind ( und die Eltern ) brauchen keinen Stress...

RS-USER-Katja
24.11.2006, 21:45
Wir haben noch in den Mund geguckt, da fanden sich noch mehr rote Flecke und kleinere offensichtlich arrodierte Stellen. Geschwollen sah der Tonsillenbereich innen auch aus, daher das auffällige Sabbern.

Und doch, geschluckt könnte er etwas haben, denn der "Stein" war nur zu etwa 2/3 - 3/4 wieder da.

Die Giftnotrufzentrale sagt, daß die Gefährung - so denn tatsächlich etwas von dem Zeug verschluckt wurde - in erster Linie dadurch bestehe, daß diese Klosteine einen basischen pH haben und wir Kolliquationsnekrosen der Schleimhäute und der Speiseröhre (des Magens) bekommen könnten. Die raten an, weiter zu spülen. Sab hielten sie erstmal für verzichtbar, besonders solange unklar ist, wie die Speiseröhre weiter unten aussieht (sonst ist es aber bei Schuambildnern eine gute Idee, logo)

Zum Erstaunen aller Beteiligten läßt der Kleine das mit dem Spülen dann doch über sich ergehen, das kühle Wasser bringt wohl auch ein Gefühl der Linderung (ich bezweifle, daß es mein großartiger Einfluß auf kleine Kinder ist....) und wird so nach Anmeldung in die Kinderklinik transportiert..
In der Klinik wird diskutiert, ob man ihn intubieren und gastroskopieren soll, um das Ausmaß der Verätzungen im oesophagealen Bereich einschätzen zu können; man entscheidet sich dagegen. Das Kind wird zur Überwachung über Nacht dabehalten und zwei Tage später mit abheilenden Stellen im Mundbereich nach Hause entlassen. Er hat in der Kinderklinik wohl noch Dexamethason zum Abschwellen der Schleimhaut bekommen und (aus mir nicht klaren Gründen) eine Antibiose. Falls er tatsächlich was verschluckt hat, hat es keine bekannten Komplikationen hinterlassen.
(ich wäre allerdings schon Schisser genug gewesen, um da einmal mit dem Gastroskop reinschauen zu lassen - nicht daß es da in ein paar Jahren Narbenzüge gibt oder in der Nacht eine PErforation entsteht, so eine Mediastinitis ist ja auch nichts Schönes...)

RS-USER-Bärentöter
24.11.2006, 22:29
schönes Fallbeispiel!
Ich hätte übertrieben....

RS-USER-apoplex
24.11.2006, 23:08
Bei der Tabelle Krupp/Pseudokrupp kann man auch mal nach dem Impfausweis fragen, gerade bei Migrationshintergrund ist eine fehlende Diphterie-Immunisierung gut möglich. Gelegentlich interessieren sich Pädiater bei der aufnahme auch für Mutterpass, Impfbuch und ähnliche Unterlagen, wenn vorhanden also auch mit einpacken lassen.

e.kageh
24.11.2006, 23:11
vll bestand durch die zersetzung der schleimhaut die gefahr der ödembildung (gab ja auch kortison) und somit eine eintrittspforte für keime. bei minderdurchblutung im dünndarm gibts ja auch die gefahr der translokation von erregern vom gi trakt ins blut (sirs).