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David Seemayer
17.12.2006, 22:01
Wir sind mit dem NAW gerade am Rückweg von einem relativen Fehleinsatz als wir vom ÄND zu einer bewusstlosen Person nachgefordert werden. Vor Ort befindet sich bereits ein SEW. Nach ca. 10 Minuten Fahrt erreichen wir den Einsatzort.
In der der engen Küche (mit Steinboden) liegt eine ca. 40 Jahre alte, magere Frau. Sie ist nicht ansprechbar und wird wegen insuffizienter Atmung von einer Sanitäterin mit Beutel assistiert beatmet. Wie lange die Patientin hier liegt, lässt sich nicht feststellen, aber sicher schon länger, da eine massive Hypothermie auffällt. Die Fremdanamnese ergibt ansonsten wenig brauchbares, außer dass die Patientin Alkoholikerin ist. Es werden auch einige Medikamentenpackungen gefunden, aber nirgends fehlt eine signifikante Anzahl. Die Umstände lassen eine Mischintoxikation mehr als wahrscheinlich erscheinen.
Der ÄND-Doc hat nach einem Versuch eine Vene am Handrücken zu punktieren aufgegeben und das Feld wortlos geräumt. Während die Patientin vollständig monitiert wird, versucht der NA noch einmal eine periphere Punktion. Nachdem diese auch scheitert, wird die V. jugularis punktiert. Die RR-Messung hat nun eine starke Hypotonie ergeben. Aufgrund der insuffizienten Atmung fällt der NA die Entscheidung die Patientin zu intubieren.
Die Narkose wird mit Hypnomidate eingeleitet. Relaxiert wird mit Esmeron. Aufgrund der Hypothermie und –tonie wird mit dem Medumat auch eine warme Haes aus dem Auto geholt und angehängt. Im NAW wird eine Körpertemperatur von 34,0 °C gemessen, aber sie uns schon wärmer vor. Die Narkose wird mit Dormicum aufrechterhalten. Wir melden uns telefonisch bei der CCU des ca. 10 Minuten entfernten Schwerpunkt-KHs an und erreichen es auch in dieser Zeit.
Als bei der Übergabe die Patientin entkleidet wird, fällt aus der Hose eine kleine, rosa Tablette. Das CCU-Personal erkennt diese auch auf dem ersten Blick und identifiziert sie als irgendein Benzo. Da wir uns wieder einsatzbereit machen müssen und außerdem schon seit einer halben Stunde der Nachdienst auf sein Gerät wartet, machen wir uns auf den Weg. Die Patientin konnte dank Anexate schon bald wieder selber atmen, allerdings war sie mit 2,7 o/oo Blutalkohol nicht mehr so ruhig und friedlich wie vorher…

Beachbaer82
17.12.2006, 22:21
Da war die Aufrechterhaltung mit Dormicum nicht so perfekt...

Naja, wer sucht auch immer gleich in der Unterhose :confused:

RS-USER-Rippenspreizer
18.12.2006, 12:31
Die Frage, die sich stellt ist, ob man bei unklarer Bewusstseinstrübung ohne Hinweis auf Trauma, unauffälligen Pupillen/Neurologie und vermutlichem/wahrscheinlichem Medikamenten-Abusus nicht einfach mal präklinisch einen AnexateVersuch startet?
Das Zeug kostet zwar auch Geld, aber Benzos sind andererseits auch die häufigere Intoxikationsvariante und hätte in diesem Fall die Intubation ersparen können... Abgesehen davon ist Flumazenil relativ nebenwirkungsarm.

Wie gesagt - kein Vorwurf sondern allgemeine Frage in die Runde.

Daniel

Knusperriegel
18.12.2006, 14:00
Warme Infusion ist ok, aber warum HAES ???

Gasmann1
18.12.2006, 15:37
Original geschrieben von Rippenspreizer
Die Frage, die sich stellt ist, ob man bei unklarer Bewusstseinstrübung ohne Hinweis auf Trauma, unauffälligen Pupillen/Neurologie und vermutlichem/wahrscheinlichem Medikamenten-Abusus nicht einfach mal präklinisch einen AnexateVersuch startet?
Das Zeug kostet zwar auch Geld, aber Benzos sind andererseits auch die häufigere Intoxikationsvariante und hätte in diesem Fall die Intubation ersparen können.

Das sehe ich genau so. Bei uns sind Beatmungs-ICU-Betten ein begehrtes Gut, solchen Patienten würde ich präklinisch Anexate und auch Naloxon (unabhängig von der Pupillenweite wg Mischintox) spritzen - natürlich titriert. Leider haben wir kein Anticholium auf dem NEF aber auch das würde ich für überlegenswert halten.

Gm1

RS-USER-Bärentöter
18.12.2006, 16:53
Original geschrieben von Gasmann1
Gut, solchen Patienten würde ich präklinisch Anexate und auch Naloxon (unabhängig von der Pupillenweite wg Mischintox) spritzen

über Anexate kann man diskutieren, Naloxon ist definitiv übertrieben, solange der Patient nicht junkietypisch aussieht. Alkoholiker und Junkies sind zwei verschiedene Patientengruppen.
Abgesehen von der Tablette in der Unterhose sollte man auch die anderen Schachteln beachten. Bei Alkoholikern erwarte ich in erster Linie Antidepressiva und Benzos.

David Seemayer
18.12.2006, 21:19
Original geschrieben von Knusperriegel
Warme Infusion ist ok, aber warum HAES ???

Der RR war unter 100 und die Ringer hat eigentlich gar nichts ausgerichtet. Deswegen bekam die Pat eine HAES.

@ Intubation / Anexate

Nacher ist man immer schlauer als vorher...
Beatmungsbetten sind hier auch nicht in Massen vorhanden. Das KH Vöcklabruck hat IMHO auf der ICU (Anästhesie-/Trauma-Int) und der CCU (Interne-Int) jeweils 10 oder 12 Beatmungsplätze.

RS-USER-Rippenspreizer
19.12.2006, 08:50
Original geschrieben von David Seemayer

Nacher ist man immer schlauer als vorher...
Deswegen diskutieren wir hier ja ;)

RS-USER-Elektro-Dengel
19.12.2006, 19:11
Original geschrieben von David Seemayer
Der RR war unter 100 und die Ringer hat eigentlich gar nichts ausgerichtet. Deswegen bekam die Pat eine HAES.


Naja, aber Haes is ja für sowas eigentlich nicht gedacht. Damit gleicht man verlorenes Volumen aus! Wenn nun was cardiales die Ursache gewesen wäre, hättet ihr euche Patientin ganz schnell damit umgebracht. Interessant wäre natürlich wieweit denn der RR unter 100 war und inwieweit die Gute denn kreislaufstabil war. Im Liegen mit ner Ladung Benzos intus is ein RR von 90 syst. ja "den Umständen entsprechend" und nicht unbedingt etwas, was ich jetzt und sofort (und dann auch noch so unkonventionell) behandeln muss. Da hat Ariwaymanagement Vorrang (habt ihr ja auch gemacht).

Zum Antagonisieren mit Naloxon:

Ich hab mal gelernt, dass ich auf die Frage nach Naloxon durch den NA in 80-90% der Fälle "Davon würde ich ihnen abraten, Herr Doktor!" antworten sollte, da man sich mit Naloxon keine Freunde bei den Junkies macht. Die randalieren dann halt mal gerne rum. Gut, würd ich auch wenn mich jemand auf die harte Tour von nem Trip runterholen würde. Damit ist die Compliance hin und eine weitere Behandlung schwer bis unmöglich. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass der Pat. sich oder andere verletzt.
Ein weiterer Punkt ist, dass Naloxon wohl eine deutl. kürzere HWZ als das Opiat hat. Damit beginnt dann nach kurzer Zeit der ganze Spass noch mal von vorn.

RS-USER-Bärentöter
20.12.2006, 10:05
Original geschrieben von Elektro-Dengel
Zum Antagonisieren mit Naloxon:

Ich hab mal gelernt, dass ich auf die Frage nach Naloxon durch den NA in 80-90 der Fälle "Davon würde ich ihnen abraten, Herr Doktor!" antworten sollte, da man sich mit Naloxon keine Freunde bei den Junkies macht. Die randalieren dann halt mal gerne rum. Gut, würd ich auch wenn mich jemand auf die harte Tour von nem Trip runterholen würde. Damit ist die Compliance hin und eine weitere Behandlung schwer bis unmöglich.

das ist allerdings richtig. Die Erfahrung habe ich auch schon gemacht.

David Seemayer
20.12.2006, 16:58
Is ja klar. Zuerst kratzt du die Kohle zusammen um dir das Zeug zu beschaffen und dann kommt iregendsoein Dahergelaufener und nimmt dir deinen Trip weg.

krumel
20.12.2006, 19:07
Exakt.. Ich würd auch net den ganzen Vormittag meinen Ars** hinhalten wollen nur damit so ein A*** in roter Jacke mir meinen Tripp wegmacht;) (ich hätte auch noch ein drittes A*** unterbringen können, aber ich hab ja niveau*G*)

Naloxon per se ist ja net schlecht..es bräuchte halt nur nen doc, der es so dosieren kann, dass er gerade wieder "stabil atmend und klappe haltend" ist..
Alles ne Frage der Erfahrung des Docs..

Beachbaer82
21.12.2006, 00:31
Ich habe im Sommer 4 Monate in Frankfurt a.M. gearbeitet. Mein Einsatzgebiet war Rotlichtviertel/Bahnhof und Gallus.
Ich hatte am Amfabg höllischen Schiss vor Drogen Notfällen, da ich die bis dahin net kannte. Nunja... ich hatte ja dafür das TRAUMEinsatzgebiet...
Ich habe nicht mitgezählt, aber es waren einige Drogenintox, und KEINER war nach Gabe von Narcanti sauer als man ihm sagte er habe einen Atemstillstand gehabt. Im Gegenteil ich habe sogar mal Trinkgeld angeboten bekommen!!!

Um der Halbwertszeit etwas entgegen zu kommen, gibt man ( zumindest war es da Standart ) vor den 2 Ampullen i.v. 2 Ampullen i.m. um dies zu umgehen...

RS-USER-blacksheep
21.12.2006, 10:52
Hatte mit Naloxon auch keine "böse" Erfahrungen. Eigentlich waren die Patienten da normal. Auch die verstehn wenn man ihnen erklärt das sie sonst verstorben wären. Natürlich wollen die meisten dann nicht mit ins KH aber zwingen kann man ja keinen. Und wenn man jeden Junkie in die Klinik fahren würde, würden die eh schon vollen KHs total überlaufen.

RS-USER-Bärentöter
21.12.2006, 10:54
Original geschrieben von blacksheep
Natürlich wollen die meisten dann nicht mit ins KH aber zwingen kann man ja keinen. Und wenn man jeden Junkie in die Klinik fahren würde, würden die eh schon vollen KHs total überlaufen.

Hallo, geht's noch? Das ist grob fahrlässig! Naloxon wirkt kürzer als Opiate, das heißt, der Patient kann einen erneuten Atemstillstand bekommen.

RS-USER-blacksheep
21.12.2006, 11:09
Original geschrieben von Bärentöter
Hallo, geht's noch? Das ist grob fahrlässig! Naloxon wirkt kürzer als Opiate, das heißt, der Patient kann einen erneuten Atemstillstand bekommen.
Ist mir und (wahrscheinlich/hoffentlich) dem Doc (hier wird Naxolon nicht ohne Doc gegeben) hinreichend bekannt. Aber ich weiss nicht. Willst du wirklich jeden Junkie mit Polizeigewalt ins KH bringen? Und ihn da dann auch von nem Kollegen in grün bewachen lassen weil freiwillig wir der dort nicht bleiben. Naja wär ne tolle ABM .. wir brauchen mehr Ordnungshüter.

RS-USER-Bärentöter
21.12.2006, 11:47
naja, schon, aber juristisch bist Du nur so auf der sicheren Seite! Der Junkie ist m.E. auch nach Naloxon nicht zurechnungsfähig.